In Detroit waren wir nur für ein paar Stunden, rückblickend war das sicher ein Fehler. Die unsichere Sicherheitslage hat uns abgeschreckt, zudem gibt es in Detroit aktuell kaum vernünftigen Hotels und nach Einkaufsmöglichkeiten für meine Frau hörte sich das im Vorfeld auch alles partout nicht an. So wurden aus geplanten zwei Nächten in Cleveland und zwei Nächten in Detroit dann drei Nächte in Cleveland und keine in Detroit.
1 Über Detroit wurde ja nun hier im Forum einiges geschrieben und so beginne ich gleich mit unserem ersten Ziel, das hier allerdings auch schon diskutiert wurde, der Michigan Central Station. Geplant haben das Objekt per 1914 die Architekten Warren & Wetmore aus New York sowie Reed & Stem aus St. Paul, beide Architekten-Teams hatten gleichfalls im Beaux-Arts-Stil kurz zuvor das Grand Central Terminal in New York gebaut, Warren & Wetmore hatten zudem schon Hotels gebaut, so bekam der Bahnhof in Detroit ein hotelartiges Aussehen. Die Problematik ist genau die gleiche wie beim Buffalo Central Terminal: wrong place, wrong time. Die Strecke in die Innenstadt wäre kaum zu Fuß zu laufen, immerhin liegt in unmittelbarer Nähe die Michigan Avenue, die Richtung Downtown führt
Bemerkenswert finde ich noch, dass die Fahrgastzahlen konkret nach dem zweiten Weltkrieg völlig eingebrochen sind und von 4.000 am Tag 1945 auf 1.000 am Tag in den späten 50ern sanken. In Summe führte das natürlich zu einem Niedergang der Anlage, die schließlich 1988 geschlossen wurde. Nach verschiedenen Zwischennutzungen und zeitweiser Plünderung des Bahnhofes wurde um 2003 eine Umnutzung zum Hauptquartier der Detroiter Polizei angedacht, was dann allerdings bei Umbaukosten in dreistelliger Millionenhöhe verworfen wurde. Heute gehört das Gebäude einem Manuel „Matty“ Mouron, einem der reichsten Männer der Welt, der das Gebäude (ich weiß nicht, wann) als Zukunftsinvestition gekauft hat. Mittlerweile wird er erkannt haben, dass es sich ökonomisch nicht lohnt, irgendein Geld in die Anlage zu stecken, selbst ein Abbruch, wenn er rechtlich möglich wäre, wäre irre teuer. So rottet die Anlage vor sich hin, als trauriges Symbol für den Niedergang der ganzen Stadt.
2 Wir sehen sofort, dass sich die Anlage, anders als der Buffalo Central Terminal, in einem katastrophalen Zustand befindet. Hier wird seit Jahrzehnten kein Fenster mehr heil sein. Ich bin kein Bauingenieur, weiß aber mittlerweile, dass eine Kombination aus eindringendem Wasser und Frost für jedes Bauwerk mittelfristig tödlich ist.
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4 Aus dieser Perspektive sieht man das hoffnungslose Umfeld des Bahnhofes. Dass hier irgendjemand Geld in die Hand nimmt und sagt, ich baue das Objekt in ein Hotel, eine Seniorenwohnanlage oder sonstetwas um, scheint unmöglich. Immerhin fühlte ich mich direkt vor dem Bahnhof zumindest nicht konkret unsicher, weil außer dem einen oder anderen homeless hier niemand herumlief. In meinem Rücken bei dieser Aufnahme wurde es dann allerdings deutlich finsterer, der Abzweig zur Michigan Avenue ist bemerkenswert verwahrlost. An der Ecke grinste uns eine Farbige undefinierbaren Alters mit einer blonden Perücke an, während sie offensichtlich am Sonntag Mittag undefinierbare Dienste anbot. Ich bin eigentlich keine Bangbüx, aber hier würde ich im Dunkeln nicht rumlaufen.
5 Unser nächsten Ziel war das Leland Hotel direkt am westlichen Rand der Innenstadt, ein (pardon my french) geiler Hotelklotz a.d. 1927 von den von mir schon genannten Architekten Rapp & Rapp aus Chicago. Wikipedia weist als Baustil abwechselnd Beaux-Arts, Neo-Renaissance und Historismus aus.
6 Laut dem deutschen Wikipedia werden zur Zeit nur 10 von 800 (!?) Zimmern vermietet, das Hotel wird angeblich derzeit renoviert, wovon ich aber nichts gesehen habe, in der Lobby habe ich exakt eine einzige Hotelangestellte gesehen, sonst niemanden. Ohne eine Renovierung wird das Leland wohl der nächste Leerstand in Downtown Detroit sein.
Die aktuellen Hotelkritiken schwanken zwischen „Spukhotel“, „widerlich“ und „Ratten, Mäuse, Kakerlaken“ und sind bemerkenswert schlecht.
The Leland - Detroit - Hotelbewertungen - TripAdvisor
7 Wir haben uns im vergangenen Herbst ja nun verschiedene Ziele angesehen, es war unmöglich, sich für alles top vorzubereiten. So habe ich über Detroit manches erst im Nachgang gelesen, z.B. die Geschichte der beiden Gebäude im Bild links, die ich vis-avis zum Leland mehr zufällig photographiert habe, das United Artists Theatre Building rechts (1928, Charles Crane) und das ehemalige Michigan Theatre (1926, Rapp und Rapp), heute das Michigan Building, wie über dem bogenförmigen ehemaligen Eingang zu lesen ist. Beide Gebäude bilden/bildeten eine Kombination aus Kino/Theater und Bürogebäude, die wir auch schon im Keith-Building in Cleveland gesehen haben. Der Bereich westlich der Downtown mit dem Leland und den beiden Theatern wurde in den 20ern gezielt entwickelt, was wohl nur mittelfristig funktioniert hat, die Gegend besteht heute zum größten Teil aus Parkplätzen, wirkt halbfertig und war ziemlich menschenleer.
8 Das United Artists Theatre Building steht heute komplett leer und sieht von innen so aus, wie ich mir ein zerschossenes Theater in einem ehemals umkämpften Beirut oder Kabul vorstelle.
9 Wenn das überhaupt möglich ist, traf es das Michigan Theatre noch ärger. Hier sind bei wenigen Konzerten in den 1950ern Louis Armstrong oder Frank Sinatra aufgetreten, im wesentlich lief aber Kino. Nach der Schließung des Kinos im Jahr 1967 gab es verschiedene Zwischenlösungen, am Ende erfolgte 1976 der Umbau zu einem Parkhaus (!!), als das das Gebäude nach wie vor genutzt wird, vermutlich als einziges Parkhaus weltweit mit einer Neo-Barock-Decke. Und ich Idiot wusste vor Ort von nichts und bin nicht hineingelaufen. Die folgenden Bilder tun richtig weh.
File:MichiganTheaterlobbyDetroit.jpg - Wikipedia, the free encyclopedia
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http://de.wikipedia.org/w/index.php?ti…=20110125085520
11 Auch das nächste Gebäude in Sichtweite steht leer, das „Grand Army of the Republic Nuilding“ von 1899, ein ehemaliger Treff für Veteranen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg.
12 Jetzt schauen wir den Washington Boulevard hinunter Richtung zum Grand Circus Park. Auch hier wäre eine nähere Betrachtung der kompletten Straße sicher lohnend gewesen. Das große Gebäude links ist der 145 m hohe Book Tower (1916, Louis Camper), heute ein kompletter Leerstand.
13 Das Book Cadillac Hotel ist eines der wenigen Gebäude im Umfeld, das die Kurve bekommen hat. Gebaut von Louis Kamper 1924 in Neo-Renaissance (106 m) stand es ab 1986 für 20 Jahre leer, wurde aber bis 2008 saniert und ist heute das erste Haus am Platz und vermutlich heute überhaupt das einzige wirklich schöne Hotel in Detroit. Ich hätte dort gerne übernachtet, Preise ab $ 200 pro Zimmer und Nacht (ohne Frühstück) hielten mich aber ab.
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15 Jetzt sehen wir in der Fort Street erstmalig zum Penobscot Building von Wirt C. Rowland (1928, 172m), ...
16 ... davor steht das Savoyard Centre (1900), das einzige Haus am Platz von McKim, Meat und White aus New York.
17 Das ist die Spitze des Union Guardian Building von Wirt C. Rowland (1928, 149m) in spektakulärem Art Deco.
18 Hier sehen wir in der Mitte das Buhl Building wieder von Wirt C. Rohland (1925, 111m).
19 Hier haben wir noch einmal den Book Tower.
20 Jetzt haben wir endlich eine Karte von Downtown Detroit. Unten ist der Detroit River, dahinter ist Kanada. Links oben habe ich das Leland Hotel markiert, darunter geht die Michigan Avenue in Richtung Michigan Central Station. In der unteren Bildmitte habe ich die Kombination aus Campus Martius und Cadillac Square markiert, rechts davon das Wayne County Building, darüber habe ich die Woodward Avenue eingekreist, darüber sehen wie den Halbrund des Grand Circus Park mit dem markierten Fox Theatre wieder darüber.
21 Der Pfeil im Bild oben links weist den Weg zum Masonic Temple, einem spektakulären Freimaurer-Bau in Form eine neo-gothischen Kathedrale, den ich aber nicht besucht habe, weil er zu weit abseits lag.
Detroit Masonic Temple - Wikipedia, the free encyclopedia
22 Der Pfeil ganz links zeigt zur Cass Tech High School, einer in Detroit wohl äußerst bekannten Schule aus 1922 in Art Deco, die im Verlauf des Jahres 2011 abgerissen wurde.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…ing_in_2010.jpg
23 Wieder zurück in Downtown Detroit sind wir jetzt am Renaissance Center am Detroit River, 1977 auch oder gerade zur Wiederbelebung des Areals und als größtes Hotel der Welt gebaut, beherbergt das Gebäude heute immer noch ein Marriot-Hotel (das aber nicht besonders gut sein soll), vor allem aber kaufte General Motors das Gebäude 1996 für $ 500 Millionen, um es für weiter $ 100 Millionen zu seinem heute krisengeschüttelten Hauptquartier umzubauen.
24 Vom Detroit River in Richtung Campus Martius bekommen wir hier einen Eindruck, wie die Stadt vor 100 Jahren und davor ausgesehen hat. Rechts das Vinton Building von Albert Kahn (1916).
25 Der Campus Martius hat sich seit dieser Aufnahme deutlich verändert, vor allem wurden wurde die Old City Hall (1861, links) und das Majestic Building (1896!) von Daniel Burnham (Mitte) 1961/1962 abgerissen. In dem Bereich, wo auf dem Bild rechts das weiße Haus steht, befindet sich heute ein Hardrock Cafe. (Bild aufgrund des Alters wohl gemeinfrei).
26 Noch einmal das Majestic Building (Bild aufgrund des Alters wohl gemeinfrei).
27 Bild aufgrund des Alters wohl gemeinfrei.
28 Hier sehen wir eine ähnliche Perspektive wie im Bild zuvor, das Ernest&Young-Gebäude steht also auf dem Areal der Old City Hall. Leider habe ich von dem Platz keine weitere Perspektive abgelichtet, aber man kann erahnen, dass der Platz viel von seinem Charme verloren hat.
29 Aber viele Gebäude haben eine überragende Qualität, wie hier das Dime Building (hinter dem Ernest&Young-Gebäude) von Daniel Burnham (1912, 99m)
30 Auf den nächsten beiden Bilder (dieses aus 1899 vom Cadillac Square in Richtung Westen zum Campus Martius) erkennt man wieder den Charme, den dieser Platz leider verloren hat. Detroit galt um 1900 laut Wikipedia gerade aufgrund seiner großzügig angelegten Plätze als „Paris of the west“ und überhaupt als schönste Stadt Amerikas, diesen inoffiziellen Titel wird Detroit um 1910 an Chicago verloren haben, bis der Titel dann um 1925 endgültig in New York landete (Bild aufgrund des Alters wohl gemeinfrei).
31 Hier wurde das Bild 30 links um das Hotel Ponchartrain ergänzt, das sich auf diesem Platz nur von 1907-1920 befunden hat (Bild aufgrund des Alters wohl gemeinfrei).
32 Im Osten wurde und wird der Cadillac Square wunderbar vom Wayne County Building (1897) abgeschlossen, so etwas wie dem Zwilling der Old City Hall auf der anderen Seite des Platzes. Laut Wikipedia ist das Wayne County Building „America’s finest surviving example of Roman Baroque achitecture with a blend of Beaux-Arts”.
33 An der gleichen Ecke des Platzes stehen weitere schöne Gebäude, wie diese hier, links der Cadillac Tower (133m, 1927).
34 Andere Gebäude habe ich wieder nicht gesehen, wie das Metropolitan Building, das heute leer steht und das sich direkt hinter der Gruppe aus Bild 33 befinden muss.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…etroit_2010.jpg
35 Schließen möchte ich zunächst mit dem National Theatre aus 1911 von Albert Kahn, einem weiteren Leerstand am Cadillac Square. Ich mache irgendwann mit Bildern aus der nördlichen Downtown weiter, das wird aber etwas dauern.