Lutherstadt Wittenberg

  • Das Wittenberger Schloss mit seinem neuen Südflügel.

    Neubau, Altbau, Schlosskirche

    Im Boden des westlichen Südflügels befindet sich ein archäologisches Fenster.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Danke für die Bilder. Das Schloss sieht wirklich grottenschlecht und maximal hässlich aus, wie ein Verwaltungsbau in Italien aus der Mussolini-Zeit. Lediglich die Renaissance-Treppen erinnern noch daran dass das Schloss auch schon mal bessere Zeiten gesehen hat. Friedrich der Weise würde sich im Grab umdrehen. :kopfwand:

  • Der "Südflügel" würde besser nach Dessau passen ;)
    Ansonsten könnten bei dem "Schloss" viel Efeu, wilder Wein, Kletterrosen usw. viel bewirken.

  • Dank für die Bilder, Vulgov! Es ist wahrhaftig tragisch, mit welchem Elan Deutschland seine Schlösser ihrer Würde und Schönheit beraubt. Im Zusammenhang mit dem haarsträubenden Anbau am Wittenberger Schloss fällt mir Schloss Gottorf bei Schleswig ein, dem ein "an Hässlichkeit nicht zu ueberbietender" Anbau nach hinten verordnet wurde. Wir sprachen im Schleswig-Strang davon, angefangen bei Beitrag 24.

    Im Zusammenhang mit dem Wittenberger Schloss und seinem zweifellos riesig teuren neuen Flügel und dem nach wie vor trotz heroischem Einsatz der Bürger in Zerbst für ihr nach wie vor teils marodes Schloss muss man sich auch fragen, nach welchen Prinzipien der Staat Sachsen-Anhalt seine kulturellen Fördergelder ausgibt.

  • alles harmlos verglichen mit Linz:

    https://www.google.at/search?q=linz+…f=1522222255217

    Das ist nicht irgend eine Hinteseite, sondern liegt direkt über der Altstadt.

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    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Dieser Satz von der Internetseite sagt alles: "...in den Jahren 2006 bis 2009 in einer zeitgenössischen Architektursprache wieder eröffnet wurde."

  • An der Stadtkirche in Wittenberg befindet sich ein mittelalterliches Relief mit dem Bildmotiv einer Judensau. Die evangelische Kirchengemeinde geht mit der Thematik sensibel um und hat schon vor langer Zeit eine Bodentafel zum Gedenken an den Holocaust eingesetzt. So weit so gut.

    Nun hat aber ein Mitglied der jüdischen Gemeinde Berlin auf Entfernung des Reliefs geklagt. Das Landgericht Dessau-Roßlau hat dies anders gesehen. Der Streit wird aber wohl in die nächste Instanz gehen. ich habe versucht, mich dem problematischen Thema zu nähern: https://www.zeilenabstand.net/die-judensau-von-wittenberg/


    Quelle: Nutzer Posi66 bei Wikipedia
    Lizenz: CC BY-SA 4.0

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Zum Umgang mit einer antisemitischen Darstellung am Dom zu Wetzlar:

    https://www.wetzlar-erinnert.de/gedenken/geden…zlarer-dom.html

    Interessant ist hier, dass die Bedeutung in nachmittelalterlicher Zeit wohl in Vergessenheit geriet.

    Im 17.Jahrhundert war nämlich der Spruch geläufig: "Zu Wetzlar auf dem Dom sitzt der Teufel auf der Nonn". Der Spitzhut des Juden wurde dass erst bei der Domrenovierung von 1903 wieder hergestellt. Hieraus wird geschlossen, dass ursprünglich tatsächlich eine Nonne abgebildet sein sollte und erst 1903 die Darstellung eine antisemitische Bedeutung erhielt. Wenn dies so wäre, würde dies allerdings einen anderen Umgang mit der Figur notwendig machen.

    Einmal editiert, zuletzt von Andreas (1. Juli 2019 um 11:00)

  • Betroffene und Hinterbliebene des Holocaust hatten jeden Grund, sich seit 1945 durch das Relief betroffen fühlen zu können. In der DDR und in den drei Jahrzehnten nach der Wende geschah dies nicht. Der Knackpunkt ist der heute zunehmende Antisemitismus. Allein mit diesem gilt es, sich zu beschäftigen. Dazu gehört insbesondere die Ursachenforschung. Und die Frage, ob ein bisher von der Bevölkerung kaum noch beachtetes Relief durch die Klage nicht erst recht eine völlig unverdiente Aufwertung erfährt.

  • Ich bin nicht aus Wittenberg, kenne das Bildwerk auch erst durch die Veröffentlichungen. Warum stört das einem offensichtlich Nicht - Wittenberger heute erst? Natürlich kenne ich auch den geschichtlichen Hintergrund, aber mich deshalb aufregen oder klagen was mich nicht unmittelbar täglich oder persönlich betrifft?

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Hier will jemand die Spuren von Antisemitismus in der Geschichte verschwinden lassen.
    Nachfolgende Generationen werden dann sagen können, dafür gibt es keine Beweise...
    Es gab nie Antisemitismus vor 1900.

    Ob das der Kläger wirklich so will?

  • Hier will jemand die Spuren von Antisemitismus in der Geschichte verschwinden lassen.

    Für so naiv halte ich den Kläger nicht. Die Beispiele sind ja alle wissenschaftlich und bildlich dokumentiert. Zudem wäre der Klageweg lang, wenn man alle Zeugnisse beseitigen möchte. Nein, die Motivation ist hier sicher eine andere.

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  • Betroffene und Hinterbliebene des Holocaust hatten jeden Grund, sich seit 1945 durch das Relief betroffen fühlen zu können. In der DDR und in den drei Jahrzehnten nach der Wende geschah dies nicht. Der Knackpunkt ist der heute zunehmende Antisemitismus. Allein mit diesem gilt es, sich zu beschäftigen. Dazu gehört insbesondere die Ursachenforschung.

    Das wird wohl etwas schwierig in diesem Zusammenhang. Antisemitismus ist zwar in all seinen Erscheinungsformen abstossend und sogar dumm, aber nicht immer vergleichbar. Der christliche Antisemtismus des Mittelalters, der auf den vermeintlichen Verrat der Juden an Jesus zurückgeht, ist natürlich etwas völlig Anderes als der Antisemitismus des NS-Regimes, der zum Holocaust führte. Denn in diesem gab es für Juden keine Möglichkeit, ihr Schicksal durch ein religiöses oder ideologisches Bekenntnis zu ändern. Dort wurden die Juden als parasitäre Rasse verunglimpft und nicht als Menschen mit der falschen Religion. Der aktuelle Antisemtismus ist bis auf einige Ausnahmen am linken und am braunen Rand vorrangig ein importierter Antizionismus aus dem islanmischen Kulturkreis.
    Es wird also schwierig, den aktuell anwachsenden Antisemitismus mit der Beseitigung christlich geprägter judenfeindlicher Skulpturen zu bekämpfen.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • In der DDR gab es die Heftreihe "Das christliche Denkmal". Darin wurden bedeutende Kirchen aus Sicht der Denkmalpflege vorgestellt. Das Heft "Die Stadtkirche zu Wittenberg" erschien 1966. Ingrid Schulze schrieb auf Seite 8:

    "Vermutlich im Anschluß an die 1304 erfolgte Judenaustreibung entstand das Relief der "Judensau". Dieses drastische Züge aufweisende Bildwerk befindet sich an der Südseite des heutigen Altarhauses dicht unterhalb des Dachgesimses."

    Somit können wir uns dank des Reliefs daran erinnern, dass 1304 die Juden aus der Stadt gejagt wurden. Die Kirchgemeinde bestellte schon zu DDR-Zeiten eine Bronzeplatte bei dem Bildhauer Wieland Schmiedel (Jg. 1942). Die Platte wurde 1988 in den Boden unterhalb der "Judensau" eingelassen. Die Platte befindet sich außerhalb eines kirchlichen Gebäudes, zwar auf dem Kirchhof, aber doch im öffentlich zugänglichen Stadtraum. Sie ist ein wichtiges Zeugnis für die Auseinandersetzung von Christen in der DDR mit dem Holocaust.


    Wittenberg, Gedenkplatte im Kirchhof von Wieland Schmiedel (1988) (Foto: Torsten Schleese, 2005, gemeinfrei)

    Die Umschrift: "Gottes eigentlicher Name / der Geschmähte Schem-Ha-Mphoras / den die Juden vor den Christen fast unsagbar heilig hielten / starb in sechs Millionen Juden / unter einem Kreuzeszeichen".

    "Schem-Ha-Mphoras" ist einer der hebräischen Namen Gottes und oberhalb des Judensau-Reliefs zu lesen. Die Inschrift dürfte dem Schriftstil nach erst in der Barockzeit angebracht worden sein. Man muss sich das mal vorstellen: Das Alte Testament ist Teil der christlichen Bibel. Sein Urtext ist hebräisch. Und der hebräische Name Gottes, der doch auch den Christen heilig sein muss, weil er der Name des einen Gottes ist, wird missbraucht, um die Juden zu verhöhnen. Wie bescheuert das ist! Schmiedels Bronzeplatte bezieht ihre Eindringlichkeit aus dem Dialog mit der "Judensau". Das mittelalterliche Relief erinnert mich an die Verspottung Christi. Die Platte im Boden erscheint mir als Grabplatte.

  • Nein, so ist das nicht gemeint. Die Gedenkplatte macht ja eine religiöse Aussage, und in diesem Kontext ist das Hakenkreuz kein Kreuz.

    Jesus starb am Kreuz. In den Opfern der Schoa wiederholt sich dieser Kreuzestod. Der Sinn der Passionsgeschichte besteht nicht darin, einer bestimmten Gruppe Schuld zuzuweisen. Seit dem Sündenfall begleitet die Sünde den Menschen. Tod und Auferstehung Christi sind als Erlösungstat zu begreifen. In vielen Passionsdarstellungen des späten Mittelalters sind die normalen Menschen der damaligen Zeit dargestellt. Weit verbreitet sind Darstellungen des Gekreuzigten mit Maria und Johannes. In der von Lucas Cranach entwickelten Reformationskunst wird dann die Zeichenhaftigkeit des Kreuzestodes hervorgehoben.

    In der Marktkirche zu Halle gibt es auch einen Gedenkort für die jüdischen Opfer. Ich hatte mit den theologischen Implikationen des Kunstwerks gewisse Schwierigkeiten und kam darüber ins Gespräch mit einem Herrn vom Gemeindevorstand. Was er mir erzählte, stimmte mich sehr nachdenklich und traurig. Es gab in der NS-Zeit viele Vorfälle, die meinem Verständnis von Christsein fundamental entgegenstehen. In meiner weiteren Verwandtschaft gab es einen Pfarrer, der entflohene Häftlinge bei sich versteckte. Aber leider gab es auch das entgegengesetzte Verhalten von Kirchenvertretern. An der Marktkirche in Halle war es besonders schlimm, der Pfarrer ein überzeugter Nazi. Später fand die Kirchgemeinde eine Form damit umzugehen, indem sie ein mittelalterliches Kunstwerk mit einer Gedenktafel kombinierte. Der Herr vom Gemeindevorstand meinte übrigens, dass allein die Tatsache, dass wir darüber ins Gespräch gekommen waren, zeige, dass dieses Erinnerungszeichen funktioniere. Ich gab ihm darin recht. Sakrale Kunst ist oft verstörend, nicht nett oder harmlos, sondern aufrüttelnd. Wir sollen denken, wir sollen uns bewusst werden. Es geht um Erinnerung und Verantwortung.

  • Das wird wohl etwas schwierig in diesem Zusammenhang. Antisemitismus ist zwar in all seinen Erscheinungsformen abstossend und sogar dumm, aber nicht immer vergleichbar. Der christliche Antisemtismus des Mittelalters, der auf den vermeintlichen Verrat der Juden an Jesus zurückgeht, ist natürlich etwas völlig Anderes als der Antisemitismus des NS-Regimes, der zum Holocaust führte. Denn in diesem gab es für Juden keine Möglichkeit, ihr Schicksal durch ein religiöses oder ideologisches Bekenntnis zu ändern. Dort wurden die Juden als parasitäre Rasse verunglimpft und nicht als Menschen mit der falschen Religion. Der aktuelle Antisemtismus ist bis auf einige Ausnahmen am linken und am braunen Rand vorrangig ein importierter Antizionismus aus dem islanmischen Kulturkreis.Es wird also schwierig, den aktuell anwachsenden Antisemitismus mit der Beseitigung christlich geprägter judenfeindlicher Skulpturen zu bekämpfen.

    Es ist zwar schwierig, aber durchaus möglich. Betrachten wir zunächst einmal nur das Mittelalter. Welchen Sinn hätte es, ein antisemitisches Relief zu beseitigen, wo doch der Stadtname und das Tourismuskonzept von Wittenberg voll auf einem der schlimmsten damaligen Antisemiten ausgerichtet ist, der gleich wohl aus welchen Motiven, einen langwirkenden Schaden angerichtet hat und auch heute noch gern in rechten Kreisen hämisch zitiert wird?
    Man kann natürlich versuchen, Luther in seiner Zeit zu verstehen. Da seine Zitate, im Gegensatz zum Relief, nur nach entsprechender Recherche zum Vorschein kommen, besteht auch nur eine geringe Gefahr des Missbrauchs. Die hätte aber auch nicht bestanden, wenn man nicht besonders auf das Relief aufmerksam gemacht hätte, zumal in ca. 30 Städten noch ähnliche Darstellungen existieren sollen.
    Der zunehmende Antisemitismus zwingt natürlich dazu, sich auch mit den kleinen "Antisemitismen" zu beschäftigen. Man wird eine Lösung finden.
    Der islamisch fundierte Antisemitismus hat mit Luther und dem Relief nichts zu tun. Er muss ideologisch angegangen werden, ist aber zur Zeit noch ein heißes Eisen.

  • Exakt, das sind alles kleine Nebenspielplätze, die mit dem anrollenden aktuellen Problem nichts zu tun haben. Vor dem aber wollen sie aus ideologischen Gründen die Augen verschließen. Somit werden sie es durchleben müssen. Nicht meine Schuld, nicht mein Thema.

  • Das Landgericht Dessau-Roßlau hatte im Mai 2019 die Klage abgewiesen, die auf Beseitigung der "Judensau" an der Wittenberger Stadtkirche abzielte. - Bericht des MDR.

    Wie angekündigt, ging der Kläger in die nächste Instanz. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg ist für den 4. Februar angekündigt. Zu erwarten ist, dass die Klage abgewiesen wird. - Hintergrundinfos des MDR

    Erschreckend finde ich, dass der künftige Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, das Relief entfernen und "in ein neues, erweitertes Denkmal vor Ort integrieren" will. Der Historiker Michael Wolffsohn, ein profilierter konservativer Denker und Jude, plädiert für die Bewahrung der "Judensau" als Geschichtszeugnis. Wegwischen und Entfernen führe nur zu Selbstbetrug. Das würde die Geschichte schönen. Übrigens hatte der Kläger Michael Düllmann evangelische Theologie studiert und war dann zum Judentum konvertiert. Hier bestätigt sich doch wieder einmal, dass Konvertiten zu übertriebenen Interpretationen neigen. - Infos des MDR

    Noch eine Klarstellung bezüglich Luther: Das "Judensau"-Relief geht nicht auf Luther zurück. Es war lange vor ihm da. Und judenfeindliche Äußerungen gibt es von Luther nicht, weil er das Relief gesehen hat, sondern weil er dem Denken seiner Zeit verhaftet war. Die Juden des Alten Testaments waren für ihn kein Problem, sondern Teil der eigenen Überlieferung. Er hatte nur kein Verständnis dafür, dass es nach dem Wirken Jesu noch Juden gab, dass sich nicht alle Menschen der christlichen Religion anschlossen. Man muss auch berücksichtigen, dass sich Luther, wie auch andere Autoren seiner Zeit, allgemein einer deftigen Sprache bediente und auch gegen die katholische Kirche heftig austeilte. Political Correctness war noch nicht erfunden. Den Papst bezeichnete Luther als "Antichrist". Aus heutiger Sicht ist das nicht akzeptabel. Die evangelischen Christen betonen heute ja nicht nur die Gemeinsamkeiten mit dem Judentum, sondern auch die Ökumene mit der katholischen Kirche. Das 16. und 17. Jahrhundert war das Zeitalter der konfessionellen Konflikte, in dem es schreckliche Gewalttaten der konfessionellen Lager gegeneinander gab.