Stary Licheń - Basilika der allerheiligsten Maria

  • Mich hat die folgende Entdeckung in unserem östlichen Nachbarland beeindruckt:

    In dem kleinen polnischen Dorf Stary Licheń (1.100 Einwohner), gelegen im östlichen Teil der Woiwodschaft Großpolen im Powiat Koniński, wurde in zehnjähriger Bauzeit von 1994 bis 2004 eine gewaltige Wallfahrtskirche errichtet, die nicht mit Superlativen geizt:
    Das Gotteshaus ist mit 139 m Länge und 77 m Breite das größte in Polen und das achtgrößte in Europa. Die fünfschiffige Kirche wurde in Kreuzform mit einer Zentralkuppel errichtet und hat ein historisch anmutendes Erscheinungsbild. Das Kreuz auf der zentralen Kuppel befindet sich 103,5 m über dem Boden, der Kirchturm ist mit 141,5 m der höchste Polens. Im 68 m hohen Glockenturm findet sich auch die „Gottesgebärerin“ - mit 15 Tonnen Gewicht, 3,12 m Durchmesser und 4,40 m Höhe die größte Glocke Polens und an dritter Stelle in Europa. Selbst die zweitgrößte Kirchenglocke „Josef“ übertrifft mit 11,6 Tonnen knapp die bis dahin größte Glocke Polens, die Sigismund-Glocke. In Licheń findet sich zudem die größte Orgel Polens mit 20.000 Pfeifen. Zur Kirche führt eine Freitreppe mit 33 Stufen, die die 33 Lebensjahre Jesu Christi symbolisieren. Der Vorplatz fasst etwa 250.000 Menschen. Der Grund für den überdimensionierten und spendenfinanzierten Bau in dem kleinen Örtchen ist ein Marienheiligtum, das eine gesamtpolnische Bedeutung hat und jährlich von ca. 1,5 Mio. Gläubigen und Touristen besucht wird.

    Quelle ist Wikipedia:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Basilika_…von_Liche%C5%84
    http://de.wikipedia.org/wiki/Liche%C5%84_Stary

    Gesamtansicht

    Hauptaltar der Basilika

  • Obwohl man beim Gebäude in Kasan wenigstens noch einigermaßen stimmige Proportionen erkennen kann. Erinnert mich ein wenig an die französische Architektur des späten 19. Jahrhunderts. In Lichen wirkt es jedoch so, als ob die Ornamente bei OBI gekauft wurden.

  • Warum so abgeneigt? Ich finde, dass dies der moderne Weg ist, historische Bauformen fortzusetzen, ohne gleich wieder in den Bauhaus-Stil zu verfallen. Es muss doch erlaubt sein, in der Architektur zu spielen. Lasst die Baukünstler kreativ werden und Stile mischen. Nichts anderes haben die ganzen "Neo"-Richtungen getan. Mir sind solche Werke allemal lieber als langweilige graue Betonbunker mit Schießscharten, solange dafür keine wirklich alten Gebäude abgerissen werden müssen. Sonst wird sich doch ständig über den Mangel an Ornamentik, Formen und Farben geärgert. Hier gibts gleich mal das volle Programm. Irgendwie kann man es niemanden recht machen... huh:)
    Das Teil ist übrigens brandneu. Patina wird irgendwann auch einsetzen und der Glanz abnehmen. Dann wird auch die Obi-Optik weniger.

  • Das Problem beim Basilika von Liche´n ist auch, daß er das Aussehen eines Kapitols eines südlichen US-Bundesstaates hat. Dabei wurden die Proportionen auch noch zu viel in die Höhe getrieben, z. B. bei den Säulen. Auch z. B. die dünne Pinakeln am Kirchturm hätte man besser weggelassen oder kräftiger ausgeführt. Neben der US-amerikanischen zeigt sich noch eine andere typisch polnische Orientierung bei den Oriflammes über dem Hauptaltar.

    Das russische Gebäude erinnert auch am Reichstagsgebäude in Berlin, vor allem da der Reichstag heute die relativ kleine Kuppel hat.

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    2 Mal editiert, zuletzt von Brandmauer (23. November 2011 um 02:15)

  • Insgesamt finde ich es interessant, welche Möglichkeiten der heutige Stand der Technik in Verbindung mit klassischer Architektur bietet. Gerade die Neubauten in Kasan (das ist nur einer von vielen dieser Art) zeigen ja deutlich, das sie nicht 100 Jahre alt sind. Allein die Beleuchtung hat etwas sehr futuristisches, erinnerte mich irgendwie an Green Lantern :D.

    Darüberhinaus ist es natürlich beispielhaft, dass so ein Dom aus Spenden finanziert wurde. Wir zu Lande schnaufen beim Eintreiben des Geldes für die bloße Fassade und Kuppel des Berliner Schlosses schon gewaltig.

  • Ja entweder sind wir diese form des "modernen" Historismus nicht gewohnt oder wir wir haben einfach ein so gutes allgemeines Geschmacksempfinden im Sinne der Tradition, dass uns dieses Beispiel abstösst ... oder beides zusammen... :wink: und ich muss zugeben, dass es auch mich irritiert... ob positiv oder negativ kann ich noch nicht sagen... denn einerseits ist es klar, dass es nicht modernistisch ist, aber andererseits ist es auch klar, dass es nicht im Sinne eines vollkommen traditionellen Kirchenbaus erbaut worden ist...

  • Wer sich mal ein umfassenden Eindruck von innen und außen verschaffen möchte, sollte diese Filme betrachten:

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    Ich finde den Bau gar nicht so übel. Klar ist er sehr verspielt und tw. auf die Spitze getrieben (jedoch definitiv nicht OBI-mäßig wirkend) und für meinen Geschmack sind auch zu viele goldfarbene Bauteile dabei; aber die Raumkonzeption und -wirkung halte ich für äußerst gelungen. Außerdem muss ich Saturos beipflichten, dass ein kreatives, reichhaltiges Gestaltungs- und Formenrepertoire - auch oder gerade im katholischen Sakralbau - doch nicht der ewigen Verdammnis anheimgewünscht werden sollte.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    Einmal editiert, zuletzt von Mantikor (21. August 2018 um 10:15)

  • St Peter in schlecht finde ich !!!

    Wenn man die Gebetsabschussrampen, die sich heute Kirche nennen dürfen betrachtet, finde ich diesen Bau außerordentlich erhaben-sinnlich. Nur weil eine Kuppel den Zentralbau ziert, hat das noch nichts mit St. Peter zu tun. Die Turm weist einen ganz besonderern, eigenständigen Stil auf. Ich bin dankbar, dass Architekten und Bauherren heutzutage den Mut haben, so zu bauen. Man muss sich doch den Dogmen der Moderne nicht beugen.

  • Ehrlich gesagt finde ich, dass es extrem billig aussieht. Wie sagt man so schön..."wie gewollt und nicht gekonnt".

    Das Gegenteil ist der Fall, ich bin tief beeindruckt von diesem Bau. Er wirkt würdevoll, einladend und nicht abweisend und sperrig wie moderne Kirchen, die oft bunkerähnlich sind. Nicht gefallen wollen, lautet da die Devise. Unverstandensein zum Kult erheben, lächerlich.

  • Nein. Es taugt einfach nichts. Solch schlechte Bauwerke sind einfach nur Wasser auf die Mühlen unserer Gegner. In derart liebloser und uninspirierter Manier kann man die alten Kunstwerke einfach nicht nachahmen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Es scheint m.E. geboten, die Sache etwas pragmatischer zu sehen - die Polen haben´s angegangen, gemacht und geschafft, es ist ihnen gelungen, das notwendige Geld hierfür zusammenzutragen, ohne daß bewaffnete Banden den alten Omas den letzten Zloty aus der Tasche geholt hätten, sie haben es geschafft, endlich mal wieder sowohl eine neugegossene Glocke als auch eine Orgel in die Champions League zu erheben (das Ausmaß an handwerklicher Fertigkeit sollte hierbei nicht unterschätzt werden), sie haben es geschafft, ein Bauwerk klassisch-modern durchzuziehen, eine Leistung, die in unserem Land nicht zu einem hundertstel realisierbar wäre. Wenn von Deutschen über Polen gesprochen wird, ist es doch vielmehr so, daß davon auszugehen ist, daß ein latent überheblicher Ton mitschwingt, weil der Deutsche der Auffassung ist, Kritik ausüben zu dürfen, weil der Pole nicht so gespurt hat, wie es der Deutsche gern hätte. Kurzum, es wird kritisiert, was das Zeug hält - vielleicht wäre es ab und an zu überlegen, ob wir selbst zu dieser Leistung fähig wären, und wie das Ergebnis dann aussehen würde. Ich finde, daß es einen realistischen Vergleich bietet über den Zustand der jeweiligen Gesellschaft, daß zur gleichen Zeit, in der dieses Bauwerk errichtet wurde, hierzulande ein Bürgerentscheid über die Reko einer bestimmten Kirche zugunsten der Wiederaufbaugegner ausgeht, die es fertiggebracht haben, die Sprengung als Teil des sozialistischen Wiederaufbaus zu begründen bzw. damit, daß diese spezielle Kirche die der Reichen gewesen wäre. Diese Kirche wird noch in hundert Jahren das Sinnbild einer gesellschaftlichen Gesamtleistung sein - was wollen wir überhaupt?

    Einmal editiert, zuletzt von Weingeist (25. November 2011 um 10:59)

  • Volle Zustimmung, man muss auch irgendwo Realist sein. Wir können uns nicht hinstellen und über die Häßlichkeit moderner Architektur lamentieren und gleichzeitig Versuche verteufeln, die klassische Baustile mit modernen Mitteln verbinden. Niemand kann erwarten, dass sich die Architekturenschaft hinsetzt und geschlossen nach Jahrhunderte alten Bauplänen baut. Das sollte auch nicht unser Anliegen sien denke ich.

  • Das mag zwar alles schön und gut und zutreffend sein, ändert indes nichts an der Tatsache, dass diese Basilika ein fürchterlich schlechter Bau ist. So sehr man die dahinter liegende Ideologie sympathisch oder bewunderswert findet - Kunst kommt von Können, und guter Geschmack ist eben keine ideologische Frage.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Weingeist hat geschrieben:

    Zitat

    Ich finde, daß es einen realistischen Vergleich bietet über den Zustand der jeweiligen Gesellschaft, daß zur gleichen Zeit, in der dieses Bauwerk errichtet wurde, hierzulande ein Bürgerentscheid über die Reko einer bestimmten Kirche zugunsten der Wiederaufbaugegner ausgeht, die es fertiggebracht haben, die Sprengung als Teil des sozialistischen Wiederaufbaus zu begründen bzw. damit, daß diese spezielle Kirche die der Reichen gewesen wäre.

    Da muß ich Weingeist recht geben, das Magdeburger Fanal ist an Traurigkeit, Grobheit und Dummheit einfach nicht zu überbieten. Dennoch finde ich die polnische Kirche ästhetisch und architektonisch auch schlecht, wie Ursus, und der polnische Nationalkatholizismus auch keine sympathische oder bewundernswerte Ideologie.

    Zum Teil könnten wir den Bau aber auch mißverstehen, weil sie sich an uns völlig fremden polnischen Architekturen anlehnt, z. B. an die Wallfahrtskirche von Tschenstochau ?

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Ich frage mich ja gerade, was ein Ursus carpaticus eigentlich überhaupt will ;)

    Weingeist, du hast vollkommen recht. Wir Deutschen sollten uns angesichts dieser Leistung in Demut üben, gerade vor dem Hintergrund unserer mit architektonischem Sondermüll vollgepfropften Innenstädte und der Armada von Rekonstruktionsverhinderern. Ihr lieben Polen, ihr könnt stolz sein. Ein toller Bau und ich bin mir sicher. Dieser Bau steht wirklich noch in 100 Jahren :) :thumbup: (und ich muss nicht erwähnen, dass ich kein Katholik bin)

    Gruß DV

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia