Betonflorenz - Warum reden wir so viel über Dresden?

  • Ein paar Sachen finde ich bedenklich hinsichtlich der Kellerproblematik. Wären die Keller die Überreste von Fassaden würden sich wesentlich mehr Leute über deren Abriss beklagen. So sind es Einzelne. Was unterscheidet die Fassade vom Keller? Das eine ist sichtbar, wohingegen das andere unsichtbar und nur wenigen zugänglich ist. Kann darin einzig die Legitimation zum Abriss bestehen?

    Hätte man nicht auch über Möglichkeiten nachdenken können, die gleichsam ökonomisch und erhaltend sein könnten. Und wie sieht es in dieser Hinsicht mit dem Denkmalschutz aus? All dies wurde übergangen. Ähnlich und noch schlimmer bei den mittelalterlichen Funden auf dem Grundstück der Baywobau. Natürlich, wir können alle mit den bestuckten Betonklötzen leben und Dresden wird dadurch wieder lebendiger und schöner, doch ein wenig mehr Ehrfurcht vor den Resten der untergegangenen Stadt hätte ich mir schon gewünscht.

    Ich glaube, dass das der Punkt ist, der mich am Meisten stört: die Respektlosigkeit gegenüber der alten Stadt und gleichsam das nie stärkere Beziehen des Bürgerstolzes und der Identität der Stadt auf die Überreste des Alten.

    Ansonsten vielen Dank für die Bilder, sie sind wieder einmal ganz großartig!

  • Ich kann da meinen Vorrednern nur zustimmen und füge noch hinzu, daß das Legohaus auch in die entgegengesetzte Richtung interpretierbar ist. Obwohl es absolut keine Rekonstruktion ist, war man sich dem Wert der Keller damals noch bewußt und versuchte, sie zu integrieren. Diese Einstellung ist den Verantwortlichen zwischen Landesarchäologin Oexle und der Flut verlorengegangen. Sehr bedauerlich!

    Mir hat bisher keiner erklären können, warum z.B. die Steinbodenplatte einer aus Beton weichen mußte oder die Außenwände nicht stabilisiert wurden zum erneuten Aufmauern der Fassaden. Mit der Neugestaltung der Kellergrundrisse hätte ich keine Probleme gehabt und auch in den Innenbereichen wäre Stahlbeton dann tolerierbar gewesen.

    Wie bereits gesagt, es fehlt der Respekt gegenüber diesen alten Mauern. Wenn man Bauten aus reinem Stahlbeton verhindern will, müssen die Keller mit Krallen und Zähnen verteidigt werden. Denn das eine bedingt das andere. Keiner wird im nenenswerten Maße Ziegel- und Sandstein benutzen, wenn der Keller aus Stahlbeton hingegossen wurde. Wäre auch irgendwie unlogisch. Warum sollte eine reine Kostenorientierung im Kellerbereich bei der Fassade plötzlich nicht mehr gelten?!?

  • Zitat von "Johan"

    ich finde diese Diskussion pregnant weil wir sprechen nicht mehr über ein echte Rekonstruktion....(wie zum beispiel Marktplatz Hildesheim .....


    Naja, der Hildesheimer Marktplatz ist doch eher Kulisssenbau als echte Rekonstruktion, die meisten Gebäude gehören zum Hotel Maritim oder zur Stadtsparkasse und sind ein Bau mit verschiedenen Fassaden.

    Aber dennoch eine gute Sache, auch wenn eine echte Reko wie beim Knochenhaueramtshaus 1000x wertvoller ist.


    Zum Spiegel-Artikel: Interessant, dass Dresden in etwa so stark zerstört wurde wie München. Wohl alles nur eine Sache des Wiederaufbaus?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Zitat von "Booni"

    Aber dennoch eine gute Sache, auch wenn eine echte Reko wie beim Knochenhaueramtshaus 1000x wertvoller ist.

    Was ist eigentlich die Grösste Wert, eine Fassade dass aussieht wie Orginal? Was macht man eigentlich am Neumarkt? Ich kann einfach nicht verstehen, weil mit Hotel de Saxe wird ja sogar auch die Fassade nicht rekonstriert....so was rekonstriert man dann?

  • Zitat von "Stefan"

    Schloßgespenst

    man sollte das negativbeispiel legohaus am altmarkt mit den erhaltenen keller und schlechter gestaltung im aufgehenden nicht pauschal dazu benutzen, um die foderung nach erhaltung von kellergeschossen in frage zu stellen. es ist prinzipiell genauso lösbar, dass man diese bewahrt und darüber einen orientierungsbau, traditionellen neubau oder eine rekonstruktion errichtet.

    es ist doch wesentlich problematischer, dass der verlust der originalen kellergeschosse , wie etwa beim priscoprojekt, zu einem großteil für modernistische neubauten verschwindet.

    was ist damit letzendlich gewonnen?

    die zerstörung der restlichen originale am neumarkt eben auch zum preis von modernistischen füllbauten - das war sicher eine falsche entscheidung.

    Mißverständnis: Ich stelle die Forderung nach Erhaltung der Kellergeschosse doch gar nicht in Frage, ich bin auch sehr verärgert über deren Abriß und bin unbedingt für die Erhaltung der letzten noch vorhandenen! Nur: Wenn so etwas wie das Legohaus darübergesetzt wird, dann bin ich dem Gesamtergebnis nicht zufrieden. Und wenn der Keller (leider) beseitigt wird und eine originalgetreue Rekonstruktion oben drüber kommt, kann ich damit letztendlich ganz gut leben. Dritte Variante: Keller weg, oben modernistisch = Katastrophe - da sind wir doch im Prinzip alle einer Meinung....

  • Wenn man in einen Keller, aus dem 1945 100 Leichen herausgezerrt wurden, eine Vergnügungsstätte hineinbauen würde, wäre ich lieber für den Abriß des original Kellers.

  • ginge man konsequent diesem gedanken nach, müßte man doch viele gebäude, deren keller beim wiederaufbau verwendet wurden und heute eine solche nutzung erfahren, im nachhinein abreißen.

    das kann und darf auch keine lösung sein.

  • na das nenn ich ja mal treffend!!!!

    "Nicht alles passt ins Bild
    Von Uwe Gerth

    Ich glaube, die Pavillons auf der Prager Straße sind nur die letzten Tropfen, die das Fass endgültig zum Überlaufen bringen! Dresdens Stadtbild wird seit Jahren von zugereisten Stararchitekten ohne Herz für die Stadt systematisch ruiniert.

    Völlig unpassende Bauten werden nadelstichartig überall auf die Stadt verteilt. So wird derzeit der Hauptbahnhof durch ein Dach, das wie eine Bauplane aussieht, verschandelt. Die Beton- und Glas-Monster vom Wiener Platz würden eher nach Prohlis oder Gorbitz passen. Ein Highlight ist auch die große triste Freitreppe hinter dem Florentinum. Am Altmarkt stehen jetzt lauter gesichtslose Klötzer. Selbst der Neumarkt blieb nicht verschont mit dem Haus an der Frauenkirche. An das Stadtmuseum stellte man eine entsetzlich hässliche Feuertreppe, unter der die gesamte Fassade leidet. Die Hochhäuser am Terrassenufer werden abgerissen, aber am Hasenberg, in unmittelbarer Nähe zur weltberühmten Brühlschen Terrasse, steht ein einfallsloser Klotz.

    Der Wohnblock an der Petersburger Straße wird durch ein liederlich zusammengeschustertes Kino getoppt. Blanker Beton und rohes Blech, selbst die Befestigungsösen der Betonplatten sind noch zu sehen – jeder DDR-Plattenbau ist ordentlicher verarbeitet. Selbst zwischen Zwinger, Schloss und Taschenbergpalais kam ein Bürogebäude, das kaum besser aussieht als der Fresswürfel. Doch der wird glücklicherweise irgendwann abgerissen. Ein Autowerk am Großen Garten, das geplante Woba-Gebäude von Daniel Libeskind auf der Hauptstraße und die geplante Waldschlößchenbrücke runden dieses Bild ab. Touristen können über den Geschmack von uns Dresdnern nur den Kopf schütteln! Wir werden– wie schon im Sozialismus – nie gefragt! Straßenumfragen bringen regelmäßig klar ablehnende Meinungen zu solchen „Kunstwerken“. Die Entscheidungsträger der Stadt spielen aber offenbar „Des Kaisers neue Kleider“. Jeder sieht, dass da teilweise Unmögliches entsteht, aber keiner traut sich, es zu sagen, aus Angst, seine Kompetenz wird in Zweifel gestellt.

    Auch wenn die jeweiligen Grundstücke Eigentum auswärtiger Großinvestoren sind, dürfen wir uns diese rücksichtslose Bauunkultur nicht länger gefallen lassen!"

    SZ

    Gruß Norbi

  • Dresden bleibt für immer von die Zweite Weltkrieg und die folgende Zeiten geprägt....vielleicht muss man es einfach so akzeptieren dass Dresden war nicht und wird wahrscheinlich auch nicht wiederaufgebaut wie Warschau oder Danzig.....es ist so....ich kann nur für mich selbst reden und ich haben unrealistisches Erwartungen gehabt........aber mitterweile bin ich ja realistisch.....Letzendlich wird warhscheinlich Dresden eine nette Stadt mit ein paar schöne Blicken und plätzen....nicht mehr oder weniger....Elbflorenz ist sicher tot, aber das bedeutet nicht das Betonflorenz nicht sich schöner machen kann.........

  • weisst du johan, mit dem system der primitiv-architektur in dresden verhaelt es sich so aehnlich wie mit der emanzipations diktatur in schweden. aus dem einstigen elb florenz wurde ein laecherlicher betonhaus-haufen mit rekokirche. alle findens normal.
    aus dem land der blonden recken und welteroberer wurde das langsamfahr- und super-emanzipationsland schweden.
    frueher hatten sie angst vor niemandem, heute fuerchten sie sich vor den eigenen frauen. 50% pflichtquoten? ja klar, auch normal.
    :gehtsnoch:
    und wie du schon festgestellt hast, vergiss es einfach.
    in diesem leben nicht mehr.
    auch dir kann ich nur osteuropa empfehlen.
    bevor, mit ein wenig pech, der schwachsinnige westgeist auch dort entgueltig einzug haelt.

    VG

  • Zitat von "Johan"

    Elbflorenz ist sicher tot, aber das bedeutet nicht das Betonflorenz nicht sich schöner machen kann.........

    Zitat von "marc!"

    aus dem einstigen elb florenz wurde ein laecherlicher betonhaus-haufen mit rekokirche. VG

    Ich kann's langsam nicht mehr hören, dieses Gemotze! Allein schon das Wort "Betonflorenz" - war ja am Anfang ganz originell als Wortspiel, aber nun ist es wirklich verbraucht!

    Man kann ja ruhig im einzelnen Kritik an Bauvorhaben in DD, insbesondere auch am Neumarkt üben, tue ich ja selbst auch, aber deshalb die ganze Stadt schlechtzumachen ist echt unnötig.

    Der Name "Elbflorenz" stammt zwar aus der Zeit, als DD noch unversehrt war, und genau so wird die Stadt nie wieder aussehen, aber deshalb ist Elbflorenz noch lange nicht tot! Dafür ist viel zu viel stehengeblieben bzw wiederaufgebaut worden, einige historische Bauten wurden bereits rekonstruiert, andere folgen - also, kein Grund, die Stadt Dresden auf Beton zu reduzieren! Elbflorenz lebt!

    Kleiner Tip für Euch notorische Stinkstiefel: Geht mal ins Historische Museum in Frankfurt/M und schaut Euch dort das Altstadtmodell an - Ffm vor dem Krieg. Dann geht raus und lauft (flennend) durch die "Altstadt", also (abgesehen von einigen wiederaufgebauten und einigen rekonstruierten Bauten) durch lieblos hingeschissene, häßliche Wohnriegel mit Grünflächen aus den 50er Jahren, die den größten Teil der Altstadt einnehmen!
    Und dann überlegt mal, ob Ihr Dresden nicht vielleicht etwas zu früh abgeschrieben habt....

  • Ich habe jetzt festgestellt, daß es in Dresden eine richtige "Ruinen-Meile" gibt!

    Und zwar wenn man von der Yenidze über die Weißeritzstraße, Löbtauer Str., Tharandter Str. bis in den Plauenschen Grund fährt,
    hat man praktisch ständig irgendwelche eingefallenen, vernagelten und vermauerten Häuser im Blick.

    Werde bei Gelegenheit mal eine Fototour machen.

  • Deshalb ist dieses Gebiet ja auch EU-unterstützter Sanierungsschwerpunkt in den nächsten Jahren. (Weißeritz)
    Freue mich auf die Fotos!

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Nur das die Sanierung sicherlich eher zum negativen wird, oder? Nachher wird doch eh das meiste abgerissen und ein paar Bauten saniert und zwischen Glaskisten versteckt.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Viel falsch machen kann man in diesem Bereich eigentlich gar nicht, dort stehen so grau-monumentale Altfabriken
    wie die Bienertsche Brotfabrik oder das mit Giftstoffen verseuchte Glaswerk (freiberger Straße) herum und wirken
    in der insgesamt schmuddeligen Umgebung schon ziemlich trist.

    Auszüge aus "Stadterneuerung für Dresden":

    Stadtteilentwicklungsprojekt Weißeritz:

    Die bereits bestehenden Missstände wurden durch das Hochwasser der Weißeritz in Bezug auf die Verkehrsstruktur, den überdurchschnittlich hohen Anteil brachliegender Grundstücke (vor allem Gewerbeflächen), den hohen Leerstand an Wohn- und Gewerbeflächen, schlecht ausgebaute technische und sozilale Infrastruktur u.v.a. verschärft.

    Räumliche Schwerpunkte der Förderung und Entwicklung sind vor allem:
    1. die ehemals und gegenwärtig gewerblich genutzten Bereiche entlang der Weißeritz
    2. der Bereich des Flußufers der Weißeritz einschließlich dessen funktionelle Anbindung an die angrenzenden Quartiere
    3. die stark durch aktuelle bzw. historische Nutzung und vernachlässigte Wohnquartiere (Altonaer Straße, Oederaner Straße) geprägten Bereiche zwischen 26er Ring und Nossener Brücke und
    4. der Plauensche Grund.

    Der bisher kaum zugängliche Uferbereich der Weißeritz soll begrünt werden.
    Geplant ist der Bau eines uferbegleitenden Wander- bzw. Radweges.
    Der Abbruch von Teilen der Bienertschen Brotfabrik ist die Vorraussetzung für die Belebung des bekannten Standortes
    und wird gleichzeitig zur Aufwertung des Stadtrandes von Dresden beitragen.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Zitat von "Miwori"

    Ich habe jetzt festgestellt, daß es in Dresden eine richtige "Ruinen-Meile" gibt!

    Und zwar wenn man von der Yenidze über die Weißeritzstraße, Löbtauer Str., Tharandter Str. bis in den Plauenschen Grund fährt

    Ich war neulich bei der Stadtreinigung in der Nähe der Löbtauer (Altonaer Str.) und war erstaunt, dass es dort noch ein kleines Gründerzeitviertel gibt. Leider sind die Gebäude, die direkt an großen Straßen liegen (Löbtauer, Tharandter) aus verständlichen Gründen leider noch unsaniert, schaut man jedoch etwas abseits dieser Straßen, so entdeckt man doch noch einige Juwelen. Gerade bei der Tharandter Str. finde ich es schlimm, dass die Altbauten am Straßenrand so verkommen, da gleich um die Ecke wunderbar sanierte Altbauten und größtenteils vorbildlich eingefügte Neubauten stehen.

    Bei einigen Häusern - speziell denke ich an die ruinösen Gebäude an der Ecke Ammonstraße/Hamburger Str. direkt am Bahndamm - warte ich seit Jahren auf den Abriss und habe schon jedes Mal die Befürchtung, dass ich beim nächsten Vorbeilaufen diese Häuser nie wieder sehen werde...

  • Wunderschön im Bereich der Tharandter Strasse ist der Bonhoeffer Platz in DD Löbtau. Da taucht man in ein Stück altes Dresden ein, wie es so vermutlich überall aussah. Vielleicht kann ja mal Harmonica oder Miwori oder wer sonst noch aus Dresden ist, mal ein Bild von diesem schönen Platz un den dazugehörigen Gebäuden machen?

  • Ja, kann ich mal machen - fahre auch sehr oft dort vorbei und finde den Bonhoefer Platz einen der schönsten Dresdens. Auch hier gibt es sich sehr gut anpassende Neubauten. Warum schafft man es in Löbtau, Striesen, Friedrichstadt, Neustadt, Pieschen und überall wo es noch ausreichend Altbauviertel gibt, wunderbar ergänzende Neubauten zu bauen, doch am Altmarkt entstehen mit viel Krampf neue Gebäude, die weder Fisch noch Fleisch sind?