Klassische Neubauprojekte

  • "Eisenzahn1", blöder Name, tolles Projekt! Ismaninger Straße in München, auch schön. Es geht doch! Beide Gebäude haben endlich mal einen eindeutigen Bezug zu Berlin bzw. München. Stilistisch passen sie dorthin wo sie stehen, kein beliebiger Kisten-Neoklassizismus mit Staffelgeschossen, der sich höchstens in der Fassadenmaterialität unterscheidet. Im Süden Gelb- und Erdtöne, im Norden Weiß oder verklinkert.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Ich sag nur WOW, Eisenzahn 1. So muss das sein! Ralf Schmitz verwirklicht die tollsten Projekte. An diesem Entwurf gibt es wirklich nichts auszusetzen, das sieht ja schicker aus als mancher Altbau.

    In dubio pro reko

  • Also so toll finde ich das Gebäude jetzt auch nicht, z.B. sind die Fenster viel zu klein um als Altbau gelten zu können. Aber selbstverständlich um einiges besser als so manch anderer Neubau.

  • Es soll ja auch nicht als Altbau gelten. Um es aber als richtungsweisenden Neubau akzeptieren zu können, müssen wir uns eben an abgewandelte Proportionen gewöhnen, die durch die heute üblichen Stockwerkshöhen bedingt sind. - Übrigens sind die von Johan präsentierten Gebäude sicher höchst bemerkenswert, aber der Betrachter bleibt weithin im Unklaren, ob es sich jeweils um ein rekonstruiertes, ein historisierendes oder ein historistisches Gebäude handelt. Nur wenn diese Unterscheidungsmöglichkeit klar und diszipliniert aufrechterhalten wird, kann sich diese Baugesinnung künftig auch in unseren Breiten gegen die modernistische Ideologie durchsetzen.

  • Pfälzer Bub: Eisenzahn 1 ist kein so blöder Name, sondern schlicht die Adresse des Projekts (Eisenzahnstraße 1, Berlin-Wilmersdorf). Der Name der Straße bezieht sich auf, und hier zitiere ich die für Berliner Straßennamen und ihre Herleitung so verdienstvolle wie hilfreiche Netzseite luise-berlin.de,
    "Friedrich II., der Eiserne, Kurfürst von Brandenburg, *
    19.11.1413 Tangermünde, + 10.2.1471 Burg Plassenburg bei Kulmbach.Der Sohn von Kurfürst Friedrich I. wurde 1437 Regent in der Mark Brandenburg, nach dem Tod seines Vaters regierte er als Kurfürst von 1440 bis 1470. Er setzte in Brandenburg die landesfürstliche Gewalt gegenüber Adel und Städten durch. So beseitigte er 1442 die Autonomie der Doppelstadt Berlin-Cölln und traf in der Folge weitere, auf die Beschneidung der Rechte der beiden Städte gerichtete Maßnahmen, die 1448 zu einem offenen Aufruhr führten, der als "Berliner Unwille" bekannt geworden ist, und in dessen Verlauf die Bürger einen Richter des Kurfürsten gefangensetzten, seine Beamten vertrieben und Urkunden
    vernichteten. Der Kurfürst schloß schließlich mit ihnen einen Vergleich, in dem er Mäßigkeit bewies. Auf seine Herrschaft geht der Baubeginn des Berliner Schlosses zurück. Die von ihm erhobene Bierziese (1467) war der erste Versuch, eine indirekte Steuer einzuführen. Nach dem Tod seines letzten Sohnes übergab er die Regierung an seinen Bruder Albrecht Achilles und zog sich in seine fränkischen Besitzungen zurück. Sein Beiname Eisenzahn leitete sich aus dem eisernen Willen und harten Durchsetzungsvermögen ab, die ihm nachgesagt wurden.
    Bereits um 1885 trug dieser Straßenzug die Bezeichnungen Straße 22 a und Straße 27. Am 8. Januar 1892 erhielt der Abschnitt südlich der Westfälischen Straße den Namen Wohlauer Straße und der Abschnitt nördlich der Westfälischen Straße den Namen Eisenzahnstraße. Am 18. Juni 1911 wurde die Wohlauer Straße in die Eisenzahnstraße einbezogen."

  • An dem Haus in Osnabrück war ich vorgestern noch. Es fügt sich ganz gut ein und es sind auch gute Ansätze erkennbar, aber einige Dinge gehen einfach gar nicht. Die Fenster sind zum Beispiel absolut furchtbar proportioniert, die Gesimse laufen ins Nichts und die Haustür sieht aus wie ein rechteckiges schwarzes Loch. Auch die Verzierung oben am Giebel (ich weiß die offizielle Bezeichnung nicht) wirkt vollkommen unproportional.

  • Die Architekten müssen das proportionierte Bauen erst wieder lernen...100 Jahre Bauhaus haben ganz schön viel kulturhistorisches Wissen und Können verschüttet, das es langsam wieder zu heben gilt. Wenigstens haben einige Architekten (graue Enten) mittlerweile auch schon überrissen, dass die Bauhausleere eine Sackgasse ist. Da müssen sie eben zurück zu Weggabelung gehen und erst wieder den rechten Weg zurückfinden ;)

  • Danke Aldilette, ich wußte aber bereits wo der Name herrührt. Ist meines Erachtens trotzdem ein blöder Name. biggrin:)

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  • Die Architekten müssen das proportionierte Bauen erst wieder lernen...100 Jahre Bauhaus haben ganz schön viel kulturhistorisches Wissen und Können verschüttet, das es langsam wieder zu heben gilt.

    Da muss ich widersprechen. Die alten Bauhäusler der ersten Stunde waren Meister der guten Proportionen. Sie hatten ja alle noch eine klassische Ausbildung genossen und wußten darum alle von Palladio, Schinkel, Pöppelmann, Semper und anderen. Ein gutes Gebäude im Bauhausstil zu entwerfen ist eine hohe Kunst. Während gerade der Historismus mangelnde Bauqualität noch unter Unmengen an Dekor verstecken konnte, ist das eben ohne Stuck und ChiChi nicht mehr möglich. Das Problem heute ist, dass die heutigen jungen Architekten eben keine klassische Ausbildung mehr genießen, sondern das Feld praktisch von hinten aufrollen. Was über Jahrtausende letztendlich zum Bauhaus führte, war ein Prozesse der Suche und der Reduzierung, was letzten Endes zum maximalen Purismus führte. Man muss sich der Architekturgeschichte bewußt sein, um das Bauhaus und derart radikal moderne Architektur zu verstehen und letztendlich auch umzusetzen. Am Beispiel Eisenzahn 1 sieht man, dass dieser Architekt um die Geschichte der Architektur weiß und dementsprechend gut ausgebildet ist. Um ein solches Gebäude entwerfen zu können muss man den als Vorbild geltenden (Spät-)Historismus verstanden haben, es genügt nicht, wie bei dem von mir heftig kritisierten Beispiel vom Niederrhein, ein Allerweltsgebäude mit allerlei historisierendem Schnickschnack aus dem Baumarkt zu versehen.

    Dieses Foto vom Bauhaus in Dessau:
    http://static.panoramio.com/photos/large/49699011.jpg

    das bestimmt jeder kennt verdeutlicht meine Aussagen. Rein von den Proportionen:
    Genial! Man könnte das Foto hinsichtlich dessen auseinander nehmen und man würde sicher feststellen, dass es weit besser proportioniert ist als manche Kathedrale oder Schloss.

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  • Tut mir leid, das tut weh! Ja, ich muss so was bemängeln! hier stimmt doch gar nichts, keine Proportionen, keine einheitlichen Fensterachsen und -größen, das sieht nicht niederländisch, sondern extrem nach USA-Ostküstenkitsch aus. Tut mir leid, ist aber meine Meinung.


    Meine auch. Das Ding wirkt, unter anderem auch durch die gestauchten Proportionen, seltsam künstlich, fast wie - tja, in einem Freizeitpark?

    Dagegen ist der Bau in der Ismanninger Straße in München nahezu perfekt, da ist nichts kitschig, nichts mickrig, da stimmt m.E. alles. Mehr kann man heute nicht erwarten.

  • Ich möchte in diesem Zusammenhang nochmals auf den Driehaus-Preis verweisen, quasi den Pritzker-Preis der neuen klassischen Architektur. Die Preisträger gehören zu ebenjenen Gestaltern, die die "Alte Schule" beherrschen und wirklich etwas von Proportionen, Materialität, Regionalität und Urbanismus verstehen. Das sollte Vorbild für Architekten in aller Welt sein.

    http://architecture.nd.edu/about/driehaus-prize/

    & Wikipedia-Eintrag


    Wir müssen dieses Baby vor allem hier in Deutschland noch viel bekannter machen. Einige Architekten mit Potenzial zum ersten Preis gibt es hierzulande, da bin ich von überzeugt. Hier meine Zusammenstellung deutscher Architekten.

    Hier ein schönes Video über den Preis: http://www.youtube.com/watch?v=bc-9qhJvNBg

  • Das Video führt eindringlich vor, was für ein Strom hervorragenden, beglückenden, menschengemäßen Bauens mehr als ein halbes Jahrhundert lang an Deutschland vorbeigeflossen ist, was für ästhetische Verkrustungen hierzulande das Bauen und damit Geist und Gemüt der Menschen niederdrücken - bis hin zu der wahnsinnigen Vorstellung, Architektur sei erst dann gut, wenn sie wehtue. Man kann gar nicht genug daran tun, die Meisterwerke zeitgenössischen klassischen Bauens in außerdeutschen Ländern auch hier bekannt zu machen.

  • Ich denke auch, Pfälzer Bub trifft den Kern der Sache. Die Ausbildung muss grundlegend reformiert werden, so dass die jungen Architekten das klassische Handwerkszeug wieder lernen und das traditionelle Entwerfen gleichberechtigt neben dem modernistischen bestehen darf! Nieder mit den Altvaterdogmen! so wie das Bauhaus am Anfang des 20.Jhd eine Revolution war, so ist es heute der Schritt hin zur Wiederentdeckung und zum Wiedereinfordern der Tradition. Wohnte dem Bauhaus vor 100 Jahren noch der revolutionäre Geist inne einen neuen Menschen zu gestalten, abseits des Klassendenkens und der Schichtenschranken, so muss nüchtern festgestellt werden, dass dies nicht gelungen ist. Im Gegenteil, die Ergebnisse, die sich mit zunehmender zeitlicher Ferne des einsetzenden Bauhaus' über unsere Städte ausgebreitet haben, haben die Zerteilung und Zementierung der Unterschiede (z.B. zwischen unzerstören (Gründerzeit-)Bereichen und Neubausiedlungen) eher vorangetrieben (die Entwicklungen in der der DDR seien hier mal etwas ausgeklammert). So ist eine Entfremdung der Menschen zu ihrer Stadt (durch Lieblosig- und Austauschbarkeit) und eine Verwahrlosung des Stadtbildes festzustellen. Dies alles ging vor allem nach dem Krieg mit dem zunehmenden Wissenverlust der Architektenschaft einher, die das klassische Bauen "verlernte". Der Weg muss herausführen aus dieser Sackgasse. Die ersten zarten Ansätze dazu sind da.

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia


  • Dagegen ist der Bau in der Ismanninger Straße in München nahezu perfekt, da ist nichts kitschig, nichts mickrig, da stimmt m.E. alles. Mehr kann man heute nicht erwarten.

    In der Tat, ein Tourist wird dies für einen renovierten Altbau halten, in Unwissenheit darüber daß dort bis vor kurzen noch eine Betonkiste gestanden ist. Natürlich hätte ich mir mehr Fassadengestaltung gewünscht, jedoch ist das Gebäude durchaus sehr ästhetisch proportioniert. Nun ja, viele Münchner Bauten aus dem 18 Jahrhundert waren nun auch nicht gerade mit reichen Fassadenschmuck gesegnet, in so fern darf man wohl über eine gewisse "Fassadenneutralität" hinwegsehen.

  • Hallo,

    in der Wilhelmstr. 56 – 59 in Berlin-Mitte soll das....

    ..entstehen..unter dem Namen "Palais Berlin". Wie zu lesen:

    "Es gibt bereits eine Baugenehmigung, welche bis ca. März 2015 vom renommierten Architekten des Hotel Adlon`s auf den aktuellen Anspruch modifiziert wird."

    ..damit dürfte der Architekt wohl klar sein...

    Quelle: Palais Berlin
    Expose: Expose

    FugenBau

  • Garnicht mal schlecht!
    Was so ein Kupferdach (bzw. teilweise dessen Andeutung) so alles bewirken kann, aus einem Klotz wird ein Haus!

    Auch sonst erscheint mir das Gebäude in weiten Teilen gelungen, einer Hauptstadt würdig, gerne mehr davon!

    (Allerdings kann ich mir nicht den bösen Kommentar verkneifen, dass Albert-Speers Germania vielleicht doch noch irgendwann verwirklicht wird :biggrin: haha nein, es ist schon ok so, es ist Meckern auf hohen Niveau, aber ein bisschen mehr verspieltheit täte der Neo-neo-klassizistischen Architektur schon ganz gut)