Berlin - Reichstagsgebäude und Spreebogen

  • Es gab Ende der 80er Jahre Pläne, den Reichstag wieder in seinen ursprünglichen Zustand, mit allem Figurenschmuck, zu versetzen. Diese wurden dann nach Mauerfall und folgender Wiedervereinigung ad acta gelegt.

    Bei unserer heutigen politischen Stimmung und in Anbetracht der Funktion des Reichstagsgebäudes als Bundestag, sehe ich hier keinerlei Chance, irgendetwas rekonstruktiv zu ergänzen. Leider. Die Sockel z.B. der Herolde sehen schon sehr leer und funktionslos aus, ohne die Statuen. Letztendlich orientiert sich aber das gesamte Figurenprogramm symbolhaft am damaligen Deutschen Reich.

    Das alleine wird schon mächtigen Widerstand auf den Plan rufen. Auch weil vielen gar nicht bewusst ist, dass das Reich ja nicht etwa "abgelöst" wurde durch die Bundesrepublik Deutschland, sondern nur eine andere Staatsform angenommen hat:

    „Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert (vgl. Carlo Schmid in der 6. Sitzung des Parlamentarischen Rates – StenBer. S. 70). Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht ‚Rechtsnachfolger‘ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat ‚Deutsches Reich‘, – in bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings ‚teilidentisch‘, so daß insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht. (Bundesverfassungsgericht 1973)

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Letztendlich orientiert sich aber das gesamte Figurenprogramm symbolhaft am damaligen Deutschen Reich.

    Ein Großteil der Figuren ist ja gar nicht abgeräumt und steht heute noch. Auch die kaiserzeitlichen Reliefs existieren immer noch. Sogar die Kaiserkrone ist über dem Giebel-Eingang noch erhalten.

    Insofern kann man sich fragen, was denn an den fehlenden Elementen symbolhafter mit dem damaligen Deutschen Reich verbunden ist? Eventuell könnte man das über die Germania-Gruppe über dem Eingang sagen, wobei die Germania ja die Allegorie des Landes darstellt, nicht des Kaisers. Bei den mittelalterlich anmutenden Reichsherolden von Maison bin ich mir nicht so sicher, welchen direkten Bezug sie zum Kaiser darstellen.

    Aber wie sieht es mit den fehlenden Figuren über dem Seiteneingang aus? Was verkörperten sie? (Flüsse?) Sind sie nicht inhaltlich mit dem Bundestag vereinbar? Und erst Recht stellt sich die Frage, was an den Vasen der Ecktürme symbolhaft für das damalige Kaiserreich stehen soll? Ich denke, nicht der linkeste Demokrat kann etwas gegen eine gespendete Steinvase einwenden können, oder? (man weiß natürlich nie)...

  • die Germania Gruppe auf dem Dach des Hauptportals



    und nach dem Krieg


    aber ich glaube nicht daß alles von Buntmetalldieben gestohlen wurde, bei der Größe der Skulpturengruppe


    und wohin sind die beiden Herolde verschwunden



    nach dem Krieg waren sie noch vorhanden


    und der Kandelaber an der Ostseite ?


    und nach dem Krieg !

  • Als man den Reichstag nach dem Krieg wiederaufgebaut hat, ist man sehr rigoros mit den Resten des Gebäudes umgegangen. Man hat ihn so gut wie vollständig entkernt (das Gleiche tat dann auch Foster wieder) und man ist mit der Fassade auch nicht gerade zimperlich umgegangen und hat große Teile des verbliebenen Schmucks abgetragen. Der Reichstag wirkt nun sehr viel strenger und schlichter, aber dadurch auch monumentaler. Ehrlich gesagt, empfand ich den ursprünglichen Reichstag als zu kitschig überladen, dass sahen auch schon viele Zeitgenossen so, allerdings hat man es bei der Entschmückung, besonders bei den Seitenfassaden und der Rückfassade, doch etwas sehr übertrieben. Wenigstens hat man die Reliefs des Giebelfelds und des Portikus belassen.

  • Sorry, ist mir vollkommen entfallen. Den schönen Kandelaber auf der Ostseite gibt es noch. :anbeten:


    der Kandelaber Fuß


    Sir Moc

    obwohl ich zahlreiche Aufnahmen des zerstörten Reichstages in meiner Bilderdateien Bank habe, scheint es nur wenige Aufnahmen vom Dach zu geben. Ich glaube da hat sich bei den Zerstörungen wohl keiner mehr hochgetraut, höchstens die altbekannten Buntmetalldiebe. Sonst gibt es nur Fotos von außen aus ziemlicher Entfernung oder aus dem Innenbereich.

    Aber zwei Aufnahmen der zerstörten Reichstagskuppel zeige ich hier noch.


  • Sorry, ist mir vollkommen entfallen. Den schönen Kandelaber auf der Ostseite gibt es noch. :anbeten:

    Nicht nur einer, es sind zwei Kandelaber erhalten geblieben, die den Portikus der Rückseite einrahmen. :)
    Interessanterweise sieht man auf alten Bildern des Reichstags beide Kandelaber nicht. Handelt es sich hier vielleicht um zwei Kandelaber die von irgendwo anders in der Stadt gerettet wurden und hier nach dem Krieg einen neuen Platz gefunden haben?

  • Die großen Figuren und Skulpturen werden sicher nicht so einfach wiederkehren. Aber diese 16 Vasen auf den Ecktürmen, sollten doch machbar sein. Mit dem heutigen Stand der Technik, lassen die sich doch relativ leicht und schnell, mit Computerunterstützung, aus einem Steinblock fräsen. Oder aus einem Kunststein gießen. Den Unterschied sieht man in der Höhe dann nicht mehr.

    Da die Hauptstadt auch viele Freunde und Liebhaber hat, könnte das auch mit der Spendensammlung funktionieren.

    Vielleicht könnte jemand eine Fotomontage erstellen, wie der heutige Reichstag mit den Eckvasen aussehen würde?

    Es soll ja in Zukunft ein großer Graben mit Besucherzentrum am Reichstagsgebäude realisiert werden. Bei der Bausumme und dem Umfang der Arbeiten, könnte, wenn man es denn wollte, bestimmt auch etwas "Kunst am Bau", in Form der Vasen, realisiert werden.

  • ^

    Diese Anfrage habe ich gestern an mehrere Stellen verschickt. Mit Bitte um eventuelle Weiterleitung an die zuständige Stelle.

    Mal sehen, ob da eine Antwort erfolgt. - Aber ich kann mir die Antwort schon vorstellen. - Der Bauschmuck wurde ganz bewusst weggelassen, um die Bescheidenheit der Bundesrepublik zu verdeutlichen. Außerdem würde der Schmuck den freien Blick auf die Glatzenkuppel versperren.

  • Tata! Soeben erhielt ich eine Antwort auf meine Frage, bezüglich des Bauschmucks.

    Die von mir im Vorbeitrag scherzhaft geschriebene mögliche Antwort, steht genau so in der Rückmeldung der Stadt Berlin.

    Zitat von Berlin, Bezirk Mitte

    (...) die Reduzierung des Bauschmucks am Reichstagsgebäudes war damals im Rahmen des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit eine bewusste zeittypische Entscheidung - einschließlich der Sprengung der Kuppel bzw. der Verzicht auf dieses zuvor prägende Element.

    Eine Ergänzung des Bauschmucks ist zweifellos n i c h t im Sinne des heutigen Umgangs mit Denkmalen. Die Denkmalpflege beschränkt sich bewusst auf den überkommenen Bestand. Ergänzungen von Bauschmuck würden sich zudem auf die Wirkung der modernen Kuppel auswirken, die in ihrer Wahrnehmbarkeit als moderne Zutat dann reduziert würde. (...)

    Das ist ja ein Widerspruch in sich. Man hat bewusst auf die Kuppel verzichtet, um dann später wieder eine Kuppel zu bauen?! Mit dieser Logik, müsste ja auch der Bauschmuck ergänzt werden können. :wink: Die Zeiten ändern sich. Und so auch deren Ansichten.

  • ... und hier mal direkt untereinander - zum Vergleich:


    und das dunkle Foto - aufgehellt:

    Dass die Steinvasen den Blick auf die Kuppel verstellen, kann ich nicht nachvollziehen. Aber was ist denn mit den Figuren unterhalb der Herolde? Die stehen an der Wand auf Podesten und würden nur den Blick auf die kahle Wand "verstellen"...

  • Zitat von Berlin, Bezirk Mitte

    (...) die Reduzierung des Bauschmucks am Reichstagsgebäudes war damals im Rahmen des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit eine bewusste zeittypische Entscheidung - einschließlich der Sprengung der Kuppel bzw. der Verzicht auf dieses zuvor prägende Element.

    Eine Ergänzung des Bauschmucks ist zweifellos n i c h t im Sinne des heutigen Umgangs mit Denkmalen. Die Denkmalpflege beschränkt sich bewusst auf den überkommenen Bestand. Ergänzungen von Bauschmuck würden sich zudem auf die Wirkung der modernen Kuppel auswirken, die in ihrer Wahrnehmbarkeit als moderne Zutat dann reduziert würde. (...)

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    Aha.... "zweifellos" - neben den erwartbaren Plattitüden der bekannte und arrogante Alleinvertretungsanspruch.

    Die Denkmalpflege beschränkt sich bewusst auf den überkommenen Bestand.

    Das ist der mit Abstand dümmste Teil der Antwort. Als wären die Vasen und der noch erhaltene figürliche Bauschmuck nicht überkommen.

  • Das ist der mit Abstand dümmste Teil der Antwort. Als wären die Vasen und der noch erhaltene figürliche Bauschmuck nicht überkommen

    In der Definition des Wortes überkommen = hergebracht, schon seit Langem bestehend, einer früheren Epoche entstammend und überliefert kann man das tatsächlich so definieren, dass eine Replika diesem Anspruch nicht entspricht. Wobei sie dann auch ganz schnell Schwierigkeiten kriegen, z.B. an Natursteingebäuden, wo häufig Steine durch neue Nachformungen ersetzt werden, wie an Sandsteinkirchen.

    Vielleicht sollten wir als Verein mal eine ausführlichere Anfrage starten und um Stellungnahme bitten. Mit einbeziehung der Medien um eine Diskussion anzuregen.

    Würde ich dann aber wie von Treverer und Heimdall angedacht mich auf keine Maximalposition einlassen, es wäre schon ein unschätzbarer Gewinn, wenn überhaupt etwas gemacht wird auf diese Initiative, daher würde sich anbieten, um die Ostseite zu diskutieren und da eventuell dann da um den Portalbereich, ohne Dachbereich - so nach dem Motto, das hat keine Änderung des reduzierten Eindrucks und der Silouette zur Folge.

    Babber50 Wow, ist das schön geworden!