Berlin - Reichstagsgebäude und Spreebogen

  • Statuenensemble als Klammer zwischen Königsplatz und Reichstagsgebäude

    Es entzieht sich meiner Kenntnis ob dies schon einmal thematisiert wurde, aber möglicherweise ist mit dem Abtransport der Siegessäule und den Denkmälern Bismarcks, Moltkes und Roons zum Großen Stern 1939 ein Sinnzusammenhang mit der Statue Wilhelms I. in der Rotunde zerstört worden. Daß die vier Denkmäler aufeinander bezogen waren steht außer Frage, waren doch deren aller historische Vorbilder an der Reichseinigung an vorderster Stelle beteiligt. Aber es könnte jenseits des retrospektiven Blicks auf die Jahre zwischen 1862 und 1871 auch noch einen - gewissermaßen - abstrakten, auf die Zukunft gerichteten Aspekt des Ensembles gegeben haben: Wenn die Furien des Krieges (repräsentiert durch die Siegessäule) wieder einmal bedrohlich ihr Haupt erheben und Politik (personifiziert durch den Eisernen Kanzler) und das Militär (in Gestalt vom ‚Großen Schweiger’ und Kriegsminister v. Roon) mit ihrem Latein bereits am Ende sein sollten, dann ist es die Person des Monarchen (Kaiserstatue in der Rotunde mit der Verfassungsurkunde in der rechten Hand), die sich als letztes Bollwerk schützend vor sein Volk (welches im Plenarsaal von den Abgeordneten repräsentiert wird) stellt und das Unheil bannt. Zugegeben, das ist eine recht archaische, vom Gedanken des ‚Königsheils’ inspirierte Vorstellung…

  • Wie Bonifatius in den Reichstag kam

    Anbei Links zu zwei Beiträge über Figuren, die ehemals am großen Radleuchter in der Rotunde der Wandelhalle angebracht waren und seit der Zerstörung der Reichstagsgebäudes eine wahre Odyssee zu bestehen hatten. Die Figur des Apostels der Deutschen, des Hl. Bonifatius, steht dabei im Vordergrund:

    Der Radleuchter in der Rotunde (oberhalb der Statue Kaiser Wilhelms I.)


    Die Bonifatius Figur



    Detail


    Und hier die beiden 'Links':

    https://osthessen-news.de/n11560025/das-…-reichstag.html

    https://www.himmelunderdeonline.de/hue/bonifatius…r-deutschen.php


  • Kannst Du das irgendwie belegen und nachweisen? Da hätte ich dann schon ganz gern nähere Informationen zu.

    Hallo Henry,
    nun.... ich wüsste nicht, daß ein Sieger durch den Sieg auch Rechte über das Eigentum des Besiegten erwirbt.
    Insofern stellt die Wegnahme von fremdem (ausländischem) Eigentum, sofern es nicht käuflich erworben ist, die Folge eines Diebstahls dar.
    Beute machen mag seit Tacitus üblich sein - rechtens ist es nicht.
    Und wenn der aktuelle Besitzer nicht der ursprüngliche Dieb ist, dann ist er wenigstens ein Hehler. Und der ist ja bekanntlich schlimmer als der Stehler.

  • Der Weg des Kaisers im Reichstagsgebäude

    Auch wenn offiziell nur Aufenthalte von Kronprinz Wilhelm in der kaiserlichen Loge des Plenarsaals bezeugt sind, so soll hier einmal in Form eines fotografischen Rundgangs der Weg nachvollzogen werden, den der Monarch hätte zurücklegen müssen, um in die für Ihn und Angehörige des Hofes reservierte Loge zu kommen:
    Dieser hätte ihn von der kaiserlichen Unterfahrt an der Ostseite durch die östliche EIngangshalle (damals auch als 'Kaiserhalle' bekannt), derem nördlichem Treppenlauf folgend in das nordöstliche Treppenhaus geleitet. Durch dieses wäre er ins Zwischengeschoß gelangt, wo er auf einen Korridor gestoßen wäre, der ihn direkt in die beiden kaiserlichen Salons gebracht hätte. Der westliche der Letzteren öffnete sich mit einer Tür an seiner Südseite direkt zur Kaiserloge.

    Abbildung 01
    Grundriß des Hauptgeschosses mit dem rot eingezeichneten Weg des Kaisers.


    Abbildung 02
    Grundriß des Zwischengeschosses mit dem rot eingezeichneten Weg des Kaisers.


    Abbildung 03
    Osteingangs des Reichstages mit der kaiserlichen Unterfahrt.


    Abbildung 04
    Detail des Risalits mit den beiden Heroldsfiguren, deren kleinere Kopien seit 1901 an der Ostseite des Bremer Rathauses stehen.

    Abbildung 05
    Risalit und Kuppel.

    Abbildung 06
    Die Osteingangshalle - auch 'Kaiserhalle' genannt. Blick nach Süd.



    Abbildung 07
    Süd (links) und Nord (rechts) Portal an den beide oberen Enden der dreiläufigen Treppe in der Kaiserhalle. Das nördliche Portal hatte der Monarch zu durchschreiten, um zu den für den Hof reservierten Räumlichkeiten zu gelangen.


    Abbildung 08
    Detail des Nordportals der Kaiserhalle. Hinter dem Oberlicht erkennt man das Glasdach der Bundesrats-Lobby, wo der - heute in den USA befindliche - hochlehnige Stuhl stand.

    Abbildung 09
    Ziergitter im kaiserlichen Treppenhaus (dem Nordosttreppenhaus des Reichstages.)


    Abbildung 10
    Zeichnung von Max Koch, den größeren der beiden kaiserlichen Salons wiedergebend. Der Kaiser ist hier so dargestellt, als wenn er sich auf dem Rückweg von einer Sitzungsteilnahme im Plenum befindet, denn seine Loge befindet sich links neben dem zweiten Salon, der hinter der Tür im Hintergrund sichtbar ist.


  • Abbildung 11
    Fotografie des großen kaiserlichen Salons.

    Abbildung 12
    Detail der Türbekrönung zwischen großem (nördlichem) und kleinerem (südlichen) kaiserlichen Salon.

    Abbildung 13
    Die Glastür zwischen den beiden Salons in geöffnetem Zustand.

    Abbildung 14
    Der Plenarsaal mit der rot umrandeten Kaiserloge.

    Abbildung 15
    Die Loge aus einem anderen Blinkwinkel.


    Abbildung 16-18
    Nahansichten und Details der kaiserlichen Loge.

    Der schlichte mittlere Sessel, ist der des Kaisers.

    Adler als Begrenzung der Kaiserloge.

    Abbildung 19
    Foto des durch den Brand 1933 zerstörten südlichen kaiserlichen Salon.

  • Abbildung 20
    Bei den beiden umrandeten Fenstern handelt es sich um ein und dasselbe. Welch eine Veränderung !

    Zum Abschluß noch ein Film, der Reichspräsident Paul v. Hindenburg in der mit der mit der Präsidentenstandarte geschmückten ehemaligen kaiserlichen Loge anläßlich des Verfasssungstages im Jahre 1931 zeigt:

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  • ich wüsste nicht, daß ein Sieger durch den Sieg auch Rechte über das Eigentum des Besiegten erwirbt.Insofern stellt die Wegnahme von fremdem (ausländischem) Eigentum, sofern es nicht käuflich erworben ist, die Folge eines Diebstahls dar. Beute machen mag seit Tacitus üblich sein - rechtens ist es nicht. Und wenn der aktuelle Besitzer nicht der ursprüngliche Dieb ist, dann ist er wenigstens ein Hehler. Und der ist ja bekanntlich schlimmer als der Stehler.


    Exakt. Plünderung im Verlauf eines Krieges ist nach Art. 28 sowie Art. 47 und Art. 48 der Haager Landkriegsordnung verboten. Da die Ware kaum legal erworben sein dürfte, müsste sie konsequenterweise zurückgegeben werden. Aber auch hier erkennt man, wer Sieger und wer Looser ist. Die Looser bilden Kommissionen, um auch möglichst jedes Objekt mit dem Verdacht von Beutekunst zu finden und auch zurückgeben zu dürfen. Die Winner scheren sich nicht viel darum. Vor allem in Rußland lagern sehr viele gestohlene Kunstobjekte. Es dürften sich auch Stücke aus dem Reichstag darunter befinden.

  • Wenn ich auch mal etwas abweiche - geraubt haben schon die alten Germanen, es ist eine uralte Mentalität daß sich die Sieger an den Verlierern bereichern. Es nennt sich Kriegsbeute - so auch nach dem 2.WK geschehen. Die Alleierten sahen dies alledings als Teil von Reparationskosten an. Hier gibt es immer zwei Seiten zu bedenken.
    Auch das dritte Reich bediente sich fremder Schätze in den besetzten und eroberten Ländern.
    Hier von Diebstahl zu sprechen ist wohl etwas zu einfach gesehen - hier haben sich Länder einfach mal gegenseitig beraubt.

  • Soldaten der alliierten Mächte - Russen wie Amerikaner und andere - haben sich privat etwas eingesteckt. Das war auch damals schon nicht rechtens und hat mit Reparationen nichts zu tun.

    Anfang der 80er Jahre tauchten in den USA zwei Gemälde von Albrecht Dürer auf, die aus den Kunstsammlungen zu Weimar stammten. Ein US-Soldat hatte sie 1945 mitgenommen. Die DDR-Regierung meldete Ansprüche an. Der jüdische Erbe des Soldaten verwies auf die deutschen Verbrechen und weigerte sich, die Bilder herauszugeben. Es kam zum Prozess vor einem New Yorker Gericht. Die Bundesrepublik meldete ebenfalls Ansprüche an. Das Gericht sprach die beiden Dürer-Werke der DDR zu. Das war auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges in der Reagan-Ära. Ein Zeichen für einen funktionierenden Rechtsstaat. Rechtmäßiger Eigentümer der Bilder waren die Kunstsammlungen zu Weimar. Diese gehörten zur DDR, nicht zur BRD, weshalb die Gemälde der DDR übergeben wurden. So konnten sie wieder in Weimar ausgestellt werden.

    Es gab andere Fälle. 1958 sollte ein Cranach-Gemälde aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden bei Christie's in London versteigert werden. Es war wahrscheinlich 1945 in einem sächsischen Auslagerungsort gestohlen worden - von einem Einheimischen, Russen oder wem auch immer. Die DDR-Regierung meldete Ansprüche an. Es kam zum Prozess in London. Die DDR gewann. 1959 kehrte das Bild nach Dresden zurück. Zu der Zeit wurde die DDR von Großbritannien offiziell nicht anerkannt.

    Vielfach war es nicht möglich, Rechtsansprüche juristisch durchzusetzen. Das betrifft die massenhaften Plünderungen bei Kriegsende oder den Abtransport von Kulturgütern durch die sowjetischen Trophäenkommissionen. Dadurch erhielten diese Fälle aber nicht den Status der Rechtmäßigkeit. Das in der Jelzin-Ära verabschiedete Dumagesetz, das die Rückgabe von durch den sowjetischen Staat abtransportierten Kulturgütern an Deutschland verbietet, widerspricht internationalem Recht. Zum Glück waren die meisten Kulturgüter in den 50er Jahren an die DDR zurückgegeben worden. Bemerkenswerte Fälle der Überstellung von deutschem Kulturgut an die DDR gab es auch seitens der Volksrepublik Polen.

    Die von den Nazis in den besetzten Ländern geraubten Kulturgüter wurden selbstverständlich zurückgegeben. Das geschah vielfach schon in den ersten Jahren nach dem Krieg.

    Im Falle mutmaßlicher Ausstattungsstücke des Reichstagsgebäudes müsste man natürlich die Provenienzen prüfen, um sicher sagen zu können, ob sie gestohlen wurden. Für die Anmeldung von Ansprüchen wäre wohl die Bundestagsverwaltung zuständig. Deren Interesse für alte Stühle schätze ich aber gering ein.

    Einmal editiert, zuletzt von Rastrelli (7. Juli 2019 um 17:02)

  • Die von den Nazis in den besetzten Ländern geraubten Kulturgüter wurden selbstverständlich zurückgegeben. Das geschah vielfach schon in den ersten Jahren nach dem Krieg.

    Auch das Bernsteinzimmer? Ich weiß , das ist jetzt zynisch. Es tauchte vieles nicht mehr auf , was das 3.Reich "enteignet" hatte.
    Natürlich, man bediente sich nach dem 2. WK auch privat an fremden Eigentum, aber tuen wir doch bitte nicht so, als wenn das unsere Soldaten nicht anderswo auch getan haben. Rechtlich war dies sicherlich von beiden Seiten nicht in Ordnung, Menschen aus besetzten Gebieten privat zu berauben, aber darüber wurde in diesen Zeiten meist hinweggesehen wenn sich nicht gerade jemand erwischen ließ. Andererseits muß mann auch sehen, daß bei privaten Plünderungen durch Soldaten, auf beiden Seiten drakonische Strafen verhängt wurden sobald dies rauskam.

  • Danke für deine Ausführungen, @Rastrelli . Von "den meisten Kulturgütern" kann aber leider nicht die Rede sein. Der einzige nennenswerte Bestand, der in den 1950ern zurückgegeben wurde, war die Dresdner Gemäldesammlung...

  • War er wirklich nie im Plenarsaal ??

    Es hat sich doch noch ein Bild angefunden, welches S.M. Kaiser Wilhelm II. auf den Weg in seine Loge im Reichstag zeigt. Langsam beginnt man zu zweifeln, ob die jahrzehntelang unreflektiert wiederholte Aussage, dieser Monarch habe an keiner Plenarsitzung teilgenommen aufrechterhalten werden kann. Leider weiß man ja, daß Legenden, sofern sie nachfolgenden politischen Verhältnissen dazu nützlich sind,die Altvorderen in einem ungünstigen und einen selbst in einem strahlenderen Licht erscheinen zu lassen, sehr langlebig sein können...

  • @UrPotsdamer
    Du übertreibst nun aber wieder in die andere Richtung. 1958 kehrten 600.000 Objekte nach Dresden zurück, darunter die Bestände des Grünen Gewölbes und des Historischen Museums. Und die Staatlichen Museen zu Berlin sollten wir auch nicht vergessen. Ohne die Rückgaben aus der Sowjetunion wäre auf der Museumsinsel wenig zu sehen gewesen. Auch andere Museen und andere Städte erhielten bedeutende Kunstschätze zurück. Das längst nicht alles kam, ist bekannt, aber deine Äußerung war so übertrieben, dass ich mich nochmals äußern musste, obwohl das hier ja nicht das Thema ist, sondern der Reichstag.

  • Die majestätische Wandelhalle im Westflügel

    Und hier noch der atemberaubende Blick von der nördlichen Wandelhalle durch die Rotunde (oder sollte man besser Oktogon sagen) in die südliche Wandelhalle. Dieser grandiose Raumkörper war zwar ramponiert aber in seiner Substanz im Wesentlichen über den Krieg gekommen. Ein wirklich herber Verlust.
    P.S.: An der oberen Bildkante kommen drei Lampen des gewaltigen Radleuchters (mit Bonifatius) in den Fokus.

  • (Doch noch ein kleiner Nachtrag:)

    Polyphemus unter der Kaiser- und der 'Herr der Berge' unter der Presse-Loge

    Unter der Kaiserloge befand sich eine der beiden Hammelsprungtüren des Plenarsaals und zwar die für die Ja-Stimmen. Unser Mitforist Eiserner Pirat hatte eine farbige Detailabbildung von ihr dankenswerterweise oben schon einmal eingestellt.
    Ich erlaube mir insofern die Einschlägige Passage aus den Wikipedia-Artikel zum Thema 'Hammelsprung' hier zu zitieren:
    "Der Architekt des Reichstagsgebäudes Paul Wallot nahm in einem Intarsienbild den Begriff „Hammelsprung“ auf. Er stellte 1894 über einer der Abstimmungstüren – der Ja-Tür – im Berliner Reichstagsgebäude dar, wie der von Odysseus geblendete Zyklop Polyphem seinen Widdern über den Rücken streicht, weil er glaubt, auf ihrem Rücken sitzend würden Odysseus und seine Gefährten aus der Gefangenschaft fliehen wollen. Tatsächlich hielten sie sich unter dem Bauch hängend im Fell der Widder fest. Die Nein-Tür zeigte die schlesische Märchen- und Sagengestalt Rübezahl. Im Reichstag der Kaiserzeit waren lediglich zwei Türen vorhanden, eine für die Zählung der Ja- und eine für die Zählung der Nein-Stimmen."

    Die JA-Tür unter der rot markierten Kaiserloge:


    Die Farbabbildung der JA-Tür mit dem zählenden Polyphemus:


    Von der, der 'Polymphemus-Tür' direkt gegenüber - unterhalb der Presseloge - befindlichen 'Rübezahl-Tür' war leider keine Abbildung auffindbar.

  • Die Rübezahltür müsste auf diesem Holzstich zu sehen sein:

    Der dort dargestellte Hammelsprung ist übrigens unter dem amtierenden, die Geschäftsordnung des Parlaments missachtenden Bundestagspräsidium durch eine subjektiv-überschlägige Feststellung der Beschlussfähigkeit ersetzt worden.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Abbildung 15
    Die Loge aus einem anderen Blinkwinkel.

    Auf den meisten von mir auffindbaren Ansichten des alten Sitzungssaals befindet sich dort über dem Sitz des Präsidenten, wo im heutigen Plenarsaal der Bundesadler wäre, diese helle Leerfläche. Es gibt aber auch Ansichten, auf denen eine große Wandmalerei zu sehen ist. Weiß jemand was dort genau zu sehen war und warum es entfernt worden ist?