Berlin - Forum an der Museumsinsel

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    Eine Rekonstruktion des Ursprungszustands war ja hier nie angestrebt. Wenn man diese gewollt hat, kann man sich über den jetzigen Zustand so wenig freuen, wie über den vorherigen.

    Der glattverputzte Teil bildet den Übergang zum Bauhaus-Flügel und nimmt daher dessen Gestaltung auf. Da sich schon der neue Eckbau zur Spree hin nicht am Mittelteil orientiert, finde ich es nur folgerichtig, daß auch der andere es nicht tut. Die Kollagenwirkung (oder "Flickenteppich") ist dabei sicher gewollt. Auf jeden Fall ist jeder Bauteil für sich sehr wertig. Das gilt m.E. auch für den Putzbau: Lieblos kann ich das nicht finden. Vielmehr ist der Putz gerade im Original gesehen um einiges ansprechender als am durchschnittlichen Neubau.

    Entweder mag man Chipperfields Ästhetik oder eben nicht. Ist genauso wie am Neuen Museum. Für mein Empfinden schafft er wie kaum ein anderer Zeitgenosse einen Brückenschlag zwischen Neubau-Rohheit und Romantik.

    Einmal editiert, zuletzt von Atticus (24. Februar 2015 um 22:48)

  • Auf jeden Fall ist jeder Bauteil für sich sehr wertig. Das gilt m.E. auch für den Putzbau: Lieblos kann ich das nicht finden. Vielmehr ist der Putz gerade im Original gesehen um einiges ansprechender als am durchschnittlichen Neubau.

    Ist das jetzt dein Ernst?! Dieser Bauteil hier wirkt wertig und ansprechend auf dich:

    Für mich sieht das genau wie einer dieser notdürftig geflickten und entstuckten Kriegsruinen aus, wie man sie noch in den 90ern überall in Berlin fand. Anstatt bräunlichem Rauputz ist das hier nur glatt und weiß/hellgrau verputzt.

  • Ich gehe mal davon aus, dass der Bau noch gestrichen wird. Die Maler werden wohl ihr eigenes Gerüst mitbringen, das ist doch häufig so. Dennoch natürlich keine besonders inspirierenden Formen, zur Erbauungszeit sah das die Bauhausschule und die Mehrheit der Menschen sicher anders, da war diese Schmucklosigkeit und Schlichtheit durchaus erfrischend. Heute dagegen...

  • Ich gehe mal davon aus, dass der Bau noch gestrichen wird. Die Maler werden wohl ihr eigenes Gerüst mitbringen, das ist doch häufig so. Dennoch natürlich keine besonders inspirierenden Formen, zur Erbauungszeit sah das die Bauhausschule und die Mehrheit der Menschen sicher anders, da war diese Schmucklosigkeit und Schlichtheit durchaus erfrischend. Heute dagegen...

    Moment mal...wovon redet ihr beide denn? Dieser Seitenrisalit, direkt unter dem linken Turm gehört doch nicht zum angrenzenden Bauhausriegel, sondern zum Gropiusensemble, oder?:

    Deshalb wundere ich mich ja auch, warum der mittlere Teil kritisch rekonstruiert wird, der rechte Teil von Chipperfield in angepassten Formen und Materialität ergänzt wird und nur der linke Teil lieblos neu verputzt wird.

  • Die Situation ist komplex. Die von Gropius & Schmieden 1878-82 errichteten Klinikgebäude zwischen Ziegelstraße und Spree sollten ab 1928 komplett ersetzt werden; die Wirtschaftskrise stoppte allerdings die Umsetzung. Bis 1932 entstand einzig der von der Preußischen Hochbauverwaltung unter Martin Kießling geplante lang gestreckte, dreigeschossige Trakt an der Ziegelstraße mit dem markanten, halbrunden Abschluss als Putzbau mit quadratischen Fenstern und dunklen Sprossen sowie die im Krieg zerstörte Augenklinik östlich der Monbijoustraße. Im Krieg wurde der gesamte Komplex mehr oder weniger stark zerstört und dann verändert wiederhergestellt. Der dreigeschossige Trakt von 28/32 etwa wurde um 1955 nach Westen verlängert und erhielt ein weiteres, zurückgesetztes Geschoss, der Altbau an der Tucholskystraße wurde ihm gestalterisch angepasst, indem die Fassade ebenso verputzt wurde; außerdem wurde ein großes Fenster für einen Hörsaal in die Fassade gebrochen. Der Risalit an der Spree wurde, weitgehend zerstört, nicht wieder aufgebaut.

    Einmal editiert, zuletzt von aldilette (26. Februar 2015 um 12:27)

  • Ist das jetzt dein Ernst?! Dieser Bauteil hier wirkt wertig und ansprechend auf dich:

    Verzeih die späte Antwort. Ich hatte die Frage übersehen.

    Ja. Tut er.

    Die Proportionen sind simpel aber ausgewogen: Verhältnis Fenster zu Wandfläche, Verteilung ersterer auf letzter, Verhältnis zwischen Gesamtbau und Staffelgeschoss. Auch die Binnenaufteilung und Farbe der Fenster finde ich gelungen; ebenso die Farbmodulation im Putz. Ich hoffe sehr, da wird nichts mehr gestrichen. Ich fühle mich deutlich an Bauten der klassischen Moderne erinnert: z.B. an Loos' Villa Müller in Prag (1) oder an die Weiße Stadt in Reinickendorf (2).


    Bild: Wikipedia, Public Domain

    Bild: Wikipedia/Marbot, CC BY-AS

  • Heimdall,
    solltest Du dort ein Haus erben und nicht wissen, was Du damit anfangen sollst (weil für Dich unbewohnbar), sag bitte bescheid. Allerdings sind die neuen Fenster etwas grobschlächtig. Das waren bestimmt früher Kastenfenster mit schmalerem Rahmen.

    Würde Dir Farbe schon reichen? Dann gäbe es da die Onkel-Tom-Siedlung. Das ließe sich auch gut nach innen ziehen, wie in Tautes Heim in der Hufeisensiedlung gezeigt. In Mitte wäre mir die neutrale Farbgebung dennoch lieber.

  • Die Frau eines guten Freundes hat dort in dieser Ecke Frankfurts mal gewohnt, als die beiden noch nicht zusammengezogen waren. Die lebt aber heute mit ihm in einem schicken Bungalow in einer weit besseren Wohngegend. Wenn die Kinder und alle sonstigen Verwandten vor den beiden sterben sollten und ich zufällig als einziger Erbe übrig bleiben sollte, dann können wir ja mal den Bungalow anschauen. Vielleicht würdest Du Dich damit auch zufrieden geben können? :cool:

    Ansonsten hast Du recht, dass mir mit Farbe (auch Backstein) die Fassade gegliederter und damit annehmbarer wirkt. Dennoch kann ich mit dem "Neuen Bauen" der Zwischenkriegszeit nicht viel anfangen. Es fehlt mir der Esprit, die Eleganz. Die finde ich, wenn wir schon im Bereich der frühen Moderne bleiben wollen, viel eher im Art Deco. Hier mal ein paar Beispiele aus dem faschistischen Italien, in die selbst ich mir unter Umständen vorstellen könnte, einzuziehen. :zwinkern:

    Asmara, Eritrea
    http://www.wmf.org/sites/default/…ample-c2004.jpg
    http://www.traveladventures.org/countries/erit…hitecture06.jpg
    http://images.fineartamerica.com/images-medium-…cek-malipan.jpg
    http://images.fineartamerica.com/images-medium-…cek-malipan.jpg
    Lakki
    https://theo48.files.wordpress.com/2010/10/img_2612_a450.jpg?w=700
    Calambrone
    http://www.turismo.intoscana.it/allthingstusca…na_Elena_04.jpg

  • Erneut aktuelle Bilder des voranschreitenden Projekts - etwaige Beschreibungen werde ich mir zur eigenen Entlastung mal schenken.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Sagt was Ihr wollt, aber ich finde die geflickte Ziegel- und die ungleichmäßige Putzfassade nach wie vor gut. Zugegeben: Es ist ein bißchen shabby chic, aber paßt sich gerade dadurch sehr gut ins Stadtbild ein.
    Erinnert mich an das Gestaltungsprinzip englischer Gärten, in denen mit viel Mühe ein Zustand geschaffen wird, als habe die Natur da ganz zufällig eine perfekte Landschaft hingezaubert.

    ... werde ich mir zur eigenen Entlastung mal schenken

    Ähnliches hat mir ein bezahlter Dienstleister auch neulich geschrieben ...

  • Ich finds schlimm! Hier wurde aus einem einstmal einheitlichem, symmetrischem Gebäudekomplex ein uneinheitliches Sammelsurium aus mehreren Baukörpern mit unterschiedlichen Stilrichtungen dürftig zusammengeflickt. Ich sehe 19. Jahrhundert, ich sehe 30er, ich sehe 50er und zu guter Letzt 21. Jahrhundert mit dem Chipperfield-Anbau. :gehtsnoch:

  • Wenn nun noch der glatte Putz farblich angepasst wird, könnte es vielleicht erträglicher werden. Der fleckige Putz geht gar nicht! Das Ganze sieht wie Flickschusterei aus, als hätte man das Gebäude kurz nach Kriegsende schnell und notdürftig repariert - wie es damals üblich war. Einzig der Rundbogenbau hat Klasse.

    Für das vollendete Gesamtwerk gibt es von mir ein deutliches  :kotz: 

  • Es ist eben Hoenerloh-Ästhetik in optimistischeren Farben.

    Es wurden schon die Blitzableiter installiert. Ich fürchte, das wird Deine Hoffnung enttäuschen, da käme noch irgendeine Farbe drauf.

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    Hoenerloh ist doch gestört, wenn du mich fragst.  :gehtsnoch:
    Ganz schnell würde ich Mörtel und Farbe anrühren. Oder noch schneller wegziehen. Dass diese Art der Architektur psychisch und psychosomatisch krank macht, dürfte hier niemandem neu sein.

    Den fleckigen Putz glaube ich einfach nicht. Vielleicht tun ja ein paar Sprayer ein gutes Werk...

  • Besser absichtlich fleckiger Putz als die hierzulande überall anzutreffenden Sanierungen und Neubauten, die aussehen, als sei neben ihnen ein industrielackgefüllter Tanklaster explodiert. Der Entwurf offenbart durch seine Heterogenität und geringe Plastizität der Fassaden (das Übliche in der zeitgenössischen Architektur) einige Schwächen, doch die Beschaffenheit des Putzes gehört meines Erachtens definitiv nicht dazu.

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)