• Ärgerlich und schade, keine Frage. Aber das Ding steht ja seit 1954 leer - da ist es ja schon fast ein Wunder, daß es überhaupt noch steht. Und in den letzten 57 Jahren (!) hat sich offenbar niemand gefunden, der den Komplex kaufen, sanieren und nutzen will. Irgendwann verliert auch der langmütigste Gebäudeeigentümer die Geduld und weiß keine Alternative mehr. Ich habe mich jedenfalls über diverse andere Abrisse weit mehr aufgeregt.

  • Mordsschade! Ich kenne zwar Kassel persönlich nicht, aber wenn es dort wirklich so wenig historische Gebäude gibt, wäre das eine Gelegenheit daraus was zu machen!
    Industriebauten habens aber meiner Meinung generell schwer - kenne persönlich viele verfallenen und verwahrloste Indurstieranlagen in Österreich, die über kurz oder lang ein ähnliches Schicksal erleiden werden!

    Es darf nie vergessen werden, dass die Kunst eines Landes der Wertmesser nicht allein seines Wohlstandes, sondern vor allem auch seiner Intelligenz ist

  • Ja, wirklich schade. Ich kenne dieses Bild aber leider auch aus meiner Heimatstadt, die für ihre Schlösser und Beschläge bekannt ist. Viele der alten Bauten sind bereits abgerissen worden oder gammeln vor sich hin.

  • Derselbe Mist in anderer Form. Funktionalismus wird durch Funktionalismus ersetzt. Das Gebäude wird auch nicht länger stehen als das bisherige. Nur eine Rekonstruktion der historischen Bebauung hätte hier Heilung gebracht. Aber das ist ja "rückwärtsgewandt".

    In dubio pro reko

  • So sehr ich es auch bedauere, aber in Kassle ist wirklich nichts mehr zu machen.

    Die Stadt hat sich durch ihre völlige Abkehr vom historischen Grundriss und dem Abriss nahezu alles im Krieg nicht Zerstörten für immer an die Moderne verkauft und keine Option, jemals wieder eine atraktive Stadtstruktur zu entwickeln.

    Jegliche Ausgaben für Rekonstruktionen wären an andere Stelle besser aufgehoben.

  • Man sollte nicht nie sagen. Die Nachkriegsreparatur in Kassel ist gescheitert. Deshalb gibt es da viel Potential. Vielleicht reicht erst einmal das historische Kassel zu dokumentieren und das heutige Kassel zu kritisieren. Ich war in Kassel extrem indigniert. Ich habe selten eine gestalterisch so missglückte Stadt gesehen, aber Kassel ist auch wie ein Freilichtmuseum der Nachkriegsmoderne, mit allen Schichten.

  • Das Freilichtmuseum der Nachkriegsmoderne lasse ich gerne so stehen.
    Wohne selbst in Kassel.

    Trotzdem haben Rekonstruktionen in Kassel nach meiner Ansicht überhaupt keinen Sinn, da (außer vielleicht im Bereich der Goetheanlage) nirgends mehr ein historisches Umfeld existiert und eine Rekonstruktion daher immer wie ein Fremdkörper dastehen würde.
    Dazu kommt noch, dass eine "Nachkriegsreparatur" nie beasichtigt war, sondern durch tabula rasa eine völlig neue Stadt gebaut wurde.

  • In Kassel wäre nur eine Flächenrekonstruktion nach Frankfurter oder Dresdner Vorbild sinnvoll, um erst einmal ein Altstadtgrundgerüst zu schaffen. Aber wahrscheinlich ist das die letzte Stadt, in der so etwas geschehen wird. In den meisten anderen Städten wurden wenigstens die zerstörten Kirchen nach dem Krieg, zumindest äußerlich, wieder originalgetreu aufgebaut (wenn sie nicht in der DDR standen und gesprengt wurden). Doch selbst bei diesen wichtigen Landmarken mussten in der Documenta-Stadt die modernen Architekten noch Hand anlegen und ihren Stempel aufdrücken. Immerhin gibt es Richtung Wilhelmshöhe ein paar gründerzeitliche Straßenzüge...

    Die Welt muss romantisiert werden! - Novalis

  • Die UNESCO hat entschieden, dass der Park Wilhelmshöhe den Weltkulturerbe-Titel bekommt:

    Zitat

    Die Welt berichtet: ...Am Sonntag aber war dann endlich Kassel mit seinem Bergpark Wilhelmshöhe und dem acht Meter hohen Herkules dran: Die Experten würdigten die Anlage mit den Wasserspielen als hervorragendes Beispiel aus der Ära des europäischen Absolutismus. Es ist die 38. Welterbestätte in Deutschland. Und der Präsident des hessischen Landesamtes für Denkmalpflege, Gerd Weiß, der mit seinem Team vier Jahre an dem Antrag gearbeitet hatte, freute sich, wie sich wohl nur ein Denkmalschützer freuen kann: "Die Freude ist groß."

    :applaus:

    SIEHE:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Bergpark_Wilhelmsh%C3%B6he
    http://www.spiegel.de/wissenschaft/m…e-a-907377.html
    und
    http://www.welt.de/kultur/article…Kulturerbe.html :zeitung:
    .

    Einmal editiert, zuletzt von Maecenas (23. Juni 2013 um 14:09)

  • Der Park Wilhelmshöhe hat diesen Titel wahrlich verdient. Ein wunderbares Beispiel dafür, welchen Einklang von Kunst und Natur die Menschheit in der Vor-Bauhauszeit noch schaffen konnte. Prima!

  • Dann bleibt noch zu wünschen, daß Kassel den UNESCO-Titel ernst nimmt und den Park Wilhelmshöhe richtig aufmöbelt. Vor zwei Jahren war ich in der Stadt. Zwar befand sich der Herkules gerade in der Sanierung, aber die Kaskaden und die gesamte Treppenanlage machten einen recht schäbigen und angegammelten Eindruck. Möglicherweise wurde in der Zwischenzeit daran etwas getan?

    Etwas enttäuschend fand ich auch den Zustand der Löwenburg. Die Kriegsschäden sind noch immer nicht behoben. Doch im Wikipedia-Artikel steht folgender Satz:

    Zitat

    (...) Der Bergfried wurde nicht wieder errichtet, dies ist aber für die kommenden Jahre beabsichtigt. (...)


    Gut. Bei Wikipedia weiss man nie, wer die Artikel verfasst und wie verlässlich sie sind. Fragt sich auch, was unter "kommende Jahre" zu verstehen ist. Die nächsten 50 Jahre?

    Die Wiederherstellung der Schlosskuppel wäre auch sehr fein. :rolleyes:

    Zitatquelle: http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%B6wenburg_%28Kassel%29

  • @ Neusser

    War vor kurzem in Wilhelmshöhe. Die Kaskaden werden gerade saniert. Leider gab es keine Bauaktivitäten auf der Löwenburg. Übrigens sollte man das benachbarte Schloss Wilhemsthal nicht vergessen : ein Juwel des 18 JH von Cuvillés (auch in München tätig: Ahnengalerie der Residenz, Cuvilléstheater usw). Das Schloss liegt 10 Km nördlich von Wilhelmshöhe in Calden .

    Das Schloss Wilhelmshöhe ist zwar imposant, aber auch etwas klobig. Gefällt mir ohne Kuppel besser. Leider fehlen im Mittelbau die Sprossenfenster. Im Museumsshop fand ich ein Buch zum Thema Weisses und Rotes Palais in Kassel. Das wäre ein Reko-Kandidat nach den Rekos der Residenzen in Herrenhausen, Potsdam und Braunschweig.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

    Einmal editiert, zuletzt von Däne (23. Juni 2013 um 19:55)

  • Auch ich finde, das Bemühen um den Bergpark Kassel-(Bad) Wilhelmshöhe hat diesen Eintrag in´s Welterbe verdient. Auch als Ansporn, auf dem Weg weiterzumachen.

    Und jedesmal, wenn ich in Kassel bin, kommt mir das geradezu Groteske an dieser Stadt in den Sinn, wobei ich schon wegschauen müsste, eine selektive Wahrnehmung haben müsste, um das nicht wahrzunehmen:

    Eine wunderbare Einbettung in die Landschaft drumherum, Karlsaue, jetzt auch Bergpark Wilhelmshöhe unter Welterbe, eine gemischte Gemengelage in den Außenbezirken und ein "Freilichtmuseum" der unideologischen Variante des Neuen Nachkriegs-Deutschland. Ist es angesichts dessen nicht paradox? Eisenhüttenstadt, seinerzeit Stalinstadt, hat mehr Rhythmus und mehr Komposition als Kassel der 1950er Jahre in seinem planmäßigen Aufbau, der stadt-zerschneidenden Autoverkehrsachsen, des Hinunterdrückens des Fußgängerverkehrs in Tunnel, so als wären Menschen nicht von Maulwürfen zu unterscheiden, Tunnel, die heute allerdings nahezu allesamt zugeschüttet sind.

    Wenn Rekonstruktion, die ich sehr begrüßen würde, wenngleich ich sie gleich unwahrscheinlich halte, wie wohl die meisten hier, dann Rekonstruktion erst einmal um Geschichtsinseln herum. Angefangen vom Rathaus, immerhin der stattlichste historische Bau im Zentrum, dann weitergehend in Richtung Friedericianeum. Dann ggf. weitergehend auf der Nordseite der Königsstraße.

    Wo es gelungen war, die geplante Verunstaltung der Wilhelmshöher Allee hin zum Fernbahnhof Wilhelmshöhe nicht Wirklichkeit werden zu lassen, dass 3 Minuten Fahrzeitersparnis keine monströsen Bauwerke zu einer aufgepeppten Schnellstraßenbahn á la Ruhrgebiet rechtfertigen: Warum soll es so GÄNZLICH unwahrscheinlich sein, dass es in der Königsstraße auf gleicher, bloß abgebogener Achse nicht auf ewig so trist, fade und austauschbar bleiben muss?

  • Ein wirklich schönes Fleckchen. Nur schade, dass Kassel an so vielen Stellen zu deprimierend ist als das man sich spontan entschließen würde der Stadt und dem Bergpark Wilhelmshöhe einen Besuch abzustatten.

  • Zitat

    Mit der Zerstörung des weithin sichtbaren Bergfrieds verlor die romantische Parkarchitektur nicht nur das prägende Element ihrer markanten Silhouette,


    Ich finde die Silhouette eigentlich perfekt und kann mir keinen zusätzlichen Bergfrit vorstellen- der zentrale hohe Turm wirkt doch als solcher konzipiert?

    Eigentlich müsste es doch jede Menge alter Bilder der Löwenburg geben?


    Zitat

    Nur schade, dass Kassel an so vielen Stellen zu deprimierend ist als das man sich spontan entschließen würde der Stadt und dem Bergpark Wilhelmshöhe einen Besuch abzustatten.

    Nein, das sollt man nicht so sehen. Wilhelmshöhe hat mit dem heutigen Kassel nichts zu tun. Man soll es unbedingt besuchen, aber losgelöst von der der darunter liegenen Stadt sehen, die man am besten keines Blickes würdigt und die einem dieses großartige Parkerlebnis nicht vermiesen soll.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich glaub, der ist verschoben worden in den Strang: Rekonstruktion der Löwenburg. Jetzt steht die beiden letzten Kommentare recht beziehungslos da.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.