Bremen - St. Ansgarii

  • Ich bitte die obigen -etwas unförmigen - Formate zu entschuldigen, aber die Illustration entstammen einer Präsentation und ich habe mir erlaubt, sie hier unverändert einzustellen.

  • Ich wage einmal zu behaupten, daß bei einer Parteinahme der Pastoren Speckmann, Liske und Schröder für die - sicherlich nicht kleine - gemeindeinterne Fraktion der Befürworter des Wiederaufbaus am historischen Ort, die Sirenengesänge des Hertie-Konzerns unerhört verhallt wären und das neue Warenhaus - wie ursprünglich geplant - auf dem alten Hotel Hillmann Areal am Herdentor hätte enstehen müssen. Der innerstädtische Einzelhandel (inklusive Karstadt) hätte dann nach einiger Zeit schon beruhigt festgestellt, daß Hertie am Herdentor eben doch nicht die Bindekraft hatte, alle aus Richtung Hauptbahnhof kommenden potentiellen Kunden abzufangen.

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (5. Januar 2020 um 11:40)

  • St. Ansgarii-Fonds 1948


    Für welches Projekt mag wohl dieser 'St.-Ansgarii-Fonds' Spenden gesammelt haben, der 1948 das - anliegend digitalisierte - Faltblatt mit dem Text von Luise Messerer vertrieb ? Bloß für die Finanzierung des Umbaus der Baracke der ehemaligen Organisation Todt an der Holler Allee zur Notkirche oder doch für den längerfristigen Wiederaufbau der alten Kirche in der Innenstadt ? Vielleicht gibt der letzte Satz des Textes Auskunft hierüber (wenn er auch vordergründig nur auf die Kirchturmsuhr bezogen ist):

    "Un wenn wi wedder mol een Scharskarken kriegen schulln, denn mutt dor just so eene her [...]."

  • Bis wir ein solches Baustellenfoto sehen werden können, ist noch viel Überzeugungsarbeit und auch ganz schlichte harte Arbeit zu leisten.

    Das Ergebnis wird dann aber Alle mehr als entlohnen.

  • Die urbanen Reize historischer Sichtachsen

    Solche Sichtachsen - wie auf dem folgenden Foto - sind es, die einen erheblichen Teil der Attraktivität historische gewachsener Altstädte ausmachen.Von den abgebildeten Bauwerken steht zur Zeit leider keines mehr: Im Vordergrund erkennt man die Perückengiebel der Häuser Langenstraße Nr. 30 (links) und Nr.31 (rechts - dies ist das kleinere und westliche, der beiden Häuser von Daniel Schad). Im Hintergrund ragt, wunderbar durch die Giebel gerahmt, Anschari empor.

  • In mehreren Briefen an den Präsidenten des Senats, Wilhelm Kaisen, und an den Weser-Kurier, wies Anfang der 50er-Jahre Johann Hinrich Prüser, Bruder des Leiters des Bremer Staatsarchivs, Dr. Friedrich Prüser, und Vorsitzender der "Vereinigung für Stadtbildgestaltung und Baurechtsreform", auf den Verlust der nach dem Krieg noch erhaltenen Bauten bzw. Bauteile hin. Von Kaisen wurde er immer wieder vertröstet und an die Behörden verwiesen (..."die zuständigen Stellen" (...) werden "durchaus das Erforderliche veranlassen").

    Für mich ist Johann Hinrich Prüser einer der frühen Helden, die für die Erhaltung des Stadtbildes gekämpft haben. Ich würde ihn sogar als Vorreiter unserer Stadtbild-Initiative bezeichnen. Leider ist er relativ erfolglos geblieben - wie viele nach ihm bis heute. Die "fachlichen" und politischen Kräfte waren einfach stärker - im Nichtstun und inder Verhinderung von Aktivitäten zur Erhaltung unseres Stadtbildes. Vielleicht schaffen wir es noch in Bremen, Johann Hinrich Prüser eines Tages ein kleines Denkmal zu setzen.

    Ich möchte mit den nachfolgenden Texten von ihm (Quelle: Nils Aschenbeck, Bremen "Der Wiederaufbau 1945 - 1960") seine Bemühungen wieder in Erinnerung rufen. In zwei Strängen werde ich diese hier einstellen:

    Einmal unter "Ansgarii", dann unter "Steffenstadt", was mit den Inhalten zu tun hat. Die Textzeilen habe ich kopiert, sodass sich daraus gewisse Unregelmäßigkeiten im Schriftbild erklären lassen, abrupte Abbrüche im Text weisen auf ein anderes Thema hin. Diese Einführung werde ich in beiden Strängen am Anfang gleichlautend einstellen.

    Hier nun ein Brief

    An Bürgermeister Wilhelm Kaisen:

                                                                                                                         

  • Beitrag von Iris Johanna Bauer im neuen ‚Bremischen Jahrbuch’

    In der neuesten Ausgabe des vom Staatsarchiv Bremen in Verbindung mit der Historischen Gesellschaft Bremen herausgegebenen und von Staatsarchivdirektor Prof. Dr. Konrad Elmshäuser redaktionell verantworteten ‚Bremischen Jahrbuchs’ (Band 98; 2019) ist auf den Seiten 234 bis 256 der Beitrag

    „Abschluß mit der Vergangenheit: Die Konflikte um den Abriss der Kirchenruinen von St. Ansgarii und St. Wilhadi in Bremen (1946 – 1964)“

    von Iris Johanna Bauer enthalten, der unter anderem ein hochinteressantes Streiflicht auf den vom Architekten Erik Schott unternommenen, allerletzten Rettungsversuch zum Erhalt der noch stehenden Ruinenteile wirft. Nach diesem Plan hätten hoher Chor, Zütphen-Kapelle und Schulhaus wieder instand gesetzt und dem Kaufhaus beigesellt werden sollen. Nicht ideal, aber allemal besser als der erfolgte Abriß !

    Jedem, dem das Bremische Jahrbuch zugänglich ist, sei dieser Beitrag wärmstens empfohlen. Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich hier leider kein Digitalisat einstellen.

    P.S.: Frau Bauer schließt ihre Abhandlung übrigens mit einem Verweis auf den hiesigen Verein zum Wiederaufbau von Anschari ab…

    :applaus:

  • Widfeld-Epitaph

    Nachdem der Innenraum von St. Ansgarii im Zuge der Ende des 16. Jahrhunderts erfolgenden ‚zweiten Reformation’ in Bremen (reformierter Prägung) seines bildnerischen Schmucks (z.B. aller ehedem über zwanzig Nebenaltäre !) verlustig gegangen war, füllten sich die nun leeren Wandflächen zügig mit Epitaphen für verdiente Gemeindemitglieder. Eines der schönsten und größten derselben war das um 1618 in barocken Formen und mit reichhaltigem heraldischen Schmuck verzierte Epitaph für Christopher Widfeld. Es befand sich in der Nordwand des westlichsten Joches des nördlichen Seitenschiffs und zwar rechts vom Fenster. Im Kriege schwer getroffen, konnten sich noch Teile des architektonischen Rahmens bis in die 1950er Jahre in situ halten. Nach dem Abbruch der Ruine existieren heute nur noch wenige Fragmente im Depot der Denkmalpflege.

    Lage des Epitaphs an der Nordwand des westlichsten Jochs des nördlichen Seitenschiffs (rot markiert).

    Blich vom Chorraum ins Kirchenschiff. Widfeld-Epitaph rot markiert.

    Detailansicht, welche die üppige Verwendung von heraldischen Elementen offenbart.

    Die Reste des Epitaphs in der zerstörten Kirche.

  • Vergänglichkeit

    In unseren gegenwärtig recht turbulenten Zeiten, hier einfach mal als kleine Auszeit das folgende ‚Memento Mori’ (Detail des 1944 beim Turmsturz zerstörten Epitaphs für den 1582 verstorbenen Cord Wachmann), welches im hiesigen Zusammenhang daran erinnern soll, daß nicht nur Menschen, sondern auch scheinbar für die Ewigkeit geltende modernistische Grundsätze von Bauverwaltungen und Architekten vergänglich sind. Selbiges gilt natürlich auch für die im Bilde zu sehenden architektonischen Usurpatoren…

    Auf Golgatha folgt immer der Ostermorgen. Und auf das ‚Bremer Carrée’ (dessen Sand im Uhrglas beständig hinunter rinnt) eines Tages sicher auch St. Ansgarii…

    (Collage auf der Basis eines eigenen Fotos von 2015)

  • Türen von St. Ansgarii

    Türen schützen und bergen die hinter Ihnen liegenden Räumlichkeiten. Werden sie geöffnet, bilden sie eine Schwelle zwischen dem Außenbereich und dem Inneren eines Gebäudes. Türen haben somit eine doppelte Funktion: Sie trennen und verbinden gleichzeitig.

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    Die Türen der Ansgarii-Kirche, so schlicht sie auch gestaltet waren, sind für uns Nachgeborene, die nie die Gelegenheit hatten, sie zu durchschreiten, heilige Pforten in eine erhabene Vergangenheit, die durch unsere Anstrengungen hoffentlich eines Tages wieder zur Gegenwart werden möge !

    Im Folgenden sollen diese Türen einmal kurz vorgestellt werden.

    01. Die westliche Außentür vom schlichten Turmportal gerahmt. Sie führte in den Vorraum zum Kirchenschiff unter der Orgel.

    02. Die Tür unterhalb der Orgelempore. Sie führte vom Vorraum im Turm ins Mittelschiff der Kirche.

    03. Die 'ausgelagerte ' Südtür im klassizistischen Anbau .

    04. Die Tür im südlichen Querhaus, die durch einen Gang mit der 'ausgelagerten' Südtür verbunden war. Hier ist sie im geöffneten Zustand fotografiert und es fällt ein Strahl Licht aus dem Gang in die Kirche hinein.

    05. Die Tür zur Zütphenkapelle (unter der Empore). Hinter ihr begann 1522 die Reformation in Bremen.

  • Ansgari-Torturm

    Nicht nur der Kirch-Turm von St. Ansgarii wies eine Tür auf, sondern auch der gotische Ansgaritor-Turm, einer der Hauptdurchlässe innerhalb der hochmittelalterlichen Stadtmauer, wobei es sich hier eher um ein Tor denn um eine Tür handelte. In Zeiten von Gefahr (Belagerungen / Seuchen) war das Schließen dieses Tor natürlich ein probates Mittel für die Stadtväter, die Bürger vor Unbill zu schützen...

    Nun , heute steht das Tor dafür nicht mehr zur Verfügung, denn es wurde leider bereits in den 1820er Jahren abgetragen.

    Anbei zwei Ansichten des Zweiklanges der beiden nach St. Ansgar benannten Türme: Torturm und Kirchturm. Das Medaillon stammt aus der Werkstatt von Otto Bollhagen und hängt im Festsaal des neuen Rathauses. Das Aquarell von J.G. Walte ist kurz vor dem Abbruch des Tores entstanden. Bollhagens Werkstatt hat sich zwar an dem Walte Aquarell orientiert, sich aber gleichzeitig auch einige Freiheiten bei der Darstellung genommen. So ist z.B. der in den bremischen Farben Rot und Weiß gebänderter Schlagbaum nur bei Bollhagen zu sehen. Der Baum wir auf dem Bild übrigens gerade heruntergelassen... (nachdem eine ausreisende Kutsche ihn soeben passiert hat).


  • Die 'Magie' der Orgeln in den großen Backsteinkirchen im norddeutschen Raum

    In dem monumentalen Vierteiler des Fernsehens der DDR über das Leben des ‚5. Evangelisten’ / Größten Musikers aller Zeiten („Es mag sein, daß nicht alle Musiker an Gott glauben, aber an Bach glauben sie alle !“), wurde zur Illustration von Johann Sebastians Zusammentreffen mit Dietrich Buxtehude in Ermangelung (und als Substitut) der kriegszerstörten Orgel von St. Marien in Lübeck, der Orgelprospekt von St. Jakobi in Stralsund vor die Filmkamera gebracht. In der einschlägigen Sequenz wird die ansonsten von spätabendlicher Dunkelheit umgebende Orgel durch eine hinter ihr befindliche Lichtquelle in ein geradezu magisches Licht getaucht (welches Fans von Tolkien möglicherweise an Jacksons cineastische Version von 'Minas Morgul' erinnern mag), das sich tief in die Erinnerung einbrennt (siehe das obige Bild).

    Beim Betrachten der – hier schon häufiger eingestellten – Ansicht des Kirchschiffs von Anschari, fiel mir nun auf, daß auch der hiesige Prospekt diesen Lichteffekt gehabt haben könnte, da ja auch hinter dieser Orgel ein großes Westfenster vorhanden war. Auf dem Foto ist hinter den Prospekttürmen ein solcher zumindest ansatzweise zu erkennen. Leider existiert aber wohl kein Foto, welches die alte Orgel in eine ebensolche Abenddämmerung gehüllt und nur von dem hinter ihr liegenden Fenster erhellt zeigen würde, wie die Kollegin in Stralsund. Schade !

    Man mag mich bitte korrigieren, wenn ich hier irren sollte, aber für mich ist diese potentielle Ähnlichkeit in der optisch-ästhetischen Wirkung zwischen St. Jakobi Stralsund und St. Ansgarii Bremen ein Beleg dafür, daß die Backsteinkirchen des hansischen Raums von Flandern bis Estland eine ganz eigene spezifische Ausstrahlung haben, die in dieser Form im mittel- und süddeutschen Raum so nicht zu erfahren ist.

    Anbei noch eine historische Postkarte, auf der man das Westfenster (welches für den Lichteffekt hinter der Orgel verantwortlich war) gut sehen kann:

  • Mein lieber Pagentorn,

    einen ganz herzlichen Dank für diesen wunderbaren Text, aber leider muss ich Sie bezüglich der Filmsequenz korrigieren. Bach traf in der Szene nicht Dietrich Buxtehude in Lübeck, sondern Jan Adam Reinken in Hamburg. Grund war sein Probespiel un den Posten als Kirchenmusiker an St. Jakibi. Leider hatte der gute Bach keine 4.000 Taler um sich die Stelle erkaufen zu können...

    Die 'vernebelte' Orgel übrigens ist die große Stellwagen - Orgel in St. Marien in Stralsund. Man erinnere sich: DDR Produktion und keine Möglichkeit, an einem originalen Schauplatz im Westen zu drehen.

    Der historische Orgel Propekt in der neuen Angarikirche in Schwachhausen ist übrigens einmalig!!! :love:

  • Vielen Dank , lieber Ostwestfale, für die Richtigstellung. Man lernt eben nie aus !

    Als Dankeschön dafür, hier noch der kleine Hinweis, daß das Werk von Johann Sebastian Bach von den Organisten in St. Ansgarii immer sehr gepflegt worden ist.

    Zwar ist Bach nie in Bremen gewesen, er kam leider nur bis Hamburg , aber dafür hatte er im Laufe seines Lebens Umgang mit Menschen, die mit Bremen in Beziehung standen.

    Vor allem aber kann sich Bremen zugute halten, daß die vermutlich erste Aufführung der Johannespassion nach Bachs Tod, 1832 im Bremer St. Petri Dom unter der Leitung des Domorganisten Riem stattfand !

  • Ernst Grohne wollte das gesamte Instrument retten - der Turm kam ihm dazwischen !

    Lieber Ostwestfale,

    Gott sei Dank konnte aufgrund der mutigen Initiative von Ernst Grohne zumindest der historische Prospekt gerettet werden, der heute in Neu-St.-Ansgari aufgestellt ist. Aber auch das eigentliche Instrument war für die Auslagerung vorgesehen und die meisten Pfeifen waren schon abgebaut und im westlichsten Joch des Nordschiffes zwischengelagert worden. Der zusammenstürzende Turm hat diese dann dort leider unter sich begraben und den Plan des Abtransports zunichte gemacht. Sic transit gloria mundi !

    Bei einer Rekonstruktion des Gotteshauses gehört der prachtvolle Prospekt natürlich wieder an seinen angestammten Platz ! Zumindest aber ein originalgetreuer Nachbau. (Letztere Gedanke wurde von interessierter Seite hier schon einmal ventiliert ...)

    Anbei ein Foto der alten Orgel nach Abbau des Prospektes. Man blickt infolge der Auslagerung des Rückpositivs direkt auf den Spieltisch. Die entblößten Baßtürme würden jeder nüchternen Nachkriegsorgel alle Ehre machen, oder ?! Klar ersichtlich ist zudem, daß die Emporenbrüstung in situ verblieb. Diejenige in der neuen Kirche ist eine genuine Schöpfung für den Standort Schwachhausen !

  • P.S.:

    Auf dem Foto kann man bei näherem Hinsehen bereits erste deutliche Risse im Turmgewölbe und eine beginnende Neigung des - rechts im Bild sichtbaren - nördlichen Bogens des westlichsten Mittelschiffjochs erkennen. Das Foto ist somit nach dem Sprengbombentreffer im Turmfundament entstanden.

    Die umgehend nach dem Bombentreffer von der Baupolizei verfügte Schließung der Kirche für den gottesdienstlichen Gebrauch läßt sich nicht nur an dem recht unaufgeräumten Zustand , sondern auch an den leeren Steckleisten für die Gesangbuchnummern ablesen.