• Die Stuttgarter Oper wurde in den 80-iger Jahren bereits einmal aufwändig saniert, z.T. mit der Rekonstruktion alter Pracht. Wir hatten uns damals sehr darüber gefreut und obschon als sehr seltene Operngängern hatten wir uns das damals gegeben, wohl mehr um des Architekturerlebens wegen. Ich weiß jetzt nicht Bescheid, was man neuerlich machen will, aber wahrscheinlich geht es um die Erneuerung der Bühnentechnik, Belüftung/Klima und die heutzutage zwingend erscheinende Digitalisierung aller Vorgänge, ... !?

    Solche irren Forderungen von unbedarften Zeitgenossen nach Abriß zeigt uns doch, daß ein kulturelles Verständnis und der Schutzgedanke für historische Bauten, die sich in einer selbstverständlichen Wertschätzung baulichen Erbes äußern sollten, doch immer wieder ein für jede Generation neuer Bewußtseinsbildungsprozeß zu werden scheint. Das kulturelle Erbe darf nicht als auf ewige Zeiten gesichert gelten. Da würden wir uns Illussionen hingeben. Ob es Einzelfälle bleiben oder die baukulturellen Wurzeln in Zukunft umfassend von den neuen Generationen infrage gestellt werden, bleibt noch offen!? (Ich meine nicht Architekten oder Politiker)

  • Die Diskussion im DAF zeugt von einer erschreckenden allgemeinen Kulturfeindlichkeit. Solche Meinungen werden leider immer mal wieder geäußert, und man muss dem entgegentreten. Ich bin kein Stuttgart-Experte und kann deshalb etwas zur überregionalen Wahrnehmung sagen. Das Opernhaus ist eines der wenigen Gebäude, die ich sofort vor Augen habe, wenn ich an Stuttgart denke. Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass dieses denkmalgeschützte Gebäude erhalten bleibt. Das Stuttgarter Ballett ist weltberühmt. Was bliebe denn von Stuttgart ohne die Kultur in der überregionalen Wahrnehmung? Ein bisschen Industrie und der Sitz einer Landesregierung.

    Die Hamburger Elbphilharmonie wird überbewertet - wohl nach dem Motto: Ein Neubau, der so viel gekostet hat, muss einfach gut sein. Hier haben wir es mit einem Marketingphänomen zu tun. Ich habe kürzlich auf arte einen neuen Konzertmitschnitt aus der Elbphilharmonie gehört. Wieder fand ich: Die Akustik ist für die Wiedergabe des Hauptrepertoires unserer Konzerthäuser, der sinfonischen Musik des 19. Jahrhunderts, einfach schlecht. Im gleichen Jahr wie die Elbphilharmonie wurde das neue Konzerthaus in Bochum eröffnet. Im Hype um die Elbphilharmonie ging das praktisch unter. Das arme Bochum konnte nur ganz wenig Geld ausgeben. Die Architektur ist nicht aufregend, und der Konzertsaal nicht der beste der Welt, die Akustik aber immer noch angenehmer als in der Elphi. Insgesamt finde ich das Projekt viel sympathischer.

  • Spinnen die Stuttgarter... !??? Ich entnehme diesem leider nicht sehr informativen Artikel mit Bild immerhin noch die Information, daß die Sanierung der Oper 1 Milliarde kosten soll!
    Das ist ja Wahnsinn!!! Was soll das? Reißen die alles ab und lassen nur die Säulen stehen!? Wie gesagt, die Oper wurde schon Anfang 80iger saniert!

    https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttga…Fzen.yandex.com

    Einmal editiert, zuletzt von SchortschiBähr (18. November 2019 um 18:59)

  • Naja … Da isch halt mal jemand auf die ausgefallene Idee gekommen, bei einem Großprojekt von Anfang an, seriöse Angaben zu machen. :)
    Man könnte auch kommunizieren, dass die (reine) Opernsanierung „nur“ mit ca. 250 Mio. veranschlagt ist - und damit "in den Ring" gehen. Da drauf gehört (seriöserweise) aber noch ein Risikoaufschlag von 70 Mio. … und 3,5%/Jahr Baukostensteigerung – und schon ist man bei ca. 380 € … Dazu kommen dann noch ca. 400 Mio. € für ein neues Kulissengebäude (was eine gute Tat wäre, denn das alte schaut grauslig aus) und ein Verwaltungsgebäude + ein paar kleinere Sachen + ein Ausweichsquartier für die Oper während der Umbauzeit – und schon hat man die Milliarde beinander. So wahnsinnig ist die Milliarde übrigens gar nicht, wenn man guckt, dass die Stuttgarter 2,5 Milliarden auf der hohen Kante haben … wobei ich ja das Geld eher für die Unter-die-Erde-Legung der Hauptstätter-Straße nehmen würde, um die beiden zerschnittenen Altstadt-Teile wieder zusammenzuführen – aber das ist eine andere Geschichte …

  • Ich habe mit dem Smartphone gespielt, und um eine Prämie zu erhalten, kann man sich Werbeeinblendungen ansehen, um kein Echtgeld einsetzen zu müssen (was ich grundsätzlich nie tue). Mir fiel dabei ein Werbespot ins Auge. Es ging um irgendeine Singlebörse, und beworben wurde sie gleich zu Beginn mit einem Spruch, der mich zum Fremdschämen animierte. Dort hieß es ungefähr "Du lebst in der schönsten Stadt Deutschlands", während man im Hintergrund den Schloßplatz im Sommer sehen konnte und viele junge Menschen, die auf den Rasenflächen um die Jubiläumssäule saßen.
    Ich weiß nicht, welche Werbeangentur dafür zuständig ist, aber ich finde es schon seeehr weit hergeholt und eigentlich arrogant zu behaupten, Stuttgart sei die "schönste Stadt Deutschlands". Stuttgart wäre heute wunderschön, wenn nicht der unsägliche Krieg gewesen wäre. Die Landeshauptstadt ist absolut durchschnittlich, man rühmt sich lediglich mit der topographischen Lage und dem Schloßplatz - wie in allen anderen Stuttgart-Kampagnen der letzten Jahrzehnte. Dieses Selbstloben Stuttgarts finde ich jedenfalls überaus peinlich.

    2 Mal editiert, zuletzt von AntinomyX (27. November 2019 um 14:46)

  • Schönheit ist nun einmal subjektiv und Stuttgart eine offenbar sehr selbtbewusste Stadt, wobei ich diesen überbordenden Lokalpatriotismus als sehr unangenehm empfinde. Gleiches kann ich übrigens auch Städten wie Hamburg und Köln attestieren. Allerdings sollte man einem Werbetexter nicht verdenken, die eigene Stadt als besonders positiv darzustellen – nichts Anderes ist schließlich dessen Aufgabe.

    Viel peinlicher fand ich zuletzt eine Werbemaßnahme der Stadt Hannover, welche diese als "die relaxte Schwester von Berlin" betitelte und ganz offenbar auf ausländische Touristen abzielte. Wenn man schon nicht weiß, wie man die eigenen Stadt gut verkaufen kann...

  • Die relaxte Schwester von Berlin ist in meinen Augen eher Hamburg, aber ganz bestimmt nicht Hannover. Hamburg bietet auch im Vergleich zur Größe, der Art, des kulturellen Lebens, der Architektur und besonders einiger Ähnlichkeiten bei S- und U-Bahn viele Parallelen zu Berlin.

    Übrigens habe ich mir den Spot nochmal angesehen und muss meine Aussage von weiter oben korrigieren. Es wird nicht behauptet, Stuttgart sei die schönste Stadt Deutschlands. Nein - laut Werbebotschaft ist Stuttgart die schönste Stadt der Welt!

    :gehtsnoch:

  • Vielleicht hat man sich dort die Aussage von Alexander von Humboldt zu Herzen genommen, der Stuttgart als eine der sieben schönsten Städte der Welt bezeichnet hatte. Vor 1944 hätte man sich dem durchaus anschließen können.

    In dubio pro reko

  • Vielleicht hat man sich dort die Aussage von Alexander von Humboldt zu Herzen genommen, der Stuttgart als eine der sieben schönsten Städte der Welt bezeichnet hatte. Vor 1944 hätte man sich dem durchaus anschließen können.

    Für vor 1944 stimmt das definitiv. Wen ich alte Aufnahmen sehe, bekomme ich immer den starken Drang, all die engen Gassen zu druchstreifen, um wunderschöne Fotomotive zu entdecken. Dann wird mir immer bewusst, was für ein großer Schatz für immer verloren ging. Aber zur Zeit Humboldts hatte man auch noch eine sehr große Aauswahl an schönen Städten, da wäre es wirklich schwierig geworden. Rothenburg o. d. Tauber oder Nördlingen sind für mich subjektiv auch sehr schöne Städte, und das weltweit. Zusammen mit Venedig, Rom, Paris und unzählige erhaltende mittelalterliche, frühneuzeitliche Ortskerne in ganz Europa. Ein Rangliste würde ich gar nicht erstellen können und auch nicht wollen. Für viele ist das architektonische Stadtbild nicht wichtig, für die zählen dann andere Kriterien, wie Kultur, Freizeitangebote, Arbeitsplatzangebote etc. Nur nordamerikanische Städte tangieren mich nicht wirklich, die wirken allesamt auf mich sehr austauschbar und beliebig, aber dafür sind sie auch noch viel zu jung, es konnten sich daher keine - nach europäischen Maßstäben - architektonisch interessanten Altstädte bilden.

  • Vor 1944 hätte man sich dem durchaus anschließen können.

    Deshalb gilt es hier Leitbilder für eine Stadtreparatur zu finden. Leider aber beschreitet Stuttgart konsequent den entgegengesetzten Weg, z.B. im sterilen Europaviertel.

  • Deshalb gilt es hier Leitbilder für eine Stadtreparatur zu finden. Leider aber beschreitet Stuttgart konsequent den entgegengesetzten Weg, z.B. im sterilen Europaviertel.

    Man glaubte in den 1990er Jahren, dass sich durch die Schaffung des Europaviertels weltstädtisches Flair auf die restliche Kernstadt ausbreiten würde. Mittlerweile sieht man, dass dem nicht so ist. Im Gegenteil. Nachts und frühmorgens ist dort tote Hose, nur ein OP-Saal strahlt mehr Sterilität aus. Das Europaviertel will durch die Straßen- und Platznamen international wirken, doch ist es letztendlich nur das Ergebnis kleingeistiger Provinzialität. Ich kann nach wie vor nicht verstehen, weshalb die Stadtbibliothek von fast allen Seiten mit Lob überschüttet wird. Dieses Gebäude ist für mich eines der hässlichsten Architekturmonstren, die ich je zu Gesicht bekommen habe.

  • Ich denke, Werbesprüche sollte man nicht so furchtbat ernst nehmen. Die Texter sollten nur aufpassen, daß die Kluft zwischen Aussage und Realität nicht allzu weit auseinanderklafft und als Ironie verstanden werden kann.
    Genauso gibt es über jede Stadt irgendwelche historischen Zitate. Auf jeden Fall sah Stuttgart 1944 deutlich besser aus als heute; wie das bei fast allen bundesdeutschen Städten der Fall ist.

    Klotzenstein: In einer Sache muß ich dir widersprechen. Wer einige Stuttgarter zu seinem Freundeskreis zählt, wie ich das tue, weiß, daß diese keinesfalls sehr "selbstbewußt" im Hinblick auf ihre Stadt sind. Vielmehr versuchen manche nach außen auch hier sich mit München zu messen, die in der Tat sich für die Größten halten. Tatsächlich leiden viele Stuttgarter an ihrer Stadt und der bundesdeutschen Wahrnehmung dergleichen und ihrer Bewohner.
    Die S21-Proteste scheinem mir neben dem konkreten Bauvorhaben und dem pietistischen Echauffieren auch mit der Unzufriedenheit bezüglich "der Gesamtsituation" zu tun zu haben.

  • Stuttgart findet deutschlandweit medial auch kaum Beachtung. Klar, man verbindet Daimler, Bosch, Porsche und die Dauerbaustelle S21 automatisch mit Stuttgart (wenn man sich auskennt), aber sonst? In der Popkultur findet Stuttgart eigentlich gar nicht statt, abgesehen davon, dass ab und zu ein Tatort in der schwäbischen Landeshauptstadt spielt. Im Prinzip werden hauptsächlich nur folgende Städte wirklich zur Kenntnis genommen: Berlin, München, Hamburg, Köln, Düsseldorf, Leipzig und das Ruhrgebiet als Gesamteinheit. Selbst Frankfurt am Main föllt da etwas ab, die haben außer den Banken und dem Flughafen jetzt auch nicht so viel zu bieten. Vielleicht liegt Stuttgart zu weit ab vom Schuss, keine Ahung, aber es wird sicher auch einen Grund darin haben, dass viele Medienunternehmen ihre Sitze in Berlin, München, Köln und Hamburg haben, während in Stuttgart eigentlich nur Maschinen und Autos produziert werden, wenn ich es jetzt mal ganz unspezifisch werde.

  • Das lese ich nicht aus dem Artikel, es ist immer von einer notwendigen Sanierung die Rede. Ein Abriss dieses für Stuttgart so bedeutenden Bau- und Kulturdenkmals und Wahrzeichens kommt nicht in Frage. Das wird auch die große Mehrheit der Stuttgarter so sehen. Allerdings könnte und wird es vermutlich im Inneren große Umbauten geben, ob die denkmalgerecht sein werden ist offen.

    In dubio pro reko

  • Das wurde doch in den 80ern erst rekonstruiert - warum sollte man es umgestalten?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)