Lübeck - Umbau Buddenbrookhaus

  • Nun, diese Diskussionen würden wohl zu weit führen (seinerzeit hat sich meiner Erinnerung nach Philon über TM und seine Ethik ausgelassen). Was das eigentliche Thema betrifft, so hat Oktavian sicher dahingehend recht, dass die Nichtpflege des TM-Erbes eher auf kulturelle Ignoranz denn tiefere Reflexion zurückzuführen sein dürfte.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Um mal wieder auf die Architektur (außen wie innen) zurückzukommen, habe ich mir erlaubt, mal ein paar historische Fotos aus den Auslobungsunterlagen herauszukopieren und hier zu zeigen. Die sollten wohl inzwischen alle gemeinfrei sein, daher denke ich, dass das kein Problem ist (falls doch, bitte ich um Info).


    Mengstrasse-1870.jpeg
    Abb.1: Eine sehr alte Aufnahme: Obere Mengstraße um 1870. Bei Nr. 6 noch die barocke Fassade ohne Durchfahrt.


    Mengstrasse-1942.jpeg
    Abb.2: Die nahezu gleiche Aufnahme kurz nach dem Bombenangriff 1942. Wie man sieht, waren alle Fassaden noch stehengeblieben und wären zu retten gewesen. Die einzigen, die dann nicht abgerissen wurden, waren das Buddenbrookhaus und die Wehde (links und rechts von Nr. 6 - diese hier bereits mit Durchfahrt). In den Auslobungsunterlagen steht zu lesen, dass die Fassade von Nr. 6 nicht zu retten gewesen sei. Das kann ich aufgrund des obigen Fotos nicht nachvollziehen. Die Fassade sieht nicht mehr oder weniger beschädigt aus als Nr.4, bei der die Sicherung ja bekanntermaßen möglich war. Die drei barocken Fassaden hinter der Wehde wurden zunächst erhalten und dann doch abgerissen, um bei den nüchternen Neubauten ein Stockwerk mehr errichten zu können. :kopfwand::crying:
    Links hinten sieht man die gotische Kapelle Maria am Stegel von 1415. Die Grundmauern hatten den Bombenangriff ebenfalls überstanden. Leider wurde es unterlassen, die Kapelle zu sichern, so dass sie im Laufe der Zeit immer weiter verfiel und schließlich 1967 abgerissen wurde, um die Straße wegen der Zufahrt zum Parkhaus (durch die Fassade Mengstraße 6) verbreitern zu können (das wurde aber natürlich nicht offen zugegeben). Inzwischen wurde die Straße an der Stelle der Kapelle wieder auf die ursprüngliche Breite zurückgebaut, so dass das Grundstück für einen Wiederaufbau zur Verfügung stünde. Ich hoffe, dass der irgendwann in absehbarer Zeit und in der originalen gotischen Form ohne die entstellenden Umbauten des 19.Jhdts. kommen wird...


    Luftaufnahme-1925.jpeg
    Abb.3: Luftaufnahme von 1925. Hier sind die Rückfassaden (Nr. 6 offenbar Renaissance) und das Mansarddach von Nr. 4 sehr schön zu sehen. Es wäre wunderbar, wenn die Dächer und die Rückfassaden so wiederkommen würden. Ich kann mir nicht vorstellen, wo und wie man hier ein Dachcafé unterbringen will!


    Diele-1922.jpeg
    Abb.4: Es folgen noch ein paar Innenaufnahmen. Diele 1922, Blick in Richtung Mengstraße.


    Diele-1922-2.jpeg
    Abb.5: Diele 1922, gleiche Blickrichtung von weiter hinten.


    Diele-1922-3.jpeg
    Abb.6: Diele 1922, Treppenaufgang am Seitenflügel. Links ist ein Fenster der Rückfassade zu sehen.


    Landschaftszimmer-1890.jpeg
    Abb.7: Landschaftszimmer im OG 1890


    Goetterzimmer.jpeg
    Abb.8: Götterzimmer

    Ich bin sehr gespannt, ob wir von dieser alten Pracht innen wir außen irgendetwas zurückbekommen werden oder ob alles sehr nüchtern modern werden wird... huh:)

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (19. Juni 2023 um 21:35) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Ganz aktuell: Wettbewerb zum Neubau des Buddenbrookhauses entschieden! Gewonnen hat das Lübecker Büro TMH

    Hierzu ein bebilderter Artikel der Lübecker Nachrichten

    Was man so auf den bisherigen Bildern sehen kann: Die Diele von Nr. 4 scheint innen ja ganz nett/historisch zu werden, aber außen bzw. hinten ist es eine mittelschwere Katastrophe. Naja, wir sind halt mal wieder auf Zwang modern. Im schon sehr unschön aufgerissenen Erdgeschoss von Nr. 6 gibt es - was eigentlich kaum noch möglich war - sogar nochmals eine Verschlechterung (sieht jetzt nach 70er-Jahre aus) und die Rückfassaden (wenn man dazu überhaupt "Fassade" sagen kann) spotten jeder Beschreibung. Auf den ersten Blick sieht das neue "Pseudo-"Mansarddach von Nr. 4 ganz interessant aus. Auf den zweiten Blick scheint der untere Teil des Daches aber komplett vertikal zu sein und eine Aufstockung zu kaschieren. Man kann froh sein, dass immerhin die Staßenfassaden vorgegeben waren. Nicht auszudenken, wenn dieselbe Gestaltung wie hinten auch vorne gekommen wäre... :kopfschuetteln:

    Ergänzung In diesem Zusammenhang: Der "Seetempel" am Brodtener Ufer in Travemünde soll rekonstruiert werden (auch wenn der Originalstandort längst im Meer versunken ist).
    Hierzu ebenfalls ein LN-Bericht

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Danke für den Link. Gestern war da noch nichts. Aber leider sind die Links dort fast alle falsch - man hat offenbar nicht die nötige Sorgfalt walten lassen. Nur die jeweils ersten Dateien sind korrekt verlinkt - bei den Dateien 2-4 des dritten Platzes kommen nochmal die vom zweiten Platz und beim vierten Platz die vom ersten.

    Du meine Güte - was man trotz der falschen Links sehen kann - da hat ja tatsächlich die kleinste Katastrophe gewonnen. Beim dritten Platz ist immerhin das EG von Nr. 6 akzeptabel, aber bei den Dachlandschaften ist ja vom Bunker bis zum Zirkuszelt alles dabei. Da können wir ja beim ersten Platz noch froh sein, auch wenn hier das Dach von Nr. 4 wegen der überflüssigen vollgeschossigen Aufstockung auch überdimensioniert ist (es ist deutlich höher als das der viel höheren Fassade Nr. 6!).

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Meiner Ansicht nach ist der Siegerentwurf (Bild) eine Katastrophe. Vor allem dem gotischen Bürgerhaus wird keinerlei Respekt gezollt, statt der bisherigen breiten Autodurchfahrt wird nun ein ebenso breites Schaufenster eingebaut (was die Zweit- und Drittplatzierten immerhin nicht so drastisch planten). Angesichts dessen könnte man eigentlich auch gleich eine Pommesbude dort einziehen lassen. :kopfwand:

  • Naja, die gotische Fassade ist ja auch nur ein unter Denkmalschutz gestellter "Fake". Wofür da also Respekt... :wink:
    Aber eine aufgerissene Schaufensterfront wie in den tiefsten 70ern, als man reihenweise Häuser in dieser Form verschandelte, hätte es ja nun auch nicht sein müssen.

    Hoffentlich ist das jetzt endlich mal der letzte Museums-Neubau in der Lübecker Altstadt nach Kunsthalle St. Annen, Europäischem Hansemuseum und Figurentheatermuseum! Bei sowas kommt selten etwas architektonisch brauchbares heraus... :wuetenspringen:

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Ich stelle mal die Frage, wie krank und degeneriert ist diese Architektengesellschaft eigentlich, wenn sie es nicht hinbekommt, ein so wichtiges Denkmal wie das Buddenbrookhaus originalgetreu zu rekonstruieren?

    Warum baut man dort nicht gleich einen Aussichtsturm mit Außentoilette hin. Und lädt die Passanten zur Partizipation architektonischen Schaffens ein, indem dort jeder irgendeinen Schrott hinschieten kann.

  • Da die Baudiskussion eher hierher passt, poste ich die Details zum Buddenbrookhaus in diesem Strang.
    Das Buddenbrookhaus und sein linker Nachbar sollen ab dem kommenden Jahr saniert werden. Diese Maßnahme ist eigentlich ein Totalabriss mit Ausnahme der Fassaden und der historischen Kellergewölbe. Ich hatte die Gelegenheit, mit einer Mitarbeiterin des Hauses eine Stunde lang zu sprechen und dies förderte einige interessante Infos zu Tage und auch manch witzige Geschichte.

    Zunächst einmal ein Blick auf die beiden Häuser, die künfig zusammengefasst werden und das neue Museumsgebäude bilden sollen

    Druchgang zum "Innenhof" oder besser gesagt zu einem Unort mit ganz vielen Mülltonnen, sowas kann man schon besser lösen :gehtsnoch:

    Rückansichten der Gebäude

    Die Gewölbe im Keller bleiben erhalten!

    Dann kommen wir zu einer Neuigkeit: Die Dame des Buddenbrockhauses sagte mir, dass - anders als in den Lübecker Zeitungen zu vernhemen ist - es noch keine endgültige Entscheidung beim Wettbewerb gibt, die Zeitungen hätten falsch berichtet!
    http://www.ln-online.de/Lokales/Luebec…denbrookhaus-um
    Vielmehr würden aktuell die 4 Wettbewerbsbesten aufgefordert, ihre Entwürfe zu überarbeiten. Mich hat das auch etwas überrascht, aber die Mitarbeiten sollten das ja eigentlich wissen.
    Ferner wurde mir mitgeteilt, dass die Zwischendecke, die nicht historisch ist, zukünftig nicht mehr eingebaut wird, das heißt der Neubau des Museums wird die alten Deckenhöhen wiederaufnehmen, so dass die Aufmaße wieder den historischen entsprechen. Dies fürte beim Filsdreh mit Iris Berben zu der lustigen Situation, dass sie wohl vor dem Fenster knien musste, um daraus zu winken, weil die Geschosshöhen so gar nicht stimmen :lachentuerkis::lachentuerkis:
    Inwieweit es auch Innenraumrekonstruktionen geben wird, da konnte mir die Dame leider keine neuen Auskünfte geben, sie war aber eher skeptisch. Also wird das wohl eher nichts werden. Seien wir gespannt, was aus dem Ganzen wird, die Hinterhofsituation kann aber fast nur besser werden, fand den Zustand des Hof extrem betrüblich, man kam sich eher vor als wäre man in Bochum statt in Lübeck.

    APH - am Puls der Zeit

  • Inwieweit es auch Innenraumrekonstruktionen geben wird, da konnte mir die Dame leider keine neuen Auskünfte geben, sie war aber eher skeptisch.

    Aber sag mal, was wird denn aus den beiden schönen bisherigen "Roman-Räumen" zur Straße heraus? Kommen die mitsamt den schönen Möbeln auf den Müll? ;(

  • @ oktavian
    das ist eine sehr interessante Frage, die mir die Dame vor Ort auch nicht beantworten konnte. In der heutigen Form können die Räume auf gar keinen Fall zurück kehren, weil die Zwischendecke ja wieder herausgenommen wird und faktisch ein ganzes Geschoss fehlt. Somit werden auch die Räume ganz andere sein als heute. Die Ausstellungsstücke werden sicher im Haus bleiben, wie diese aber präsentiert werden, das wird erst der Architekturwettbewerb zeigen. Ich hoffe, dass man sogar noch mehr historsiche Räume dann in den originalen Kubaturen und Anmutungen wiederherstellt. Wenn ich aber die Signale der Dame richtig deute, die mit mir geredet hat, wird das aber eher schwierig, weil man wie der Architekturwettbewerb ja zeigt, eher etwas " Modernes" will, aber lassen wir uns überraschen, vielleicht wird es ja besser wie erwartet.

    APH - am Puls der Zeit

  • Wenn ich aber die Signale der Dame richtig deute, die mit mir geredet hat, wird das aber eher schwierig, weil man wie der Architekturwettbewerb ja zeigt, eher etwas " Modernes" will,

    Brrrr..... das wäre aber schlimm......

  • Lieber frank1204,

    bitte erlauben Sie mir die kurze Frage, wie es mit dem geplanten Um- und Ausbau des Buddenbrookhauses steht ? Werden die Bauarbeiten 2020 beginnen ?

  • Lieber Pagentorn,

    wenn man den Presseberichten glauben schenken kann, wird es tatsächlich in Kürze losgehen - leider, denn ich lehne den Entwurf nach wie vor ab.

    Laut HL-Live wurde das Haus am letzten Wochenende geschlossen:
    https://www.hl-live.de/aktuell/text.php?id=135279

    Eine provisorische Teilausstellung während der Bauzeit wird es ab 27. März im Museum Behnhaus Drägerhaus geben.

    Noch einmal zur Erinnerung - hier gibt es die Wettbewerbsentwürfe für den Neubau als PDF-Dateien zu sehen:
    https://buddenbrookhaus.de/oeffentliches-forum_2

    Es hieß vormals dass der Siegerentwurf von TMH noch einmal überarbeitet werden solle. Wenn ich mir die Dateien jetzt noch einmal so ansehe, kann ich leider keine Veränderungen/Verbesserungen feststellen - es sind offenbar die alten. Die größten Kritikpunkte daran sind meinerseits immer noch:

    - Das Haus Mengstraße 6 (ex Fischstraße 19) bekommt leider wieder kein adäquates Erdgeschoss, und die Fassade schwebt weiterhin wie ein Fremdkörper in der Luft. Ich verstehe nicht, was daran so schwierig ist, die Backsteinfassade bis zum Boden herunterzuziehen (wie es beim bestehenden Haus immerhin ansatzweise der Fall ist) und Fenster-/Türöffnungen anstatt der Glasfläche zu erstellen. Das ginge auch mit der Durchfahrt, wenn diese denn unbedingt bleiben muss. Von dem albern wirkenden Schriftzug mal ganz abgesehen, auch wenn er aus dem Roman ist.

    - Beim "alten" Buddenbrookhaus (Mengstraße 4) wird durch das Umwandeln der Dachschräge in eine Vertikale aus dem historisch wohl dagewesenen Mansardgeschoss ein zusätzliches (immerhin durch Dachziegel getarntes) Vollgeschoss, wodurch der schöne Rokoko-Giebel zur Farce gerät! Über diese Dachbegradigung kann man an den Längsseiten und an der Rückfassade vielleicht noch hinwegsehen, aber muss das an der Straßenfassade wirklich sein? Durch die Beibehaltung einer geringen Dachneigung würde man doch nun wirklich kaum etwas an Innenfläche verlieren, aber außen eine erheblich bessere Ansicht erreichen.

    - Die Dachlandschaft wird durch Aufstockung und Dachaustritt zwischen den Häusern erheblich gestört und wird aus der Vogelperspektive sehr unschön/verstümmelt wirken, wobei man sagen muss, dass auch das jetzige Dach von Nr. 4 mit seinen Unterbrechungen nicht gerade als vollständig oder optimal zu bezeichnen ist.

    - Die modernistische Rückseite spottet leider jeder Beschreibung. Mir fehlen da wirklich die Worte. Sieht man immerhin nicht von der Straße aus und passt zu dem vor kurzem in den Innenhof gekloppten Parkhaus-Monstrum.


    Fairerweise muss man man aber auch den einen Pluspunkt des Entwurfs erwähnen: Die Diele im Erdgeschoss des alten Hauses Nr. 4 soll dem historischen Zustand weitgehend angenähert werden. Ob man gar von einer Rekonstruktion sprechen kann, vermag ich im Moment nicht zu beurteilen.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Lieber frank1204

    haben Sie herzlichen Dank für diesen detailreichen Sachstandsbericht !

    Auch mir ist es es ein wenig bange, wenn ich an die bevorstehende 'Verschlimmbesserung' denke.

    Es wäre wahrscheinlich in der Tat besser gewesen, man hätte den jetzigen Zustand unangetastet gelassen und damit zukünftigen Generationen die Möglichkeit erhalten, richtig zu rekonstruieren (das ist in solchen Fällen ja Heimdalls Mittel der Wahl, welches ich mir anzueignen mir erlaubt habe).

    Seien Sie jedenfalls versichert, daß der Sohn eine Katharineers, die Entwicklung an diesem Teil der Mengstraße und im Schatten von St. Marien ganz genau im Auge behalten wird !

    In diesem Sinne: Dominus Providebit !

  • Neubau des Buddenbrookhauses - aktueller Stand

    Am Mittwoch berichteten die Lübecker Nachrichten in ihrer Printausgabe (online habe ich den Artikel nicht gefunden) über den Stand des Neubauvorhabens Buddenbrookhaus. Ich gebe hier mal die Fakten wieder.

    So viel schon einmal vorweg: Der Denkmalschutz wird hier langsam zur Farce, und das ganze Projekt zu einem Stück aus dem Tollhaus. :wuetenspringen:

    Zu den Informationen:

    Man möchte beim Rundgang durch das Haus eine "Geschichte erzählen". Dafür sei es leider erforderlich, das unter Denkmalschutz stehende historische Kellergewölbe in Teilen zu zerstören. Das für die "Geschichte" notwendige Treppenhaus soll ausgerechnet im ältesten Teil aus dem 13. Jahrhundert platziert werden. Zwei der vier Gewölbekappen werden teilweise entfernt werden müssen. Es gab wohl eine sehr lange Suche nach einer anderen Lösung, nur konnte man keine finden. BM Lindenau hat sich als oberster Denkmalpfleger in Personalunion daher nun über die Fachleute seiner Denkmalpflegeabteilung hinweggesetzt und die Zerstörung quasi per Dekret genehmigt. Die Unesco saß wohl mit am Tisch und sieht angeblich - ohne Einwände zu erheben - dabei zu. Schließlich gehöre die Mengstraße ja nicht zum Kerngebiet des Welterbes (ja, weil sie damals fälschlicherweise fahrlässig ausgespart wurde), sondern gehöre ja "nur" zur Pufferzone. Aber es handelt sich doch immer noch um ein gotisches Gewölbe, egal wo es liegt! Viel groteskter geht es wirklich nicht mehr.

    Dasselbe Vorgehen hatten wir übrigens schon einmal 2002 beim P&C-Neubau am Markt, der durch BM Saxe gegen den Rat der Denkmalschützer durchgedrückt wurde.

    Es ist unfassbar, wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird: Während das zurecht unter Denkmalschutz stehende 800 Jahre alte originale Gewölbe angetastet werden darf, war das bei der Fassade des zugekauften Hauses Mengstraße 6 aufgrund desselben Denkmalschutzes nicht möglich. Dabei ist absolut nicht einzusehen, warum diese überhaupt unter Denkmalschutz steht, handelt es sich hierbei doch "nur" um einen nach dem Krieg entstandenen, noch dazu verfälschten Nachbau der Fassade Fischstraße 19 - zugegeben mit einigen gotischen Originalsteinen. Hier wäre es viel mehr geboten gewesen, die Fassade wieder am originalen Standort zu rekonstruieren. Gleichzeitig hätte das dem Buddenbrookhaus mehr Freiheiten beim Neubau gebracht.

    Aber es wird noch besser:

    Es wurde jetzt festgestellt, dass die beiden Fassaden Mengstraße 4 und 6 niedriger seien als bei der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs vor einigen Jahren "angenommen" wurde. Man hat jetzt wohl nochmal nachgemessen. Wie kann man denn so einen Wettbewerb auf Annahmen anstatt auf Fakten basieren? :kopfwand:

    Das bedeutet, dass der Neubau-Entwurf nun nicht mehr hinter die Fassade passt. Unglaublich - kann man das nicht mal vorher ausmessen? Da kann man ja schon fast Vorsatz vermuten, um mehr Fläche unterzubringen. Jetzt wird der Neubau als Notlösung bis zu einer Tiefe von 1,5m hinter den Fassaden niedriger gebaut und verspringt dann auf die bisher geplante Höhe, damit man das eigentlich zu hohe Haus von der Straße aus angeblich nicht sieht. Das wird bestimmt super aussehen, besonders aus erhöhter Position oder auf Luftbildern! :kopfwand:

    Und zu guter - oder wohl besser - schlechter letzt:

    Auch die Kosten laufen natürlich mal wieder aus dem Ruder - und das schon lange vor Baubeginn: Ursprünglich wurden 18-20 Millionen Euro veranschlagt. Momentan ist man bei 23 Mio, aber es steht wohl auch schon die Zahl von 30 Millionen Euro im Raum. Und ich persönlich vermute, dass es auch dabei nicht bleiben wird. Wenn am Ende wenigstens ein schöner Bau dabei herauskäme. Aber wenn man sich den Siegerentwurf und die oben genannten Stümpereien ansieht, kann man sich nur die Haare raufen. :kopfschuetteln:

    Der Zeitplan wird übrigens nur sehr vage angegeben: Die Planungen sollen 2021 abgeschlossen werden, Baustart könnte "eventuell" 2022 sein, Fertigstellung dann 2024. Ursprünglich sollte es 2019 losgehen.

    Meiner Meinung nach sollte man die Finger von der ganzen Sache lassen, aber es gibt wohl leider kein Zurück mehr.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Bei HL-Live gibt es Neuigkeiten zum geplanten Abbruch des Gewölbekellers unter dem Nebengebäude (Mengstr. 6) des Buddenbrookhauses. Die BIRL (Bürgerinitiative rettet Lübeck) hat einen Grundriss des Kellers samt der abzubrechenden Gewölbejoche präsentiert: https://www.hl-live.de/text.php?id=142543

    Tatsächlich sollen für den Einbau der Treppe nicht nur zwei von vier Gewölbekappen zerstört werden, sondern sechs von acht. Der quer im hinteren Teil des Hauses liegende Keller hat vier Joche und ist zweischiffig. Davon sollen die vier östlichen Joche komplett und die beiden anschließenden Joche teilweise beseitigt werden - zusammen mit einem Großteil der Wand zum südlich anschließenden Keller. Der Keller stammt aus der Zeit um 1260. Aus dieser Zeit ist vielleicht noch eine Handvoll Keller erhalten, wenn überhaupt. Eigentlich ein Fall für die UNESCO.

  • Maxileen: Du bist mir kurz zuvorgekommen - ich wollte es auch gerade posten.

    Die geplante Zerstörung ist in der Tat offenbar noch größer als nach der ersten Pressemeldung angenommen.

    Eigentlich ein Fall für die UNESCO.

    Soweit ich das verstanden habe, saß sie Unesco bei der Lösungsfindung für die Treppe mit am Tisch und hat am Ende zugesichert, dass die Zerstörung des Kellers keine Auswirkungen auf den Welterbestatus haben wird, da der Keller nicht im Welterbe-Kerngebiet liegt. Das ist schon grotesk und unglaublich.

    Kann man die Treppe nicht einfach neben den Keller bauen?

    Man könnte die Treppe hinten an das Haus anbauen, so dass diese außerhalb des Kellers liegt. Das Grundstück gehört sogar der Stadt. Aber soweit ich gelesen habe, gibt es dort Parkrechte irgendwelcher Anlieger. Es würde wohl sehr lange/mehrere Jahre dauern, diese Verträge auslaufen zu lassen oder aufzulösen. So lange will man nicht warten. Die Planungen laufen ja nun schon einige Jahre - da hätte man sich ja auch schon mal längst darum kümmern können. Eine Groteske nach der anderen. Ein Bürgermeister, der so mit dem baulichen Erbe seiner Stadt umgeht, gehört abgewählt!

    :kopfwand:  :kopfschuetteln:

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)