Konstanz - Brandkatastrophe in der Altstadt

  • Ich habe auch den Eindruck, dass der Grundstückeigentümer und Bauherr zunächst eine vernünftige Haltung gehabt hat und nur durch Architekten u.ä. weichgeklopft worden ist. Das entspricht der Erfahrung bei Baumaßnahmen in anderen Orten und der häufigen Beobachtung, dass Durchschnittsmenschen mehr Verständnis, Gefühl und Geschmack besitzen als viele Fachleute, die die Normalmenschen um sich rum, die nicht die höheren Weihen irgendeines Faches besitzen, verächtlich als "Laien" abqualifizieren. Das alles erscheint mir typisch für unsere dekadente und demnächst wohl untergehende deutsche Wohlstandskultur, die ganz massiv dabei ist, sich abzuschaffen. Wenn sie sich noch länger so gebärdet in ihrer Dekadenz, wird ihr bald niemand mehr eine Träne nachweinen, sondern die Menschen werden das Ende dieser Unkultur herbeisehnen.

  • Zitat

    Das Haus in der Kanzleistraße 19 steht noch immer. Mächtige Stämme bewahren die Fassade vor dem Einsturz. Doch soll es auch baldmöglichst abgerissen werden. Der Brand und das viele Löschwasser haben die Bausubstanz so nachhaltig geschädigt, dass es nicht erhalten werden kann.

    Zwist um zweites Gebäude

    Während die Historiker und die Denkmalpfleger voll des Lobes sind, wie sich das ehemalige Haus zum Bub wieder in das mittelalterliche Ensemble des Stadtbildes integriert, hat sich die Gestaltung des Hauses in der Kanzleistraße 19 ein Streit entfacht. Schon zwei Mal mussten die Architekten der Eigentümer, Inhaber eines ­Brillengeschäfts, dem vierköpfigen Gestaltungsbeirat, einem mit Fachleuten besetzten Gremium, Entwürfe vorlegen. Das bauliche Umfeld müsse stärker in die Planungen einbezogen werden. Auch der Eingangsbereich mit Schaufenstern stieß den Experten auf.

    Selbst am neuesten Entwurf, der unter anderem keine Dachgauben mehr vorsieht, findet noch keine Gnade bei kritischen Gemeinderäten. Der Grünen-Stadtrat Werner Allweis befand den Entwurf für noch immer „nicht altstadtgerecht“.

    Quelle: Stuttgarter Zeitung, 27.12.2012
    http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.altstad…3fe8e5daaf.html

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    Zitat

    Den meisten Menschen scheint zu gefallen, was sie da hinter diesem Bauzaun im Herzen der Konstanzer Altstadt sehen: Ein zurückhaltendes Lächeln huscht über ihr Gesicht, ehe sie weiter gehen. Vielleicht liegt es daran, dass sie in ihren Blicken gerade so etwas wie eine Wiedergeburt erlebt haben.

    Zitat

    Nachdem irgendwann all die Betroffenheit, all die Bestürzung und all die Trauer versiegt war, stellte sich die Frage: Wie geht es jetzt weiter an diesem markanten Ort der Altstadt? Wie könnte ein möglicher Wiederaufbau aussehen? Das war der Punkt, an dem die Gemeinsamkeit endete und die Debatten begannen. ... Die einen forderten einen möglichst originalgetreuen Nachbau, die anderen zogen einen modernen, zeitgenössischen Bau vor. Beides wird nun entstehen. Das Eckhaus, das alte „Haus zum Bub“ an der Ecke Hussen-/Kanzleistraße, entsteht nach den Wünschen der Eigentümerfamilie um Katharina Armbruster als ein Abbild des historischen Hauses. Das Nachbarhaus, Kanzleistraße 19, ist als moderner Bau mit Sichtbeton und Glaselementen geplant.

    Zitat

    Für Frank Mienhardt, den obersten Denkmalpfleger der Stadt, sind beide Varianten mögliche Umgangsformen für einen Wiederaufbau

    Zitat

    Mehrere Sitzungen des Gestaltungsbeirats waren notwendig, um die Pläne der Architekten mit den Vorstellungen der Stadt abzugleichen. Ein Nachbar hatte seine Bedenken gegen eine zu massive Bebauung im Hinterhof geäußert, der grüne Stadtrat Werner Allweiss übte öffentlich deutliche Kritik an dem Entwurf: er sei nicht altstadtgerecht. Seither ist Harm-Udo Müller, Eigentümer des Hauses, so genervt von der Debatte, dass er sich öffentlich nicht mehr äußern will.

    Eigentlich wäre das die Chance gewesen für eine öffentliche Diskussion über Architektur und was sie leisten kann und soll. Moderne und Vergangenheit standen sich gegenüber, so etwas wie ein offener Diskurs über die Konstanzer Angst vor der Moderne schien möglich. Allein, es passierte nicht. Jeder zog sich in sein Lager zurück, an einen Austausch war nicht zu denken.



    Ein Kommentar:

    Zitat

    Die Konstanzer Altstadt ist als Ensemble denkmalpfegerisch geschützt. Die den Neubau und deren Fassade des eingestürtzen Eckhauses, ehemals ein Mosaik im geschützten Ensemble, ist gelungen und hat den Gesamteindruck der historischen Altstadt wieder hergestellt. Herr Mienhardt als oberster Bewahrer in seinem Amt für Denkmalpfege ist schlecht beraten, ein abweichendes Altstadtbild durch eine neue Fassade des Nachbarhauses in einer der wichtigsten Zeile der Altstadt zuzulassen, denn bisher sind seine Wünsche nach einer Wiederherstellung von Orginalem bei Baudenkmalen bekannt. Seine Ansicht bei einer evtl. Abweichung vom bisherigen Fassadenbild in diesem Altstadt-Ensemble ist bei diesem Projekt sehr bedauerlich.

    Quelle: Südkurier, 22.12.2012
    http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/konstanz/Der-Tag-der-26-Leben-veraenderte;art372448,5829007]http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/konstanz/Der-Tag-der-26-Leben-veraenderte;art372448,5829007

    Jeder, der sich die Fähigkeit erhält Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
    http://www.archicultura.ch

    4 Mal editiert, zuletzt von zeitlos (28. Dezember 2012 um 05:42)

  • Das rote Haus ist wirklich schön geworden. So muss das sein.

    Zitat

    (...) Seither ist Harm-Udo Müller, Eigentümer des Hauses, so genervt von der Debatte, dass er sich öffentlich nicht mehr äußern will. (...)

    Was mich daran mittlerweile richtig nervt, ist der Umstand, daß noch immer kein Bild von dem geplanten Beton-Glas-Bauwerk veröffentlicht wurde. Oder habe ich etwas verpasst? Wie soll denn der Neubau aussehen?

    (Bei dem Namen "Harm", denke ich, komischerweise, immer an das englische Wort "harm". Diese Person ist, in der Tat, schädlich für die Altstadt.)

    Zitatquelle:http://www.suedkurier.de/region/kreis-k…t372448,5829007[/url]

  • Na toll. Die üblichen Riesenfenster. Im Erdgeschoss ein großflächiges Schaufenster. Wo ist der Eingang? Etwa im Nachbarhaus? Das Gebäude ist deutlich höher als sein Vorgänger. Wird da noch nachgebessert? - Aber, wie es aussieht, wenigstens ein Satteldach (?). Ein Glück, daß das Haus sehr schmal ist. Das minimiert die Negativwirkung etwas. Ist bereits das Fassadenmaterial bekannt? Doch wohl hoffentlich kein nackter, ungestrichener Beton :schockiert:. Das wäre ja die Hölle.

    Danke Zeitlos, für den Link!

  • Warum kann man nicht EINMAL eine Lücke angepasst an das Alte füllen, warum muss es immer die Provokation sein, die aus dem Rahmen fällt und das Gesamtbild am Ende nur stört. Genau das ist so typisch deutsch, dieser verkrampfte Umgang mit dem Historischen.

    In dubio pro reko

  • Verstehen tun sie's schon, die Architekten. Allein die Ideologie der Moderne ist dabei im Weg. Historisieren ist Gift, und so. Das ist in deren Köpfen drin. Und dann kann nur Sowas dabei herauskommen.

    In dubio pro reko

  • Soviel kann man anhand der Zeichnungen nicht sagen, aber das Eckhaus sieht eigentlich ganz annehmbar aus. Das linke Gebäude ist halt eher frigidaristisch, aber hätte auch schlimmer kommen können. Wer weiß, was den Architekten da sonst alles hätte einfallen können, "um so eine markante Straßenecke zu beleben"...

  • Soviel kann man anhand der Zeichnungen nicht sagen, aber das Eckhaus sieht eigentlich ganz annehmbar aus. (...)

    Das Eckhaus ist doch das Schuhgeschäft Haug, welches eine Art Rekonstruktion darstellt. Das Haus links daneben könnte wenigstens Fenster mit einer Sprosse bekommen. Das sollte das absolute Minimum sein. Wie ich schonmal erwähnt hatte, bin ich aber froh, daß das Haus relativ klein & schmal ist. Da stört es nicht so extrem.

  • Au weia, das ging gründlich daneben!
    Frigidaristisch ist ein gutes Wort, wenngleich sehr euphemistisch für dieses platte, aufdringliche wie abstoßende Erscheinungsbild dieses neuen alten Eckhauses. Mit einer derartien Geschmacklosigkeit erweist man den Rekobestrebungen einen Bärendienst (wenn man dieses unsympathische wie zumeist auch unangebrachte Wort unbedingt verwenden will).

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Aber vorher sah´s ja nicht viel besser aus, oder täusche ich mich da? Zumindest wurde die Maßstablichkeit gewahrt. Es hätte ja viel schlimmer kommen können.

  • Zitat

    Eine Lochfassade ist noch kein Beitrag für das Stadtbild. Warum verstehen das so wenige?


    Meine Kritik richtet sich nicht gegen den traditionellen Neubau des Eckhauses, das keine Rekonstruktion darstellt, sondern gegen den Neubau Kanzleistraße 19.

  • Wir haben schon verstanden, daß es Dir um Haus Nr. 19 geht. Das Eckhaus steht ja auch bereits. Aber wenn das Eckhaus keine Rekonstruktion darstellt, ist es eben ein Nachbau. Ganz gleich wie man es nennen möchte, es ähnelt dem Vorgänger schon sehr. Bei der Nummer 19 muss man abwarten. Ist halt nur ´ne platte Wand mit sprossenlosen Fenstern. Das Ding könnte auch in den 1950ern entstanden sein.

    Hier sieht man schön, wie breit das Haus wird.

    http://www.suedkurier.de/storage/pic/re…bild_22-1-3.jpg