Mainz – Adelspalais und Sakralbauten (Galerie)

  • Der jüngere DALBERGER HOF in der Klarastraße ist nach dem Untergang der Schönborn´schen Favorite als Lustschloss mit der wohl bedeutendsten Gartenanlage des Barock in Deutschland heute das kostbarste, was uns vom spezifischen Mainzer Barock noch verblieben ist.
    Die Anlage erstreckt sich auf einem Komplex zwischen Klarastraße, Emmeransstraße und Ottiliengasse und bezieht verschiedene ehemalige Hofplätze ein (Zum BUNTEN MANTEL, Zum FROHEN, Zum SCHLEGEL, Zum JUCKEL, Zur SETZREBE); vom ehemaligen Hof zum SAUKOPF bezog der Hof auch seinen Namen (ZU DEN DREI SAUKÖPFEN), wie auch den Standort des bisherigen BRENDEL´schen HOFS als Familienhof der Brendel von Homburg.
    Nachdem der Aufstieg der Familie Dalberg in den ersten Rang der Reichsritterschaft den bisherigen Familienhof, der bis heute unter dem Namen ÄLTERER DALBERGER HOF (Ballplatz/Stefansstraße) wohlerhalten ist, diesen als nicht mehr repräsentativ erscheinen ließ, begannen 1707 Planungen zu einem Neubau, bei denen auch der Mainzer Architekt Nicolaus Person involviert gewesen sein muß, ist doch glücklicherweise in seinem "Novum Architecturae Speculum" ein Entwurf erhalten, der bis auf die Achsenzahl der Rücklagen dem später unter Caspar Herwarthel realisierten Bau ganz erstaunlich nahe kommt. Unter der Bezeichnung "Orthographie für das Freyherrliche Haus Sawkopff" ist die später realisierte Intention eines vierflügeligen Familienhofs mit Palastfassade klar erkennbar. Gleichzeitig läßt sich heute noch bei Einarbeitung in die Baugeschichte der Zeit die Grundhaltung eines Drei-Risalit-Schemas erkennen, die mit dem RÖMISCHEN KAISER ab 1653 begann, sich beim SCHÖNBORNER HOF fortsetzte und noch im OSTEINER HOF 1747-52 erkennbar bleibt. Das Schönborn´sche ROCHUSSPITAL läßt dies ansatzweise ebenfalls noch erkennen. Auch bei einigen Bürgerhäusern der Zeit wie Caspar Herwarthels "GRÜNEM HOLLERBAUM" in der Stadthausstraße (um 1929 abgebrochen) und bei den glücklicherweise erhaltenen DOMkapitel´schen HÄUSERN AM MARKT ist dies ersichtlich.
    Die Geschichte des Baus verlief sehr wechselhaft und entspricht in vielen Facetten sowohl der Mainzer, als auch der Deutschen Geschichte. Die 1707 schon begonnenen Planungen zogen sich etwas hinaus und wurden 1715 begonnen und (auf den Rohbau bezogen) 1718 fertiggestellt. Die außerodentliche Ausdehnung des Palais erklärt sich auch, daß der Hof als Familienpalais der drei Brüder Dalberg errichtet wurde. Ein entsprechendes, über dem Hauptportal angebrachtes Chronogramm mit der Aufschrift "CONCORDIA FRATRUM EREXIT" wurde 1829/30 wieder beseitigt. Der Innenausbau wurde 1724-25 fertiggestellt, und das Palais wurde schlußendlich 1725 bezugsfertig. Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß die 1793 schon wieder untergegangenen Innenausbauten, Stuckaturen und die von Giovanni Francesco Marchini geschaffenen Deckengemälde mit zum grandiosesten gehörten, was in der Zeit in Westdeutschland überhaupt geschaffen wurde.
    Der junge Wolfgang Amadeus Mozart konzertierte im Saal der Beletage vor einer erlesenen Zuhörerschaft.
    Bei der Beschießung der Stadt 1793 brannte auch dieses Palais aus und wurde in der folgenden Nutzung als Großherzoglicher Justizpalast unter der Leitung des Baudirektors Paul Arnold 1828-29 wieder aufgebaut. Abermals brannte das Gebäude 1945 aus und wurde zunächst mit dem Ziel einer Nutzung als Behördenhaus wieder aufgebaut; anschließend diente der Bau als Polizeipräsidium und zuletzt als Sitz eines Konservatoriums. Eine Sanierung in den 1990er Jahren wurde nach der Überarbeitung des Mittelrisaliten nicht weiter fortgeführt, sodaß das Gebäude zum Schluß einen beschämend heruntergekommenen Eindruck vermittelte. Der Baukomplex wurde privatisiert und umfassend saniert.
    Der gewaltige Baukörper erstreckt sich auf einem Quartier, das von der Klarastraße, der Emmeransstraße und der Ottiliengasse begrenzt wird und erhebt sich auf einer Kelleranlage, die durch eine Pfeilerreihe in zwei Schiffe mit je 6 kreuzgratgewölbten Jochen geteilt wird. Überschwängliches Leben strahlt von der Hauptfassade zur Klarastraße hin aus durch die Gliederung in ein Dreirisalitschema, bei dem die Seitenrisaliten die Torfahrten bilden, während der dreiachsige Giebel zusammen mit dem Hauptrisalit das Fassadenbild wie eine hoch aufragende Kirchenfassade beherrscht.


    Mit den folgenden Bildern sind wir nun bei dem Nachbarn des Dalberger Hofs in der gleichen Straße, nämlich dem Nachfolgebau des INGELHEIMER HOFES / Palais Ingelheim aus dem Jahr 1999.
    Der originale Ingelheimer Hof ist ein Nachfolgebau des BLEIDENSTÄDTER HOFS in der Klarastraße, dessen Geschichte ebenfalls kurz angerissen werden soll:
    - Vor 1480: Standort des Hofes Klarastraße 7: "Zum GROSSEN WALDERTHUM.
    - 1480: Die Benediktiner von Bleidenstadt kaufen das Anwesen und bauen es zu ihrem Stadthof aus.
    - Zu Beginn des 17. Jhd. wird der Stadthof wieder aufgegeben.
    - Ein Teilbezirk des Areals (nach heutiger Zählweise die 1-3) war von 1639-72 im Besitz der jüdischen Gemeinde, die dort auch ihre Synagoge unterhielt.
    - Aus dem Teilbezirk 5-7 entstand später der Ingelheimer Hof. Zur näheren Baugeschichte ist leider die Quellenlage mehr als dürftig:
    Der INGELHEIMER HOF entstand 1686/86 als Familienstammsitz für die Familie des regierenden Kurfürst-Erzbischofs Anselm Franz von Ingelheim.
    - 1793: Bei der Belagerung von Mainz wird der Bau zerstört.
    - Nach 1800: Der Wiederaufbau (mit neuer Inneneinteilung) erfolgt als Wohn- und Geschäftshaus des Weingroßhändlers Johann Heinrich Ludwig Baron von Mappes ( geb. 1757 in Mainz, gest. 1845, Weingroßhändler, Präsident der Industrie- und Handelskammer, Mitglied des Stadtrats. Mappes war 1814/15 Leiter der Mainzer Deputation auf dem Wiener Kongress).
    - 27.02.1945: Der Bau brennt beim schwersten Angriff auf Mainz vollkommen aus, die Außenwände sind jedoch erhalten.
    - Nach 1945: Verschiedene Versuche zur Rettung des Baus schlagen fehl, 1961 erfolgt der Abriß bis großteils auf Erdbodenniveau. Die Keller blieben erhalten, und im Bereich der Emmeransstraße einige Meter des Sockelbereichs und einige Treppenstufen zu einem Seiteneingang.
    Gesichert wurde der rundbogige, von Pilastern flankierte Torbogen der Torfahrt, den wir auch hier auf den Bildern sehen.
    - Nach 1961: Nach dem forciert betriebenen Abriß ist das Grundstück zu einer sinnentleerten, funktionslosen Abstellfläche verkommen.
    - 1999: Modifizierter, kritisch-postmoderner Wiederaufbau im allgemeinen in der Kubatur des Vorgängerbaus. Beibehaltung der Fensterhöhen und erkennbare Unterscheidung in Beletage und Mezzanin, mit Ausnahme des Seitenrisalites entsprechen die Fensterachsen in ihren Positionen denen des Vorgängers, anstelle der 3 Fenster des Seitenrisalits sind nun 4 Achsen vorhanden.

    12 Mal editiert, zuletzt von Weingeist (29. Oktober 2011 um 17:44)

  • Vielen Dank fuer die Fotos und die Beschreibung. Ich finde diesen Bau, wie viele Mainzer Adelshoefe, wunderbar. Im allgemeinen, finde ich Mainz nach meinem Letzten Besuch (vor zwei Wochen) sehr beeindruckend. Die Augustinerstrasse, Kapuzinerstrasse und die Nebenstrassen bilden ein fast geschlossenes (und nicht kleines) Ensemble. Fuer begeisterte Barock Fans gibt es zwei sehr bedeutende Kirchen (die Augustinerkirche und die wiederaufgebaute Peterskirche) und viele Profanbauten.

  • Da DortmundWestfalica während seines Mainz-Besuchs vor der verschlossenen Türe der Augustinerkirche stand, will ich heute abend noch ein wenig Buße und Wiedergutmachung tun und ihm noch einmal ein kleines Schmankerl geben mit einigen Bildern außen von der Augustinerstraße und aus dem Innenraum. Meine Kamera ist nicht die perfekteste, bald gibt es eine neue, aber bis ich bessere Bilder der Augustinerkirche vorlegen kann, wird es nun halt eben noch etwas dauern. Hierfür bitte ich um Verständnis.
    Equal goes it loose:

  • Weingeist: mit der barocken Augustinerkirche hat Mainz am Ende dieser Epoche wahrlich noch ein letztes Meisterwerk erhalten. Vielen Dank für die schönen Impressionen dieser Kirche.

  • Vielen Dank, Frank! biggrin:)

    Wie gesagt, werden sich diese Impressionen in Bälde, wenn es eine neue Kamera gibt, noch etwas verbessern lassen. Neben der Augustinerkirche gehört natürlich auch St. Peter und St. Ignaz hinzu, nicht zu vergessen natürlich auch der Dom, auch wenn es nicht gerade einfach sein wird, im immer dunklen Dom ansprechende Bilder zu bekommen. Man erinnert sich daran, daß er im 18. Jhd. innen gekalkt war und demnach noch wesentlich bessere Lichtverhältnisse herrschten als heute.
    Der besondere Reiz sowohl der Augustinerkirche als auch der Ignazkirche und auch von St. Peter liegt bei allen drei Kirchen darin, daß diese Kirchen in einer Übergangszeit des Spätbarock zum Rokoko bzw. Übergang vom Rokoko zum Klassizismus entstammen und daß natürlich zum einen der spezifische Mainzer Barock bzw. die Tradition des 18. Jhd. hier eine Rolle mitspielt als auch die individuelle Handschrift der Baumeister.
    Dies wird bei der Peterskirche deutlich, die außen einen Spätbarock mit römischen Einflüssen verkörpert, innen dagegen vom feinsten Rokoko geprägt ist; sie ist so herausragend, daß sie in einer Linie mit St. Paulin Trier aufgezählt wird, damit zu den bedeutendsten sakralen Raumschöpfungen Westdeutschlands (die Kriegszerstörungen wurden über 40 Jahre hinweg behoben und man ist natürlich aus heutiger Sicht überglücklich, daß es gelang, Karl Manninger zur Rekonstruktion der Deckenfresken gewinnen zu können.
    Bei der Ignazkirche verhält es sich wohl so, daß die Vorgängerkirche offensichtlich baufällig war, sich die arme Gemeinde niemals aber einen Neubau hätte leisten können. Die Unterstützung des Kurfürst-Erzbischofs Emmerich Josef von Breidbach-Bürresheim, der in seiner Residenzstadt keine Bauernkirche wollte, ermöglichte den Bau, für dessen Fassade St. Gervais in Paris Vorbild stand. Ihr Inneres ermöglicht einen faszinierenden Überblick der Baugeschichte bzw. der Innenausstattung, die noch Rokokoansätze zeigt, auf Louis-XVI umschwenkt, um dann einen Abschluß in einem frühen Klassizismus zu finden.
    Über eine so außerordentlich faszinierende Kirche wie die Augustinerkirche zu schreiben, ist fast unmöglich. Ihre Fassade zur Augustinerstraße weist natürlich noch spätbarocke Grundzüge auf, die auch dadurch zustandekamen, da der Kurfürst die ohnehin schon schmale Augustinerstraße nicht noch weiter durch den Kirchenneubau einengen wollte und daher die Verlegung des Portals wie auch des gesamten Fassadenschmucks nach innen wünschte, aber der Innenraum ist doch stark vom Rokoko geprägt, und das in einer Faszination, die wohl keine Grenzen mehr kennt. Natürlich ist es für Mainz auch eine besondere Gnade, daß wir mit der Stumm-Orgel von 1773 eine der bedeutendsten Spätbarockorgeln Europas haben, die aufgrund ihres phämomenalen Erhaltungszustands in einer Liga mitspielt mit Kirchheim-Bolanden, Meisenheim und Sayn (die oftzitierte Amorbacherin ist da mit anderen Augen zu sehen, wurde doch in Sulzbach lediglich das Pfeifenwerk, die Mechanik, die Windladen und die Balganlage gefertigt das Gehäuse wurde von der Klosterschreinerei gefertigt und die sämtlichen Schnitzereien in einer Bildhauerwerkstatt. Nach vielerlei Umbauten ist ja auch in Amorbach nur noch das Stumm´sche Pfeifenwerk teilweise vorhanden und die gesamte Mechanik wie auch die Windladen sind neu).
    Daß in Mainz nach dem Verlust aller Stumm´schen Werke in den großen Städten wie Frankfurt, Saarbrücken oder Mannheim die schlichtweg letzte aller großen Stumm´schen Stadtorgeln relativ original (bis auf alle Zungen, die Gamba 8´ im Hauptwerk und die Terz im Positiv) erhalten ist, verleiht diesem Werk den Nimbus des Außerordentlichen, der sich noch verstärkt, daß ja Mainz von Frankreich dahingehend geadelt wurde, die derzeit einzige Orgel von Aristide Cavaille-Coll in Deutschland zu haben, so daß Mainz die einzige Stadt der Welt ist mit einer Stummorgel und einer ACC in ihren Mauern.

    Bei etwas besserer Wetterlage werde ich mich in Bälde in die Ignazkirche, die Stefanskirche und die Peterskirche begeben, um zu weiteren Fotos für diesen Strang zu gelangen.

  • Im Bereich der nördlichen Altstadt, zwischen dem Dom und dem Theater befindet sich mit der Alten Universität eines der stadtgeschichtlich bedeutsamsten Gebäude. Südlich der Alten Universität befand sich das Franziskanerkloster und in parallelem Verlauf mit der hier zu sehenden Südseite auch die Alte Franziskanerkirche. In ihren Mauern wurde im Februar 1468 Johannes Gensfleisch zur Laden bestattet. Die Alte Franziskanerkirche wurde in den 1740er Jahren abgerissen und ein Neubau der neuen Jesuitenkirche durch Balthasar Neumann errichtet. Dieses Wunderwerk des Mainzer Rokoko brannte 1793 bei der Bombardierung durch die Preußen aus und wurde anschließend durch die Franzosen abgerissen. Eine wirkliche Erinnerung an diese beiden so wichtigen Gebäude ist heute im dortigen Straßenbild nicht gegeben - eine Pflasterung ähnlich wie am Liebfrauenplatz entsprechend der Liebfrauenkirche wäre jedenfalls sehr wünschenswert. Die ehemalige Orgel der Alten Franziskanerkirche, die 1662 von Johann Peter Geissel erbaut wurde, wurde 1759 nach Ingelheim verkauft, wo sich in der dortigen Remigiuskirche neben der frühbarocken Gehäusefront noch die Restsubstanz von 4 mehr oder weniger vollständigen Registern erhalten hat, die heute in den Registern Principal 8´, Hohlpfeif 8´ (=Großgedackt 8´), Octav 4´, Flöte 4´erhalten sind und die älteste in ganz Rheinland-Pfalz noch erhaltene Orgelsubstanz darstellen. Mit der Ingelheimer Remigiuskirche ergibt sich somit eine ganz merkwürdige Überlagerung eines Sachverhalts, in dem Johannes Gutenberg, Balthasar Neumann und Karl der Große beteiligt sind.
    Der Neubau des Universitätsgebäude steht im Zusammenhang mit den Jesuiten, die sich 1577 im angesprochenen Franziskanerkloster niedergelassen hatten und zwischen 1615 und 1618 ihr neues Universitätsgebäude errichten liessen. Die ursprüngliche Funktion des Universitätsgebäudes beinhaltete die Theologische bzw. Philosophische Fakultät sowie das Jesuitische Gymnasium. Durch die Reformbestrebungen des Kurfürsten Friedrich Carl Joseph von Erthal wurde das Gebäude in den Universitätsbetrieb eingebunden, in dessen Zusammenhang die heutige Inschrift "Domus Universitatis" hinweist.
    Über viele Jahrhunderte war die Alte Universität das höchste Profangebäude der Stadt.
    Das Gebäude erlebte in der Folgezeit eine mehr als typische Geschichte, die insoweit auch typisch für Mainz ist. Von 1792 an war das Gebäude als Kaserne in Nutzung. Durch die Bombardierung 1793 kam es zu einem Brand, der u.a. die beiden Dachreiter zerstörte. Erst in den letzten Jahren wurde diese so alte Wunde geschlossen und zwei neue Dachreiter thronen über diesem Bereich der ehemaligen Altstadt, womit sich immer wieder beeindruckende Raumbilder ergeben. Ein merkwürdiger Umstand ist auch, daß Fritz Arens in einem Pariser Archiv die einzig erhaltene Abbildung vor 1793 in Form eines Kupferstichs entdeckte, der u.a. auch die beiden Dachreiter zeigt.
    Von 1889 an war das Gebäude Ämter- und Schulhaus und brannte beim großen Angriff 1942 aus. Die vom "Wiederaufbaufieber" befallenen "Stadtväter" gaben die Ruine, gemeinsam mit dem Schönborner Hof und der Christopskirche zum Abriß frei - die Intervention durch die Französische Besatzungsmacht (erinnert sei an Pierre Koenig und Raymond Schmittlein) bedeutete für diese drei Gebäude die Rettung. 1951-52 wurde die Alte Universität als Institutsgebäude wieder aufgebaut.
    Da das weit ausladende Gebäude auf zwei Seiten vom Quelle/ Douglas-Pavillon sowie vom ehemaligen Karstadtgebäude (heute Müller) bedrängt wird, ist eine frontale Aufnahme nicht möglich und müßte höchstens am Rechner erstellt werden.
    Das heutige Raumbild vor der Alten Universität entspricht mit der quer verlaufenden Schöfferstraße nicht mehr dem mittelalterlichen Grundriß, da ja wie bemerkt hier das Franziskanerkloster stand (und als eine merkwürdige Ironie stellt man fest, daß über die Stätte der Grabeskirche Gutenbergs die Schöfferstraße führt, Schöffer, der durch die Insolvenz Gutenbergs anstatt wie bisher Geselle und Compagnon nunmehr Werkstattnachfolger wurde).
    Anstelle der Alten Universität befand sich zuvor eine bürgerliche Bebauung mit 5 Parzellen. Linkerhand der Alten Universität befindet sich heute eine Freifläche, die durch Kriegszerstörung entstand. Zuvor war diese Parzelle jahrhundertelang bebaut und als Hausname: Wonneburg/ Wonnenberg/ Wanneberg und zum kleinen Paris" überliefert. Anstelle der Alten Universität befanden sich drei Häuser, für die allesamt der Name" Zum großen Knopf" überliefert ist, sowie die vierte Parzelle folgerichtig den Namen "Kleiner Knopf" trug.
    Die Alte Universität erstreckt sich als ausnehmend mächtiger Baukörper im Bereich der nördlichen Altstadt mit einem Grundriß von etwa 47 zu 13 m. Die innere Aufteilung ist an diesem Renaissancebau, der an den Enden eine Quaderung aufweist und aus Putz und Rahmen besteht, besonders deutlich ablesbar. Der Bau weist in allen vier Geschossen Steinpfostenfenster auf, die im vierten OG. deutlich herausgehoben sind, weil sich dort die Aula befand. Jedes Geschoß besaß drei Hörsäle, in die jeweils zwei auch an der Außenfassade ablesbare Treppenhäuser führten. Als einziger Fassadenschmuck weist das Erdgeschoß zwei mächtige Portale auf, die korinthische Ordnung und Giebelaufsätze zeigen und die der Werkstatt des Aschaffenburger Bildhauers Johannes Juncker zugeschrieben werden. Die Wappen in den Giebelaufsätzen sind diejenigen des Kurfürsten Johann Schweickhardt von Kronberg sowie des Domkapitels.
    Über den Achsen der beiden Eingänge sind die beiden Zwerchhäuser mit geschweiften Giebeln erkennbar, über denen sich jetzt wieder die erwähnten beiden Dachreiter befinden.

  • Westlich der Altstadt und direkt oberhalb des Südbahnhofs liegt der Jakobsberg und damit die Zitadelle.

    Sie ist ein einzigartiger Kristallisationspunkt Mainzer Geschichte, die auf engstem Raum im Prinzip alle Facetten zweier Jahrtausende Mainzer Geschichte exemplarisch belegt. Ihre Geschichte beginnt mit dem Tod des Stadtgründers 9 v.Chr., dem hier zu seinen Ehren ein Kenotaph, der Drususstein, errichtet wurde und die zu seinen Ehren abgehaltenen Feiern im dafür errichteten Theatrum unterhalb der Zitadelle gehalten wurden. Das Theatrum ist das größte Römische Bühnentheater nördlich der Alpen. Mainz gründen und sterben - das ist wohl die größte Erfüllung, die einem Menschen auf diesem komischen runden Ding jemals zuteil wurde. Ach, Drusus, was wär man ohne dich... :anbeten:

    Der Drususstein gehört neben dem Theatrum, dem Rest des Tores des Legionslagers am Kästrich und den "Römersteinen" im Zahlbachtal (Reste des Viadukts) zu den wenigen in situ erhaltenen Denkmälern von Mogontiacum, die im Stadtgebiet zu heutiger Zeit zu besichtigen sind. Die Zuschreibung erklärt sich zum einen anhand des bereits bei Sueton erwähnten Kenotaphs und andererseits durch die Geschichte des direkt unterhalb der Zitadelle befindlichen Restbestands des Theatrum, in dem zu Drusus´ Ehren Spiele veranstaltet wurden.

    Mangels einer vollständigen Fotodokumentation gibt es bis zu einem besseren Zeitpunkt erst einmal 16 Bilder, die ein kleiner Appetizer auf die Zitadelle sein sollen.

    Blick auf den kürzlich restaurierten Wacherker der Bastion Alarm in Richtung Innenstadt, das Theather, die Johanniskirche und die Kuppel der Christuskirche sind erkennbar.

    Der Wacherker der Bastion Alarm, dem sich die Kuppel der Christuskirche anschließt, gefolgt von einem der Dachreiter der Alten Universität.

    Die Altstadt wird wesentlich vom Kommandantenbau der Zitadelle beherrscht, dessen Südseite wir hier sehen und von dessen südlicher Terrasse sich ein atemberaubender und überwältigender Blick auf die Altstadt und auch in östlicher Richtung in die Gegend von Hochheim am Main und den Taunus ergeben. Wahrscheinlich gibt es keinen besseren Ort, um zu erkennen, wie großartig und erhaben die Stadt trotz allem immer noch ist.
    Im Hintergrund sind übrigens die Türme von fünf Kirchen zu sehen, die die Silhouette der Stadt ganz wesentlich mitprägen: Christuskirche, Peterskirche, Quintinskirche, der Dom sowie die Augustinerkirche.

    Der Kommandantenbau in rückwärtiger Ansicht (Südwestseite)

    Über viele Jahrhunderte bestand auf dem Zitadellengelände auch das Benediktinerkloster Jakobsberg, welches 1793 stark zerstört wurde. 1912 wurde der noch erhaltene Fremdenbau abgerissen und dessen Portal an der Südseite des Kommandantenbaus eingefügt. Dem barocken Rahmen sind ionische Halbsäulen eingestellt. Das Gebälk ist kräftig profiliert; zum Fenster hin stellt ein Scheinbalkon eine Verbindung her.

    Das Hauptportal des Kommandantenbaus zur Hofseite hin bildet eine der prachtvollen Dominanten dieses Baus. Es ist umschlossen von profilierten Rechteckrahmen und Pilastern. Darüber erhebt sich ein Architrav und ein dreistufiger Aufbau. Eine Wappenkartusche mit Kurhut und durch die Franzosen ausgeschlagenen Wappen wird von zwei Löwen gehalten. Unter diesem findet sich eine gesprengte und geschweifte Giebelverdachung, darinnen eine Inschrifttafel, die von zwei Halbfiguren gehalten wird.

  • Zwischen der Augustinerstraße, dem Graben und der Kapuzinerstraße verläuft etwa in Ost-West-Richtung die Holzstraße, die 1945 vollständig zerstört wurde. Die Darstellung ihrer nach 1945 zur Realität gewordenen Herrlichkeit (Achtung, das ist nicht so gemeint, wie geschrieben) hat Zeit, bis das alte Mainz bis einschließlich der 1920er Jahre hier ersichtlich ist; aber man möge mir die wohl etwas deftige Bemerkung nachsehen: Was war die alte Holzstraße doch eine geile Straße. An ihrer Einmündung in die Rheinstraße liegt der Holzturm, der zugleich neben dem Eisenturm und dem Alexanderturm einer der drei noch erhaltenen Tortürme der Stadtmauer darstellt.
    Der Holzturm steht an der Verbindungsstelle zwischen der Ur-Altstadt und der ersten Eingemeindung im 13. Jhd mit der bisherigen Vorstadt Selenhofen. Zuerst 1366 als Neuturm erwähnt, folgte in der ersten Hälfte des 14. Jhd. ein Umbau, der zur heutigen Gestalt führte.
    Seinen Namen erhielt er in Verbindung mit dem damals wesentlich dichter an ihm verlaufenden Rhein, wo es einen Stapel- bzw. Umschlagplatz für Holz und in der Folge auch dort einen Holzmarkt gab.
    Wie auch der weiter nördlich sich befindende Eisenturm ist der Holzturm wie dieser aus Bruchsteinen erbaut und seine Ecken gequadert. Zugleich wird er durch zwei Gesimse noch einmal optisch geteilt. Die Fenster weisen rechteckige Gewände auf, oberhalb dieser finden sich spitzbogige Blendrahmen, in denen zur Stadtseite hin die Büsten eines Königs- und eines Bürgerpaars zeigen.
    Zur Rheinseite hin sind die Kragsteine eines Wehrerkers erhalten; dieser wurde allerdings 1945 vollkommen zerstört, als der Holzturm vollständig ausbrannte.
    Ein Kuriosum ist heute, daß das Fußbodenniveau der Torfahrt ca. 2 m. unter dem heutigen Straßenniveau liegt; was mit der Aufschüttung des gesamten Gebiets vor ihm insbesondere mit der Rheinbegradigung im 19. Jhd. zusammenhängt. Nebenbei stellt es natürlich auch einen Umstand einer allgemeinen Entwicklung dar, daß sich das Erdbodenniveau nach oben verlagert.
    Der Holzturm diente insbesondere auch als Gefängnisturm in den Obergeschossen. Prominentester Häftling ist ohne Zweifel Johannes Bückler, der hier 1803 einsaß und der südlich der damaligen Stadtgrenze, im heutigen Volkspark so ziemlich alles verlor, was man oberhalb des Halses so verlieren kann. Schinderhannes teilte dieses Schicksal gemeinsam mit 21 seiner Komplizen, zum Dank dafür wurde ihm in den 50er Jahren ein ganz furchtbarer Spielfilm gewidmet, in dem Curd Jürgens und Maria Schell so fürchterlich Meenzerisch sprechen, daß man wirklich froh darüber sein kann, daß Johannes Bückler und Julie Bläsius so einen Käse nicht mehr erleben mußten. Vielleicht sollte ich im Falle künftiger Filme ein Gewerbe anmelden - Beratung, how to speak rischdisch Meenzerisch.
    Ein lebendiges Stück Zeitgeschichte bilden die Hochwassermarken aus den Jahren 1565, 1573 und 1784.
    Nachdem der Holzturm 1945 vollständig ausbrannte, wurde er zunächst nur gesichert, der über 12 m. hohe Turmhelm und die Hauben der Ecktürme 1961 rekonstruiert.

  • Zitat

    ...Über viele Jahrhunderte war die Alte Universität das höchste Profangebäude der Stadt...Von 1889 an war das Gebäude Ämter- und Schulhaus und brannte beim großen Angriff 1942 aus. Die vom "Wiederaufbaufieber" befallenen "Stadtväter" gaben die Ruine, gemeinsam mit dem Schönborner Hof und der Christopskirche zum Abriß frei - die Intervention durch die Französische Besatzungsmacht (erinnert sei an Pierre Koenig und Raymond Schmittlein) bedeutete für diese drei Gebäude die Rettung.

    War mir neu. Immer wieder interessant zu erfahren, mit welcher Abrisswut in so vielen Städten Deutschlands nach dem Krieg eine zweite Zerstörungswelle einsetzte. Dass die Christuskirche zum Abriss freigegeben wurde, mag sich ja mit dem üblichen Hass auf den Historismus erklären, dem z.B. auch in München fast das weitgehend unzerstörte Neue Rathaus zum Opfer gefallen wäre. Aber dass dieser Destruktionstrieb selbst vor solchen altehrwürdigen Gebäuden wie der Universität oder dem Schönborner Hof nicht halt machen wollte, läßt sich wohl kaum mehr mit vermeindlicher kunsthistorischer Minderwertigkeit, sondern nur noch mit einer allgemeinen Ablehnung der eigenen Geschichte erklären. Da waren die Franzosen in Mainz wohl damals zum Glück etwas unvoreingenommener und haben für uns diese Gebäude gerettet.