Bremen - St. Ansgarii

  • Die Ansgarii Ruine im Jahre 1953

    Anbei ein Foto, welches dem Band „Barfuß, Karl Marten / Müller, Hartmut / Tilgner, Daniel [Hrsg.]: Die Geschichte der Freien Hansestadt Bremen von 1945 bis 2005. Band 1: von 1945 bis 1969. Bremen 2008. Edition Temmen, S.242“ entnommen wurde (leider konnten die Autoren des Bandes für den Bildnachweis nicht die Urheberschaft des Fotos ermitteln).

    Das Bild zeigt den Bauzustand der Ansgarii-Runie im Jahre 1953. Bis auf den Schulhausgiebel sind schon alle Giebel abgenommen und Gurtbögen sowie Innenpfeiler restlos beseitigt worden. Aber selbst in diesem auf die Außenmauern reduzierten Zustand war die Ruine noch imposant zu nennen und hätte einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden können. Aber der Wille dazu fehlte letztlich bei den entscheidungserheblichen Stellen…

  • Der Aufruf zum Erhalt der Ruine im Wortlaut

    Anbei der von Jakku Scum und findorffer angesprochene Aufruf mehrere bremischer Institutionen zum Erhalt der Reste von St. Ansgarii. Er ist abgedruckt in den ‚Mitteilungen des Vereins für Niedersächsisches Volkstum e.V. Bremer Heimatbund. Mitgliedsblatt Nr. 25. Herbst 1958, S.3-5.

    Soweit verfügbar habe ich Porträts der Unterzeichner hinzugefügt. Zu Hermann Meyer wäre noch zu sagen, daß er der langjährige Leiter des Verkehrsvereins Bremen war und somit von Berufs wegen um die Außenwirkung und Attraktivität Bremens für Gäste besorgt sein mußte. Friedrich Prüser war neben seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Historischen Gesellschaft auch über mehrere Jahrzehnte Direktor des Staatsarchivs der Hansestadt. Er ist nach Wilhelm v. Bippen und vor Herbert Schwarzwälder einer der großen ‚Titanen’ der bremischen Historiographie gewesen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (10. Dezember 2018 um 12:55)

  • Blick vom Brill in die Zütphen-Kapelle im Jahre 1954


    Der Fotograf Georg Schmidt hat im Jahre 1954 vom Brill aus eine faszinierende Ansicht der Ansgarii-Ruine eingefangen. Man blickt von diesem verkehrsreichen Platz durch die Hutfilterstraße hindurch direkt in das Südschiff hinein, sowie auf die Ostwand des südlichen Querhauses. Die nördliche Hälfte der Letzteren enthält im Erdgeschoß den Zugang zur Zütphen-Kapelle. Da dieser nun ohne Tür ist, kann man unmittelbar auf das große schlichte Maßwerkfenster schauen, welches die Kapelle nach Osten hin abschließt.

    (Bild-Quelle: Schmidt, Georg: Harte und wilde Zeiten. Bilder aus den 50er und 60er Jahren in Bremen. Bremen 1991, Johann Heinrich Döll Verlag. Nicht paginiert. Jahr 1954.)


  • Ich finde ja auch den "Beifang" auf diesen Fotos immer faszinierend. Wir sehen auf dem unteren Foto quasi "en passant" eine weitgehend intakt erscheinende Nordbebauung der Hutfilterstraße inkl. des imposanten Eckbaus zur heutigen Bürgermeister-Smidt-Straße. Auf Foto weiter oben sieht man, dass die beiden jetzt von Jacobs zur Rekonstruktion geplanten Giebel am "Kontorhaus am Markt" Anfang der 50er noch intakt waren. Und natürlich, überall und auf jedem Foto das Lloydgebäude.

  • Hallo Pagentorn,
    schön, dass es dir gesundheitlich wieder besser geht und du wieder am Forum teilnehmen kannst.

    Eine sehr aufschlussreiche Lektüre diese 'Mitteilungen des Vereins für Niedersächsisches Volkstum e.V. Bremer Heimatbund, Mitgliedsblatt Nr. 25. Herbst 1958, S.3-5.'
    Wo kann man diese finden?

    Bemerkenswert finde ich den Absatz Das Ende von St. Ansgarii vor dem von dir markierten Teil des Textes.
    Da stellt sich mir gleich eine brennende Frage: Wo ist die Heinrich von Zütphen-Gedenkstätte, die zudem einen materiellen, baulichen Gegenwert von damaligen 300.000 DM aufweist? Wenn sie tatsächlich in Bremen errichtet wurde, muss sie entweder so abgelegen sein, dass ich mich dorthin noch nie verirrt habe – oder aber sie ist so klein und winzig, quasi unscheinbar, dass ich daran mein Leben lang vorbeigelaufen bin oder die Gedenkstätte unwissentlich mit Füßen getreten haben, weil ich tausende Male drüber hinweg marschiert bin.

    Bezeichnend ist auch der eiligst einberufende Kirchentag der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK). Wenn ich die Stadtgeschichte aus jenen Tagen so aufarbeite, finde ich es nicht mehr verwunderlich, dass die BEK in der Hansestadt über sinkende Mitgliederzahlen oder zahlungsunwillige, dafür aber austrittfreundliche Arbeitnehmer und leere Gottesdienste klagt. Die BEK hat den Bürgern der Hansestadt ihre bürgerliche Kirche genommen. Darüber hinaus hat sich
    die BEK ihrer eigenen Identität beraubt. Mehr noch, mit dem Ja zum Verkauf der Ruine an den Hertie-Konzern, hat sie ihre bremischen Wurzel entsorgt, den Ort, an dem die Reformation in Bremen begann. Religiös und kirchengeschichtlich ein unglaublicher Vorgang, für den ich keinen adäquaten Vergleich finden kann.
    Vielleicht doch diesen, augenzwinkernden Vergleich: Am Weihnachtstag, gleich nach Urbi et orbi, teilt der Papst der wartenden Menge mit, er habe die Grabeskirche an einen zahlungskräftigen Investor verkauft, der dort, im Herzen Jerusalems, eine mehrgeschossige Einkaufspassage auf dem Fundament der Grabeskirche errichten will, um die Innenstadt der heiligen Stadt zu beleben und zu einem Treffpunkt der Kulturen zu machen. In Fachkreisen munkelt man, der Zech-Konzern könne involviert sein.

    Einmal editiert, zuletzt von Jakku Scum (10. Dezember 2018 um 22:07)

  • Als Alles gelaufen war, wurde man sentimental…


    @ Heinzer

    Ja, der ‚Beifang’ ist immer wieder erstaunlich. Wenn man bedenkt, was alles trotz des Krieges noch vorhanden war und hätte gerettet werden können… Aber ich denke, findorffer hat den Zeitgeist recht gut beschrieben, welcher den behutsamen Umgang mit den ‚kriegsversehrten’ Ruinen und den nur leicht ‚Verwundeten’ verunmöglicht hat…

    @ Jakku Scum

    Die Mitteilungen des Vereins sind – so weit ich weiß – freihand oder magazinisiert in der SuUB vorhanden. Daneben – wie zu sehen – auch auszugsweise bei mir... ;)
    Die Gedenkstätte ist tatsächlich realisiert worden und zwar in Form der ‚Ansgar-Säule’ von Kurt-Wolf von Borries. Diese steht vor dem Gewerbehaus. Viele halten sie aus Unwissenheit für eine Markierung des ehemaligen Kirchenstandorts. Nichts ist verkehrter als diese Annahme, denn wenn sie stimmen würde, wäre der Ansgarikirchhof nur eine schmale Gasse zwischen Turm und Gewerbehaus gewesen. Nein, die Säule steht ungefähr dort, wo man zu Beginn der 1940er Jahre den unheilvollen Tiefbunker anlegte, der den Fundamenten des Turms gefährlich nahe kam…
    Der Bewertung der Handlungsweise der BEK brauche ich Nichts hinzuzufügen und auch die Sicht auf den gegenwärtigen Pontifex hat Einiges für sich…

    @ findorffer

    Ihre Darstellung des Spitzenkiels auf dem Themenstrang ‚Bremen-Innenstadt-Allgemeines’ (laufende Nummer 33) hat mich an ein kleines Begleit-Heft des Niederdeutschen Theaters in Walle erinnert, in welchem dieser Straßenzug im Zusammenhang mit St. Ansgarii erwähnt wird.
    Das Theaterheftchen wurde nach dem Abriß der Ruine herausgegeben. Da konnte man plötzlich ‚auf sentimental machen’…. Nun denn, Lüder Döscher, der sehr nett schreibt, konnte ja nichts für die falschen Grundsatzentscheidungen von Gemeinde, BEK und staatlichen Stellen…

    Anbei das Heft:
















    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (10. Dezember 2018 um 22:22)

  • Hallo zusammen!

    Ich melde mich dann auch mal wieder aus der "Versenkung". :D Eine deftige Erkältung, viel Arbeit und der vorweihnachtliche Stress lassen mir gerade leider kaum Zeit, mehr in diesem Forum beizutragen...

    Es freut mich jedenfalls zu hören, dass in puncto Öffentlichkeitsarbeit nun der Stein ins Rollen gebracht wurde. Auf die neue Website bin ich schon sehr gespannt! Eine zusätzliche Facebook-Seite ist ebenfalls goldwert (kann ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen).
    Das alles sind vielleicht auf den ersten Blick nur kleine Schritte, die uns aber Stück für Stück näher ans Ziel bringen.
    Geduld, Geduld... Bis 2022 ist noch viel Wasser die Weser runtergeflossen und vielleicht auch der ein oder andere Geistesblitz in Bremens politische und vielleicht auch kirchliche Köpfe eingeschlagen. :)

    Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt. - Platon

  • Der Reiz einer vergangenen Vergangenheitsdarstellung

    …nur wegen des gleichen Blickwinkels wie in den obigen zwei Beiträgen:


    Ungefähr so wie auf dieser Litho-Postkarte stellte man sich um 1900 den Blick vom mittelalterlichen Marktplatz in die Obernstraße und auf den Turm von St.Ansgarii vor.

    Richtig dürfte in der Tat sein, daß der ‚Riese’ wegen der wesentlich niedrigeren Bebauung um ihn herum, damals noch deutlich majestätischer aus dem Häusermeer emporragte, als es ihm seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert möglich war.

  • Vor 50 Jahren: Wie St. Ansgarii verschwand


    Detektiven gleich suchen wir die "Schuldigen" im Zusammenhang mit dem Abriss der Ruine der Ansgariikirche. Wir kehren an den Tatort zurück und versuchen herauszubekommen, was geschah in den 50er Jahren, wer sind die Täter. Stück für Stück fügen wir die Puzzleteile zusammen und bringen Licht in die Dunkelheit der Verleugnung und vielleicht sogar Scham? Der Abbruch der Ruine ist einer der vielen Cold Cases in dieser Stadt. Dass ich die Abrisse und den Umbau der Stadt Richtung Moderne für ein Verbrechen halte, habe ich schon an anderer Stelle kundgetan. Ich würde auch von einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit sprechen, hätte diese Begrifflichkeit nicht schon durch Erdogan und Putin eine abartige Konnotation bekommen.

    Ein weiteres Stück Klarheit könnte nun dieser Artikel aus dem Weser-Kurier von Erika Thies bringen: Der Kampf um den Erhalt der Ruine durch den Denkmalschützer Rudolf Stein wird thematisiert ebenso wie die Legende, dass durch den Bunkerbau vor der Ansgariikirche der Sockel marode wurde (was nicht stimmte) am Ende des Artikels. Und wir erfahren: die Ansgariikirche besteht noch, ja sie lebt, wenngleich nur in kleinen Teilen. Etliche Steine wurden von Rudolf Stein für die Kirche Unserer Lieben Frauen verwendet.

    Die Zusammenstellung der 4 Seiten war etwas kompliziert, schließlich musste ich eine große Zeitungsseite durch 4 teilen. Ich bitte um Nachsicht, falls der Lesevorgang schwierig sein sollte.


    Einmal editiert, zuletzt von findorffer (12. Dezember 2018 um 12:00)

  • Bravo, findorffer,
    daß Sie diesen wohl recherchierten und ergreifend geschriebenen Bericht von Erika Thies aus dem Archiv hervorgezogen haben.

    Die Beschreibung des Einsturzvorgangs durch den anonymen Augenzeugen ist sehr packend und geradezu atemberaubend.

    Vielleicht gelingt es ja eines Tages - wenn ausreichend Datenmaterial zusammen getragen sein wird - eine digitale Rekonstruktion des dramatischen Ereignisses zu erstellen; ähnlich denjenigen, die man bereits über den Sinkvorgang der Titanic betrachten kann. Natürlich bräuchte man dafür einen gewieften Informatiker...
    Freiwillige können sich gerne melden :computer:

  • Weitere Verbindung zur Dresdner Frauenkirche


    Sehr interessant ist, daß der vom Bremer Bausenator hinsichtlich der Kausalität des Bunkerbaus für den Turmsturz um eine gutachterliche Stellungnahme gebetene Professor Georg Rüth aus Dresden, von 1938 bis 1942 an den Sanierungsmaßnahmen der Dresdner Frauenkirche beteiligt war, in deren Verlauf ein Eisenbetonringanker um die Kuppel gezogen wurde.

    Hier der Wikipedia-Artikel über ihn:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_R%C3%BCth

    Somit haben wir hier eine weitere Verbindung zwischen der größten bisherigen Kirchen-Rekonstruktion in Deutschland und St. Ansgarii in Bremen. Ein großer Dank an Erika Thiess und findorffer dafür, dies aufgedeckt zu haben !

  • Bitte merkt euch den Namen: Axel Spellenberg. Nicht nur war der Architekt bereits vor 40 Jahren mit seinen Entwürfen der geistige Vater der Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt, er ist bis heute aktiv und ein glühender Verfechter traditionellen Bauens. Er ist auch auf Facebook mit leidenschaftlichen Beiträgen aktiv, wo immer es um Rekonstruktionen oder verfehlte Stadtplanung geht. Ich weiß nicht, ob dieser Entwurf für Bremen schon gezeigt wurde:

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Spe…iederaufbau.jpg

    In dubio pro reko

  • Warum wurde hier eigentlich noch nicht über die neusten Pläne des Lloydhofs diskutiert? Er liegt schließlich direkt dahinter

    https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/ge…bremen-102.html

    https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-…id,1791379.html

    Mit dem fast 40 Millionen teuren Umbau soll dem ganzen Ensemble ein Kasten aus Metall oder Plastik aufgesetzt werden.

    Zitat:

    "Eine Dachkonstruktion für den Lloydhof, die so spektakulär ist, dass sie Staunen auslöst." huh:)

  • Wohl eher eine Dachkonstruktion, die so hässlich ist, dass sie Erbrechen auslöst... Für so einen Unsinn scheint ja irgendwie immer auf irgendeine Art und Weise Geld da zu sein.

    Kultur ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt. - Platon

  • Der berühmte Satz von Gandhi trifft auch auf uns zu

    Vor dem Hintergrund der gestrigen Veröffentlichung des ‚Jury-gekürten’ Umbauentwurfs für den Lloydhof, der es doch tatsächlich fertig bringt, aus einem – zwar nicht idealen, aber dennoch zumindest das altstädtische Giebelmotiv aufnehmendem - Bau der Postmoderne einen dieser von Frau Senatsbaudirektorin Iris Reuther offensichtlich so heiß geliebten monotonen Klötze zu machen, ist es besonders interessant, die heutigen Reaktionen auf den Leserbrief von Renate Eilenberger, die – ebeneso wie wir -die Attraktivitätssteigerung der Altstadt von dem Wiederaufbau der St. Ansgarii Kirche abhängig macht, zur Kenntnis zu nehmen:

    Neben einem zustimmenden Beitrag, muß natürlich – von wegen der ‚Ausgewogenheit’ – auch ein Bedenkenträger zu Wort kommen, der die schon tausend Mal gehörten und von uns in vielen Beiträgen argumentativ entkräfteten, abgedroschenen Einwände vorbringt, nach denen man bereits jetzt zu viele Kirchenbauten in der Innenstadt habe und das ganze ohnehin realitätsfern sei. Viel besser als eine Rekonstruktion von St. Ansgarii sei es, im Zuge des möglichen Abrisses des ehemaligen Horten-Gebäudes, einen Teil des Kellers des Lloyd-Gebäudes zu rekonstruieren. Ein ‚toller’ Vorschlag, zumal ja ein Keller für das oberirdisch sichtbare Stadtbild so unglaublich viel Positives beisteuert…

    Aber etwas Gutes hat dieser ‚Bedenkenträger’ dann doch auch: Wenn die Gegner sich nämlich schon bemüßigt fühlen, öffentlich gegen uns zu argumentieren, dann ist die Zeit, in der sie meinten uns durch bloßes Ignorieren oder durch Lächerlichmachen loswerden zu können, augenscheinlich abgelaufen. Wie hat es Mahatma Gandhi einst so treffend formuliert:


    Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.


    Freunde, die Zeit des Kampfes ist nun angebrochen…