Kopien europäischer Architektur in China

  • Sind das jetzt (wie der Strangtitel suggeriert) Kopien, oder europäisch inspirierte Eigenkreationen?

    Aber so etwas ist in China völlig ortsfremd.

    Nun, sollten die Chinesen sich dazu entschließen jetzt ausschließlich europäisch zu bauen, würde ich dir zustimmen. Aber gegen einzelne besondere Baugebiete spricht aus meiner Sicht nichts. Machten wir Europäer (vor dem modernen Einheitsbrei) doch genauso, wie zB Wilhelms "Kleinnorwegen" in Potsdam (Kongsnaes) oder zig asiatische Gärten mit chinesischen Pavillons und japanischen Teehäusern.

    98% of everything that is built and designed today is pure shit. There's no sense of design, no respect for humanity or for anything else. Frank Gehry

  • Dann nehmen wir als anderes Beispiel die Neorenaissance und den Neoklassizismus, ebenfalls die Neogotik. Die allesamt keineswegs zwingend orts- und zeittypisch sind. Der Königsbau der Münchner Residenz ist eine 1:1 Kopie des Palazzo Pitti in Florenz, die Feldherrenhalle ein Nachbau der Loggia dei Lanzi. Während der Palast Barberini in Potsdam eine Kopie des Palazzo Barberini in Rom ist (und die kriegszerstörte Kommandantur eine Kopie des Palazzo Valmarana in Vicenza war). Die Walhalla ist dem Parthenon nachempfunden, die Rotunde in Schinkels altem Museum dem Pantheon. Die Bauten der Neogotik beziehen sich formal auf allerlei Vorgänger ohne eigene „zeitgemäße“ Handschrift (außer allenfalls der Stahlkonstruktion). Nirgendwo würde man von „Disneyland“ sprechen. Das ist also kein Kriterium- und vielleicht ist der „Neo-Europäismus“ ein ‚Stil‘, der in China womöglich eine Zukunft hat. Wer weiß.

  • In einem der Viertel, wohl ein mediterran-italienisierendes steht ein Kirchenbau mit Apsis und Campanile. Ich frage mich, wie der wohl innen genutzt wird? Neben Bürgerbauten und aristokratischen Bauten hat man also tatsächlich eine christlich-kirchliche Bauform auch übernommen. Erstaunlich!

  • Aber so etwas ist in China völlig ortsfremd.

    Man kann das Ganze auch entspannt als äquivalent zur europäischen Chinoiserie des 17. und 18. Jh. betrachten, nur halt zeitlich versetzt und etwas ins Gigantomanische gesteigert.
    Chinesen tragen heute doch auch durchgängig westliche Kleidung und die zahllosen Wolkenkratzer westlicher Bauart sind in China ja eigentlich auch mal ortsfremd gewesen.

  • Chinesen tragen heute doch auch durchgängig westliche Kleidung und die zahllosen Wolkenkratzer westlicher Bauart sind in China ja eigentlich auch mal ortsfremd gewesen.

    Was im Prinzip der Kleidung natürlich ein immenser kultureller Verlust ist. Auch hierzulande. Man vergleiche die Kleidung der Menschen weltweit vor 100 bis 150 Jahren mit heute. (Z.B. Peking um 1890 hier) Da sieht man das reale Ergebnis der Globalismus. Früher war alles vielfältig und bunt, heute laufen alle mit der New York Yankees-Baseballkappe, der H&M-Hose und einem Abercrombie & Fitch-T-Shirt in der Gegend herum. Auch ich nehme mich da nicht aus. Will ja nicht durchgehend den abnormen Kauz spielen.

    Die Wolkenkratzer sind womöglich "westlich", also im Westen entsprungen. Aber letztlich handelt es sich um einen globalistischen, internationalen, somit ortlosen Baustil. D.h. er ist hier genau so viel (oder so wenig) ortsfremd wie in China.

  • Ich kann Dir nur zustimmen, daß der weltweite Verlust kultureller Eigenheiten wie Güter allein in den letzten hundert Jahren einfach nur erschreckend ist, ja einer Menschheitskatastrophe gleichkommt, und daß dieser durch die Gleichmacherei der Globalisierung noch einmal forciert wird, und es erstaunt, wie oft dieser – wenn er überhaupt registriert wird – mit einem Achselzucken hingenommen wird. Verschiedenartigkeit, die doch heutzutage angeblich ein solch hohes Gut ist, ist in Wahrheit immer mehr der Uniformität gewichen. Alles richtet sich mit den gleichen Selbstbaumöbel ein, trägt die von Dir genannten Markenklamotten, hört dieselben Top-Ten-Songs, geht in dieselben Blockbuster-Filme und liest die weltweiten Bestseller. (Das ist jetzt natürlich pointiert formuliert, aber manchmal muß man eben zuspitzen, um ein Phänomen zu verdeutlichen.)
    Wer hiervon abweicht, gilt, wie Du ganz richtig schreibst, schnell als Kauz oder gar suspekt. Man trage nur mal außerhalb Bayerns und der Bierzeltsaison eine Hirschlederne, weil's zur eigenen kulturellen Identität (welch garstig Wort für jeden Westler) gehört, da wird man angeglotzt als käme man vom Mars, wohingegen das genannte Baseballcap längst 'voll normal' ist und selbst der Überraschungseffekt einer Dame im Hischab inzwischen geringer als bei besagtem Beinkleid sein dürfte.
    Gerade aufgrund der kulturellen Gleichmacherei finde ich aber ein Fleckchen Erde wie den Huawei-Campus sehr unproblematisch. Ja, er irritiert im ersten Moment, weil er die Erwartungshaltungen bricht – man erwartet, daß ein asiatischer Großkonzern seine Campusbauten entweder ultramodern oder traditionell chinesisch gestalten würde – aber letztlich ist dieses eigenwillige Inselchen im Meer des zivilisatorischen Einheitsbreis eine positiv zu bewertende Hommage an das alte Europa, seine Kultur und Ideen, und damit auch fern von jedem Disneylandverdacht. Irritiert dürften auch ein chinesischer oder arabischer Reisender des 18. Jh. gewesen sein, wenn sie im Schloßpark von Schwetzingen die Moschee oder im Park Sanssouci das Teehaus erblickt haben würden, aber sicher würden sie sich trotz 'Fehlern' in Architektur wie Dekor geschmeichelt gefühlt haben. Und wir dürfen auch froh sein, daß man bei Huawei mit Deutschland Alt-Heidelberg assoziiert und nachbaut und nicht etwa die Zeppelintribüne.

  • Es scheint dort auch so etwas wie ein Besucherzentrum zu geben - noch ein paar Impressionen...

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    ...

  • Die Republik Österreich, hat es den Chinesen scheinbar angetan. Nach der Kopie von Teilen des Ortes Hallstatt, wurde jetzt in einer chinesischen Stadt, die laut Zeitungsbericht "Chungxing" heißt, der Stadtturm von Enns nachgebaut, Allerding viel größer als das Original.

    (...) Mit einer Höhe von 60m wäre aber der Turm viel zu klein gewesen, also entschloss man sich für eine Rekonstruktion im Maßstab 5:1. Der so entstandene 300m hohe Turm ist ein detailgetreuer Nachbau des Ennser Stadtturms. (...)

    Zu dieser Stadt "Chungxing", konnte ich gar nichts finden. Das ist sicher ein Schreibfehler. Oder die Stadt ist mit ihren 1.8 Millionen Einwohnern einfach zu unbedeutend.

  • Hallo zusammen,

    ich habe den Eindruck, dass im Video aus Beitrag 34, bei Zeit 6:13 entweder die Glienicker Brücke zwischen Potsdam und Berlin oder die Berliner Swinemünder Brücke (Millionenbrücke) gezeigt wird. Wenn es die Glienicker Brücke sein soll, dann in der ursprünglichen Fassung vor der Sprengung 1945. Es scheint nur der preussische Adler zu fehlen...

    Die weiteren neuen Viertel scheinen auch sehr mitteleuropäischer-deutscher Geschichte zu entstammen.

    Ach die Chinesen machen das Kopieren einfach richtig.

    Grüße
    Luftpost

  • Seit April diesen Jahres ist in China anscheinend ein neues Gesetz in Kraft:

    - alle Hochhäuser über 100m unterliegen ab sofort besonderen Restriktionen bzgl Rücksichtnahme auf Natur und historischer Umgebung

    und müssen chinesische Kultur repräsentieren (was immer das auch heißen mag in der Praxis)

    - Hochhäuser über 250m sind nur noch erlaubt, wenn es absolut keine Alternative gibt und unterliegen dann besonderes strengen Restriktionen

    - Hochhäuser über 500m sind komplett verboten

    Nun der Zusammenhang mit diesem Faden: das Gesetz verbietet ab sofort "Replika-Architektur", wie sie auf den vergangenen Seiten vorgestellt wurde; also keine Fake-Eifelltürme, Fake-Tower-Bridges, Fake-Heidelbergs mehr...

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

  • Hannover in Changde:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Changde#Sonstiges

    "2016 hat die Stadt Changde in Zusammenarbeit mit der Stadt Hannover ein Viertel in der Stadt errichtet, das der früheren Altstadt Hannovers ähneln soll. Es entsteht eine deutsche Ladenstraße. Das Viertel wurde am 17. Oktober 2016 offiziell eröffnet, unter Anwesenheit der Bürgermeister Stefan Schostok und Zhou Derui sowie dem städtischen Parteichef Qun Wang."

    3zDpu6a.jpg

    DaGeOfp.jpg

    w25VhTj.jpg

    6Tk8aEG.jpg

    Ecmbs3p.jpg

    HmbQd80.jpg

    10JgR8J.jpg

    hqv5rHz.jpg

    TJ9Au34.jpg

    YMWjGmT.jpg

    RfVMn9i.jpg

    c16AtG2.jpg

    NMqLoc0.jpg

    © Feldhaus Klinker Vertriebs-GmbH / Kingart GmbH

    https://www.feldhaus-klinker.de/portfolio/hann…itten-in-china/

  • Ich vergleiche das hier in China mit dem dann neuen kleinen hist.teilrekonstruierten mini Gebäudequartier in MD am Prämonstratenserberg.Die etwa vier bis fünf Rekos stehen dann auch nicht mehr an ihrem Orginalstandort in MD.

  • Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

  • Na ja, viel mit Hannover hat das nix zu tun.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Man sollte auch beachten, dass abseits der heutigen, ziemlich billigen ("Disneyland"-)Kopien im 19. Jahrhundert auch in China (wie auch in Japan oder im Osmanischen Reich) ein historistischer Baustil präsent war, der europäische klassische Stilelemente eklektizistisch mit gewissen inländischen Elementen vereinigte.

    Dies trifft nicht nur auf die im ganzen Land verteilten Kolonialbauten oder Kirchengebäude aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu, in Schanghai etwa lassen sich vielerorts noch ganze solcher historistisch-klassische Straßenzüge finden.