Bauen zwischen 1933 und 1945

  • Ich frage mich, wie ein Bauwerk historisch belastet sein kann, nur weil irgendwelche Verbrecher einmal dort ein und ausgingen oder davor standen?! Sei es die Potsdamer Garnisonkirche, der Berliner Palast der Republik oder das Reichsluftfahrtministerium. Soll man es doch machen wie bei letzterem und den historischen Haus eine neutrale Nutzung zuführen. Es muss ja nicht gleich eine gastronomische Nutzung a la Kehlsteinhaus werden, aber ein Platz für ein Museum wäre hier doch ideal.

  • Ein Museum bedeutet, dass da wieder eine weitere Ausstellung auf Kosten des Steuerzahlers eingerichtet werden muss, die dann möglichst pädagogisch sensibel gestaltet werden muss und durch die dann die Klassen von genervten Schülern, die am Smartphone herumspielen, geschleust werden. Ein Museumsdirektor bekommt eine Menge Kohle in den Rachen gestopft und kann sich ein paar Mal im Jahr angesichts einer neuen Sonderausstellung in einem Presseinterview wichtig machen, einige Angestellte sind in (Billig-)Lohn und Brot. Irgendwelche Künstler können sich bei Vernissagen präsentieren und politische Stellungnahmen abgeben. Und jede Eintrittskarte wird mit 50 Euro auf Kosten der Allgemeinheit bezuschusst.

    Wenn die Bude keiner kaufen will, weil er meint, dass andere Leute glauben könnten, dort würde der Geist von Goebbels mit einem Bettlaken herumspuken, dann muss sie eben abgerissen werden. Das empfinde ich als sehr schade, aber baulich so besonders wertvoll scheint sie mir dann auch nicht. Ein weiteres Museum aber brauche ich nicht.

  • Ein Museum bedeutet, dass da wieder eine weitere Ausstellung auf Kosten des Steuerzahlers eingerichtet werden muss, die dann möglichst pädagogisch sensibel gestaltet werden muss und durch die dann die Klassen von genervten Schülern, die am Smartphone herumspielen, geschleust werden. (...) Und jede Eintrittskarte wird mit 50 Euro auf Kosten der Allgemeinheit bezuschusst.

    Du bringst es auf den Punkt. Trotzdem ist ein Abriss keine sachgerechte Lösung. (Fast) jedes Museum, jede Gedenkstätte lebt vom Steuerzahler, und heutige Schüler holen überall ihr Smartphone raus, egal ob bei einer Burgbesichtigung oder ob ein Zeitzeuge vor ihnen spricht. Nein, in die Göbbels-Villa müsste ein kleines Museum / Gedenkstätte einziehen, auch wenn es davon schon bundesweit hunderte über die NS-Zeit gibt. Das wäre in diesem Fall mehr als angemessen.
    Die Architektur der Göbbels-Villa ist natürlich nicht "wertvoll", aber dennoch ein Zeitdokument mit Ähnlichkeiten zu Hitlers Berghof, z.B. im Boden verschwenkbare Panoramafenster im "Wohnzimmer". Hier ein >> Rundgang um / durch die Göbbels-Villa.

  • Der Rekonstruktionsidee wird immer vorgeworfen, sie wolle die Geschichte umkehren und ungeschehen machen. Was ja völliger Quatsch ist.

    Mit der Beseitigung unbeliebter und historisch belasteter Bauwerke macht man aber genau das. Man versucht einen Ort zu "bereinigen". Als hätte es die Geschichte und das Bauwerk nie gegeben.

    Jeder, der sich jetzt für den Erhalt der Göbbels-Villa einsetzt, ist sehr wahrscheinlich ein Nazi und Rassist. So ist das eben, in unserem feinen Land.

  • Mich würde interessieren, was die eigentümliche Geschichtsauffassung des Jubelsenats aus der Bundeshauptstadt den Steuerzahler so kostet. Unter Denkmalschutz stehendes Gebäude absichtlich verfallen lassen, lukrative Kaufangebote ausschlagen - da wird am Ende schon ein Sümmchen zusammenkommen.

  • Der Rekonstruktionsidee wird immer vorgeworfen, sie wolle die Geschichte umkehren und ungeschehen machen. ...

    Mit der Beseitigung unbeliebter und historisch belasteter Bauwerke macht man aber genau das. Man versucht einen Ort zu "bereinigen". Als hätte es die Geschichte und das Bauwerk nie gegeben.
    ...

    ich sehe im Beseitigungsbestreben viel mehr den Versuch, die geschichtliche Umdeutung und Transformation in die heutige Zeit unterbinden zu wollen.

    Hier die (noch) Nachvollziehbarkeit der "Schuldigkeit des Steins", da er im Bewusstsein der Schuldigkeit errichtet werden sollte und wurde. Ein Stein, der nie anderes sein kann und soll, als schuldug zu sein. Der Abriss würde damit eine mögliche Neubewertung für die Zukunft ausschließen (bis zu einer erneuten Rekonstruktion).
    (Ja, nicht Steine sind schuldig, sondern Menschen, hier sogar Generationen. Aber sie dienen so schön als Ersatzsündenbock, um sich der eigenen Verantwortung entziehen zu können.)

    Am Beispiel der Potsdamer Garnisonkirche jedoch völlig unnachvollziehbar, da die dortigen Steine einer ganz anderen Epoche entstammen und damit ganz anderen Intentionen. Dann aber verschwanden, als durch Staatspolitik ein gewüschtes Bild im Bewusstsein der Menschen implementiert wurde, die die Beseitigung politisch erlaubte. Das gleiche Bild, das heute bemüht wird, um die Rekonstruktion zu ver- bzw. behindern.

    Das Stehenlassen hier bzw. neu Errichten dort birgt jedoch die Chance der Neubewertung.
    (Wobei mir eine Neubewertung des hiesig genannten Gebäudes nicht sinnvoll erscheint, was deren Abriss jedoch nicht rechtfertigt, sondern das Erinnern und Mahnen geradezu einfordert. Im Gegensatz zur Garnisonkirche, bei der eine Neubbewertung der DDR-Deutung geraderzu Notwendig ist.)
    Und diese mögliche Neubewertung soll hier wie dort verhindert werden.

    Hier machts der Abriss wieder leicht, der leichteste und kurzsichtigste Umgang mit Geschichte. Aus den Augen, aus dem Sinn...

    Luftpost

  • Ein Museum bedeutet, dass da wieder eine weitere Ausstellung auf Kosten des Steuerzahlers eingerichtet werden muss, die dann möglichst pädagogisch sensibel gestaltet werden muss und durch die dann die Klassen von genervten Schülern, die am Smartphone herumspielen, geschleust werden.

    Das ist aber eine äußerst fragwürdige Sicht auf die Stätten, die unser Kulturgut bewahren. Wer die Kosten hat, ist übrigens eine Frage des Trägers.

    Ein Museumsdirektor bekommt eine Menge Kohle in den Rachen gestopft

    In den meisten Häusern ist das Gegenteil richtig. Der Kulturbereich ist chronisch unterfinanziert und das spiegelt sich auch in der Vergütung der Tätigen wieder, Leitung inbegriffen. Nicht umsonst kommt fast kein Haus ohne Ehrenamtliche aus, ja viele Häuser würden ohne ehrenamtliches Engagement gar nicht existieren.

    Nein, in die Göbbels-Villa müsste ein kleines Museum / Gedenkstätte einziehen, auch wenn es davon schon bundesweit hunderte über die NS-Zeit gibt. Das wäre in diesem Fall mehr als angemessen.

    Genau so ist es.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Und was sollte in der Gobbelsvilla ausgestellt bzw. welche Dokumentation sollte dort gezeigt werden?

    Die prachtvolle Lebensweise eines NS-Funktionärs mit einer Liste der Besucher die er dort empfangen hatte? Oder soll es ein Sammelsurium der Geschichte des Dritten Reiches sein, mit Bildern von der Zeit der Bewegung bis zu den Konzentrationslagern? Also alles, was man sonst auch in Büchern und anderen Dokumentaionszentren sieht?

    Wo liegt der zusätzliche Erkenntnisgewinn?

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Und was sollte in der Gobbelsvilla ausgestellt bzw. welche Dokumentation sollte dort gezeigt werden?
    ...
    Wo liegt der zusätzliche Erkenntnisgewinn?

    Im Gebäude selbst. So wie das Bauhaus Zeugnis seiner selbst ist und für eine Zeit steht. Oder auch jedes andere (Bau-) Denkmal.

    Einmal editiert, zuletzt von Luftpost (9. November 2018 um 13:42)

  • Dazu ist das Gebäude architektonisch zu unbedeutend. Du kannst es nicht mit dem Bauhaus in Dessau vergleichen.

    @"tegula"
    Zum Beispiel gibt es in Frankfurt ca. 60 Museen, von denen gut ein Dutzend in städtischer Hand sind. In dieser Form ist das nicht mehr wirtschaftlich, sondern purer Luxus. Zum großen Teil werden diese Museen vom Steuerzahler bezuschusst. Auch die privaten Museen erhalten staatliche Zuschüsse (siehe hier). Da die Besucherzahlen die Kosten bei weitem nicht decken, wird jede Eintrittskarte massiv bezuschusst. Ich habe jetzt auf die Schnelle die aktuellen Zahlen nicht finden können. Aber mir wurde berichtet, dass die Kosten für das weitgehend überflüssige Weltkulturenmuseum enorm sind. Es wird jährlich mit über 3 Millionen Euro bezuschusst. Das bedeutet, dass jede Eintrittskarte mit 120 Euro subventioniert wird. (Siehe hier) Hinzu kam, dass 2016 die Museumsdirektorin fristlos entlassen wurde, was den Steuerzahler stolze 150.000 Euro kostete. (Siehe hier) Den Vogel in Hessen hat das aber noch nicht abgeschossen. Der liegt im Museum Schloss Fechenbach in Dieburg. Der Steuerzahlerbund äußerte dazu (Zitat Radio FFH:( "Weil durchschnittlich weniger als vier zahlende Gäste am Tag kommen, muss die Stadt auf jedes dieser Tickets etwa 450 Euro drauflegen."
    Zudem habe ich nicht von Ehrenamtlichen gesprochen, gegen deren Engagment ich nichts einzuwenden habe. Es ging um Museumsdirektoren, die für oft überflüssige Institutionen auf Kosten der Steuerzahler durchgefüttert werden. Das Gehalt eines Museumsdirektors in Hessen liegt derzeit bei über 4600 Euro im Durchschnitt. (siehe hier) Da kann mir niemand sagen, dass diese Leute am Hungertuch nagen. Gerade im Vergleich mit ihren teils prekär beschäftigen Angestellten oder Krankenschwestern usw.
    In dieser Lage ein weiteres Museum in einer unbedeutenden Goebbels-Villa zu fordern, ist finanzpolitisch völlig fahrlässig. Es sei denn, man hat Verträge mit amerikanischen Rundreise-Anbietern in der Tasche, die dort die mit Fotoapparaten bewaffneten Massen aus New York und Texas durchschleusen wollen, damit sie die ultimative Nazi-Grusel-Show erleben können.

  • Ja ich sehe das ähnlich wie heimdall es gibt genug Musen last uns das Geld lieber ins hier und jetzt stecken zb. noch ein par schöne Rekos. Man muss nicht alles aus der Vergangenheit zwangsläufig erhalten auch wenn ich es schade Find, das durch die Belastung der Vorbesitzer Häuser ein so jehes ende finden. Herr h. in Braunau wollte man deswegen ja auch platt machen mit dem unterschied das es historisch um einiges wertvoller ist als Göbels schuppen hier.

  • bezuschusst

    Ja, Kultur ist fast überall in Deutschland von Fördermitteln abhängig. Es gibt kaum ein Museum in Deutschland, das ohne auskommt. Das gilt übrigens auch für Rekonstruktionen. Mit deiner Argumentation untergräbst du unser Anliegen hier gerade. Kultur sollte es immer wert sein, gefördert zu werden.

    Das Gehalt eines Museumsdirektors in Hessen liegt derzeit bei über 4600 Euro im Durchschnitt. (siehe hier)

    Diese Seite ist so seriös wie eine Pokerrunde im Hinterzimmer. Da wird das Durchschnittsgehalt in Deutschland auf 4698€ beziffert, gleichzeitig heißt es aber:

    • 25 Jahre = 2.516 Euro brutto
    • 30 Jahre = 2.774 Euro brutto
    • 35 Jahre = 2.919 Euro brutto
    • 40 Jahre = 3.193 Euro brutto
    • 45 Jahre = 3.734 Euro brutto
    • 50 Jahre = 4.242 Euro brutto

    Da werden wir wohl rechnerisch nicht mehr auf den Durchschnittswert kommen, es sei denn die Direktoren sind alle älter und verdienen noch mehr.

    Noch realitätsferner ist diese Zusammenstellung:

    • bis 500 Mitarbeiter = 4.563 Euro brutto
    • 501 bis 1000 Mitarbeiter = 5.127 Euro brutto
    • über 1000 Mitarbeiter = 5.935 Euro brutto

    Nur haben 98% aller Museen nicht mal 10 Mitarbeiter (Nagel mich nicht auf diese Zahlen fest). Überhaupt ist diese Kategorisierung fern jeder Realität. In Hessen wurden z. B. 2014 lediglich 40% aller Museen hauptamtlich geführt. Es gibt unzählige Museen, in denen selbst die Museumsleitung keine volle Stelle besitzt. Im öffentlichen Bewusstsein sind aber häufig nur die wenigen großen Häuser. Dabei besteht der weitaus größte Teil von Museen aus 2 Mitarbeitern (häufig in Teilzeit) und 5 Ehrenamtlichen. Und in diese Größenordnung dürfte dann auch die Villa von Goebels fallen, um mal den Bogen zum Thema zu schlagen.

    Ich arbeite seit einem Jahrzehnt in der Branche und kenne die Verhältnisse gut.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Dazu ist das Gebäude architektonisch zu unbedeutend. Du kannst es nicht mit dem Bauhaus in Dessau vergleichen.
    ...

    Lieber Heimdall,
    ohne Dir zu nahe treten zu wollen, aber diese Aussage ist unfundiert und persönlicher Geschmack.

    Ob das Eine mit dem Anderen zu vergleichen ist, das Eine architektonisch- zumindest in den Auswirkungen auf die heutige Zeit- mehr Einfluss hat, als das Andere, spricht bei der Bewertung keine Rolle. Denn die Bewertung ist bereits vollzogen worden: beide Gebäude sind Denkmale. Und als solche zu behandeln.

    Da spielt es auch keine Rolle, dass das Eine Weltkulturerbestatus hat und das Andere nicht. Wenn nur noch das das Kriterium wäre, bräuchten wir uns über den hiesigen Denkmalschutz nicht mehr unterhalten. Denn 99% oder mehr aller jetzt Denkmale in Deutschlad haben keinen Welterbestatus. Die sind mit Deiner Aussage also unbedeutend, demnach wertlos und entbehrlich.
    Und Denkmalschutz wird dann nur noch durch den Unesco- Welterbestatus erlangt.

    Oder Anders: wer bist Du, dass du einem bestehenden Denkmal Bedeutungslosigekeit attestiest? Dann braucht das Land Brandenburg, auf deren Grund und Boden das Gebäude steht, also Heindall als Landeskonservator. Der weiß es besser!

    Tschuldigung dass ich polemisch geworden bin. Aber das ist Anmaßung.
    Luftpost

  • @"Luftpost", den Vergleich zum Bauhaus hast Du aufgemacht. Wenn Du bezüglich dieser Goebbels-Villa einen Relativismus betreiben möchtest a la "Denkmal ist gleich Denkmal", kannst Du das machen. Dann brauchen wir aber auch keine weitere Diskussion über höheren oder niedrigeren Denkmalwert führen. Das neue Pellerhaus ist so viel wert wie das alte. Der Palast der Republik ist so viel wert wie das Berliner Stadtschloss. Alles sind irgendwie Denkmäler.

    @"tegula"
    Die Rekonstruktionsbewegung untergrabe ich mit dem Hinweis auf Finanzierbarkeit keineswegs. Die meisten Rekonstruktionen werden ja gar nicht von der öffentlichen Hand finanziert, sondern durch private Spenden. So zahlen z.B. die Bürger in Berlin die Barockfassaden für den ansonsten modernen Museumsbau des Humboldt-Forums. In Potsdam hat Plattner die Fassaden des neuen Schlosses bezahlt, das als modernes Landtagsgebäude konzipiert ist. Wenn die öffentliche Hand Rekonstruktionen unterstützt, dann sind das in der Regel Investitionen, die auf die Zukunft gerichtet sind, keine Millionengräber. Frankfurt wird seine 100 Millionen Euro für das Altstadt-Projekt langfristig durch die Erhöhung touristischer Attraktivität und höhere Gewerbesteuereinnahmen wieder hereinspielen. Zudem werden Mieten kassiert.

    Bezüglich der Museumsdirektoren können wir nun Zahlen hin- und herschieben. Es versteht sich von selbst, dass man in der Regel nicht mit 25 oder 35 Jahren Museumdirektor wird. Vorher muss man studiert haben und sich in der Regel ein gewisses Mindestmaß an Reputation aufgebaut haben, z.B. als Kurator. Häufig wird man mit ca. über 40 Jahren Direktor. Wenn ein Direktor eine halbe Stelle antritt, dann kann er ja noch den Rest des Tages einer anderen Tätigkeit nachgehen, somit sein Einkommen aufstocken.

    Zitat HAZ, die darauf hinweist, dass die Gehälter im Ausland teils deutlich höher sind:

    Zitat

    Auch das Museum Folkwang in Essen war in den zurückliegenden Monaten auf Direktorensuche. Es machte zuletzt Schlagzeilen mit dem grandiosen Erweiterungsbau von David Chipperfield im Stil der Glasmoderne. Auch in Essen fiel die Wahl auf einen Schweizer Kunsthistoriker: Tobia Bezzola, 51 Jahre alt, war zuvor Kurator am Kunsthaus Zürich. Und Christoph Grunenberg, der neue Leiter der Kunsthalle Bremen, war zuvor Direktor der Tate Liverpool. So kommen Kunsthistoriker ins Land, um Führungspositionen einzunehmen.Und das, obwohl man als Museumsdirektor beispielsweise an US-Häusern viel mehr verdienen kann. Laut Ausschreibung für das Sprengel Museum ist die Direktorenstelle mit der Entgeltgruppe 15 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst angesetzt. Daran angelehnt werde ein „außertarifliches Entgelt“ gezahlt, steht in der Stellenannonce. In Deutschland kann das Jahresgehalt eines Museumsdirektors 60000 oder auch 160000 Euro betragen. Die jüngsten Neubesetzungen zeigen, dass man nicht unbedingt Führungserfahrung mitbringen muss. Es reicht aus, erfolgreicher Kurator zu sein.

    Zugleich gebe ich Dir recht, dass der Direktor eines kleinen Hauses bisweilen nicht so viel verdient.

    Zitat FAZ:

    Zitat

    Reich wird man nicht, wenn man nicht gerade den großen Häusern vorsteht: 2500 Euro im Monat für die Leitung kleiner Häuser sind nicht außergewöhnlich.

    Dennoch, auch das sind oft Steuergelder. Und die Frage, welchen Nutzen solche Stellen und Institutionen haben, wenn dort täglich 5 Besucher vorbeischauen (und im Falle der abgelegenen Goebbels-Villa dürften es ohne Grusel-Show kaum mehr sein), darf schon erlaubt sein.

  • Die meisten Rekonstruktionen werden ja gar nicht von der öffentlichen Hand finanziert, sondern durch private Spenden.

    Das Gegenteil ist richtig. Oder möchtest du behaupten in Potsdam, Dresden, Frankfurt oder Berlin wären nicht immer auch erhebliche Fördermittel eingesetzt worden? Die Beispiele die du nennst, betreffen ja nur bestimmte Details der Projekte, die Projekte selbst sind zu einem erheblichen Teil mit Steuermitteln finanziert. Wir können nicht auf der einen Seite Geld für Rekonstruktion einfordern, aber für Museen verweigern. Kulturförderung bleibt Kulturförderung.

    Es versteht sich von selbst, dass man in der Regel nicht mit 25 oder 35 Jahren Museumdirektor wird.

    Dann frage doch mal die von dir verlinkte Seite, warum sie Gehälter von 25-, 30- und 35-jährigen Direktoren anführt? Merkst du selber, dass man mit den dortigen Angaben etwas nicht stimmt?

    Zitat

    Reich wird man nicht, wenn man nicht gerade den großen Häusern vorsteht: 2500 Euro im Monat für die Leitung kleiner Häuser sind nicht außergewöhnlich.

    Dann sind wir je nach Steuerklasse vielleicht bei 1500€ netto. Das passt mit der Realität zusammen. Spreche wir von Teilzeit sind wir dann schnell bei Summen unter 1000€.

    Wenn ein Direktor eine halbe Stelle antritt, dann kann er ja noch den Rest des Tages einer anderen Tätigkeit nachgehen, somit sein Einkommen aufstocken.

    Dir scheint auch nicht bewusst zu sein, dass es keine Seltenheit ist, dass eine erhebliche Diskrepanz zwischen der ausgeschrieben und der tatsächlichen Arbeitszeit existiert. Ein Haus, auch ein kleines, ist mit einer halben Stelle in aller Regel nicht zu leiten, erwartet wird es trotzdem vielfach. Meine Kollegen müssen fast alle unter solchen Bedingungen arbeiten. Der Kultursektor ist in Deutschland zum Großteil erheblich unterfinanziert.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

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  • Museen nehmen vier Aufgaben wahr: sie sammeln, bewahren, erforschen und stellen aus. Warum sollte eine dieser Aufgaben zum alleinigen Gradmesser von Erfolg oder Misserfolg eines Museums werden? Was dabei herauskommt, wenn die Popularität zum einzigen Maßstab für den Wert von Kultur wird, kann man täglich auf ARD und ZDF besichtigen.

    Abgesehen davon kann man natürlich eine qualitative Aussage treffen, was gute und was schlechte Architektur ist. Genauso wie man sagen kann, wer ein guter und wer ein unbegabter Komponist, Maler, Konditor, Arzt... ist.

  • Das Gegenteil ist richtig. Oder möchtest du behaupten in Potsdam, Dresden, Frankfurt oder Berlin wären nicht immer auch erhebliche Fördermittel eingesetzt worden?

    Hmm. Hannover: privat finanziert; Braunschweig: privat finanziert; Frankfurt zur Hälfte privat finanziert; Dresden Neumarkt: privat finanziert; Dresden Frauenkirche: überwiegend Privat finanziert; Dresden Orangerie am Herzogingarten: privat finanziert; Berliner Schlossfassade (ohne Förderverein Berliner Schloss keine Fassade): privat finanziert; Berlin, Alte Kommandantur Unter den Linden: privat finanziert; Potsdam: Baberini et al: privat finanziert; Stadtschloss: Fortunaportal: privat finanziert; Teilrekonstruktion der restliche Fassade nur durch private Finanzierung möglich, bereits moderne Kubatur geplant gewesen; Einzig bei der Garnisonkirche fallen mir jetzt spontan ein nennenswerter Anteil an Staatsgeldern ein, der die Teilrekonstruktion überhaupt möglich macht; Wesel: Privat finanziert; Nürnberg Pellerhof: privat finanziert; Hildesheim: privat finanziert; unzählige Fassadenrekonstruktionen in Leipzig: privat finanziert... Die Initialzündung kommt auch oft erst von privater Seite; frag mal konstantindegeer wie viel monetäre Unterstützung er vom Staat bekommen hat...

  • Zustimmung, "thommystyle".

    Meine Kollegen müssen fast alle unter solchen Bedingungen arbeiten. Der Kultursektor ist in Deutschland zum Großteil erheblich unterfinanziert.

    Niemand muss unter solchen Bedingungen arbeiten. Keiner hat sie gezwungen, Museumsdirektor zu werden, wenn das für sie so unlukrativ ist. Sie haben studiert und können sich einen anderen, für sie viel ertragsreicheren Job suchen, wenn ihnen das Geld nicht reicht. Das ist der Unterschied zum kleinen Lagerarbeiter, zur Erntehelferin oder Altenpflegerin, die aufgrund begrenzter Befähigungen und mangelnder Alternativen wirklich in ihren Jobs arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen. Ich verdiene auch nicht mehr und jammere nicht herum oder fordere Staatsknete für mich.

    Natürlich können wir uns darüber unterhalten, inwieweit der Staat Kultur fördern bzw. bezahlen soll. Ob indes Museen in der Pampa oder auch Museum Nr. 61 in der Stadt, die von fünf Leuten am Tag besucht werden, einen wichtigen kulturellen Nutzen haben, darf aber schon hinterfragt werden. Schaut Euch doch mal die Staatsverschuldung an. Wenn da mal wieder die Zinsen steigen, dann geht es nicht nur der hiesigen Infrastruktur (Straßen, Schulen, Bürgerhäuser usw.), sondern auch dem Sozialsystem massiv an den Kragen. Bislang ist das bedingt durch die brummende Exportwirtschaft noch kein Problem. Beim nächsten Konjunktureinbruch gehen hier aber die Lichter aus. Aber bislang glauben viele Bürger, das Geld wird ewig für völlig aufgeblähte Apparate sprudeln.

    Zurück zum Thema Goebbels-Villa. Diese Villa liegt in Wandlitz, nördlich von Berlin. Etwas über 20.000 Einwohner. Und dort liegt sie abseits am Stadtrand. Wer bitte soll diese Fahrt auf sich nehmen, um dort ein Museum aufzusuchen? Was soll dort gezeigt werden? Es sei denn, man macht dort ein NS-Wachsfigurenkabinett für einige Selfie-Fotografen auf. Das geht so oder so finanziell nur, indem die Gemeinde, das Land oder der Bund das ganze auf Steuerzahlers Kosten unterhalten. Ich brauche das nicht. Aber offenbar sind einige bereit, ihre Steuergelder dafür zu verwenden.

    Und um dieses Thema Goebbels-Villa ging es hier. Keinesfalls habe ich je in Abrede gestellt, dass es auch viele Museen gibt, die selbstverständlich nützlich und erhaltenswert sind, auch förderwürdig.

  • Zurück zum Thema Goebbels-Villa. Diese Villa liegt in Wandlitz, nördlich von Berlin. Etwas über 20.000 Einwohner. Und dort liegt sie abseits am Stadtrand. Wer bitte soll diese Fahrt auf sich nehmen, um dort ein Museum aufzusuchen?

    Die meisten deutschen Museen liegen noch viel ländlicher als es die Goebbels-Villa tut. Insbesondere auch viele NS-Gedenkstätten! Bei Museen ist die Standortfrage meist gar nicht die primäre Entscheidungsgrundlage, sondern vielmehr die Frage nach dem kulturellen und gesellschaftlichen Mehrwert. Und das ist wiederum entscheidend davon abhängig, was dort wie vermittelt wird. Und dabei spielt die Authentizität des Ortes ebenfalls eine entscheidende Rolle. Und mit letzterem kann die Goebbels-Villa umso mehr punkten. Wir werden es wohl kaum im Rahmen eines Forums schaffen, ein überzeugendes Konzept aufzustellen, doch führt meiner Ansicht nach der Weg zur Rettung des Gebäudes nur über ein Museums-Konzept.

    @thommystyle™

    Natürlich gibt bes auch rein privat finanzierte Rekonstruktionsprojekte, aber in deiner Aufzählung hast du mit Frankfurt und Berlin auch Großprojekte unter gebracht, die erhebliche staatliche Mittel verschlungen haben. Wir können doch hier nicht anfangen, Kultur gegen Kultur aufzuwiegen. Rekonstruktion ja, Museum nein? Nein! Kultur mit einem vernünftigen Konzept ist immer förderungswürdig.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • @"Luftpost", den Vergleich zum Bauhaus hast Du aufgemacht. Wenn Du bezüglich dieser Goebbels-Villa einen Relativismus betreiben möchtest a la "Denkmal ist gleich Denkmal", kannst Du das machen. Dann brauchen wir aber auch keine weitere Diskussion über höheren oder niedrigeren Denkmalwert führen. Das neue Pellerhaus ist so viel wert wie das alte. Der Palast der Republik ist so viel wert wie das Berliner Stadtschloss. Alles sind irgendwie Denkmäler.

    ...


    Mein lieber Heimdall

    ich habe hier nicht einen Vergleich zwischen der Göbbels-Villa und den Bauhausgebäude in Dessau aufgemacht um diese zu bewerten. Diese Bewertung hast Du vorgenommen. Demnach ist da auch kein Relativismus, den Du mir da unterstellst.

    Ich habe gesagt, dass beide Gebäude als Denkmale geschützt sind. Und da ist es unerheblich, ob die nun Unesco Weltkulturerbe sind oder nicht oder ob die bekannt sind oder nicht, oder ob deren Architektur als besonders gilt oder nicht. Beide sind Denkmale und als solche Schützenswert und zu schützen. Auch gibt es keinen Denkmalschutz erster und zweiter und vielleicht noch dritter Klasse. Der Denkmalschutz wirkt auf alle Denkmale gleich.

    Das einzige, was ich Dir da zugestehe, ist, dass es bekanntere Denkmale gibt, wie das Bauhaus in Dessau und unbekanntere wie diese Göbbels-Villa. Und dass die damit verbundene öffentliche Wahrnehmung eine Veränderung oder gar den Abriss des Denkmals damit einerseits erschwert und andererseits erleichtert (deren Schutz durch öffentlichen Einspruch damit erleichtert oder erschwert). Hier kommt noch die politische Belastung hinzu, die letzteres sogar noch politisch-kurzsichtig-Bequeme tragfähig macht...

    Das Ganze hat nichts mit Relativismus zu tun. Also lass bitte Deinerseits solche Unterstellungen und politischen Totschlagargumente.

    Luftpost