Natürlich steht in Mümchen wie in Stuttgart allerhand Wiederaufbaumüll herum und noch viel mehr Gegenwartsmüll. Dennoch halte ich es für absurd, die beiden Städte gleichzusetzen. In München herrschte von den ersten Nachkriegsjahren an der Wille, das bedeutende Stadtbild weitgehend zu erhalten und sogar in einem Ausmaß zu rekonstruieren, wie es keine andere deutsche Stadt auch nur im entferntesten angestrebt hat. Wem das nicht bekannt ist, der mache sich die Mühe, die Ludwigstraße zu erwandern, die Maximilianstraße, die Brienner Straße mit Wittelsbacherplatz, den Odeonsplatz, den Hofgarten, den Max-Joseph-Platz, den Königsplatz, die Residenzstraße, die Residenz selbst, alles, alles rekonstruierte Straßen und Platzanlagen, die den Ruhm Münchens als "heimliche Hauptstadt" dere Nachkriegsjahrzehnte begründeten. Und wo man nicht rekonstruiert hat, ging es wenigstens darum, die Stadtstruktur wiederherzustellen im Sinne einer "kritischen Rekonstruktion", als dieser Begriff noch nicht geboren war. Wo dann doch mal ein verkehrsbedingter Straßendurchbruch gewagt wurde, im Falle des Altstadtrings Nord-Ost, wurde diese Wunde sofort als Skandal empfunden und in immer neuen Planungsanläufen wurde eine Heilung angestrebt, die bis heute nicht wirklich geglückt ist.
Ganz anders Stuttgart. Die Stadt, die sich in den Zwanziger Jahren mit dem Experiment der Werkbundsiedlung Weißenhof auseinandersetzen musste und diese am liebsten wieder aus der Stadt eliminiert hätte und auch sonst kaum Berührung mit der Architekturmoderne in großem Stil hatte, fühlte nach dem Zweiten Weltkrieg eine Pflicht zur Wiedergutmachung gegenüber dieser Moderne. Zumindest war das die Haltung der Planer, und diese sorgte in einem beispiellosen Furor gegenüber der Stadtgeschichte, dass zahllose wiederaufbaufähige Repräsentationsbauten beseitigt und die Stuttgarter Innenstadt zu einer erbärmlichen Karikatur einer Metropole amerikanischer Prägung mit Stadtautobahnen und Kistenarchitektur geriet. Der Gegensatz zu dem geschichtsbewussten München lag wohl vor allem daran, dass man gar nicht wusste, was man hatte, es nicht schätzen konnte und es leichtfertig verschleuderte. Aber das führt uns auf ein anderes noch kaum irgendwo gründlich behandeltes Thema: der Geschichtshass der Nachkriegsgeneration, der die zweite Zerstörungswelle in unseren Städten verursachte.