Hindenburg - Zabrze

  • Ich lobe ja gerne immer wieder in diesem Forum die polnischen Aufbauleistungen nach dem Krieg. Was ich allerdings so beim stöbern nach aktuellem Fotomaterial in Schlesien entdeckt habe ist eher betrüblich. Offensichtlich gab es auch in Städten wie Beuthen (Bytom) und Hindenburg nach dem 2. Weltkrieg einige Entstuckungen an Gründerzeitlern, und sehr viele Gebäude befinden sich derzeit in einem erbärmlichen Zustand.

    Ein Beispiel ist der Admiralspalast in Hindenburg - ein ehemaliges Hotel der zwanziger Jahre, das immer mehr verfällt:
    [Zabrze] by krzewi - SkyscraperCity
    http://de.wikipedia.org/wiki/Admiralspalast_%28Zabrze%29
    Zabrze moje miasto

    ...

  • Für mich vereinigt Hindenburg zwei Rekorde:

    Zum einen scheint es mir die am wenigsten bekannte Großstadt des Vorkriegsdeutschland zu sein, zum anderen gilt es mir als die hässlichste Großstadt Mitteleuropas.

    Wenn ich mir die Bilder in [Zabrze] by krzewi - SkyscraperCity anschaue, muss ich sagen, dass sie meine Erwartungen übertreffen: ich habe mir Hindenburg noch schrecklicher vorgestellt.

  • Ich versteh' nicht ganz. Zabrze ist offensichtlich eine sehr junge polnische Industriestadt ohne (große) Geschichte. Ansonsten finde ich beim Betrachten der Bilder sowohl Architektur (insbesondere die Repräsentationsbauten aus der sog. Zwischenkriegszeit sind herausragend) als auch das Stadtbild - klar, ein paar grobe Schnitzer sind dabei - ansprechend. Und außerdem wohltuend: Keine Autobahnschneisen, kein Sichtbeton, keine sprossenlose Plastikfenster, keine Tankstelle in Baulücken etc. Wenn ich mir dagegen weit geschichtsträchtigere Städte hierzulande anschaue, kann sich Zabrze glücklich schätzen, dass es mit vergleichsweise wenig Aufwand (z.B. mit einem groß angelegten Sanierungsprogramm) wieder in altem Glanz erstrahlen könnte.

  • spacecowboy: Grundsätzlich gebe ich dir recht. Die Stadt hat Potential und der "morbide Charme" hat etwas Authentisches. Trotzdem wäre es schön, wenn einige Gebäude wieder in Schuss gebracht werden würden.

    ...

  • Vom architektonischen Wert her ist Zabrze sicher eine Null zum Quadrat. Was natürlich nicht rechtfertigt, die Stadt mit Minusstädten wie Bochum oder Duisburg gleichzusetzen. Zabrze ist voll schlesischer Gründerzeit, die in O.S und anderen Gebieten nicht so qualitätsvoll ausgefallen ist wie zB im bürgerlichen Görlitz. Mit den flachen Giebelabschlüssen sieht ganz Schlesien weit renaissancezeitlicher aus, als es tatsächlich ist. Mit seinem heute unverkennbaren polnischen Charme wirkt Zabrze sicher ganz nett, keine Frage. Aber, wie gesagt, Wert hat es keinen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Gut, die Beurteilung von Wert ist ja immer ein Stück weit subjektiv. Manch eine mag mehr an einer Modeschmuckkette hängen, als an einem Goldring, weil ihr Liebster sie ihr einst schenkte. Auch der Admiralspalast dürfte sicherlich kunsthistorisch nicht uninteressant sein.
    Doch etwas anderes: Ich kann Philons Reaktion schon ein wenig verstehen. Ich habe vor einem guten Monat bei einem Mädel in Bochum geweilt und war doch mal wieder erschrocken von manchen Ruhr-Straßenzügen - diese Verkommenheit, Lieblosigkeit, Zerrissenheit, Armut, graue Tristess. Natürlich auch ein subjektiver Eindruck. Ich zog mir dann in der Würstchenbude ein paar Pommes rein und glotzte auf eine Straßenbahnhaltestelle in fahlem Licht und irgendwelche türkischen Läden. Insofern mögen die Bilder aus Hindenburg für jemanden aus Süddeutschland wirklich Erschrecken hervorrufen und womöglich auch solche Assoziationen. Dies vor allem, wenn man vielleicht nicht sehr reiseerfahren in Sachen Osteuropa ist. Ich bin diesbezüglich durch einige Reisen abgehärtet und erkenne in manchen der gezeigten Straßenzüge z.B. ein Stück Eger in anderen ein wenig Konstanza, verbunden teils auch mit netten Erinnerungen. Natürlich ist der bauliche Zustand der Häuser bedenklich. Indes ist "spacecowboy" schon zuzustimmen, daß mit vergleichsweise geringem Aufwand aus dem Stadtbild etwas gemacht werden könnte. Indes, selbst dieser in unseren Augen geringe Aufwand dürfte dort nur schwerlich finanziell gestemmt werden können. Insofern droht leider längerfristig eher der substantielle Verlust dieses Stadtbildes. Das ist das eigentlich erschreckende.

  • Zitat

    Das ist das eigentlich Erschreckende.


    Nee, da brauchst dir keine Sorgen machen. PL ist nicht BRD, und da wird nicht gleich die Abrissbirne geschwungen, nur weil ein bisschen Putz runter bröckelt. So wie Zabrze sieht ganz Polen aus, und nirgends wird was abgerissen. Und selbst wenn ein Haus mal leersteht, sind da immer noch weit strengere Denkmalschutzbestimmungen.

    Zitat

    Dies vor allem, wenn man vielleicht nicht sehr reiseerfahren in Sachen Osteuropa ist.

    Hm, da war doch noch was, oder? Irgend so eine vollmundige Ankündigung im :pfeil: Ursus-Heimat-Strang, nicht wahr?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Der Putz bröckelt zwar und die meisten Fassaden sind aufgrund negativer Umwelteinflüsse aus der Vergangenheit rußschwarz, die Substanz jedoch scheint mir bei den allermeisten Gebäuden noch sehr intakt zu sein. So schnell kommt da wirklich keine Abrissbirne zum Zuge. An groß angelegte Entstuckungsaktionen wie in Deutschland en masse geschehen glaube ich zudem nicht, da das meiste, was auf den Bildern zu sehen ist, eh erst zwischen 1910 und 1940 erbaut sein dürfte und damit per se der schmuckarmen Neuen Sachlichkeit sowie Klassischen Moderne angehört. Wie schon geschrieben, ist Zabrze, also eigentlich nur das deutsche Hindenburg, eine sehr junge polnische Industriestadt, in der man kein pittoreskes oder kunsthistorisch wertvolles Stadtbild erwarten kann. Dennoch hat dieses ungeschminkte Stadtbild seinen Charme, den unsere sterilen und zugebauten Städte schon seit Jahrzehnten nicht mehr haben. Die Gebäude zeigen außerdem eine gewisse bauliche Qualität, von der man in Bochum meilenweit entfernt ist.

  • Der ehm. Admiralspalast als beeindruckendes Gebäude, in dieser günstigen Ecklage, wird sicher früher oder später saniert. Da habe ich überhaupt keine Zweifel.
    Außergewöhnlich die Architektur mit der noblen Flachkuppel. Vielleicht eine entfernte Erinnerung an ein weitaus größeres Gebäude in Berlin ? Großflächig mit Kupfer verkleidete Erker in dieser Qualität, sind außerdem nicht eben häufig.
    Möglich, dass im Hotel künftig andere Einrichtungen Platz finden, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sich in Hindenburg O. S. ( Zabrze ) Touristen die Klinke in die Hand geben.

  • Snork 15. November 2021 um 14:32

    Hat den Titel des Themas von „Hindenburg O.S. (Zabrze)“ zu „Hindenburg - Zabrze“ geändert.