Lübeck - Umbau Buddenbrookhaus

  • Mengstraße 4 - Buddenbrookhaus

    Man hat ja schon so einiges über die geplante Erweiterung des Dokumentationszentrums zu Thomas und Heinrich Mann in der Mengstraße gehört. Bisher ging es dabei aber primär um den Umbau des benachbarten - nun hinzugekauften -Gebäudes Mengstraße Nr. 6, dessen Fassade ja ehemals an der Fischstraße stand und nach dem Kriege hierher transloziert wurde. Der Abriß des hinter dieser versetzten Fassade befindlichen Gebäudes scheint ja wohl beschlossene Sache zu sein.

    So weit, so gut.

    Aber das, was in dem folgenden TV-Beitrag gesagt wird, klingt so, als wenn auch das Gebäude hinter der historsichen Fassade der Nr. 4, zum kompletten Abriß freigegeben werden soll. (Es wird im Beitrag im Plural vom Abstützen der 'Fassaden' gesprochen, also von Nr. 6 und 4 ?!)

    Wenn dem so sein sollte, gibt es Bestrebungen, hinter der historischen Fassade dann das 'Buddenbrookhaus' in seiner originalen Raumaufteilung zu rekonstruieren, also inklusive Diele, Kontor, Säulenhalle, Landschafts- und Götterzimmer ? (Die letzten beiden Räume, gab es ja als recht frei aufgefaßte Simulationen schon im bisherigen Nachkriegsbau).

    Frank1204, ich hoffe hier sehr auf eine Ihrer fundierten Antworten... ;)

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    https://buddenbrookhaus.de/de/Buddenbrookhaus-2018?bbh2018=63

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (18. Dezember 2017 um 22:17)

  • Wenn dem so sein sollte, gibt es Bestrebungen, hinter der historischen Fassade dann das 'Buddenbrookhaus' in seiner originalen Raumaufteilung zu rekonstruieren, also inklusive Diele, Kontor, Säulenhalle, Landschafts- und Götterzimmer ?

    Never ever. Das wäre einfach zu schön um wahr zu sein und würde nicht mit rechten Dingen zugehen. Kann ich mir auch nicht vorstellen, nachdem man das Haus vor Jahren erst (zumindest was die drei "historischen" Räume angeht, so liebevoll wiederhersgestellt hat.

    A propos Thomas-Mann-Häuser.
    Ich halte es ja immer noch für eine Schande, dass die "Poschi", also Th. Manns teilrekonstruierte Villa in der Poschingerstraße in München nicht beim letzten Besitzerwechsel vom Freistaat Bayern aufgekauft und mit der grandiosen und äußerst detailreichen Filmdekoration (Möbel und Lampen etc. sind ja massiv) der berühmten Mann-Trilogie von Heinrich Breloer ausgestattet hat. M. W. sind die Sachen am Gasteig noch da....

  • @'Pagentorn:
    Zunächst einmal: Ich fühle mich sehr geschmeichelt, dass Sie meine Beiträge als fundiert bezeichnen - vielen Dank für das Kompliment. :thumbup:

    Zu dem, was da als neues Buddenbrookhaus entstehen soll, habe ich allerdings momentan auch noch nicht mehr Informationen als das, was man im Auslobungstext des Wettbewerbs lesen kann. Mir war sogar neu, dass das bisherige Haus Nr. 4 auch abgerissen werden soll. :/

    Im Text heißt es unter anderem:

    Zitat

    Mit einem Umbau der beiden Gebäude bzw. einem Neubau hinter den denkmalgeschützten Fassaden entsteht Das NEUE Buddenbrookhaus, das an diesem besonderen Standort auf einzigartige Weise Weltliteratur, Kaufmannstradition und das Leben der weltberühmten Schriftstellerfamilie Mann verbinden wird. Im UNESCO-Welterbe der Lübecker Altstadt soll unter Berücksichtigung der bestehenden kleinteiligen Strukturen ein modernes, ökonomisch wie ökologisch nachhaltiges Ensemble errichtet werden, das den Vorgaben des Denkmalschutzes ebenso gerecht wird wie den räumlich-funktionalen und technischen Anforderungen eines zeitgemäßen Museumsbaus. Es ist die besondere Herausforderung der Planungsaufgabe, mit der historischen Bausubstanz behutsam umzugehen und gleichzeitig ein zusammenhängendes Gebäudeensemble zu schaffen, das zeitgenössische Architektur und eine erlebnisreiche Ausstellung in optimalen Einklang bringt.

    Ich weiß noch nicht so recht, was ich davon halten soll bzw. was man davon erwarten kann. Einerseits beruhigend, dass die alten Fassaden erhalten bleiben und damit wohl hoffentlich die Kubatur des Neubaus vorgeben. Auch die Passagen "Berücksichtigung der bestehenden kleinteiligen Strukturen" und "den Vorgaben des Denkmalschutzes gerecht werdend" hören sich gut an. Sehr beunruhigend sind dann im Gegensatz dazu die Begriffe "modernes Ensemble" und "zeitgenössische Architektur". Nicht, dass hinter den alten Fassaden dann irgendein "Ufo" landet und über oben hinüber lugt. Die bisherige Kubatur mit steilen, rot gedeckten Satteldächern muss unbedingt bleiben - das schreibt ja auch schon die Gestaltungssatzung für die Lübecker Altstadt als geltendes Baurecht vor, die aber in der Vergangenheit leider nicht immer beachtet wurde. Was die Architekten dann - außer bei den Rückfassaden vielleicht - äußerlich noch für einen Gestaltungsspielraum für moderne Architektur haben sollen, ist mir schleierhaft. Auf jeden Fall muss auch das Erdgeschoss von Nr. 6 deutlich verbessert werden.

    Ob innen dann historische Räume entstehen werden, kann ich leider beim besten Willen noch nicht sagen. Im Auslobungstext ist nur schwammig die Rede von "Historisch-biografischen und phantastisch-literarischen Räumen" - was auch immer das heißt. Es wäre natürlich in der Tat sehr interessant, das eigentliche Buddenbrookhaus Mengstraße 4 exakt historisch zu rekonstruieren um den Spielort des Romans authentisch zeigen zu können und in Mengstraße 6 dann die ergänzenden Räume für Ausstellungen, Seminare, Verwaltung usw. unterzubringen. Das wäre für mich auch die logische Konsequenz eines Neubaus hinter den beiden bestehenden Fassaden, von denen ja nur Nr. 4 wirklich historisch und Nr. 6 ein Nachkriegs-"Neubau" ist. Und: Durch die grundverschiedenen Geschosshöhen der beiden Fassaden ist ein durchgehender einheitlicher Bau ohnehin nicht möglich.

    Was genau kommt, werden wir dann wohl Anfang März nach dem Preisgericht erfahren.


    @Moderator: Die obere Mengstraße gehört eigentlich nicht zum Gründungsviertel und wäre im Strang "Lübeck" besser aufgehoben. Vielleicht kann das Thema "Buddenbrookhaus" dorthin verschoben werden?

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Sehr geehrter frank1204,

    wie zu erwarten haben Sie mich mit Ihrer ausführlichen Antwort nicht enttäuscht ! :thumbup:

    Jedenfalls herzlichen Dank !!

    Ihre Beschreibung einer idealerweise anzustrebenden Funktionsteilung zwischen den beiden Häusern, ist genau das, was auch ich mir erhoffen würde.

    Im Übrigen habe ich meine Frage in diesem Themenstrang eingestellt, weil ich es für 'zu hoch gegriffen' ' gefhalten hätte, hier einen neuen Strang zum 'Buddenbrookhaus' zu eröffnen, da ich bei diesem Thema wirklich nur ein interessierter Laie bin. Aber wenn die Moderation das Thema zu einem eigenen Strang aufwerten möchte, hätte ich natürlich nichts dagegen.

  • Zitat von Unbekannt

    Mit einem Umbau der beiden Gebäude bzw. einem Neubau hinter den denkmalgeschützten Fassaden entsteht Das NEUE Buddenbrookhaus, das an diesem besonderen Standort auf einzigartige Weise Weltliteratur, Kaufmannstradition und das Leben der weltberühmten Schriftstellerfamilie Mann verbinden wird.

    Uuups, also das hört sich ja echt danach an, dass die hinter den beiden Fassaden wohl alles abreißen werden ;( Deshalb auch diese Rede von "umfangreichen Abstützungen". Also irgendwie finde ich das sehr, sehr beunruhigend. Ich denke, äußere Veränderungen - Stichwort Ufos statt Satteldächer - wird es im Welterbegebiet wohl nicht geben können. Aber Totalentkernung ist immer wie eine Totalkastration oder so.... Also nach wie vor wird man davon ausgehen können, dass da wohl nicht - auch nicht strukturell, was ja schon mal etwas wäre - rekonstruiert werden wird.

  • Danke für das Verschieben des Themas - (der Beitrag von Oktavian fehlt allerdings noch)! :thumbup:

    Hier als Ergänzung noch Bilder, worum es überhaupt geht:

    09-Fischstrasse-19.jpeg
    Abb.1: Das zugekaufte Haus Mengstraße 6 (mit Durchfahrt) und das eigentliche Buddenbrookhaus Nr. 4 rechts daneben.


    Mengstrasse_4-6_rueck.jpeg
    Abb.2: Die eher unbekannten Ansichten der Hofseiten. Links Mengstraße 4, rechts Mengstraße 6 mit St. Marien. Keine Schönheiten, aber wer weiß, ob wir stattdessen was besseres bekommen... ?(


    Mengstrasse_4-6_rueck-2.jpeg
    Abb.3: Beide Giebel zusammen. Mengstraße 4 ist deutlich tiefer als Nr. 6. Ich könnte mir vorstellen, dass man Nr.6 auf dieselbe Tiefe wie Nr. 4 bringt, um deutlich mehr Nutzfläche zu bekommen. Rechts über Nr. 6 die Spitze des erst 1979/80 rekonstruierten Dachreiters von St. Marien.

    Fotos von mir

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    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (19. Juni 2023 um 21:24) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Anbei ein Modell der Mengstraße Nr. 4, welches zeigt, wie die Rückseite des im Auftrag von Johann Michael Croll 1758 erbauten Hauses bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg aussah.
    Wenn das 'Neue Buddenbrookhaus' sich diesem Zustand wieder deutlich annähern sollte, könnte man mit den aktuellen Planungen mehr als einverstanden sein. Sollte aber - wie 'Oktavian' befürchtet - ein 'UFO' hinter der historischen Straßenfassade (dem einzig erhaltenen Teil des Croll'schen Hauses, welches im gegenwärtigen 'Buddenbrookhaus' noch erhalten ist - neben den noch älteren, mittelalterlichen Kellergewölben darunter) landen, dann wäre dies eindeutig ein Fall von 'Verschlimmbesserung', den es unbedingt zu verhindern gilt !


  • So, ich habe jetzt nochmal weiter nachgeforscht und hier die ausführlichen Wettbewerbsunterlagen gefunden und heruntergeladen:
    http://www.luchterhandt.de/essential_grid/1169/

    Dort rechts unter "Downloads" "Auslobung und Anlagen" anklicken. Dann kommt man in eine Dropbox, wo man die Dateien als ZIP-Datei herunterladen kann (Achtung: Sehr groß, ca 1GB!).
    Nach dem Auspacken der ZIP-Datei hat man eine ganze Fülle von Dokumenten. Darunter unter "02_:Fotos" eine PDF-Datei mit vielen schönen Fotos der historischen Räume und Außenansichten. Das macht schon den Eindruck, als wolle man zumindest bei Nr.4 in die historische Richtung gehen.

    In der PDF-Datei des Raumprogramms findet man dann diese Äußerungen:

    Zitat

    6.2 Historische Raumdimension: Anders als bisher soll der Besucher des NEUEN Buddenbrookhauses
    im Erdgeschoss einen Eindruck alter Größe und vergangenem Glanz der Lübecker Kaufmannschaft erhalten:
    In der Diele des Museums sollen die historischen Raumeindrücke wiederhergestellt werden, indem die
    Diele typische Lübecker Kaufmannshäuser durch Raumhöhe, -größe und –gestaltung adaptiert, ohne historistisch
    zu rekonstruieren.

    Das hört sich ja schon mal ganz gut an. Zwar keine genaue Reko, aber die Raumdimensionen zumindest der Diele sollen wiedererstehen (was eine spätere Reko ja evtl. nicht unmöglich macht).

    Was mich aber jetzt sehr erschreckt ist dies hier:

    Zitat

    10 Option: Dachcafé
    10.1 Das Café muss den Blick auf die Marienkirche frei geben und sollte Raum für ca. 20 Sitzplätze haben.

    Als wenn ich´s nicht geahnt hätte! Ohne so einen entstellenden Quatsch geht es doch tatsächlich auch hier wieder nicht (siehe Berliner Schloss)!!! :kopfwand:
    Es MÜSSEN zwingend die Sattel- bzw. Mansarddächer in der historischen Dimension wiederkommen!!! :wuetenspringen: Ein Dachcafé kann - wenn überhaupt - vielleicht auf einen rückwärtigen Anbau kommen. Das Dach ist die fünfte Fassade eines Hauses und kein Ablageplatz allen möglichen Krempel wie Technik, Café usw.! Hoffentlich bleibt diese "Option" eine Option und wird keine Realität!

    So, wenn ich mich irgendwann abgeregt habe, lese ich vielleicht auch die anderen Dokumente noch durch.
    :kopfschuetteln:

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    2 Mal editiert, zuletzt von frank1204 (19. Dezember 2017 um 23:23)

  • Anbei ein Modell der Mengstraße Nr. 4, welches zeigt, wie die Rückseite des im Auftrag von Johann Michael Croll 1758 erbauten Hauses bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg aussah.

    Sehr schönes Modell, wenn auch das Grundstück noch viel tiefer war und noch zwei weitere Hinterhäuser folgten (schön zu sehen in dem von mir oben beschriebenen Download).
    Aber selbst den im Modell zu sehenden Hinterflügel könnte man nicht wieder herstellen, da das Grundstück heute kurz hinter dem Haupthaus endet. Aber eine originale Wiederherstellung des Haupthauses mit verkürztem Seitenflügel wäre schon toll!

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Sollte aber - wie 'Oktavian' befürchtet - ein 'UFO' hinter der historischen Straßenfassade (...) landen

    Na ja - in dieser Hinsicht bin ich mir ja wegen des Welterbes sicher, dass dies nicht geschehen wird. Aber ich bin mir leider fast sicher, dass man genauso auch keinerlei innere Strukturen (nota bene: Strukturen - um mehr wird es nicht gehen) rekonstruieren wird.... Leider wie gesagt. Aber die Deutschen sind ja auch kein Kulturvolk mehr. In allen anderen Nationen wäre dies bei einem Dichter/Schriftsteller von Weltrang kein Problem....

  • Na ja - in dieser Hinsicht bin ich mir ja wegen des Welterbes sicher, dass dies nicht geschehen wird. Aber ich bin mir leider fast sicher, dass man genauso auch keinerlei innere Strukturen (nota bene: Strukturen - um mehr wird es nicht gehen) rekonstruieren wird.... Leider wie gesagt. Aber die Deutschen sind ja auch kein Kulturvolk mehr. In allen anderen Nationen wäre dies bei einem Dichter/Schriftsteller von Weltrang kein Problem....

    Schillerhaus im Weimar?

  • Aber die Deutschen sind ja auch kein Kulturvolk mehr. In allen anderen Nationen wäre dies bei einem Dichter/Schriftsteller von Weltrang kein Problem....

    Gehts auch mal ohne diese deprimierende Negativität? Es gibt zahlreiche Beispiele für weitgehend und vollständig rekonstruierte Autorenhäuser in Deutschland, sicher mehr als in jedem anderen Land der Welt.

  • Nein, sorry, das sollte nicht so depressiv rüberkommen. Immerhin ist das Goethehaus in FfM die f. m. E. tollste Reko überhaupt im Lande: Der Bau bis auf wenige Reste Komplettreko nach 1945 und die Möbel zwar Originale des 18. Jhs. aber bis auf geringste Ausnahmen nicht aus dem Besitz Goethes selbst.

    Entschuldigung, aber das mit dem "Kein-Kulturvolk-mehr-sein", dazu stehe ich - in aller Trauer! Eine Komplettreko ex nihilo wird es hier in der Mengstraße - ebenso wie es sie in der Poschingerstraße, wo man mit wenigen Mitteln einiges hätte machen können - leider nicht geben. Das läge aktuell eben in keinster Weise in der Denke unserer kulturellen und intellektuellen Elite (zu der ich als Akademiker ja leider auch gehöre). Ich revidiere mich sehr gerne, wenn es anders kommt/käme (und wenn dann nur durch massivsten Druck aus der Bevölkerung). Dtl. ist leider noch nicht so weit, dass sich die kulturell-intellektuell-politische Elite mit der (traditionellen) Kultur dieses Landes identifiziert. Vielleicht täusche ich mich ja total, aber sämtliche Rekovorhaben in diesem Landes wurden nur - ausschließlich nur! - durch massivsten Druck aus der Bevölkerung durchgesetzt und den Politikern, Architekten und den Medien-Leuten regelrecht aufgenötigt (was nichts daran ändert, dass diese sich dann danach, wenn alles erfolgreich gelaufen ist, damit schmückten, siehe Frauenkirche, siehe aktuell Frankfurt und v. a. nächstes Jahr Berliner Schloss: Es werden alle von denen immer schon dafür gewesen sein und sich als die großen Macher [die sie nie waren] nach voerne drängen nach dem Motto "Ach ja, der Herr von Boddien hat auch mitgemacht". Ich nenne diese Sichtweise einfach nur Realismus.

    Ansonsten würde ich dich ganz herzlich bitten, in deinem Tonfall etwas freundlicher mit mir umzugehen. Ich habe nur meine Meinung geäußert und gehe auch freundlich und höflich - so wie es sich für einen Kulturmenschen, die wir hier ja alle sein wollen, gehört, mit anderen um. Herzlichen Dank!

  • Schillerhaus im Weimar?

    Hm, ja und was ist mit dem? Ich sehe da hinter dem vollständig historisch erhaltenen und eingerichteten Haus nur den maßvoll-moderaten 80er Jahre-Anbau aus der DDR-Zeit (nette Postmoderne). Passt doch alles. Und klar: Der moderne Museumsbetrieb konnte vor 35 Jahren schon nicht mehr - geschweige denn heute - ohne Ausgleichsflächen auskommen, die die Massen an Besuchern auffangen.
    Wie gesagt damit man mich nicht falsch versteht: Eine weitgehende (oder zumnidest strukturelle) Innenreko vom Buddenbrookhaus mit neuem, maßvollem Anbau wäre ein Traum genauso wie eine Poschingerstzraße mit Mannschem Innenleben.
    Thomas Mann und wir alle hätten das verdient.

  • Kein KUlturvolk mehr...
    weiß nicht. Ja und nein. Aber gerade was TM-Kult betrifft (abgesehen davon, dass TM für die Zerstörung Lübecks ganz nebenbei einigermaßen anerkennende Worte gefunden hat, und über dessen Exilgebarung selbst Brecht mehr als befremdet war), würde mE im Verzicht die größere kulturelle Leistung liegen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • abgesehen davon, dass TM für die Zerstörung Lübecks ganz nebenbei einigermaßen anerkennende Worte gefunden hat

    Ne, ursus, sorry. So war das bei ihm nicht. Dieser Mann hat sein Land und seine Vaterstadt über alles geliebt, davon spricht nicht weniger als sein gesamtes Werk.

    Aber kannst du es dir mal vorstellen, was in dem Mann über Jahre hinweg vorgegangen sein muss, wenn er dies sagte (es bezieht sich ja auf die berühmten Radioansprachen "Deutsche Hörer")
    Er war aus dem Land rausgeworfen worden, die Deutschen rannten ohne Wenn und Aber diesem Teufel Hitler (siehe bei "Doktor Faustus") hinterher, der dann gleich ganz Europa mit dem schlimmsten aller Kriege überzog und Millionen unschuldiger Menschen in den Gaskammern ermordete. DAS hat dann ganz zwangsläufig letztlich eine Reaktion des Auslands heraufbeschworen, an dessen (damals leider nur vorläufigem) sehr logischen Ende die Zerstörung Lübecks stand. "Wer Wind sät, wird Sturm ernten". Infofern konnte er mit den Deutschen in der damaligen selbstverschuldeten Situation nicht über Lübeck trauern und weinen. Innerlich tat er dies 100%ig.
    Aber ist es denn heute anders? Und ich rede jetzt nicht vom Bombenkriegsbedrohung über schönen historischen deutschen Städten, sondern anderen Gefahren. Wird etwas dagegen gemacht? Nein! Also wird irgendwann das logische Ende kommen. Da bist du doch der erste der hier (in anderen Threats) immer wieder von der "Finis Germaniae" spricht, oder nicht? Diesbezüglich bin ich übrigens fast ganz bei dir ...

  • Aber gerade was TM-Kult betrifft (...) würde mE im Verzicht die größere kulturelle Leistung liegen.

    Das hier habe ich jetzt erst gelesen und ich muss dir sagen ich bin entsetzt.....

    Das heißt nicht, dass ich mit TM in allem menschlich übereingestimmt hätte. Sein Familienleben war schlimm - ohne Frage. Aber dasselbe gilt auch für Wagner, dessen Werk hinreißend und großartig war und ist, der aber menschlich siehe "Das Judentum in der Musik"- so ziemlich das Allermieseste gewesen sein muss, was es gab.
    Leider gibt es solche Menschen, die selbst bei weitgehendem Fehlen dessen, was wir "Anstand", "Charakter" und "Menschlichkeit" bezeichnen, ein grandioses Werk hinlegen. In diesem Sinne führte Barenboim vor Jahren erstmals in Israel Wagner auf.

  • Einmal kann ich TM rein literarisch nicht ausstehen. So ist halt mein Geschmack, und TM hat für mich überhaupt keinen. Von Geist und Moral reden wir da gar nicht, das wäre zugegeben auch in Bezug auf Wagner nicht unproblematisch (ganz drastisch bei dem von mir hochgeschätzten Janáček, der jenseits aller politischen Einstellung und des überbordenden Nationalismus ein fürchterliches Ekel gewesen sein muss).
    Aber eben auch Geist und Moral machen TM für mich nicht anziehender. TM gehört für mich nicht zum alten D, das ich bewundere. Und seine philosophisch-ethischen Auslassungen sind einfach schon vom Niveau her erbärmlich, auch das, was er über Bombenkrieg und Lübeck geschrieben hat. So redet keiner, der "seine Vaterstadt wirklich liebt". Ich denke, dass Brecht richtig lag, als er TM Opportunismus und Feigheit vorgeworfen hat. Seine Stimme hätte eventuell etwas gezählt. Gut vielleicht auch nicht, aber er hat es nie probiert. Russische Dissidenten haben nie innerlich so sehr mit ihrem Land gebrochen und dessen wirklich schlimmste Feinde hofiert.

    Aber auch zB alles was er über Wagner geschrieben hat, ist GENAU der jeweils herrschenden politischen Strömung angepasst.
    Ich würde ihn als Lübecker nicht hochhalten, dh auch nicht als lokalpatriotischer Lübecker.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich werde darauf achten, Deine "Tanten des Adjutanten" (heute gekauft) im Bücherregal nicht neben den "Zauberberg" zu stellen.
    Klar, nicht wenige Äußerungen von Mann haben auf mich immer befremdlich gewirkt. Deswegen mit seinem Werk zu brechen, kam trotzdem nie in Frage.
    Warum Du Ihn nicht zum "alten Deutschland" zählst, würde mich schon interessieren, da er für mich, wie vielleicht auch Stefan Zweig, der typische Vertreter des großbürgerlichen Literaten der Epoche vor dem 1. Weltkrieg ist. Jemand, dessen Welt danach eigentlich untergegangen ist.