Berlin - Reichstagsgebäude und Spreebogen

  • Gut, dann erkläre mir mal, wie eine Ablehnung der Kuppel bzw. des Hybridbaus und Forderung nach vollständiger Rekonstruktion des ursprünglichen Entwurfs in irgendeiner Form mehr erreicht?

    Das würde nicht mehr erreichen. Ich glaube wir reden aneinander vorbei. Ich stimme doch in beinahe allen Punkten mit dir überein. Ich glaube nur nicht, dass die Architektur in absehbarer Zeit eine größere Wende schafft. Deshalb habe ich meine Ansprüche zurück geschraubt, und schaue, was ich auch bei modernen Bauten vielleicht interessantes entdecken kann und hoffe, dass sich aus der Entwicklung ein zumindest annehmbarer Städtebau herauskristallisiert. Mehr nicht.

    Auch die von dir gezeigten Überformungen von Altbauten empfinde ich größtenteils als schauderhaft, oder doch zumindest als misslungen. Den Umbau des Militärhistorischen Museums in Dresden finde ich aus irgendeinem Grund nicht gänzlich schlecht. Die skulpturale Form gefällt mir. Im Prinzip zeigen alle deine Beispiele aber einen völlig unsensiblen Umgang mit der alten Bausubstanz und eine ordentliche Selbstüberschätzung des Gegenwartsachitekten. Die neue Reichstagskuppel ist in der Tat eine Ausnahmeleistung. Aber das ist hier wieder so eine typische Diskussion die sich im Kreis dreht.

  • Franka und Leonhard Das ist ein sehr spannender Ansatz. Dazu eine kleine Anekdote, Mein erwachsener Sohn, der mit Architektur wenig anfangen kann, besuchte neulich das Hamburger Rathaus und kurz danach das Neue Palais in Potsdam - beides mit ausgiebiger Führung. Sein Urteil war: Das Hamburger Rathaus ist in Gänze beeindruckender und repräsentativer. Zitat: "Das macht mehr her."

    Ich habe das gar nicht so hinterfragt und versucht, ihm dahingehend Recht zu geben, dass ja schon Zeitzeugen von damals die Communs "unschicklich" fanden, weil sie gelungener als der eigentliche Palast sind. (Friedrich hatte seinen Baumeistern beim Neuen Palais, wie immer, zuviel reingeredet. Büring floh ganz schnell und Manger litt. Gontard blieb und hatte bei den Wirtschaftsgebäuden freie Hand, was sich in deren perfekten Kuppeln, Freitreppen etc. dokumentiert...

    Aber zurück zum Thema: Leonhards Aussage, dass Die Wahl der Neogotik als Stil für Parlamente und Ratshäuser im geschichtsbewussten 19. Jh [...] in vielen Fällen darauf zurückgehen [dürfte], dass man an die Tradition der repräsentativen Stadtverwaltungen der großen mittelalterlichen Handels- und freien Reichsstädte anknüpfen und somit die bürgerliche Emanzipation und Unabhängigkeit von Adel und Kirche unterstreichen wollte. trifft es. Das Hamburger Rathaus ist zwar keine Neogotik, sondern Neorenaissance, hat aber auf den 'einfachen' Betrachter eine analoge Wirkung. Der Bürgerbau repräsentiert mehr als der Königspalast.

  • Hallo zusammen, ich bin auf eine interessante Frage gestoßen und wollte sie hier weitergeben: Was ist eigentlich mit der Germania-Statue passiert, die früher über dem Hauptportal des Reichstagsgebäudes stand? Wurde sie nach dem Krieg entfernt, zerstört oder gibt es weitere Informationen dazu? Vielen Dank für eure Expertise!

  • Der Sockel ist noch da, theoretisch könnte man zur Rekonstruktion aufrufen - aber momentan nicht nur politisch undenkbar.

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Wie ich bereits öfter ausführte, hat jede Zeit Ihre Formensprache. Darum empfinde ich die aktuelle Kuppel auf dem Reichstagsgebäude auch sehr gelungen. Warum? Vor 130 Jahren gab es noch die Monarchie mit vererbter Macht. Heute sind wir eine Demokratie; transparent, modern, dem Bürger als Souverän mit einem gesunden Bewusstsein für unsere Geschichte. All das verdeutlicht die Mariage der neuen Kuppel auf dem alten Reichstagsgebäude: Transparenz, Modernität, der Bürger steht wortwörtlich über der Regierung; alles auf einem historischen, soliden Fundament.

    Dieser Formensprache folge ich gerne!

    Es wird hier argumentiert, dass die moderne Kuppel die Demokratie versinnbildlicht, da sie vom Publikum begehbar ist, das den Parlamentariern quasi von oben auf die Köpfe schaut (was so nicht stimmt, da Sichtbarrieren bestehen) bzw. der Bürger wortwörtlich über der Regierung steht. Diese Idee wurde zwar im Nachhinein von Foster publikumswirksam mitverkauft, existierte aber öffentlich publiziert schon viel früher.

    Die Idee, die Reichstagskuppel in alter Form wiederzuerrichten, gab es bereits im Vorfeld zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987. U.a. in der Berliner Morgenpost stellte seinerzeit ein Professor für Bauingenieurwesen von der TU Berlin seine Idee mitsamt Übersichtszeichnung vor, die immer schon aus durchsichtigem Glas bestehende Reichstagskuppel statisch für eine allgemeine Begehbarkeit und Publikumsbesuchbarkeit zu verstärken und mit einer entsprechenden Plattform von innen zu versehen und so ein neues Wahrzeichen zu gewinnen. Die prunkvolle Ursprungskuppel ist damit genauso "demokratisch" wie die - von den Proportionen m. E. plumpe - Neuschöpfung.

    Übrigens wurden damals auch ernsthaft Pläne diskutiert, das Prinz-Albrecht-Palais auf der betreffenden Flächenbrache wiederzuerrichten und die Hauptfassade der TU Berlin zu rekonstruieren. Leider scheiterten alle drei Vorhaben.

  • Na, für die Trompetenfama rechts, standen wohl jene Schwestern am Berliner Stadtschloß Modell!

    Die Posaune ist eigentlich ein typisches Symbol der Mormonen. In Deutschland ist der Engel Moroni u. a. auf dem Freiberg-Tempel in Sachsen zu bewundern. Zuletzt diente er auch als Galionsfigur für das Generationenraumschiff "Nauvoo" in der Serie "The Expanse".

  • Die Idee, die Reichstagskuppel in alter Form wiederzuerrichten, gab es bereits im Vorfeld zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987. U.a. in der Berliner Morgenpost stellte seinerzeit ein Professor für Bauingenieurwesen von der TU Berlin seine Idee mitsamt Übersichtszeichnung vor, die immer schon aus durchsichtigem Glas bestehende Reichstagskuppel statisch für eine allgemeine Begehbarkeit und Publikumsbesuchbarkeit zu verstärken und mit einer entsprechenden Plattform von innen zu versehen und so ein neues Wahrzeichen zu gewinnen. Die prunkvolle Ursprungskuppel ist damit genauso "demokratisch" wie die - von den Proportionen m. E. plumpe - Neuschöpfung.

    Diese Übersichtszeichnung, gibt es die noch. Hast Du vielleicht die Möglichkeit eines Zugriffs darauf, den Du dann hier einstellen könntest?

  • Diese Übersichtszeichnung, gibt es die noch. Hast Du vielleicht die Möglichkeit eines Zugriffs darauf, den Du dann hier einstellen könntest?

    Leider nicht. Beim letzten Umzug vor 15 Jahren habe ich meine Papierarchive entsorgt. Evtl. könnte man im Archiv der Berliner Morgenpost fündig werden, ich habe aber keinen Zugriff hierauf.

  • Angeblich wurde diese von Buntmetalldieben ca. 1950 gestohlen. Aufgrund der enormen Größe, glaube ich persönlich diese Geschichte nicht.

    Ich nehme mal an, dass diese bewußt zerstört worden ist.

    Ich gehe auch davon aus, dass die Germaniastatue bewusst zerstört worden ist.

    Aber danke für diese interessante und ansprechende Aufnahme mit der originalen Kuppel im Hintergrund. Mich würde ein Vergleichsfoto der heutigen Ansicht interessieren.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Mich überrascht das fast mädchenhafte Gesicht der Germania. Im Harnisch wirkt sicher kein Körper schlank, aber das ist nicht die üppige Heroine, die man befürchten würde. Abgesehen davon ist die Gruppe natürlich auf Fernwirkung berechnet.

  • Hier ein sehr gut gemachtes, ausführliches Video zum geplanten Graben vor dem Reichstag. Es wird umfassend auf die Geschichte des Reichstages eingegangen und es gibt auch ein paar Bilder zum geplanten Besucherinformationszentrum.

    Vor kurzem gab es doch hier eine ausführliche Diskussion über die Symbolik, dass man in der "tollen" gläsernen Kuppel dem Parlament sozusagen "aufs Dach" steigen könne. Nun, ein Graben zur Abschottung der Politiker vor seinen Bürgern vermittelt ein gänzliche anderes Bild. Ich habe fast meinen Kaffee ausgespuckt, als vom "Aha-Graben" wie selbstverständliche gesprochen wurde. Hat keiner von den Beteiligten mal daran gedacht, wie leicht man das als "AH Graben" verstehen kann...? Ich würde dem Reichstag hier jedenfalls ein schnelles Re-Branding des Begriffs empfehlen... cheers:)

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  • ... und man sollte sich fragen, welche Politik eigentlich dafür verantwortlich ist, dass es eines solchen Grabens überhaupt bedarf. Da geht es gewiss nicht um ein paar lächerliche "Reichstagsstürmer", die weit harmloser sind als die Antifa. Es geht um eine Bedrohung, die diejenigen verursacht haben, die sich nun als erste selber schützen wollen. Und die lapidare Feststellung, dass man ja auch Weihnachtsmärkte mit Zäunen sichern muss, ganz so, als wäre das völlig normal, ist zynisch und unerträglich.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Die Politik ist doch nicht dafür verantwortlich, dass es eines Grabens oder Stahlstehen oder Betonblöcke zum Schutz von Menschen braucht.

    Verantwortlich dafür sind Extremisten/Terroristen!

    Aufgabe der Politik ist in diesem Falle Symbole der Republik bzw. Menschenleben so gut wie möglich zu schützen und dann ist es sicherlich nicht zynisch und unerträglich wenn man Schutzkonzepte erklärt und umsetzt.

  • 360Grad entweder naiv oder blind, für beides habe ich im Jahr 2025 kein Verständnis mehr. Mehr schreibe ich an der Stelle nicht, weil man bei Ignoranz gegen eine Mauer rennt.

    In dubio pro reko

    Der größte Feind der Ideologie ist die Realität

  • Tja, hätte man den Reichstag schon vor über 90 Jahren ordentlich gesichert, wäre uns wohl einiges erspart geblieben....

    Der Aha-Graben ist gar nicht mein größtes Problem. Das ist, denke ich, in der Tat eine elegante Lösung. Zumal der Platz gestalterisch eh ein Reinfall war. Wer erinnert sich nicht an die chronische Schlammwüste vorm Reichstag? Offensichtlich eine Fehlplanung, die solche Besuchermassen gar nicht auf dem Schirm hatte.

    Viel schlimmer sind m.E. die geplanten Zäune an den Auffahrtrampen. Das konterkariert ja völlig die ausladende Wirkung der Treppenanlage. Zumal ich mir auch keine Hoffnung auf eine hübsche Gestaltung mache (gab's ja früher durchaus). Das wird wirklich wie Knast daherkommen, 2.5 Meter Streckmetall.

  • Der Wassergraben passt gut zu den Ecktürmen. Jetzt bekommen wir eine schöne Wasserburg. Allerdings steht der Graben in Widerspruch zu der einladenden Geste der Portikus und der Treppe.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Herr Kubicki hat es im obigen Video anschaulich und nachvollziehbar erläutert, weshalb der Umbau vorgenommen wird. Insofern habe ich trotz anfänglicher Bedenken inzwischen viel Verständnis für diese Maßnahme. Und ich bin mittlerweile von der geplanten Umsetzung begeistert, denn sie schont die optische Wirkung des Baudenkmals weitgehend. Der Graben wird nicht sichtbar sein. Der seitliche Zaun soll weitgehend sichtdurchlässig sein und wird damit optisch nicht störend wirken. Der größte Vorteil ist aber, dass diese unsägliche Containerlösung abgebaut werden kann.