Berlin - Reichstagsgebäude und Spreebogen

  • In Berlin gibt es wohl genügend öffentliche Freiflächen, auf denen jeder seinen individuellen Vorlieben frönen kann. Warum gerade vor dem Parlament? Der Platz hat auf jeden Fall nicht die Würde die dem "Hohen Haus" Reichstag/Bundestag so gerne bescheinigt wird. Es spricht ja auch nichts gegen eine "moderne" Platzgestaltung. In unserer ach so hehren Demokartie wird gerne argumentiert, dass es dazugehört, dass sich das Volk die Demokratie und deren Symbole aneignet. Dass Familien vor dem RT grillen und Fußball gespielt wird, wird da mit geradezu hysterischer Freude registriert, und als Beispiel herangezogen, dass die Demokratie in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und keine Angst vor den Staatssymbolen und -Organen besteht. Der "Platz der Republik" zeigt geradezu bildlich deren Langweiligkeit und Unfähigkeit zur Ästhetik und kann somit als innerer Spiegel Deutschlands gesehen werden.

    So sehen französische "Place de la Republique" aus

    Rennes:
    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…ue_DSC_4521.JPG
    Lyon:
    http://www.en.lyon-france.com/var/ez_site/st…-Republique.jpg
    Arles:
    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…lique_Arles.JPG
    Paris:
    http://www.lemoniteur.fr/media/IMAGE/20…_24_2798695.jpg
    Straßburg:
    http://voyageavecpetitmac.files.wordpress.com/2012/09/place-…ue-p1020567.jpg

    Dem ist denke ich nichts mehr hinzuzufügen...

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Akzeptieren, im Sinne von zustimmen musste es sicher nicht. Wenns aber - wie hier - schon passiert ist, muss mans wohl (vorerst) hinnehmen und abwarten, bis man mal wieder über eine Umgestaltung nachdenkt. Zu einem Umdenken kann man natürlich auch beitragen. Aber missionieren, sodass alle Public Viewer (nur als Beispiel) sich auf ein mal auf die Geschichte besinnen dürfte schwer werden...Den meisten wird es auch schnuppe sein, ob der Platz oder die Kuppel des Reichstags nun aussieht, wie sie aussieht oder wie sie aussah oder wie sie sonst ausgesehen haben könnte. Aber ob das eine oder das andere nun hist. korrekt ist, egal...Die findens gut, dass man von dort aus eine gute Aussicht hat. Man findets schön oder hässlich...Den Platz der Republik als Standort für ein temporäres Stadion für einen Schmuckplatz aufzugeben, wird den Veranstaltern und den Public Viewern wohl nicht zusagen, weil die eben andere Prioritäten haben. Ich sage ja nicht, dass ichs nicht lieber anders hätte. Es muss nicht gleich einem Barockgarten gleichen, aber dort gehört mMn das Einheitsdenkmal hin.
    Deutschland ist eben ein so demokratisches und offenes und volksnahes und progressives Land, da kann so ein Ort schließlich nur für solche Veranstaltungen genutzt werden ;).
    Namen lassen sich ändern und sind somit wohl weniger argumentativ, als die Lage. Die von dir gezeigten Plätze liegen alle inmitten der Stadt (außer der Straßburger), umgeben von Häusern und Leben und nicht vor einem Parlamentsgebäude, das im Falle des Reichstages auch noch quasi im Wald steht. Die National Mall in Washington, D.C. wird auch zum Grillen und für Veranstaltungen genutzt. Sie ist zwar um einiges weitläufiger, als dieser Platz, aber liegt auch vor dem Parlament.

    3 Mal editiert, zuletzt von Benni (24. Mai 2013 um 13:36)

  • Ich weiß nicht, ob der Aspekt schon genannt wurde, aber die Kosten für die Unterhaltung von Platzanlagen spielen auch eine immense Rolle. Blumenbeete, Hecken etc. sind eben viel teurer in der Pflege als eine Wiese, die man mäht und gut ist die Sache. Würde der Platz heute geplant, käme wohl eine ähnliche Gestaltung wie beim Schlossplatz raus, nämlich Pflaster wohin das Auge reicht.

    Ich habe vor einigen Monaten gelesen, dass insbesondere für den Stadtbereich Mitte die Mittel für die Pflege von Grünanlagen massiv gekürzt wurden. Zahlreiche Areale wie z.B. auch am Potsdamer Platz werden aus Kostengründen gar nicht mehr gepflegt. Also bei der Gestaltung der Plätze müssen auch immer die Folgekosten berücksichtigt werden und die will heute keiner mehr tragen, wie man am Schlossplatz sieht.

    APH - am Puls der Zeit

  • Also bei der Gestaltung der Plätze müssen auch immer die Folgekosten berücksichtigt werden und die will heute keiner mehr tragen, wie man am Schlossplatz sieht.


    Ach das arme Deutschland! Es muss ja nicht gleich ein Bosquet nach barockem Vorbild sein! Vielmehr mangelt es den Platzgestaltern an Kreativität. Es gibt auch pflegeleichte Dauerbegrünung die nicht Zigtausende im jahr an Pflege verschlingt und trotzdem attraktiv aussieht. Ich meine damit nicht die "Rattengehölze" auch Bodendecker genannt, die bescheiden aussehen und in denen sich der ganze Flugmüll sammelt. Es gibt langblühende Hecken, robuste Stauden, die von Mai bis September schön blühen und natürlich meine geliebten Platanen. Warum nicht die märkische Kiefer? Die ist anspruchslos, bestens an das Klima angepasst und bildet schön bizarre Formen aus. Dazu eine schöne Mischung aus Rasen- und Pflasterflächen, alles ebenerdig zur leichten Pflege, fertig.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Ich habe den Artikel leider nicht mehr zur Hand, aber die Städte sparen hier alles zusammen, was geht. In Mitte wurden die Plätze klassifiziert. So weit ich mich erinnere, waren es nur noch eine Handvoll Plätze, die überhaupt eine regelmäßige Pflege bekommen sollten, so z.B. der Pariser Platz und das Gelände um den Reichstag. Viele Flächen um den Potsdamer Platz sollen gar nicht mehr gepflegt werden. Es war auch ein schönes Bild zum schlechten Zustand der öffentlichen Anlagen beigefügt.

    Ich bin mir sicher, dass bei der Gestaltung des Schlossplatzes die Kosten der Pflege eine massive Rolle gespielt haben. Wenn man sich die Städte auf Postkarten, selbst in den 70-ern- ansieht, dann fällt mir immer ein Unterschied auf und das sind Blumen. Selbst bei uns im Ort gab es früher noch diese Plätze, wo Blumen gepflanzt und Beete gepflegt wurden. Selbst an unserer Schule gab es so etwas früher. Heute hat man sämtliche Hecken abgeschnitten und durch Zäune ersetzt, die Blumenbeete sind alle verschwunden und der zuständige Hausmeister wurde entlassen. Heute übernimmt das Rasenmähen ein externes Unternehmen, weitere Pflege braucht es nicht mehr, weil der gesamte Baum- und Heckenbestand komplett getilgt wurde.

    Was hier im Kleinen passiert ist, passiert im Großen in den Städten. Man kürzt alles zusammen und am Ende bleibt nicht mal mehr für die besten Plätze der Republik etwas übrig, geschweige denn dass man bereit ist, neue aufwändige Plätze anzulegen!


    Moderationshinweis (Palantir): Die Fortsetzung der immer sich weiter vom Strangthema entfernenden folgenden Beiträge ist jetzt hier:
    Allgemeine Fragen und Anmerkungen zu Berlin

    APH - am Puls der Zeit

  • In den Gründerzeitlerbau passt eine Brücke wohl nicht so richtig hinein, deshalb hoffe ich, passt es hier besser hinein.


    Die verschiedenen "Soldatengruppen"

    Die vier verschiedenen Schilde

    "Erst wägen - dann wagen"

    Bilder von mir, ©Ludolf

  • In den Gründerzeitlerbau passt eine Brücke wohl nicht so richtig hinein, deshalb hoffe ich, passt es hier besser hinein.

    Haben sie da 1986 einfach mal vergessen die vorher rausgeschnittenen Schadstellen zu flicken oder soll das etwa so sein? :kopfschuetteln: An anderer Stelle hat man ja anscheinend schon anständig alles geflickt...

  • Meiner Meinung nach beweisen beide Beispiele hier - die Brücke und die Ländertafeln am Reichstag - die einfache Formel, die der (vermeintlich) zeitgenössischen Architektur heute fehlt: der Sinn oder der Mut für ästhetische Details. Mit Details hält man sich nicht auf, man macht sie nicht die Arbeit, denn die kostet ja Geld und für Details gibt man kein Geld aus, weil die Investoren gar keine Zeit haben, sich das in den Hochglanzbroschüren anzusehen.

    Die Bauten des Bundes im Spreebogen gehen in das genaue Gegenteil: je länger man hinsieht, desto stärker sucht man sehnsüchtig nach irgend etwas Schönem, Ästhetischen, etwas zum Wiederhinsehen. Man findet aber nur Waschbeton.

    "Die Qualität städtischen Bauens resultiert aus einer Generationen währenden, kollektiven Leistung." Hans Kollhoff

  • Zitat

    Die Bauten des Bundes im Spreebogen gehen in das genaue Gegenteil: je
    länger man hinsieht, desto stärker sucht man sehnsüchtig nach irgend
    etwas Schönem, Ästhetischen, etwas zum Wiederhinsehen. Man findet aber
    nur Waschbeton.

    Vielleicht sollte man verschiedene Gebäude begrünen.
    Hier ein Gebäude, dass ich in Teuchern (Sachsen - Anhalt) im Juli 2013 entdeckt und fotografiert habe.

    kp.

  • Seit langer Zeit ist die (ohnehin hinsichtlich der Platzgestaltung lieblose und hässliche) Ostseite des Reichstagsgebäudes durchgängig abgesperrt und man kann vom Brandenburger Tor/Dorotheenstraße nicht direkt zum Spreeufer gelangen. Aus Sicherheitsgründen ist das auch ohne Weiteres für gewisse Zeiten und Anlässe nachvollziehbar.
    Was ich aber einfach nur erbärmlich und peinlich finde, wie diese Absperrung gestaltet worden ist, nämlich mit 0815-Metallbügeln ergänzt um Elemente, die man sonst für Fanmeile/Marathonlauf etc. verwendet.

    Ansicht von Norden

    Von Süden

    Da werden hunderte von Millionen Euro für neue Bundestagsbauten ausgegeben, aber die vielleicht 500.000 Euro für einen anständigen schmiedeeisernen Zaun, den man bei Bedarf öffnen und schließen kann, hat man wohl nicht übrig oder eingeplant. Noch viel beschämender ist aber, dass es aber wahrscheinlich keinem der Abgeordneten oder der Bundestagsbauverwaltung auffällt oder etwas ausmacht.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    Einmal editiert, zuletzt von Mantikor (5. Juni 2015 um 23:16)

  • Diese ganzen Sicherheitsinfrastruktur dort sieht schrecklich aus. Klar mußte man sie sehr eilig aufbauen, als man aus der Traumvorstellung von einer perfekten Welt erwachte. Aber inzwischen ist's ein mehrjähriges Provisorium. Wann das geplante Besucherzentrum tatsächlich gebaut wird, ist offen. Und selbst wenn es absehbar wäre, ist dieses Containerdorf mit Hamburger Gittern dem Regierungsviertel unwürdig. Am schlimmsten sind die Stativlampen zur nächtlichen Flutbeleuchtung.

    Wenn man nun den Friedrich-Ebert-Platz langfristig absperren muß, könnte man wirklich etwas Angemessenes installieren. An der Elisabeth-Abegg-Straße wurde eine sehr schöne gründerzeitliche Zaunanlage vor der Öffentlichkeit versteckt. Am Reichstag würde die sehr gut aussehen und hätte endlich echten Nutzen. Aktuell trennt sie einen Gehweg von einem Rasen, kann aber seitlich problemlos umlaufen werden.

    1989 wurde die Downing Street wegen der Bedrohung durch die IRA mit einer sehr schönen Toranlage versehen, nachdem dort zuvor ein ähnlich unbefriedigendes Dauerprovisorium stand (nämlich seit 1974). Hoffen wir, daß es am Reichstag nicht auch so lange dauert.


    public domain

    Als hätte es immer dort gestanden:


    cc by 3.0 Editor5807 / wikipedia

  • Och nee. Wenn es im Baumarkt kleine Verbesserungen zu kaufen gibt, dann habe ich auch keinerlei Ressentiment gegen Obi, Hornbach und Co. Mannheimer Gitter geht für Rock am Ring oder Wacken, aber nicht für ein Regierungsviertel. Dann schon lieber Baumarkt. :tongue:

  • Die ganze Umgebung des Reichstages ist wie vieles in Mitte eine berlintypischer Saustall; dies wird sich nie ändern.

    So wie es in den Köpfen der hier Verantwortlichen aussieht, präsentieren sich auch diese Areale des Regierungsviertels.

    Ein besonders schönes Beispiel, welches zum Thema paßt, sind bei der seit Wochen und Monaten anhaltenden Trockenheit die derzeit völlig gelben und vertrockneten "Rasenflächen" des Berliner Lustgartens. Ich behaupte, daß es so etwas an einem vergleichbar städtebaulich und touristisch wertvollen Areal wie der Museumsinsel weltweit nicht gibt. Dieser - und nicht nur dieser - Zustand stellt für viele Touristen aus aller Welt eine wohl nur in Berlin so mögliche Zumutung und Unverschämtheit dar.

    Hierzu auch in diesem Artikel : Berliner Dreck als Lebensstil : http://www.berliner-zeitung.de/berlin/staedte…8,30876662.html