Dresden - die Wilsdruffer Vorstadt

  • Entschuldigt mal, aber das ist hier doch kein Akklamations-Verein, sondern ein Diskussionsforum! Und wenn ein neuer Nutzer das gleiche Projekt genauso wie ich charakterisiert (Beitrag 31 in diesem Strang), kann man ihn ja mal nach dem Grund dieser seiner ehrenwerten Meinung fragen. In diesem Sinne möchte ich mich bei Robsondd für seine umfassende Antwort bedanken!
    Ansonsten bin ich der Meinung, dass man selbst diese Architektur etwas differenzierter beurteilen kann, als es Oktavian mit seinem "scheußlicher 70er-Jahre-Rotz" vermochte.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Dazu fällt mir nur Fritz Löffler (oder war es doch Hans Nadler) ein, der zur Wiederbebauung der zerstörten Dresdner Innenstadt meinte: Schlimmer als die Nichtbebauung ist die Bebauung, die nun anstelle tritt...kann mich dieser Meinung nur anschließen.

    Abgesehen vom Neumarktbereich besteht die ehemalige Dresdner Innenstadt doch bis hinauf zum Hauptbahnhof aus einem Konglomerat übelster und schlimmster Architektursünden. Vergleichbare Nogo-Areale dieser Größe und so zentraler Lage gibt es wohl sonst nirgendwo in Europa.

  • Bin weiß Gott kein Dresden-Profi aber ich kann nur mein subjektives Empfinden Schildern, dass Dresden um die Gegend der Carolabrücke rum eher wie eine Gartenstadt wirkt als ein Wohngebiet in zentrumsnaher Lage. Daher finde ich es auch gut dass Brachne bebaut werdne um wieder geschlossene Strukturen entstehen zu lassen. Über die Qualität der Bebauung darf und sollte man streiten aber ich lehne die auch hier viel geäußerte Meinung "lieber keine Bebauung wie Solche" ab. Als Produkt dieser dogmatischen Haltung sehe ich eigentlich nur Zersiedelung.

  • dogmatischen Haltung


    Was ist denn an der Haltung dogmatisch? Das ist doch nur ein Denkansatz, genau wie Deiner! Bevor sich Dresden durch austauschbare Modernistenarchitektur weiter von sich entfremdet, wahre ich mir eben lieber die Option auf bessere Zeiten, so illusorisch diese momentan auch scheinen mögen. Beispiel: Der neue Eingang zur barock geprägten Friedrichstraße. Die ganzen neuen Grauweißkuben stören die dresdentypische Atmosphäre des ersten Straßenabschnitts m.E. gewaltig. Als es dort noch Brachen gab, war dennoch die Aura des Bestands gewahrt.

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  • Ich halte das deshalb für dogmatisch, weil genau die Haltung nichts beiträgt sondern nur blockiert. Bebauung wie sie jetzt auch zu bewerten ist zeugt von Entwicklung, Dynamik. Beharren auf Brachen weil das Geplante nicht gefällt konserviert den unbefriedigenden Zustand nur. Zumal es an der schon entstandenen Bebauung sicher nicht scheitern wird, wenn "bessere Zeiten" mit gefälligerer Architektur aufwarten kann.

  • weil genau die Haltung nichts beiträgt sondern nur blockiert.


    Ich finde, diese Haltung trägt viel mehr zur Gesundung Dresdens bei als Deine. Modernistenkuben blockieren die sensible Stadtreparatur und Identitätstärkung Dresdens. ;)


    Zitat

    Bebauung wie sie jetzt auch zu bewerten ist zeugt von Entwicklung, Dynamik.


    Das klingt jetzt aber langsam nach Modernistengefloskel. Es gibt nicht nur Entwicklung, sondern auch Fehlentwicklung. Ich würde mir ja sehr wünschen, dass sich das modernistische Gedankengut endlich mal dynamisch weiterentwickelt, anstatt über Jahrzehnte hinweg im gefestigten Muster zu verharren.

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  • Das hat nichts mit modernistischem Gedankengut zu tun. Aber eine Stadt braucht nunmal Entwicklung. Ich finde den gezeigten Entwurf genauso scheußlich wie die meisten hier aber man kann doch nicht verschweigen, dass durch jeden Mensch der Richtung Zentrum wandert mehr Bewegung in die Diskussion um urbane Situationen außerhalb der Touristenmagneten kommt.

  • Aber eine Stadt braucht nunmal Entwicklung.


    Die Frage ist doch aber: WELCHE Entwicklung. Eine Stadt braucht ganz sicher keine FEHLentwicklung. Exakt mit Deiner Argumentation rechtfertigen die Dresdner Autoparteien die Waldschlösschenbrücke und den vierspurigen Ausbau innerstädtischer Verkehrsachsen!

    Was hast Du denn hierzu zu sagen:

    Zitat von youngwoerth

    Beispiel: Der neue Eingang zur barock geprägten Friedrichstraße. Die ganzen neuen Grauweißkuben stören die dresdentypische Atmosphäre des ersten Straßenabschnitts m.E. gewaltig. Als es dort noch Brachen gab, war dennoch die Aura des Bestands gewahrt.


    "Brauchte" diese Kreuzung diese Entwicklung?

    @Schützenplatz: Selbstverständlich bin auch ich ein Befürworter innerstädtischen Wohnens, aber nicht um jeden Preis.

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  • Nicht viel da ich die Situation vor Ort nicht kenne. Aber ich persönliche halte Brachflächen für noch weniger attraktiv als unpassende Neubebauung. Das hat für mich etwas trostloses.

  • Saxonia dir ist wohl in diesem Beitrag ein freud'scher Versprecher unterlaufen. In Bezug auf die Wilsdruffer Vorstadt meinst du wohl eher die Marienbrücke. Aber für das Gebiet um die Carolabrücke, hier dann die Pirnaische Vorstadt, trifft ähnliches zu. Zum einen durch die Petersburger Straße mit ihrer mittigen, wenig nutzbaren Grünfläche und zum anderen durch die Zeilenbebauung mit ihren (Abstands-)Grünflächen. In der Pirnaischen sind also weniger Brachen, sondern die überwiegende Art der Bebauung Schuld für den Charakter einer Gartenstadt. Auch wenn es sicher dünner besiedelte Gebiete gibt, wäre sicher auch hier eine Blockrandbebauung langfristig wieder wünschenswert. (So nun aber genug, sonst wird der Post noch in den Pirnaische Vorstadt Thread verschoben)

    Einmal editiert, zuletzt von Robsondd (20. Februar 2012 um 17:47)

  • Nein ich meinte schon die Carolabrücke. Ich bin nicht oft in Dresden und wenn dann parke ich dort meist in einer Seitenstraße und streife die weniger schöne Bebauung.

  • Die anderen Columbus-Bauprojekte in der Ecke finde ich gar nicht mal soooo schlecht (wie in Schützenplatz - - - auch wenn mir eine "klassische" Bebauung im Stil der Gründerzeit sicherlich besser gefallen würde), aber das visualisierte Gebäude ist wirklich völlig deplatziert.

    Hier einige Fotos aus dem Jahr 2010, die ich bei einem kurzen Aufenthalt gemacht habe:

    Picasa Web Albums - Stephan Baumeister - Rund um den S...

    Die schiefe Betonkonstruktion ist der Konzertsaal der Hochschule für Musik (Hochschule für Musik Dresden Carl Maria von Weber - Neuer Konzertsaal im Internet) - das ist offensichtlich die Richtschnur für künftiges Bauen in Dresden.

    P.S. Bei meinem ersten Besuch in Dresden Anfang der neunziger Jahre fand ich die Umgebung recht surreal - da gab es praktisch nur Ruinen und wild zugewachsene Brachen. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, daß es 200 Meter (!) hinter dem Zwinger so aussehen kann.

  • Bei meinem ersten Besuch in Dresden Anfang der neunziger Jahre fand ich die Umgebung recht surreal - da gab es praktisch nur Ruinen und wild zugewachsene Brachen. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, daß es 200 Meter (!) hinter dem Zwinger so aussehen kann.

    Hätten sie´s am besten einfach so gelassen. Was ich in Deinen Bildern gesehen habe, ist für mich weitenteils ein Kabinett des unzusammenhängenden Grauens. Vor allem diese unförmig in den Straßenraum hineinwuchernden Betonklötze haben mich zu der Hoffnung verleitet, irgendein Migrant möge eine bislang hier unbekannte Insektenart nach Deutschland einschleppen, die "Beton-Termite" beispielsweise, die sich auf das Zernagen von Neubau-Ungetümen spezialisiert hat und just in diesem Quartier mit ihrer Arbeit beginnt. Jedenfalls, wenn Dresden das als Richtschnur setzt, sollte man den Ehren-Titel der Stadt bald in "Elb-Marzahn" oder "Le-Corbusier-Stadt" umändern. :thumbdown:

  • Hätten sie´s am besten einfach so gelassen.


    Eben. Lieber ein fragmentiertes Dresden als ein vollständiges Allerweltsnichts. Mit einer dermaßen modernistisch verblendeten Stadtplanungsverwaltung stellt man die städtebauliche Entwicklung am besten auf Null. Während man in der sächsischen Schwestermetropole immer mal wieder adäquate Lösungen zu Gesicht bekommt, läuft es in Dresden nur destruktiv.

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  • vielleicht komme ich jetzt sehr weit vom thema ab, aber im vergleich zu [lexicon='leipzig'][/lexicon] verfügt das zentrum der altstadtseite dresdens oft auch einfach nicht mehr über die straßenverläufe, welche eine urbane blockrandbebauung ermöglichen. mir fällt irgendwie immer mehr auf, dass lückenbauten im zentrum prozentual sich oft um einiges behutsamer in die vorhandene bausubstanz eingliedern als solitäre in einer gartenstadt anmutenden umgebung. dies muss natürlich nicht immer der fall sein(siehe florana parkhaus usw.), nichtsdestotrotz besitzen beispielsweise viele nachwendebauten in der äußeren neustadt, in pieschen/mickten oder in plauen eine sandsteinfassade, ein mansardendach oder lisenen/stuckelemente bzw. im allgemeinen eine eher klassische formensprache...

    auch wenn die letzten fotobeispiele dagegen sprechen, vielleicht müssten auf altstädter elbseite auch erst einmal die rahmenbedingungen in form einer blockrandtauglichen straßenführung geschaffen werden (sicherlich ein ziemlich utopischer gedanke). ich bin mir nämlich nicht sicher, dass man in [lexicon='leipzig'][/lexicon] bei sinnbildlich "gähnender leere" anders in diesem falle bauen würde. ähnliche städte wie magdeburg, frankfurt oder chemnitz bestätigen mich persönlich in dieser annahme. hier kann ich nur die luisenstadt in berlin als positives beispiel hervorheben. ein großes brachliegendes gebiet mitten in der innenstadt, das ja fast aus dem nichts seit einigen jahren mit sehr klassischer architektur in blockrandbebauung reurbanisiert wird.

  • vielleicht müssten auf altstädter elbseite auch erst einmal die rahmenbedingungen in form einer blockrandtauglichen straßenführung geschaffen werden


    Wie man im Blockrandbestand baut, kannst Du in der Knerer&Lang-Straße (ehemals Hauptstraße) betrachten. Weit ab vom Zentrum und somit Prioritätsbereich der Dresdner Stadtplanung entsteht auch viel Gutes (Striesen & Co). Aber im Kernradius von Stadtplanungsamt und Verunstaltunsgskommission wird Modernismus forciert. Dass es am Neumarkt besser läuft, ist einzig der GHND und den Bürgern zu verdanken. Erhellend ist es auch, Juryentscheidungen von Wettbewerben in Dresden und [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zu vergleichen. In Dresden wird streng darauf geachtet, dass alle verantwortlichen Posten mit Modernisten besetzt sind und städtebauliche Entscheidungen dem ideologisch verblendeten System gerecht werden. Aber letztlich ein uraltes Thema und die Bürger hatten mehr als genug Zeit, sich dagegen zu stemmen.

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  • Ich halte das deshalb für dogmatisch, weil genau die Haltung nichts beiträgt sondern nur blockiert. Bebauung wie sie jetzt auch zu bewerten ist zeugt von Entwicklung, Dynamik.

    Das ist nicht die Definition von "Dogma". Ein Dogma ist eine streng vertretene religiöse oder akademische Lehre, und hat auch mit Machtverhältnissen zu tun. Wer hat denn die Macht im Verhältnis Bürger-Staat? Sicher nicht der Bürger. Abgesehen davon ist die Bevölkerung nicht aus religiösen Gründen gegen solche Ekel-Klötze, sondern weil sie keine Verunstaltung ihrer Stadt möchten. Das Verhalten einiger "Baukünstler" hingegen hat bereits religiöse Züge, in Anbetracht ihrer fanatischen Verehrung für den Kubus.

    Wenn Bürger sich gegen politisch gewollte Zerstörungsaktionen ihrer Elite wenden, ist das nicht dogmatisch, sondern berechtigter Widerstand gegen dogmatisches und destruktives Verhalten.

    Dogmatisch ist, zu glauben dass diese Architektur "modern" sei. Genau dieses Dogma wird aber offiziell an Universitäten und in Stadtplanungsämtern vertreten. Bausünden zu verhindern, oder sich für seine Stadt einzusetzen, ist nicht Ausdruck eines Dogmas.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

    Einmal editiert, zuletzt von Petersburg (21. Februar 2012 um 21:24)

  • Hier mal was Konstruktives: Ich schlage vor, die Leuchttafel "Dresden grüßt seine Gäste" vom Hochhaus Freiberger Straße an den Neubau Schützenplatz zu migrieren.

  • Das Problem bei Dresden ist wirklich, dass man sich streiten und diskutieren kann wie man will, es ändert kaum etwas, solange im Stadtplanungsamt die alten Machtstrukturen bestehen. Besonders tragisch aber finde ich, dass ausgerechnet in der Stadt, die neue Architektur (nicht "moderne") am dringendsten benötigt, am wenigsten wirklich neues entsteht. Unter "neu" verstehe ich, über die Bedürfnisse des jeweiligen Ortes reflektiert zu haben, und nicht einfach 100 Jahre alte LeCorbusier-Retro Gebilde zwischen alte Gassen mit erhaltener Bausubstanz zu setzen. Moderne "landmarks", also Solitäre (die ich z.T. sogar gut finde) wie bspw. den Kristall, das Rundkino, das Kongresszentrum etc. hat Dresden en masse. Weil sie aber bei der Bevölkerung logischerweise nicht so ankommen wie das weltberühmte (im Geiste unzerstörte und zeitlos schöne) "Elbflorenz", schließen modernistische Ideologen und das SPA daraus, man müsse noch mehr davon bauen. Das erinnert mich an unsere Politiker, die die Schulden damit bekämpfen wollen, noch mehr Schulden aufzunehmen.

    Was Dresden im Bereich Schützenplatz/Wettiner Pl. /Friedrichstadt braucht, ist eine Vernetzung zwischen erhaltener Bausubstanz und neuer Architektur. Die neue Architektur kann daher nur eine europäische und adaptive sein. Oder, wie Kollhoff sagt, eine "konventionelle".

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).