Die Görlitzer Pläne schocken mich. Warum muss man eine solche Wunde in eines der letzten integren Stadtbilder in diesem Land schlagen?
Das Problem ist, dass Einkaufszentren in diesem Land fast zwangsläufig immer als Bausünden enden. Wie es anders geht zeigt die südenglische Stadt Bath. Hier hat man mit dem Southgate Komplex zentrumsnah ein ganzes Quartier konsequent im ortstypischen "Georgian Style" errichtet . Ich war begeistert. Das Ganze ist ein architektonischer Gewinn für die Stadt und kein Kontrast, der weht tut. Einfach mal Southgate Bath googeln.
Nur eine solche stadtbildverträgliche Lösung ist für Görlitz denkbar. Vielleicht sollten wir den dortigen Verantwortlichen einfach einen Kurztrip nach Bath spendieren.
Görlitz - Einkaufszentrum Berliner Straße 39 - 43, Salomonstraße 9 - 18
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Das Problem ist, dass Einkaufszentren in diesem Land fast zwangsläufig immer als Bausünden enden.
Natürlich, der Kern des Problems liegt nicht im Abriss und Neubau, liegt nicht im Erstellen von Einkaufszentren, sondern in der Jämmerlichkeit dessen, was wir uns in unserem Land mit fast jedem Neubauvorhaben einhandeln. Dass wir uns an jeder Standard-Gründerzeitfassade festklammern, keine Erneuerung des Stadtbilds akzeptieren, hat mit dem weitgehenden Versagen der deutschen Architektenschaft zu tun und mit einer jahrzehntelangen Gewöhnung der Bevölkerung und ihrer politischen Vertreter an die ästhetische Belanglosigkeit von Neubauten.
Was ist zu tun? Überall, wo wache Geister solche Entwicklungen sich anbahnen sehen, müssten sie Kampagnen ins Leben rufen nach der Art von StadtbilDD, um der ansässigen Bevölkerung die Augen zu öffnen, damit immer mehr Menschen sich dem Anschlag auf die Kultur ihrer Stadt widersetzen. Ein Vorschlag dazu: Wer von euch Kenntnis hat von vorbildlichen Neubauobjekten (wie demjenigen im englischen Bath) und Anschauungsmaterial darüber, sollte dieses unserem Verein zukommen lassen. Wir würden dann Broschüren über vorbildliches internationales Bauen zusammenstellen und dies den örtlichen Kampagnen zur Verfügung stellen. Denn das Kardinalproblem hierzlande ist die Dumpfheit und Gleichgültigkeit in ästhetischen Fragen und die totale Ignoranz über das, was im Ausland auf dem Feld der Architektur passiert.
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Zitat
(...) hat mit dem weitgehenden Versagen der deutschen Architektenschaft zu tun (...)
Zitat(...) die totale Ignoranz über das, was im Ausland auf dem Feld der Architektur passiert.
Na, das ästhetische Versagen ist nicht nur eine Spezialität der deutschen Architektenschaft. Selbst internationale Wettbewerbe führen regelmäßig zu ausnahmslos ernüchternden Ergebnissen.
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Kleine Korrektur: Die Sanierung des gezeigten Hauses ist schon mindestens 15 Jahre her (besitzt sogar noch die alten Holzfenster). Trotzdem ist es ist einem tollen Zustand und sollte auf jeden Fall erhalten werden. Es ist außerdem das einzige bewohnte Haus in dem Abrissgebiet (die anderen beiden (äußerlich) sanierten sind leer und innen sicher nicht im top Zustand).
Moderationshinweis (Palantir): Der obige Hinweis bezieht sich auf Beitrag 12 dieses Stranges, der mir beim Verschieben wohl hängen geblieben ist.
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Das Einkaufszentrum in Bath sieht wirklich toll aus, es könnte aber auch schnell das "Disneyland" Argument kommen (was hier wirklich eher zutrifft als am [lexicon='Neumarkt Dresden'][/lexicon], da es ja keine historischen Vorbilder gibt).
Es stimmt auch, das man meistens nur Angst vor Abrissen hat (egal wie klein und unscheinbar das historische Haus auch sein mag), weil der Nachfolgebau fast immer eine Verschlimmerung der Situation darstellt. Außer bei Bauten der 60er bis 80er, da freut man sich, denn da gelten selbst heutige Neubauten als Verbesserung.
Eine Ausnahme empfinde ich dabei Berlin. Da sind die meisten Neubauten fast durchweg ansprechend und fügen sich ins Stadtbild ein (man denke nur an die Friedrichstraße, die trotz vieler Neubauten ein einheitlichen Bild ergibt). Sowohl traditionelle Bebauung (z.B. aktuell Prenzlauer Bogen) als auch moderne (z.B. Erweiterung Marie-Elisabeth-Lüders-Haus) ist immer einfallsreich und hochwertig.Ich finde es übrigens toll, das es für Görlitz erstmals einen extra Thread gibt. PREMIERE
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es könnte aber auch schnell das "Disneyland" Argument kommen
Was hat eine regionaltypische Bauweise mit Disneyland zu tun?ZitatSowohl traditionelle Bebauung (z.B. aktuell Prenzlauer Bogen) als auch moderne (z.B. Erweiterung Marie-Elisabeth-Lüders-Haus) ist immer einfallsreich und hochwertig.
Da gibt es nun auch zahlreiche Gegenbeispiele. Hier haben wir darüber bereits diskutiert: Allgemeine Fragen und Anmerkungen zu Berlin -
Zitat
Die geplante Passage an der Berliner Straße sorgt weiter für Diskussionen. Jetzt warnt die Denkmalstiftung: Der Unesco-Antrag ist in Gefahr.[...]
Offensichtlich sind die Auseinandersetzungen mit der Denkmalpflege aber doch heftiger als bislang bekannt geworden. So beklagte sich Investor Heinz Nettekoven in einem Schreiben an die Sächsische Staatskanzlei über die Ablehnung seiner Pläne durch die Denkmalschutzbehörden in Görlitz und Dresden. Die Staatskanzlei hält sich in ihrer Antwort zurück, verweist aber auf die Beachtung des Denkmalschutzes und empfiehlt Nettekoven ein Gespräch mit dem Görlitzer Bürgermeister, Michael Wieler, um „zu einer für alle Seiten akzeptablen Lösung zu gelangen.“ Denn grundsätzlich, so schreibt der Chef der Staatskanzlei, Staatsminister Johannes Beermann, „gehen sowohl die untere Denkmalschutzbehörde als auch das Stadtplanungsamt davon aus, dass sich das Vorhaben in dem Gebiet verwirklichen lasse.“ Auch die Interessengemeinschaft Historisches Görlitz kritisierte gestern den Flächenabriss nochmals. Die Gruppe um den Bauingenieur Andreas Vogel empfiehlt, sich an der Altstadt zu orientieren. „Dort wurden nach der Wende auch keine störenden Neubauten hineingesetzt, vielmehr wurde durch konservativ denkmalpflegerische Sanierung ein florierendes Stadtgebiet geschaffen."Sächsische Zeitung [online] - Görlitz: Droht ein Welterbe-Streit in Görlitz?
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@ youngwoerth
ZitatWas hat eine regionaltypische Bauweise mit Disneyland zu tun?
Naja, es ist halt nur ein Einkaufzentrum hinter den Fassaden. Hinter den Kulissen ist sicher alles zusammen gefasst und es gehen schön Rolltreppen quer durch den Raum. Außerdem ist ja gleich ein riesen Gebiet davon betroffen. Wenn ein einzelnes Haus in eine Lücke so gebaut wird, das ist es regionaltypische Bauweise. Aber wenn es mehrere Straßenblöcken einnimmt ohne passendes Innenleben, KÖNNTE es von einigen als Disneyland bezeichnet werden. Ich find es OK, alles besser als billige Investorenarchitekur.ZitatDa gibt es nun auch zahlreiche Gegenbeispiele (in Berlin).
Aber in anderen Städte gibt es NUR Gegenbeispiele (und nichts anderes). Und wenn für die viele Berliner Neubauten acht Gegenbeispiele aufgeführt werden ist das doch noch wenig. Ich würde mal behaupten, das bestimmt die Hälfte der Neubauten einen gewissen Anspruch hat, was man von anderen Städten nicht sagen kann. Aber zurück zu Görlitz.
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Dieser Nettekoven ist wahrlich ein unsymphatischer Zeitgenosse. Gleich mal zu Papa petzen gehen, wenn man nicht überall gleich so mit den Klötzchen um sich werfen und histor. Substanz abreißen kann (wie zum Beispiel in Dresden, wo es sogar noch Geld für die Stadtbildverschandelung gibt)
In der Morgenpost äußerte er sich zu den Widerständen gegen den Flächenabriss in der Berliner Str./Salomonstr.:
"Leere Buden, die fast zusammenfallen, braucht kein Mensch." (sic!)
"Warum da noch Geld reinstecken, wo's in der Stadt schon genug Leerstand gibt?" (sic!)
Zum Thema, dass seine Passage und die damit zuvor einhergehenden Abrisse dem Antrag zum Welterbetitel der Stadt gefährden könnte, fügt er hinzu:
"Der Titel spült sowieso kein Geld in die Kassen. Dresden geht es ja seither auch nicht schlechter." (sic!)
Tja, nur mal so...wenn Dresden seinen Titel vermarktet hätte, statt ihn wie einen Klotz am Bein zu behandeln, könnte es Dresden aber noch besser gehen, zumal ja auch Gelder für die Welterbestätten freigesetzt werden. Zudem genießt Dresden sowieso einen weltweiten Ruf, was man von Görlitz leider nicht behaupten kann, so dass der Titel wahrlich g
oeld wert sein kann.Gruß DV
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KÖNNTE es von einigen als Disneyland bezeichnet werden.
Was aber noch lange nicht heißt, dass das dann angebracht wäre. Ich halte diese ganze "Authentizitätsideologie" für wenig reflektiert.Und wenn für die viele Berliner Neubauten acht Gegenbeispiele aufgeführt werden ist das doch noch wenig
Äh, eigentlich sollte klar sein, dass das nur ein paar beliebig gewählte Beispiele waren ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Mir würde da noch sehr viel mehr einfallen. Seit Stimmann weg ist und Regula reguliert, läuft es in Berlin m.E. nicht besser als anderswo. Überdies ist Berlin nicht die einzige deutsche Stadt, in der man auch gelungenen Städtebau betrachten kann. -
Na, das ästhetische Versagen ist nicht nur eine Spezialität der deutschen Architektenschaft. Selbst internationale Wettbewerbe führen regelmäßig zu ausnahmslos ernüchternden Ergebnissen.
Wer wollte behaupten, es gäbe im Ausland kein ästhetischres Versagen! Aber es ist nun mal unbestreitbar so, dass eine Dokumentation über (in unserem Sinne) vorbildliche Stadtbauobjekte und selbst Einkaufszentren hauptsächlich ausländische Beispiele enthalten würde. Alles Moderne pauschalisierend schlechtzureden, hilft uns ja nicht weiter. Wir brauchen maßstabsetzende Beispiele, und wenn wir sie fast ausschließlich im Ausland finden, muss unser Nationalstolz damit leben können. Es ist ja nicht erst heute so, dass deutsche Architekten vom Ausland lernen. Vielmehr durchzieht diese Wirkungsrichtung wie ein roter Faden die Baugeschichte. Nichtsdestoweniger übertrafen deutsche Baumeister ihre Lehrer nicht selten an Genialität, und das muss wieder Ziel unserer baukulturellen Entwicklung werden.
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Laut Sächsische Zeitung von heute gibt es wieder neue Entwicklungen. Es sieht ganz so danach aus, als ob es doch noch zur Passage kommen wird, allerdings mit historischen Fassaden, aber lest selbst:
ZitatLadenpassage macht im Stadtrat Boden gut
Investor Heinz Nettekoven überzeugt viele Räte bei einem Treffen. Dafür gerät die Denkmalpflege in die Defensive.
Bislang war die Ausgangslage ganz klar: Heinz Nettekoven will eine Ladenpassage an der Berliner Straße/Salomonstraße errichten, dafür die meisten der vorhandenen Häuser abreißen lassen und statt dessen einen Neubau errichten. Dagegen wandten sich Denkmalschützer, weil sie genau an dieser wichtigen Achse von Görlitz keinen Flächenabriss haben wollen. Seit Dienstagabend aber sieht die Welt schon wieder etwas anders aus. Denn nach SZ-Information hat dabei Nettekoven seinen allerersten, bislang noch nicht bekannten Fassadenentwurf vorgestellt. Der sah vor, alle historische Fassaden zur Berliner Straße zu erhalten. Doch die Denkmalpflege lehnte ab und bestand nicht nur auf der Erhaltung der Fassaden, sondern auch von Hausstrukturen dahinter. Anschließend unterbreitete der Investor und sein Projektleiter weitere Entwürfe, darunter auch den in der Öffentlichkeit diskutierten und weitgehend abgelehnten.Mit dieser Entwicklung hatten auch die Stadträte nicht gerechnet, die am Dienstagabend im Rathaus auf Nettekoven trafen. Die Stimmung war gut, berichten Teilnehmer. Am Ende hatte es Nettekoven geschafft, die meisten Kritikpunkte auszuräumen. So zeichnet sich ein positiver Entscheid des Stadtrates Ende Januar ab: Das Bauverwaltungsverfahren könnte beginnen.
Quelle: sz-online.de
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Es gibt wohl in der Sächsischen Zeitung von gestern einen neuen Artikel über Nettekoven, in dem auch Görlitz und Dresden angesprochen werden. Vielleicht kann jemand, dem dieser Artikel vorliegt, diesen einscannen oder veröffentlichen.
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Dieser Mann verkörpert den Kapitalismus in Reinstform, nur auf sich fixiert, nach Reichtum und Profit strebend, ist diesem Menschen das Allgemeinwohl und der öffentliche Anspruch an ein schönes Stadtbild egal. Aber lest selbst, hier der ganze Artikel aus der SZ, der seine Gedanken und sein kühles inneres Wesen ganz gut offenbart.
ZitatLieber Beton als Barock
Von Ulrich Wolf
Ein 84-jähriger Rheinländer überzieht Sachsen mit Einkaufszentren. Die einen feiern ihn als Investor, andere sehen in ihm einen Schänder von Stadtbildern. Den Streit hält er aus – solange es sich rechnet.Die architektonischen Entwürfe für die Shoppingcenter der Florana KG von Heinz Nettekoven zeigen oft eines nicht: ein Gesicht. Dieses Gebäude soll an der Bautzner Straße in der Dresdner Neustadt entstehen. Noch werden die Fundamente gemacht, schon ist es an eine Millionärsfamilie in Hessen verkauft. Repro: Florana KG
Seinetwegen macht die rothaarige Dame am Informationsschalter des Görlitzer Rathauses Überstunden. Normalerweise hätte sie um 19 Uhr Schluss gehabt, doch daraus wird nichts. „Da ist noch was im großen Saal“, sagt sie. Seit einer Stunde tagt dort der Stadtrat. Außerordentlich. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Seinetwegen.
Der, um den es geht, ist ein alter Mann: Heinz Nettekoven, 84. Genauer gesagt, geht es weniger um ihn, sondern um eines seiner Bauprojekte: um ein 30 Millionen Euro teures Einkaufszentrum in der Innenstadt. Dafür müssten einige marode Gründerzeithäuser weichen. Und das in Görlitz, wo nahezu jeder Bordstein Geschichte ist. Wo man sich im nächsten Sommer um den Weltkulturerbe-Titel bewerben will.Nettekoven spaltet die Stadt: Die einen feiern ihn als Großinvestor, die anderen sehen in ihm einen Schänder des historischen Stadtbilds. Solche Streitereien schrecken ihn nicht. „Wichtig ist für mich, dass ich bauen kann, denn davon lebe ich“, sagt Nettekoven. Er meint das ernst, dieser ältere Herr, der – würde man ihm die Haare zerzausen und mit Hornbrille und Schnäuzer versehen – stark an den Kölner Schauspieler Willy Millowitsch erinnert.
Sein Leben lang hat er nichts anderes gemacht als zu bauen. Erst im Westen, dann im Osten. Über das Görlitzer Projekt hinaus will seine Firma Florana KG allein in Sachsen derzeit rund 100 Millionen Euro in Beton gießen. In [lexicon='Leipzig'][/lexicon] hat er schon das „Reudnitz-Center“ hochgezogen, zwei ähnliche Bauten im thüringischen Suhl und im pfälzischen Wittlich. Referenzen, die nicht alle überzeugen: Sieben Jahre lang versuchte Nettekoven vergebens, in Radeberg Fuß zu fassen. Sein Projekt in Heidenau verkaufte er vorzeitig, weil die Verwaltung andere Vorstellungen hatte. Das in Schneeberg platzte, weil Post und Evangelische Kirche zu Gegnern wurden, noch ehe der erste Bagger rollte. Vorhaben in Bautzen und Bischofswerda ließ er frühzeitig fallen, weil ihm die Ideen der Stadtverwaltungen zu teuer waren.
Gleich sieben Großprojekte aber hat Nettekovens Florana in Dresden an Land gezogen. Wie zuvor schon in [lexicon='Leipzig'][/lexicon], Suhl und Wittlich, gibt es auch um diese Streit: mit Grundstückseigentümern, mit kleinen Einzelhändlern, mit Nachbarn, mit Denkmal- und Umweltschützern, mit Stadtplanern. Sogar eine Bürgerinitiative läuft Sturm gegen seine „08/15-Architektur“. Von „überdimensionierten Mülleimern“ ist die Rede, „von Büchsenbuden“, von „hässlichen Klötzen“. Hat der Mann denn gar keinen eigenen Anspruch an Baukultur?
Der 84-Jährige lacht. „Dat muss sich alles rechne“, sagt er in einer Mischung aus Hochdeutsch und rheinländischem Singsang. „Dat Barockjedöns es jo ganz nett, lohnt sich ävver nit.“ Nettekoven sitzt im Restaurant eines Görlitzer Vier-Sterne-Hotels, hat zum Abendbrot nur eine Pilzsuppe gegessen und trinkt nun sein drittes Pils. Der Seidenschal ist leicht verrutscht, am kleinen Finger seiner linken Hand glänzt ein brillantbesetzter Ring.Ganz offen und ohne Schnörkel spricht er über seine Projekte. Über den Grundstücksstreit mit einem Nachbarn um das Einkaufs- und Parkprojekt „Bautzener Straße“ in Dresden zum Beispiel. „Dem hann ich Jeld jejevve, dann war Ruh‘. Der wollt doch nix anders.“ Der besagte Nachbar dementiert das zwar und wirft Nettekoven vor, ihn eingeschüchtert zu haben. Tatsache jedoch ist: Der Rechtsstreit war schon beim Oberverwaltungsgericht gelandet, der Nachbar juristisch auf der Siegerstraße – da einigten sich die Parteien überraschend. Statt eines mehrjährigen Baustopps wird nun bereits am Fundament gearbeitet.
[...]
Erst sieben Jahre nach dem Umzug von Gotha nach Weimar sollte für die Nettekoven-Fischer-Familie der erste Großauftrag Wirklichkeit werden: Im Leipziger Stadtteil Reudnitz wurde aus einem ehemaligen Straßenbahndepot ein Einkaufszentrum. Der architektonische Anspruch des Gebäudes läuft gegen Null, die Bewohner des Viertels nahmen es trotzdem an. Kaum eröffnet, hatte Nettekoven es schon wieder verkauft: „För ein paar Millionen am Telefon, an die Kaufland-Stiftung.“
Nach Grundstücken und Mietern bilden Investoren die dritte Säule in Nettekovens Geschäftsmodell: Er sorgt dafür, dass die, die sehr viel Geld haben, es auf Wunsch in Beton gießen können. Die Kaufhäuser in Suhl, Wittlich und Dresden-Löbtau gehören inzwischen britischen Fonds. Das noch nicht fertige Wohn- und Geschäftshaus in der Dresdner Hauptstraße ist an einen Millionär in Düsseldorf gegangen, das künftige Einkaufszentrum in der Bautzner Straße an eine Familie im hessischen Bad Soden. Für die 11,5 Millionen Euro teure „Schillerpassage“ in Zwickau steht ein Arzt als Geldgeber bereit. Auch für das „Forum Großzschachwitz“ im Dresdner Süden habe er Investoren an der Hand, „wenn dat dort nur endlich voran jäng“. Seit Ende 2008 kämpfe er um das Projekt, inzwischen gebe es allein drei Verkehrsgutachten.Architekten, Planungsbüros, Gutachten, Baumersatzpflanzungen, Grundstückskäufe – bei allen Projekten sind das die Kosten, die allein zulasten der Florana gehen – auch, wenn aus dem Bau nichts werden sollte. „Unternehmerrisiko“, sagt Nettekoven nur. Die eigentlichen Baukosten finanziert er über Bankkredite, teilt sie sich mit der Baufirma, oder der künftige Eigentümer übernimmt sie. 15 bis 20 Prozent Rendite will er machen mit seinen Projekten. Das ist fast Deutsche-Bank-Niveau.
Die Rechnung scheint aufzugehen. Von seiner Billig-Architektur kann er ganz gut leben. Er hat einen Chauffeur und einen Jaguar-Jahreswagen, Diesel. Er sammelt Stillleben aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Sein Handgelenk schmückt eine Schweizer Uhr, die Unruh ist in einen Gold-Dollar eingebaut. Die Florana KG macht Millionen, seine Schwimmrunden dreht er im Weimarer Luxushotel „Leonardo“. Warum er sich dann immer noch einen Zwölf-Stunden-Tag antut? „Ich bin Katholik, un ich bin ene Rhingländer. Su lang der leeve Jott will, un ich Spaß dran han, bau ich wigger.“
Als er das sagt, ist es fast Mitternacht an diesem Tag in Görlitz. Nettekoven zieht sich zurück auf sein Zimmer, will noch etwas Zeitung lesen. Morgen, sagt er, morgen habe er schon wieder Termine. In Dresden.
Quelle: sz-online.deModerationshinweis (Palantir): Text aufgrund Urheberrechts gekürzt.
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Wenn man sich mal so im Gedächtnis die Erlebnisse und Erfahrungen aus den letzten Jahren noch mal durch den Kopf gehen läßt, und dann auf diese eine spezielle Aussage kommt, daß das Ausmaß an Dreistigkeit, mit welchem man seinem Gegenüber beim ersten Mal des Kontakts gegenübertritt, den Radius dessen absteckt, was man sich erlauben kann, kommt man doch zu der Überzeugung, daß an dieser Aussage viel wahres ist.
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Zitat
Sieben Jahre lang versuchte Nettekoven vergebens, in Radeberg Fuß zu fassen. Sein Projekt in Heidenau verkaufte er vorzeitig, weil die Verwaltung andere Vorstellungen hatte. Das in Schneeberg platzte, weil Post und Evangelische Kirche zu Gegnern wurden, noch ehe der erste Bagger rollte. Vorhaben in Bautzen und Bischofswerda ließ er frühzeitig fallen, weil ihm die Ideen der Stadtverwaltungen zu teuer waren.
Gleich sieben Großprojekte aber hat Nettekovens Florana in Dresden an Land gezogen.
Sehr vielsagend. Leider greift der Artikel die übliche Stimmung auf, die Schuld alleine beim bösen Investor zu suchen. Dass die lokalen Verantwortlichen an der Misere beteiligt sind, hat keinerlei Gewicht.Zitat„Dem hann ich Jeld jejevve, dann war Ruh‘.
Wirklich traurig, dass der Kläger käuflich war. Und noch trauriger, dass er der einzige Kläger war. Da haben es die Dresdner mal wieder verpasst, ihren Mund aufzumachen. Und jetzt braucht sich dort bitte niemand mehr über die kommende Widerlichkeit beschweren. Aber, ich vergaß, der unsympathische Kapitalist aus dem Westen ist ja Schuld. -
Man, wenn ich das alles lese, frag ich mich, wie schwer es denn wohl ist, sagen wir mal bei einer Bank einen 10Millionenkredit aufzunehmen und selbst zu bauen? Natürlich in "unserem Sinn" und das dann an interessierte zu verkaufen. "Unsere Bauten" kommen sicher genauso an wie der Kubenscheiss von Nettekoven. Würden zwar nicht so viel Rendite abwerfen, aber mir reicht ein sicheres Leben (dass schaff ich mit 1000€brutto im Monat sogar) ein Smart vor der Tür, den ich selbst fahre und schwimmen geh ich für 3€ in der Stadtschwimmhalle. Ich erinner nochmal an meine Frage im ersten Satz. =)
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Der Herr Nettekoven...
Wahrscheinlich machen wir ihn deshalb gern zur Projektionsfläche des "bösen kapitalistischen Immobilien-Hais", weil er kein Anonymous namens ECE oder Nordstern, sondern eine Person aus Fleisch und Blut ist, die sich von ihren Konkurrenten nur dadurch unterscheidet, dass es sich bei ihr um keinen klassichen Kaufmann, sondern eher einen Tütenkrämer handelt.
Und wenn der Herr Nettekoven statt der ECE-typischen 100 Mio. nur mit 10 Mio. Euro anrückt, sind die Spielräume für architektonischen Nippes logischerweise geringer. Entsprechend schwindet dann auch der Verhandlungsspielraum zwischen Verwaltung und Investor. Hier allerdings greift dann eine letztens von unserem ehemaligen Baubürgermeister, Herrn Gunther Just, geäußerte Faustregel: in einer Stadt, so z.B. Dresden, entsteht deshalb schlechte Architektur, weil potentiellen Investoren nur mittelmäßige Entscheidungsträger gegenüberstehen. Amen! -
Die Interessengemeinschaft Historisches Görlitz verweist auf ihrem Facebook-account auf die heutige Veranstaltung:
Unter dem Motto „Neubau und Denkmalschutz für die obere Berliner Straße“ wird Heinz Nettekoven am Dienstag, dem 31. Januar, 18.30 Uhr, sein Projekt einer Einkaufspassage auf der oberen Berliner Straße vorstellen. Eingeladen hat der CDU Stadtverband Görlitz. Wo: Schankhaus Zum Nachtschmied, Obermarkt Görlitz
Der Stadtrat hat am Donnerstag letzte Woche dem Bauverfahren für die Ladenpassage zugestimmt, mit der Betonung die Errichtung eines Einkaufszentrums mit Parkhaus unter weitgehender Einbeziehung vorhandener erhaltenswerter Bausubstanz, insbesondere der Baudenkmäler zum Verhandlungsgegenstand zu machen.
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Vertiefende Informationen und Berichte ueber aktuelle Entwicklungen lassen sich auf der Website http://www.g%c3%b6rlitznachrichten.de/ finden.
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