Bremen - Ostertor (Galerie)

  • Als letztes noch einmal ein paar Bilder aus dem Gebiet des Rembertistifts. Wieder kurzer Überblick per GoogleMaps:

    In blau ist die ungefähre Position der namensgebenden Rembertikirche eingezeichnet. Diese ist nach einem recht frühen Bombentreffer allerdings noch zu Nazizeiten abgeräumt worden. Vielleicht war dies die Ursünde für das Viertel, die alle weiteren Schritte ideologisch erleichtert hat, denn diese Kirche hätte jeglichen Kreiselplanungen immer im Weg gestanden.

    Der alte Rembertikirchhof ist auf seiner Nordseite hingegen noch praktisch komplett erhalten:

    Ich weiß nicht, was es mit diesem Haus an der Ostseite des alten Kirchhofs auf sich hat:

    Das Rembertistift (auf der Karte oben nördlichen der blau eingezeichneten Kirche zu sehen) selbst ist heute Altersheim, aber kein schlechtes, auf einem weiträumigen und oasenartigen, fast vollständig umbauten Gelände; ebenfalls vollständig baulich erhalten hat es fast den Charakter eines Klosters:


    Charakteristisch sind wieder diese kleinen, sehr liebevoll und individuell gestalteten kleinen Vorgärten vor den Zimmern:

  • Wundervolle Stimmung mit all dem Grün!

    einer der zahlreichen postmodernen Tupfer im Quartier

    Wie kam es zu diesen? Gab es für die Neubauten Abrisse oder schon vorher - oder waren es Kriegslücken?
    Wobei mir das Viertel nicht aussieht, als hätte es überhaupt irgendwas vom Krieg gesehen.

  • Das lag daran, dass in dem Gebiet schon sehr bald nach dem Krieg bis ca. 1975 eine Veränderungssperre galt, weil hier eine weitere Verkehrstrasse durchgeführt und das gesamte Ostertorgebiet "flächensaniert" werden sollte. Als diese Mozarttrassenplanung im Dezember 1973 in einer sehr tumultigen und extrem knappen Abstimmung gekippt wurde, konnte mit einer behutsamen Stadtsanierung begonnen werden, die natürlich dann im Zeichen der Postmoderne stand.

    Hier mal die Trassenpläne:

    Quelle: W. Seebacher: Ostertor, Nwd. Verlagsges, 1987

    Heutige Situation, in Rot der einzige Bereich, in dem es flächigere Kriegszerstörungen gab, in Blau der ungefähre Trassenverlauf:


    V.a. an der Straße Auf den Häfen/Vasmerstraße gab es auch relevante Kriegszerstörungen, das Areal wurde relativ flächig abgeräumt und diente bis in die frühen 1980er Jahre als Parkplatz. Auch im Rest des Trassenverlaufs durfte kein Haus mehr verändert oder wiederaufgebaut werden, so dass der Zustand des Viertels immer schlechter wurde (was ja Teil des Plans war). Die Stadt versuchte mit einer Strategie aus Zuckerbrot und Peitsche die Altbewohner dazu zu überreden, ihre Häuser an die Stadt zu verkaufen.

    So etwa sahen weite Teile des Nachkriegsostertors im Trassenbereich aus:


    (Quelle: Wie es dazu kommen konnte, dass die Mozarttrasse gekippt wurde - Weserkurier.de)

    Nachkriegsprovisorien, bewusste Verwahrlosung durch die Veränderungssperre, die Leute sollten mit allen Mitteln dazu gebracht werden, den Bereich zu verlassen

    Aber der Widerstand im Viertel wuchs. Viele Bewohner verkauften nicht, in die leergezogenen Häuser zogen dann die ersten Besetzer ein, insgesamt entwickelte sich (auch durch die fast zeitgleich gegründete Universität) eine stark wachsende Graswurzelbewegung, die schließlich die regierende SPD majorisieren konnte, auch weil man ja am Beispiel des Rembertiviertels sah, was "Sanierung" bedeuten sollte. Parallel kam es zu der deutlichen demografischen Wende, die viele der illusorischen Bevölkerungsprognosen und somit auch weitere Wohnungen unnötig machte. Die Moderne geriet immer mehr unter Druck. Auch abgespeckte Versionen wie eine Tunnellösung usw. konnten nun nichts mehr ändern an der Stimmung in der Stadt. Die Tangentenlösung war gestorben.

    Die ersten Gehversuche der behutsamen Stadtsanierung ab ca. 1974 sahen noch sehr ungelenk aus:


    Aber dies waren die ersten Neubauten im Ostertor seit über 20 Jahren. Ich werde im nächsten Beitrag noch ein paar weitere und bessere Beispiele für die dann sehr behutsame und tlw. super eingepasste Stadtsanierung der späten 70er und 80er Jahre zeigen.

  • Wundervolle Stimmung mit all dem Grün!

    Wie kam es zu diesen? Gab es für die Neubauten Abrisse oder schon vorher - oder waren es Kriegslücken?
    Wobei mir das Viertel nicht aussieht, als hätte es überhaupt irgendwas vom Krieg gesehen.

    Die beiden von Heinzer dargestellten postmodernen Gebäude wurden auf Grundstücken gebaut, deren Vorgängergebäude in Zuge der Flächensanierung abgerissen worden waren, zumindest weiß ich das bei dem blau-violetten Gebäude in der Rutenstraße 14. Das gehört dem Architekten Thomas Klumpp, der in Bremen das Universum und in Bremerhaven das Klimahaus (siehe beide bei Google) entworfen hatte.

  • Man kann die Entwicklung der Postmoderne sehr schön an den Lückenbauten im Ostertor ablesen. Ich würde schätzen, dass etwa ein Viertel der Neubauten auf Grundstücken, die bereits im Krieg zerstört worden waren und dann durch die Veränderungssperre nicht neubebaut werden durften, entstanden sind, die Hälfte auf bereits getätigten Abrissen in Vorbereitung für die Trasse, und das letzte Viertel auf Grundstücken von Häusern, die dann trotz der Aufgabe der Trassenpläne noch abgerissen wurden, entweder weil sie in einem sehr desolaten Zustand waren oder schlicht aus Profitgier/klassischen Motiven.

    Es gibt Bereiche mit einer hohen Dichte dieser Bauten (v.a. im nördlichen Gebiet um das ehemalige Vasmerquartier) und Bereiche, in denen sie nur "zwischengebaut" wurden. Interessant ist die fast völlige Abwesenheit von Bauten aus den 1950er und 1960er Jahren im Gebiet, da eben 25 Jahre bis 1974 nichts neu- oder wiederaufgebaut werden durfte.

    Auf der folgenden Karte sind neben der schon gezeigten Mozarttrasse auch noch die geplante "Entlastungsstraße", die zusätzlich quer durch das südliche Oster- und Steintor führen sollte und über die der Findorffer schon berichtet hatte, eingezeichnet:

    Gelb umrandet ist der Bereich, in dem (analog zu den Straßenplänen) bedingt durch Abrisse oder Nichtwiederaufbau nach Bombenschäden vermehrt Architektur der Zeit von etwa 1975-1990, also aus der klassischen postmodernen Zeit, anzutreffen ist. Im nördlichen Bereich ist diese bedingt durch tlw. komplett abgeräumte Straßen sehr stark konzentriert bzw. sogar dominierend. Manche Gebäude sind grobschlächtiger/weniger gut angepasst, hier z.B.:

    aber auch bei diesen ist ein Gestaltungswille zu erkennen und ich schätze mal, dass die Wohnungen wirklich ganz nett sind. So sah die Postmoderne zu Beginn der 1980er aus. Manche Häuser sind relativ unambitioniert, aber stechen dafür weniger ins Auge, wie dieses Geschäftshaus Auf den Häfen:

    Eines der größten zusammenhängenden Gebiete ist die Südseitenbebauung der Straße "Auf den Häfen":

    Postmoderner geht's nicht:

    Die Westseite hatte ich hier auch schonmal gezeigt, fast allen Gebäuden ist leider zueigen, dass sie mal gestrichen werden müssten:

    In der Heinrichstraße sieht man, wie weit die Abrissbagger gekommen sind, nördlich dominiert die postmoderne Bebauung mit offenkundigen Anleihen an das Konzept des "Bremer Hauses", deutlich näher an der Straße die Altbebauung:

  • Wie gesagt ist dies der einzige Bereich mit flächigeren Kriegszerstörungen, so dass man sich hier nicht unbedingt immer ärgern muss, denn es wurde wenig abgerissen. In den entstandenen Lücken wurde das Gebiet mit Spielplätzen und Grünflächen versorgt, was auch heute noch für viele wirklich schöne grüne Oasen im Gebiet sorgt:

    Im letzten stehengebliebenen Haus der ehemaligen Vasmerstraße ist ein "Kinderladen", heute profan Kita genannt, entstanden:

    Die weiter oben abgebildete Heinrichstraße mündet so in die Kohlhökerstraße:

    Links ein anscheinend relativ früher Neubau nach Aufgabe der Trassenpläne, rechts ein erhaltener Altbau - genau, exakt hier sollte aufgeständert die vierspurige Osttangente mitten durchs Viertel ziehen. Erfreulicherweise wurde hier gerade von den erhaltenen prachtvolleren Bauten sehr wenig abgerissen, so dass der Charakter des Gebiets noch voll erhalten ist.

    Weiter nordwestlich an der Kreuzung der ehemaligen Meinkenstraße mit der Straße "Auf den Häfen" liegt ein weiteres Zentrum der postmodernen Stadtsanierung. Genau hier, an diesem kleinen Platz, waren die Rampen/Ausfahrten aus dem Kreisel geplant:

    Stattdessen wurde eine Kirche gebaut, ebenfalls streng postmodern:

    Wie überall im Gebiet gibt es exzentrischere/radikalere Postmoderne:

    und die etwas biederere, abgespeckte Version:

  • Eine weitere, nahezu vollständig neubebaute Straße ist die Albrechtstraße:

    Man erkennt den guten Willen, sagen wir so. Im Prinzip sind diese Häuser alle völlig in Ordnung.

    Weiter südlich waren die Zerstörungen geringer und es wurden nur einzelne Lücken neubebaut. Interessant ist, dass es innerhalb der Postmoderne wiederum verschiedene Strömungen gab, deren beide Extreme auf der einen Seite fast klassisch daherkommen, auf der anderen Seite mit extremen Farbwahlen, Vermeidung von rechten Winkeln und Sichtbeton (s.o.) sehr radikal daherkamen. Die meiste Architektur bewegt sich irgendwo dazwischen, wobei mir immer die klassischer orientierten Beispiele besser gefallen:

    Das meiste liegt wie gesagt dazwischen und enthält als Stilmittel viel Glas in den Fassaden:

    Nochmal was wirklich massiv Postmodernes:

    Das gerade neu gestrichen wird, was diesen Häusern grundsätzlich sehr guttut. Auch die kleineren Bremer Häuser wurden postmodern interpretiert:

  • Postmoderner geht's nicht:

    Nun, das ist, auf das gezeigte Haus bezogen, sehr zurückhaltende Postmoderne. Es geht schon "noch postmoderner". :zwinkern: Siehe z.B. die Häuser in der Frankfurter Saalgasse.

    Zitat

    Stattdessen wurde eine Kirche gebaut, ebenfalls streng postmodern

    Diese Kirche kommt mir eigentlich nicht sonderlich typisch postmodern vor. Eher erinnert sie mich an die Organische Architektur von Rudolf Steiner. (Vgl. hier)

    Jedenfalls besten Dank für diese interessanten Einblicke in die Bremer Stadtplanung. Welch ein Glück, dass die Wiederbebauung des Areals in die Epoche der Postmoderne fiel. Nicht auszumalen, was dort 10 Jahre früher hingestellt worden wäre. Heute würde es stumpfe Flachdach-Kisten hageln.

  • Hast Recht, die Kirche sieht in der Tat aus wie eine Waldorfschule! Ja, Bremen kann sich glücklich schätzen, dass das so glimpflich abgelaufen ist. Mir gefällt zwar bei weitem nicht alles, was dort neugebaut wurde, und vieles wirkt auch schlicht durch die in die Jahre kommenden Fenster und Fassadenanstriche etwas runtergekommen - aber es kann kein Zweifel daran bestehen, dass dies in der Nähe des seit 1950 Bestmöglichen an Lückenbebauung sein dürfte, was realistisch in einem normalen Nachkriegsumfeld zu erwarten war.

    Was mich wirklich mal interessieren würde, ist, wie hoch der Anteil an Kriegsschäden im Verhältnis zu Abrissen ist im Gebiet. Pagentorn hatte Bilder von der kriegszerstörten Südseite der Straße "Auf den Häfen" gezeigt, auf den wenigen Fotos, die es aus dem Ostertor nach dem Krieg und vor dem Abrücken von den Tangentenplänen öffentlich gibt, sind durchaus viele "Nachkriegsprovisorien", also diese einstöckigen, budenartigen Bauten zu sehen, so dass es wohl doch auch Bombenschäden gegeben haben muss. Aber viele der Häuser müssen buchstäblich in letzter Sekunde gerettet worden sein, denn die Bagger waren punktuell schon angerückt, und es sind durchaus auch noch nach 1973 einzelne Häuser abgerissen worden (gibt ein schlecht aufgelöstes Luftbild, auf dem man dafür Beispiele finden kann).

    Als nächstes kommen noch Bilder aus dem nochmal dichteren südlichen Ostertor, wo die Stadtsanierung ihren Anfang nahm und wo auch unheimlich viel gerettet wurde.

  • Ich hätte auch noch einige Anmerkungen zu machen.

    1. In der Tat, die Michaliskirche in der Meinckenstraße ist "wie eine Waldorfschule!"

    Lt. Wikipädia: Das Kirchengebäude ist im Stil der Anthroposophischen Architektur gehalten.[2] Es hat keine rechtwinklig zueinander stehenden Außenwände. Der Grundriss des Kirchenraums ist fast eine Ellipse mit der breitesten Stelle vor dem Altar.

    2. Was die Frage der Kriegs- oder Sanierungszerstörungen angeht, hatten wir uns hier im Forum vor einigen Jahren darüber mal ausgetauscht. Ich hatte einen Zeitzeugen gefragt, der mir sagte, dass es nahe am Rembertiring, also im Bereich Vasmerstraße, sowohl zu Kriegs- als auch Sanierungszerstörungen kam. Der Zeitzeuge hieß Olaf Dinné, einer der auch überregional bekanntesten Politakteure in Bremen und einer der Widerständler gegen den Bau der Mozarttrasse. Ach ja, und die Bremer Grünen hatte er auch gegründet. Bezogen auf die eingangs gestellte Frage verfügt er vielleicht mehr als andere über Expertise.

    3. Bei dem von Dir gezeigten Gebäude bin ich mir nicht sicher, ob es sich um einen postmodernen Bau handelt:

    51054-img-1431-jpg

    Hintergrund: Ich kenne den Eigentümer gut und weiß, dass er dieses Gebäude selbst entworfen und auch im Inneren alle Bereiche bis hin zum Bad und dem rückwärtigen Garten künstlerisch gestaltet hat. Wir sehen hier also eher die Verwirklichung eines architektonischen Traums des Eigentümers mit künstlerischem Anspruch. Er beschäftigt sich viel mit der zeitgenössischen Architektur, die ihm gut gefällt und du kannst Dir denken, dass es - gerade mit mir - deshalb immer wieder Diskussionen gibt. Aber ich finde seinen Versuch, dieses Haus zu entwerfen und zu bauen gut und freue mich, dass da nicht wieder eine Kiste mit Flachdach entstanden ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass er nicht mit dem Anspruch angetreten ist: so, jetzt bau ich mal ein postmodernes Gebäude.

  • Interessantes Haus. Aber mit dem Schmutz an der Fassade kann der Eigentümer-Architekt nicht zufrieden sein. Da hätte er sich was einfallen lassen müssen zB ein Gesims.

  • 3. Bei dem von Dir gezeigten Gebäude bin ich mir nicht sicher, ob es sich um einen postmodernen Bau handelt:

    51054-img-1431-jpg

    Hintergrund: Ich kenne den Eigentümer gut und weiß, dass er dieses Gebäude selbst entworfen und auch im Inneren alle Bereiche bis hin zum Bad und dem rückwärtigen Garten künstlerisch gestaltet hat. Wir sehen hier also eher die Verwirklichung eines architektonischen Traums des Eigentümers mit künstlerischem Anspruch. Er beschäftigt sich viel mit der zeitgenössischen Architektur, die ihm gut gefällt und du kannst Dir denken, dass es - gerade mit mir - deshalb immer wieder heftige Diskussionen gibt. Aber ich finde seinen Versuch, dieses Haus zu entwerfen und zu bauen gut und freue mich, dass da nicht wieder eine Kiste mit Flachdach entstanden ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass er nicht mit dem Anspruch angetreten ist: so, jetzt bau ich mal ein postmodernes Gebäude.

    Naja, es ist letztlich relativ egal, wie der Architekt das Werk nennt. Es stammt offensichtlich aus der Zeit der Postmoderne -irgendwas zwischen 1980 und 1995 (mein privater Baujahrtipp wäre 1987)- es hat einige Stilelemente der Postmoderne (runde Fenster, grellgrüne Rahmenfarben, definitiv nichtmoderne Gesamtgestaltung). Oder auf Englisch: If it looks like a duck, swims like a duck and quacks like a duck, then it will probably be a duck.

    Es gibt ja keinen strengen Definitionsrahmen für postmoderne Architektur, es gibt engere und weitere Definitionen. Man kann a) alles, das nach dem relativ abrupten Ende der späten Moderne ca. 1975 bis in die 1990er Jahre entstanden ist und sich gestalterisch von der Ästhetik dieser späten Moderne distanziert, als postmodern (= nach-modern) bezeichnen. Dieses Gebäude würde ich sogar b) als in einem engeren Sinne postmodern bezeichnen, da es wie gesagt viele der typischen Stilelemente dieser Zeit in einem sogar ziemlich ambitionierten Entwurf vereinigt hat.

    Bin mir auch sicher, dass das von innen ein Kracher ist, die Einfamilienhausarchitektur der 80er Jahre war teilweise extrem qualitätsvoll, kenne (anderer Stil) so einige Atriumhäuser aus den frühen 80er Jahren von innen, das sind echte Erlebnisse in der Durchdachtheit und Qualität.

    Zu den Kriegszerstörungen habe ich noch ein Luftbild aus den späten 1960er/frühen 1970er Jahren gefunden:

    (aus der Weserkurier-Serie Wie sich das Viertel in Bremen verändert hat, Foto Klaus Sander)

    Hier sieht man die bereits geräumte und als Parkplatz genutzte Fläche südlich der Straße "Auf den Häfen", aus der ein Großteil meiner obigen Bilder stammt. Ich gehe hier schon von flächigen Zerstörungen aus, denn gerade nach Osten/Richtung Dobben hin (auf dem Bild nach "links") hätten Flächenabrisse für die Trasse keinen Sinn ergeben, da es hier nie Pläne gab, irgendeine großflächige Neuplanung zu machen - anders als auf den "rechts" vom Rembertikreisel liegenden Flächen Richtung Stadtarchiv/amerikanischer Botschaft (beide direkt am rechten unteren Bildrand angeschnitten), wo der 130 m hohe neue Bauhof der Stadt entstehen sollte.

    Ein weiterer Kelch, der an uns gsd vorübergegangen ist. Der Filz aus Senator Boljahn und Neuer Heimat war riesig, die Schlinge um das Ostertor eigentlich kaum noch durchzutrennen. Ein kleines Wunder, was damals gelungen ist.

  • Aus dem südlichen Ostertor hatte ich schon einige Bilder von postmodernen Häusern gezeigt, hier nochmal einige Beispiel im direkten Trassenbereich:

    Hier die ungelenkeren frühen Versuche, die unmittelbar nach dem Fall der Mozarttrasse realisiert wurden:

    Am Osterdeich wurde noch in den 1980er Jahren ein Reihenendhaus im unmittelbaren Trassenbereich abgerissen und durch diesen aus meiner Sicht durchaus gelungenen Neubau ersetzt (findorffer hatte dazu auch mal einen Beitrag geschrieben):

    Exakt hier sollte die Mozarttrasse an die Weser durchstoßen, ich weiß nicht, ob dies Kriegsschäden, Abrisse vor dem Abrücken von der Trasse waren oder sogar danach abgerissen wurde, das Gebäude würde ich zu der "ungelenken" Form der frühen Postmoderne irgendwo zwischen 1977 und 1981 zählen:

    Genau gegenüber sieht es so aus, hier wäre also die vierspurige Straße über die Weser gebaut worden:

    Unfassbar, was durch den autogerechten Umbau unserer Städte alles an Stadtraum nachhaltig zerstört wurde. Dass es mal nicht geklappt hat, war ja leider eher die Ausnahme.

    Nicht im unmittelbaren Trassenbereich auf ehemaligen Villengrundstücken, die aber tlw. schon in den 1920er und 1930er Jahren abgerissen wurden, entstand in den 1980er Jahren diese aus meiner Sicht weiterhin gelungene Wohnanlage:

  • Als letztes für heute Abend noch der Verlauf der geplanten "Entlastungsstraße" mitten durchs Ostertor, links nochmal die "Mozarttrasse":

    Auch diese Straße sollte einfach mitten durchs gewachsene Viertel geführt werden, typisch sind für den gesamten Bereich diese nicht wiederbebauten Abrissgrundstücke:

    Letzte, fast romantische Reste der unrenovierten Bebauung, so oder so ähnlich war der Zustand vieler Gebäude im Gebiet bis in die 1980er Jahre:

    Durch die Theodor-Körner-Straße sollte die Entlastungsstraße führen, auch hier hatte es erste Abrisse gegeben:

    Hinter dem Körnerwall wurde ebenfalls "saniert" durch Abriss, aber hier ist etwas Schönes entstanden, diese fast verwunschenen kleinen Spielplätze gibt es überall im Stadtteil auf der Vernichtungsspur der Verkehrsplaner:

    Was rückwärtig als klassisch postmoderner Bau wirkt:

    ist von der anderen Seite ein überraschend gut angepasster Neubau, fast eine Art "kritische Rekonstruktion":

    (unten mit dem leicht berüchtigten Durchgang Richtung Ostertor)

    Auch das zentrale Haus im klassizistischen Körnerwall ist eine kritische Rekonstruktion, genau hierdurch sollte die neue Straße führen:

    Es bleibt im Nachgang 1. unfassbar, was die Planer mit diesem Stadtteil machen wollten und 2. ein kleines Wunder, dass dies nicht realisiert wurde. Beim Blick über den Sielwall, der die Grenze zwischen Steintor und Ostertor bildet, gehen die Abrisslücken für die Straße, die zu Spielplätzen umgenutzt wurden, weiter:

    Das Steintor ist nochmal deutlich rauher geblieben, hier war insgesamt auch mehr zerstört, die Qualität der Renovierungen ist schlechter, der öffentliche Stadtraum nochmal verwahrloster (siehe Müll). Auch dieser Stadtteil macht aber einen kontinuierlichen Gentrifizierungsprozess durch.

  • Ich habe ja eine Ausgabe des kritischen Films "Trassenkampf", der sich mit den Planung und teilweisen Durchführung der Mozarttrasse sehr anschaulich beschäftigt.

    Das Problem: das etwa halbstündige Video ist zu umfangreich. Ich weiß nicht, wie ich das in den Strang reinkriege. Wie reduziert man die Datenmenge ohne große qualitative Verluste?

    Kann mir da jemand Tipps geben, dann würde ich das Video gerne hier einstellen?

  • Nicht im unmittelbaren Trassenbereich auf ehemaligen Villengrundstücken, die aber tlw. schon in den 1920er und 1930er Jahren abgerissen wurden, entstand in den 1980er Jahren diese aus meiner Sicht weiterhin gelungene Wohnanlage:

    51101-img-1463-jpg

    Die Villa des Bremer Reeders Wätjen stand auf dem Grundstück, auf dem sich heute die Theatergarage mit den darüber liegenden, oben abgebildeten, Bauten befindet. Die Villa wurde 1983 abgerissen.

    Siehe dazu auch den Buten un Binnen Beitrag ab 2.39.

    https://www.butenunbinnen.de/videos/kaufman…nserie-100.html

    Nach dem Abriss sollte da eine riesige Kiste entstehen. Der Architekt Manfred Schomers, damals in der Baubehörde angestellt und um die Ecke in der Mozartstraße wohnend, war mit dem ursprünglichen Entwurf nicht einverstanden und machte seinen Einfluss geltend, dass die äußere Form verändert wird. Das Ergebnis ist der heutige Zustand.

  • Ich habe ja eine Ausgabe des kritischen Films "Trassenkampf", der sich mit den Planung und teilweisen Durchführung der Mozarttrasse sehr anschaulich beschäftigt.

    Das Problem: das etwa halbstündige Video ist zu umfangreich. Ich weiß nicht, wie ich das in den Strang reinkriege. Wie reduziert man die Datenmenge ohne große qualitative Verluste?

    Kann mir da jemand Tipps geben, dann würde ich das Video gerne hier einstellen?

    Das würde mich interessieren. Online ist der Film nirgends zu bekommen, wird auch nur selten mal in Kinos vorgeführt. Es könnte aber Probleme mit dem Copyright geben, wenn Du ihn einfach irgendwo einstellst. Abgesehen davon wüsste ich auch gar nicht, wie das hier ginge, außer, Du lädst ihn auf Youtube hoch und bettest das Video hier ein. Dürfte aber aus vielerlei Gründen nicht machbar sein.

    Zu der Villa Wätjen: Das wusste ich nicht. Bin mir aber trotzdem sicher, dass auf dem Grundstück auch noch andere Villen standen, die abgerissen sind mittlerweile. Die letzte verbliebene der großen Villen dort ist ja nicht in einem sehr guten Zustand. Steht zwar unter Denkmalschutz und ich hatte vor ein paar Jahren auch mal von einem Verkauf an eine sanierungswillige Eigentümergemeinschaft gehört, aber passiert ist nichts. Dies ist der Eingang zur Villa an der Mozartstraße, zum Osterdeich ist sie etwas versteckt hinter hohen Mauern und Bäumen.

  • Die letzte verbliebene der großen Villen dort ist ja nicht in einem sehr guten Zustand. Steht zwar unter Denkmalschutz und ich hatte vor ein paar Jahren auch mal von einem Verkauf an eine sanierungswillige Eigentümergemeinschaft gehört, aber passiert ist nichts. Dies ist der Eingang zur Villa an der Mozartstraße, zum Osterdeich ist sie etwas versteckt hinter hohen Mauern und Bäumen.

    Das ist die Flamme-Villa, das Privathaus des Eigentümers von Flamme-Möbel im Ostertor. Der fuhr auch noch mit über 90 Jahren mit seinem großen Mercedes-Benz, Adenauer-Format, in die einige hundert Meter Luftlinie entfernte Firma am Ostertorsteinweg. Vor einigen Jahren nun ist er gestorben, eigentlich schade, denn diese von manchen vielleicht als großbürgerlich empfundene, jahrzehntelang eingeübte Gewohnheit hatte auch was originelles.

  • Hier noch mal ein Bild des Mercedes-Benz, Adenauer-Format, von Herrn Flamme:

    Es handelt sich um einen Mercedes-Benz Pullman, mit dem der alte Herr täglich in seine Firma fuhr. Wie gesagt, nur einige hundert Meter entfernt. So geht Tradition.

    stadtbild-deutschland.org/foru…dex.php?attachment/51150/

    Noch mal zur früher daneben liegenden Wätjen-Villa. Ich glaube, die Wätjenreederei hatte ich schon im Strang Nord erwähnt. Sie war im 19. Jahrhundert die größte Segelschiffreederei der Welt. Die Bediensteten im Hause trugen eine Art Dienstkleidung, an deren Revers jeweils ein W für Wätjen zu sehen war. Tja, so war das 19. Jahrhundert. Wätjen gehörte neben Baron von Knoop (Knoops Park in Bremen Nord) und Franz Schütte (aus seiner Petroleum-Firma wurde nach dem Verkauf ESSO) wohl zu den reichsten Bremern. Wätjen kaufte sich dann im heutigen Bremer Norden mehrere Grundstücke zusammen und formte daraus eine große Parkanlage von ca. 50 Hektar mit einem kleinen Schlösschen darin, das heute noch erhalten ist und einem direkten Zugang zur Weser. Kam eines seiner Segelschiffe von großer Fahrt zurück, hisste er am Turm, von dem er dessen Ankunft sehen konnte, eine Flagge zur Begrüßung, Das war, wie es ein Zeitgenosse beschrieb, das goldene Zeitalter Bremens.

  • In Anlehnung an Heinzers Beitrag #57 noch mal die ganze Villa Flamme:

    Etwas weiter drei bombastische Historismusvillen

    Mit 1000 qm Wohnfläche wohl mit die größte Villa in Bremen: die Villa Frerichs vom Bremer Historismus-Architekten Johann Georg Poppe. Eigentlich sollte der Eingang links nach Westen hin frei sein, aber ein Bäckermeister kam dem Villenbesitzer zuvor und kauft das Grundstück, um es dann später mit einem Altbremer-Haus zu bebauen (siehe Foto oben).

    Weiter geht´s Richtung Weserstadion, der Osterdeich voller Sonnenhungriger:

    Auf der gegenüberliegenden Seite der Weser-Sandstrand

    Zurück Richtung Innenstadt. Und das Meer ist blau, so blau......