Bauen zwischen 1933 und 1945

  • Wer sich schon einmal gefragt hat, was sich wohl in diesem repräsentativen Gebäude am Potsdamer S-Bahnhof Griebnitzsee befand, hier die Antwort:

    Quote

    Nachdem das vom brandenburgischen Landesverein bereits 1896 nahe dem Bahnhof Griebnitzsee eingerichtete Depot 1938 zum Zentrallager des DRK erweitert worden war, entschloss sich Grawitz, auch den Sitz des Präsidiums hierher zu verlegen. Nach Entwürfen des Architekten und SS-Führers Norbert Demmel entstand ein repräsentativer, 136 langer Baukörper, dem rechtwinklig zwei 24 Meter hervor tretende Seitenflügel angeschlossen wurden. Das Hauptgebäude erhielt einen massiven Portalvorbau mit dem üblichen „Führerbalkon“ für eventuelle Auftritte Hitlers. Er trug das neue, übrigens von dem Potsdamer Publizisten und Experten für „entartete Kunst“ Hans Schweitzer (Künstlername Mjölnir) entworfene DRK-Emblem mit einem durch ein Hakenkreuz geschmückten Adler über den Roten Kreuz. Das Gebäude wurde bis 1943 soweit fertig gestellt, dass hier die ersten Büros einziehen konnten. Zu DDR-Zeiten von der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften genutzt, dient es heute der Universität Potsdam. Seine Architektur bestimmt nach wie vor den Campus, der inzwischen um Neubauten erweitert worden ist.

    http://www.pnn.de/potsdam/index.…4120930.pnn#art

    "Nichts zeichnet eine Regierung mehr aus als die Künste, die unter ihrem Schutze gedeihen."
    Friedrich der Große

  • Quote

    Berliner Architekten bauen Burg um
    Dienstag, 11. November 2008 02:26
    Zwei Berliner Architektenbüros werden mit dem Umbau der ehemaligen "NS-Ordensburg" Vogelsang im nordrhein-westfälischen Schleiden beginnen.

    http://www.morgenpost.de/printarchiv/be…en_Burg_um.html

    Bild hier:

    http://www.mw-arch.de/

    Nachdem es jahrelang überhaupt kein Geld gab, reicht es nun sogar für einen Umbau. Ich frage mich,
    wozu die Burg unter Denkmalschutz gestellt wurde. Und welcher Eindruck soll durch den Umbau enstehen,
    wenn der Originaleindruck verwischt/vernichtet wird? Oder soll gar eine Business-Schule draus werden? Der schneidige Schlipsträger lässt es vermuten.

    "Nichts zeichnet eine Regierung mehr aus als die Künste, die unter ihrem Schutze gedeihen."
    Friedrich der Große

  • Uh, ganz toll... :augenrollen:

    Schaut Euch einmal das zweite Bild auf der Architektenhp an...

    Sagebiel

    Ob der "Denkmalschutz" überhaupt noch weiß, was er tut? Ich denke, dass er sich - wie auch in vielen anderen Fällen - selber abschafft. Also ernst nehme ich den schon lange nicht mehr! Ein zahnloses Krokodil in den Händen ideologisch verblendeter Dogmatiker.

  • ad Linz:
    Natürlich fügen sich die Brückenkopfhäuser gut in den Hauptplatz ein, sie wurden ja auch zu dessen architektonischer Abrundung errichtet, jedoch muss bedacht werden, dass an ihrer Stelle zuvor mutwillig ganze Althäuserblocke abgerissen wurden.

    Kann man folgende zugegebenermaßen etwas kühne westkarpatische These vielleicht untermauern oder ist sie völliger Schwachsinn?:

    Hitler kam der Bombenkrieg gegen die Städte nicht ungelegen, weshalb er kaum Substantielles zu dessen Verhinderung (wie es etwa die Serienproduktion der Me 262 gewesen wäre) unternahm und in erstere Linie auf Vergeltung setzte, denn so konnte er hoffen, dass
    a) seine Pläne zur Schaffung von autogerechten Städten
    b) seine dilettantische Leidenschaft für Architektur und Städtebau
    ein reiches Betätigungsfeld erfahren würden.

  • Deine These ist schon lange kein kühner Geheimtip mehr. Besorg dir einfach das Spiegel-Sonderheft "Der Bombenkrieg gegen Deutschland". Schon eine Weile her; aber dort steht alles drin, was interessant ist. Auch über Hitlers eigene Meinung über die "mißratenen deutschen Stadtbilder". Folgt man den nazistischen Grundthesen, so ist die völlige Umgestaltung der alten Lebenswelt nur logisch - denn mit seinen Altstädten sollte das alte Deutschland zugunsten eines großgermanischen Machtstaates gleichsam entsorgt werden. Das Gewachsene stünde dem Geplanten nur im Weg...

    Daneben kannst du dich auch über die Herren Konstanty Gutschow, Wolfgang Hillebrecht, Wilhelm Kreis, Ernst Neufert und Wolfgang Rauda informieren. Überzeugte Nationalsozialisten und die Gestalter unserer heutigen Innenstädte. Ob ein Albert Speer ohne Verurteilung da mitgemacht hätte oder nicht, ist für das Endergebnis unerheblich.

    Nein, die werden gedünstet

  • Das würde demnach also bedeuten, dass die verhunzten westdeutschen Innenstädte die eigentlichen Nazikopfgeburten sind...ein Grund mehr also, alle Innenstädte zu rekonstruieren, um dieses "Stigma" loszuwerden :zwinkern: . Wenn dem wirklich so wäre, warum hat man sich dieser besten Waffe gegen die architektonischen Chefideologen noch nicht ausreichend bedient?

    Vielleicht ist es aus heutiger Sicht sogar schade, dass Mies v.d.R. von den Nazis nicht als 1. Architekt des neuen (nationalsozialistischen) Deutschlands erkannt wurde. Immerhin hat sich dieser erst ziemlich den Nazis angebiedert und nachdem er von den Nazis nicht ausreichend geschätzt wurde, hat er vergrämt Deutschland verlassen und woanders sein Glück versucht. Hätte er in Hitlerduscthland sein Ziel erreicht, dann wäre seine kalte Architektur im Gleichklang mit den Nazis in Verbindung gebracht worden und es gäbe heute vielleicht auch mehrheitlich gute, annehmbare westdeutsche Innestädte, in denen sich die Leute auch wohl fühlen dürfen...

  • >>Wenn dem wirklich so wäre, warum hat man sich dieser besten Waffe gegen die architektonischen Chefideologen noch nicht ausreichend bedient?<<

    Wenn andere sie nicht benutzen, ist das nicht mein Problem. Ich habe die Absicht, sie zu verwenden, wenn ich es bis in eine gute Schußposition schaffe.

    >>Vielleicht ist es aus heutiger Sicht sogar schade, dass Mies v.d.R. von den Nazis nicht als 1. Architekt des neuen (nationalsozialistischen) Deutschlands erkannt wurde. Immerhin hat sich dieser erst ziemlich den Nazis angebiedert und nachdem er von den Nazis nicht ausreichend geschätzt wurde, hat er vergrämt Deutschland verlassen und woanders sein Glück versucht. Hätte er in Hitlerduscthland sein Ziel erreicht, dann wäre seine kalte Architektur im Gleichklang mit den Nazis in Verbindung gebracht worden und es gäbe heute vielleicht auch mehrheitlich gute, annehmbare westdeutsche Innestädte, in denen sich die Leute auch wohl fühlen dürfen...<<

    Das hat was für sich. Die Nazis machten, anders als die Kommunisten, den großen PR-Fehler, sich bei den Intellektuellen nicht anzubiedern, sondern gleich auf totalen Krieg zu schalten - weil die Nachrückerintelligenz (die Nazis waren eine Jugendbewegung, auch wenn das heute nur mit Elvis, 1968 und Obmama in Zusammenhang stehen darf) zu ungeduldig war und mithilfe der physischen Beseitigung der Alten gleich an die Schalthebel der Macht wollte. Eine Differenzierung und schwülstige Lobpreisung, wie sie selbst im finstersten Stalinismus z.B. mit Maxim Gorki praktiziert wurde, hätte viele der Gropiusse, Schmidthemmers und Rohe's umgedreht.
    Man stelle sich einmal vor, das Reichsbankgebäude in Berlin wäre von Van der Rohe mit genau denselben Worten wie des Führers beschrieben worden: "Unser Bauen ist kein Stil - sondern in erster Linie die Verkörperung der Ordnung und der Gesundheit..."

    In der Tat mutet der frühe NS-Stil sehr modern an; im Erscheinungsbild und in der teils hervorragenden Gebäudetechnik. Man denke an die hunderttausenden großen Einfamilienhäuser, die in klarer aber nicht kalter Struktur selbst ohne Sanierung noch bis in die heutige Zeit funktionieren. Nicht die Monumentalbauten, DAS muß die Leute damals unwahrscheinlich beeindruckt haben.

    Und was nun die Rückwärtsgewandtheit der Ideologie angeht: Ich für meinen Teil schätze, daß fast die Hälfte der NS-Denke nur Vorbilder der USA zitiert; von Rassekunde über Eugenik, Sterilisationen, bis hin zur missionarischen Sendung und Lebensraum im West...Osten. Der Nazismus mag für PR-Zwecke seine Volkstümlichkeit besessen und gebraucht haben(ohne das hätten viel weniger Leute mitgemacht); in Wahrheit jedoch war er der Rammbock der Moderne in Deutschland - die bis dahin auf mehrheitliche Ablehnung oder Skepsis stieß. Der Nazismus hat das gründlich geändert.

    Nein, die werden gedünstet

  • Stimme Dir in allem voll und ganz zu. Vor allem im letzen Absatz. Immerhin ist auch das heutzutage allseits verwendetete Schriftbild von den Nazis eingeführt worden...man müsste wahrscheinlich alles wieder umdrehen, wenn man mit dem NS ohne Rücksicht brechen möchte...und auch nicht mit Düsenfliegern fliegen und im weiteren Sinne auch kein Satellitenfernsehen anschauen...

  • Wissmut

    Zu diesem spannenden Aspekt, den Du hier ansprichst, gibt es ein aktuelles Buch mit vielen Beispielen aus Architektur und Technik: Michael Ellenbogen, Gigantische Visionen, Architektur und Hochtechnologie im Nationalsozialismus, Ares Verlag, Graz 2006.

  • Das ist ein sehr interessantes Thema. Wie ich festgestellt habe, ist man überall, bis in den Universitäten, der Meinung, dass die Bauhaus-Architektur damals das Gegenteil zur nationalsozialistischen Architektur gewesen sei- und das ist völlig falsch.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Ein interessantes Objekt aus dem Bereich des öffentlichen Bauens dieser Epoche in [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] ist das Finanzamt im Stadtteil Höchst, erbaut 1935. Es ist meines Wissens überhaupt das einzige historische Finanzamt, das es im ganzen Rhein-Main-Gebiet noch gibt, die Hauptverwaltung sitzt ja in einem durchaus ansprechenden postmodernen Neubau im Gutleutviertel.

    Beim dem schönen Wetter heute habe ich mal zwei Bilder der Höchster Zweigstelle gemacht. Sie ist übrigens vor kurzem denkmalgerecht saniert worden.

    Totale an der Hospitalstraße, auf der anderen Seite beginnt das Gelände des Krankenhauses Höchst:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Detail des ikonografisch wirklich interessanten Eingangsbereichs, erst beim Betrachten des Fotos ist mir heute zum ersten Mal aufgefallen, dass der Stein mit dem Adler wohl nachträglich "entnazifiziert" wurde:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Bei Interesse könnte ich auch noch Bilder des sozialen Wohnungsbaus der 20er und 30er Jahre aus Höchst einstellen, ebenfalls wohl der qualitätvollste und besterhaltenste Bestand dieser Art im Rhein-Main-Gebiet, da Höchst ja als einziger größerer Stadtteil nicht bombardiert wurde.

  • Da dies mein erstes Posting ist, erst einmal ein Hallo an alle hier im Forum.

    Durch die Naziideologie und den Gigantismus konnten sich manche Architekten mehr als verwirklichen und dementsprechend ihre Ideen umsetzen. In der Bauwelt und der Deutschen Bauzeitung (1933 - 1945) findet man hierzu zahlreiche Beispiele.

    Besonders interessant, aber oftmals unbeachtet sind hierbei Industriebauten aus dieser Zeit. Außergewöhnliche bauliche Lösungen fertigungsspezifischer Problemstellungen setzte z.B. der Architekt Rudolf Mewes um http://homepage.ruhr-uni-bochum.de/Lars.Buettner/
    In einem Fall schuf Mewes eine Kombination aus unterirdischer Schlackenabfuhr und Luftschutzräumen innerhalb eines Stahlwerkes des Bochumer Vereins
    http://www.bochumer-bunker.de/schlacke.html

    Solche weltweit einzigartigen Bauwerke sollten der Nachwelt nicht nur aus denkmalpflegerischer Sicht erhalten bleiben, sondern auch als Ideenpool dienen.

    Mit freundlichem Glückauf
    Wilfried

  • ad LINZ:

    Die geplanten, überdimensionierten Glasaufbauten habe ich bisher nur in einer Visualisierung in der Presse gesehen...

    Zur Erinnerung: "Architekt" Krischanitz hat in Wien bereits andere historische Gebäude regelrecht devastiert!

    Linz wurde in den letzen Jahren sowieso schon sehr in Mitleidenschaft gezogen. Die Donauuferbebauung oder der moderne Schlossflügel, der gerade entsteht...kein Wunder, wenn demnach die derzeitige "Kulturhauptstadt 2009" weitestgehend gemieden wird.

  • Quote from "Heimdall"


    Auf den Brückenköpfen der Nibelungenbrücke standen bis 1945 die Modelle von vier Figuren der Nibelungensage: Siegfried, Kriemhild, Gunther, Brunhild. Die großen Gipsmodelle wurden von Alliierten dann in den Fluß gestoßen. Ich habe die monumentalen und mit Symbolen angereicherten Figuren auf alten Fotos in einem Buch gesehen, und mir gefallen sie gut, auch hinsichtlich der Stadtraumgestaltung.

    Auf obigem Bild sieht man zwei der Figuren nun sehr gut. Sie stammen von Bernhard Graf Plettenberg. Ich plädiere absolut für eine Neuausfertigung, notfalls in einem günstigen, wetterfesten Gußmaterial. Leider aber wird man derzeit eine Aufstellung am alten Standort politisch nicht durchsetzen können. Zur Not stellt man sie für diese "Zwischenzeit", bis man entspannter agiert, in einem Figurenpark aus. Wäre das nicht eine Aufgabe für einen interessierten Künstler?

  • US-Hauptquartier in Berlin-Dahlem im September 1947

    Amateur-Filmaufnahmen vom US-Hauptquartier (CLAY HQ) an der
    Clayallee / Ecke Saargemünder Straße in Berlin-Dahlem vom
    September 1947.

    Die Gebäude in Dahlem wurden von 1936 bis 1938 im Auftrag des
    damaligen Reichsluftfahrtministeriums nach Plänen des Architekten
    Fritz Fuß gebaut. Die Kaserne diente zunächst als Sitz des
    Luftgaukommandos III.

    External Content www.youtube.com
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    http://www.youtube.com/watch?v=tIgKEQIVivM

    Der Bauende soll nicht herumtasten und versuchen. Was stehenbleiben soll, muß recht stehen und wo nicht für die Ewigkeit doch für geraume Zeit genügen. Man mag doch immer Fehler begehen, bauen darf man keine. (Johann Wolfgang von Goethe)

  • Die Welt - Die Nazi Bauten sind besser als ihr Ruf

    Die Welt - Was tun mit fantasielosen Nazi Klötzen Dynamit her


    Ein Interview mit Baselitz zum deutschen Pavillion der Biennale:

    Die Welt - Nazi Architektur nicht schlecht für Kunst

    off topic: Übrigens erwähnt Baselitz eine Straßenbahnhaltestelle als "Kunstwerk" von Beuys , dass mich doch sofort an das vorgeschlagene "Kunstwerk" vor der rekonstruierten alten Stadtbibliothek in Frankfurt erinnerte...

  • Nachschlag & Hypothese:

    Für München z. B. wäre die Umsetzung des geplanten großen Bahnhofes durch Hermann Giesler damals wie heute wohl der große Wurf und ein Glücksfall gewesen.
    Ich nehme an, die Pläne sind bekannt.
    Ich persönlich kann an dieser Architektur nichts verachtenswertes finden. Bei Giesler ist auf jeden Fall der Maßstab im städtebaulichen Kontext immer gewahrt geblieben. Wenn man heute nach Dubai oder auf den "Ground Zero" blickt, kann man das nicht unbedingt behaupten.................

  • Auch wenn eine Diktatur ziemlich sicher nicht die allerbeste Regierungsform ist, aber vom Bauen und in Szene setzen verstanden die etwas. Im UNESCO Welterbe bei Goslar war ich schon und ich war wirklich beeindruckt!

    Danke für die schönen Bilder.