Berlin - Prenzlauer Berg

  • Die architektonische Inspiration für dieses Machwerk dürfte auf der Hand liegen: So etwas.
    Oder etwa doch dies hier?

    Vielleicht wird ja die diesbezügliche Skizze/der Kritzelzettel zum Publikumsrenner im Architekturskizzenmuseum?


    Hoffentlich werden die angrenzenden Fassaden an der Christinenstraße bald fertiggestellt...

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Stimmt, der Vergleich aus gestapelten Umzugskisten und Hochbunker ist nicht von der Hand zu weisen. Die wären im Festungsbau des Dritten Reiches ganz vorne mit dabei gewesen. Sogar die Schießscharten haben sie schon eingearbeitet. Menschen, die nur noch Hässlichkeit nach außen tragen können. Bloß, das fällt ihnen gar nicht mehr auf, weil sie sich ja so hip und allgemein verehrt und den "Spießern" überlegen und avantgardistisch und dekonstruktiv vorkommen. :lachentuerkis:

  • vielleicht auch noch ein Hochbunker aus dem 3. Reich?

    Würde ich nicht sagen. die hatten gelegentlich immerhin Ähnlichkeit mit mittelalterlichen Wohntürmen. Und in ebenjenem Mittelalter hätte man den Baumeister eines solchen Hauses wahrscheinlich noch wegen Gotteslästerung auf dem Scheiterhaufen verbrannt...

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)

  • Dank fuer die Horrorshow, WAM. Ein Museum zum boykottieren. Die Fassade ist doch eine reine Unverschaemtheit! Wer moechte als Fussgaenger daran vorbeigehen muessen? Stumpfe Oede umgibt einen. Die zwar vorhandene Fassadendekoration tut nichts, um den erdrueckenden Effekt dieses gewaltigen Monsters aufzulockern. Kein Wunder, dass mehr und mehr Leute an Depressionen leiden.

  • Noch so ein paar Bausünden vom Prenzlberg, die im direkten Vergleich zu den schönen Gründerzeitlern die Einfallslosigkeit und Rücksichtslosigkeit eines Teils der Architektenschaft zeigt. Diese oft jungen Architekten scheren sich nicht um das Umfeld und die Bautradition, sie ergötzen sich nur an ihren am Computer entwickelten Fassaden und halten sich für wahnsinnig originell. wenn sie dem ewig gleichen Rasterkanon vielleicht eine kleine neue Variante zugefügt haben.
    In einer Demokratie kann eben jeder fast alles machen, was er will, so auch im Städtebau. Lieber lebe ich mit sowas als in einer Diktatur.. (zumal Diktaturen meist noch mehr Stadtzerstörung bringen als demokratische "Baukultur")

    Veteranenstrasse 19 und 20


    Choriner Strasse irgendwo zwischen Schwedter und Oderberger


    ein paar Häuser weiter in der Choriner


    weitere Beispiele erspare ich mir und Euch besser.....

    Dem bald wieder aufgebauten Berlin stehen goldene Zeiten bevor .....

  • gut man muss die Häuser nicht schön finden, sind sie auch nicht. Aber die Gründerzeitler in PBerg waren auch nicht einfallsreicher. Immer gleiche Lochfassade, nur mit jeweils anderem Stuck aus dem Katalog.

  • Unfassbar und absolut alles verachtend was neben den Dingern (sind es Häuser?) steht. Alles an diesen Beispielen zeigt die tiefe Verachtung aller vorherigen Architektur, alles muss auf Deubel komm raus anders sein. :gehtsnoch:

    Immer gleiche Lochfassade, nur mit jeweils anderem Stuck aus dem Katalog.

    Also bei Gründerzeitlern von Lochfassaden zu sprechen, halte ich aber für überzogen. Die einzigen richtigen Löcher in der Häuserfront findet man doch in den Neubauten, bei den Altbauten handelt es sich um (im original) filigrane Handarbeitsfenster und der Stuck kam auch nicht aus dem Katalog. Der war zwar industriell hergestellt und vieles war gleich oder ähnlich, aber da steckte immer noch viel Handarbeit drin.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Mir gefallen die Lückenfüller. Die Architekten wollten einen Kontrast, den haben sie hinbekommen. Man muss es nicht mögen, und freistehend wären die Häuser auch echt hässlich, aber eingezwängt zwischen den herrlichen Stuckaltbauten wirken sie. Man kann es mögen!

  • Als großes Manko solcher Lückenfüller sehe ich die oftmals nicht vorhandene Plastizität der Fassade. Gerade die letzten beiden stehen neben noch vollbestuckten Altbauten und wirken so einfach unpassend oder unfertig auf mich. Daher sind mir solche Lückenfüller a la Veteranenstraße alle mal lieber. Die letzten beiden hätte ich dann lieber in einertt Nachbarschaft von schon glatt rasierten Altbauten gesehen. Hat für mich auch was mit Anpassung zu tun.

  • In einer Demokratie kann eben jeder fast alles machen, was er will, so auch im Städtebau. Lieber lebe ich mit sowas als in einer Diktatur.. (zumal Diktaturen meist noch mehr Stadtzerstörung bringen als demokratische "Baukultur")

    Ich glaube, da hast Du das Wesen der Demokratie ein wenig falsch verstanden. Weder ist eine Demokratie eine Anarchie noch eine Art Schlaraffenland. Und dass dann immer von einer imaginären Diktatur als Gegenbild die Rede sein muss, zeugt eher davon, dass die Lektion der "Alternativlosigkeit" gelernt worden ist. Nichts für ungut aber.

    Die Architekten wollten einen Kontrast, den haben sie hinbekommen.

    Stimmt. Und offenbar hat das Berliner Stadtbild ja auch noch nicht genug Kontraste zu bieten.

    Nun, nach meiner bescheidenen, und völlig mental begrenzten Meinung haben derlei "Kontraste" weniger mit der Demokratie, als vielmehr mit einem umfassenden kulturellen Formverlust zu tun. Von mir aus ein Ergebnis des Liberalismus. Ist eben wie Krethi und Plethi oder Hinz und Kunz.

  • Die Architekten wollten einen Kontrast, den haben sie hinbekommen.


    Komisch nur dass dieser "Kontrast" immer nur in eine Richtung verläuft, nämlich dass solche Kisten den Altbaubestand kontrastieren. Umgekehrt? Wo ist der von der Architektenschaft auserkorene "Kontrast" in solchen Gegenden wie z.B. hinter dem Alex? Da würde niemals ein kontrastreiches Rekoprojekt oder ein interessanter, klassischer oder ornamentierter Neubau entstehen. Also ist das "interessanter Kontrast" Argument eine modernistische Einbahnstraße!

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Eben, der Kontrast funktioniert, weil die Neubauten von den Stuckaltbauten (die tausend mal schöner sind) dominiert werden. Um das abzulichten hat man ja nichtmal ein Weitwinkel oder gar mehrere Bilder gebraucht. Mir gefällt es, weil es die Schönheit der Altbauten hervorhebt, und trotzdem wirken die Neubauten nicht minderwertig. Die Fensterformate sind durchaus großzügig und offen. Das gefällt.

    Freilich, das Konzept der Kontraste in der Architektur funktioniert nur dann, wenn man das Beste der jeweiligen Epoche gegenüber setzt. Und das ganze muss in einem vom Menschen erfahrbaren Rahmen geschehen. Dieser erfahrbare Rahmen wird seit jeher von den Baugrundstücksgrenzen definiert. Nur selten hat man früher eine Hausfassade über so irrsinnige Längen von 100 und mehr Metern über ganze Blöcke laufen lassen, weil das schon größen sind, die ein Mensch unnatürlich findet.

    Man sollte auch nicht vergessen: So schön wir die Stuckaltbaufassaden heute auch finden, in ihrer Zeit haben sie unter den Architekturkritikern nur wenig Anhänger gehabt. Ganze Straßenzüge in ganz Europa sind Woche für Woche mit immer den gleichen Grundrissen, Traufhöhen, Fensterformaten, Zierrat und Farben hochgezogen worden, da gab es nur wenig Entwicklung zwischen 1890 und 1920. Nur repräsentativste Geschäftsbauten haben dabei heraus geragt. Erst heute, wo diese Häuser immer weniger werden und immer seltener in gepflegten Ursprungszustand anzutreffen sind, und man die verbauten Materialien und Ideen zu schätzen weiss, sind sie wertvoll geworden. Das allein reicht mir z.B. um alle unter Denkmalschutz zu stellen, aber viele sehen das anders.

  • Dass es zwischen 1890 und 1920 nur wenig Entwicklung in der Fassadengestaltung gab ist schlicht nicht wahr. Ich glaube der überwiegende Teil der Forenschaft kann in dieser Zeitspanne deutliche Unterschiede ausmachen.

  • Na die Unterschiede der Fassaden im einfachen Mietskasernenbau waren jetzt nicht so riesig. Selbst hier in Paris kann ich oft die deutlich repräsentativeren Fassaden nicht den Zeiten zuordnen, da sie einfach gleich aussehen; Da muss man dann schon mal auf das Datum schauen und man stellt fest dass ein Haus von 1869 aussieht wie eins von 1892 zwei Ecken weiter.

    Dies ist aber auch der Zeit damals geschuldet, die Trends haben sich damals noch nicht ganz so schnell geändert.

  • Interessante Diskussion, nicht so sehr die über die angebliche Qualität der Lückenbebauung, die ich für recht belanglos und je nach Standpunkt und Objekt harmlos bis überflüssig halte, sondern die über die Monotonität des Späthistorismus.

    Ich bin ja eigentlich als Freund der Gründerzeit bekannt und liebe auch den Historismus in allen seinen Ausprägungen, aber bei einem Besuch in Halle kürzlich (ein kurzer Abstecher ins Paulusviertel musste natürlich sein) fiel mir auf, dass gerade die 4-5-stöckige späthistoristische Mietsbebauung mit ihrer fehlenden Fassadenplastizität und den tatsächlich manchmal wie "aufgeklebt" wirkenden Stuckelementen gegenüber der häufig zeitgleich oder nur wenig später erbauten Jugendstil- oder Reformstilbebauung doch sehr deutlich zurückfällt.

    Auch als Historismusfan muss ich zugeben, dass gerade der, ich nenne ihn mal "Billig-Spät-Neobarock" der 80er und 90er Jahre des 19. Jhdts., der bis auf den Fensterstuck völlig ohne Erker, Balkone oder sonstige Fassadengestaltungselemente auskommt, tatsächlich nüchtern betrachtet gerade in seiner mehrstöckigen Ausführung in relativ schmalen Straßen -wie oft in ostdeutschen Städten- nicht unbedingt einen architektonischen Höhepunkt darstellt, v.a. im Vergleich zu den wenig später erbauten Häusern (im Paulusviertel praktischerweise ja gleich um die Ecke). Wie gesagt -keine Kritik am teilweise unglaublich liebevoll und filigran gemachten Historismus allgemein, wie ihn z.B. Wiesbaden oder Teile Leipzigs bieten und alles immer noch um Längen besser (auch vom Wohngefühl mit den hohen Decken und Holzfußböden, den handgefertigten Kassettentüren etc.) als das meiste, was uns die Nachkriegszeit so aufgetischt hat, aber trotzdem....

    Mal ein Beispiel für was ich meine (mittelmäßiger Schnappschuss aus dem Paulusviertel):

    Bei aller v.a. aus westdeutscher Sicht Urbanität und Geschlossenheit sind es diese Straßenzüge, v.a. mit fehlendem Grün und ohne Ladengeschäfte/Cafés im Erdgeschoss, die doch etwas monoton-totes haben. Schon die Bebauung der Querstraße im Hintergrund wirkt wesentlich lebendiger.

    Einmal editiert, zuletzt von Heinzer (31. Oktober 2012 um 22:04)

  • Die Monotonität des gezeigten Bildes entspringt aber nicht der fast "gleichmäßigen" Fassadengestaltung sondern der heutigen grau-blassen Farbgebung ohne die Stuckelemente hervorzuheben. Der gleiche Straßenzug anders gestrichen würde weniger einheitlich aussehen.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Heinzer bringt es auf den Punkt! Was haben wohl Architekturkritiker bei dieser Straße in Halle damals darüber gesagt? Das wurde garantiert genau so verissen wie wir heute Neubau-Straßenzüge beurteilen. Traurig dass es da keine echte Verbesserung gibt, aber so ist es.

    Ich habe mit meinem Ursprungskommentar auch nicht von dem Besten gesprochen, was die jeweilige Zeit an Architektur zu bieten hatte. Mir ist klar, dass in die Zeit des Historismus auch der Eifelturm fällt. Wenn es um Repräsentation ging, um koste was es wolle, da hat sich natürlich extrem viel getan zwischen 1890 und 1920. Es kam die Betondecke, Glasflächen und Fenster wurden immer größer, Stahlfassaden oder zumindest stützende Konstruktionen, aber darum geht es hier nicht. Und in Prenzlberg ist damals wie heute nicht das höchstwertigst machbare entstanden, sondern gehobenes Budget-Segment würde ich mal sagen, halt Geschosswohnungsbau. Aber die Altbauten stehen äußerlich noch zu 100% incl. Fassadenschmuck, so wie sie der Architekt ersonnen hatte. Dadurch gelingt der Kontrast zu den Neubauten. Neben entstuckten Häusern würden auch die neubauten nicht wirken können.
    Es gibt in der Tat Straßenzüge des Historismus, die ohne den Fassadenstuck am Ende gar nichts sehenswertes nach Außen mehr hätten (die gibt es übrigens nicht nur in Ostdeutschland. In Wien gibt es sie auch Massenweise). Wie das Foto aus Halle gut zeigt. Die Häuser wurden damals wie heute "hingezimmert" und sollten nur schnellstmöglich Geld einbringen. Zinshäuser eben, wie man in Wien sagt.

    Der Charme entsteht nur deshalb, weil sie mittlerweile 100 jahre auf dem Buckel haben und durch diese Patina und Aura schon schön wirken können.

    Einmal editiert, zuletzt von nothor (31. Oktober 2012 um 23:20)