• Die verheerenden Folgen rein funktionalen Denkens für Identität und Attraktivität eines Stadtbildes

    Irgendwie haben es die 'Alten' besser verstanden, auch weniger bedeutende Gegenden einer Stadt durch Hinzufügung einiger ansprechender Details interessant und attraktiv zu machen. Die rein auf Zweckmäßigkeit hin orientierte Moderne läßt diese Fähigkeit demgegenüber total vermissen, wie der folgende Vergleich beweist:

    Abbildung 01
    Südlicher Brückenkopf der ersten 'Kaiserbrücke' mit den beiden Flankentürmen, sowie dem Turm von St. Ansgarii und ganz rechts der sog. 'Hagensburg', dem torartigen Einfahrtsgebäude zum 'Teerhof' auf der Flußhalbinsel zwischen großer und kleiner Weser.

    Abbildung 02
    Die gegenwärtige 'Bürgermeister-Smidt-Brücke' (die Nachnachfolgerin der ersten 'Kaiserbrücke). Tristesse bestimmt das Bild. Wer wird sich hier schon gerne lange aufhalten wollen ?

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (1. Dezember 2018 um 19:26)

  • Die Verzierung auch ganz profaner Gegenstände hat in menschlichen Kulturen eine Jahrtausende alte Tradition. Der Mensch empfindet detailliert gestaltete Formen eben als schön. Natürlich gibt es auch da ein "Zuviel". Aber im Umkehrschluss einen vollkommenen Verzicht vorzunehmen (der übrigens keiner ist), kann nicht richtig sein.

    Jacobs möchte die Essighaus-Fassade im 3D-Druck-Verfahren errichten. Was auf der einen Seite handwerksbegeisterte Menschen, Freunde des Echten, abschrecken muss (auch mich zu einem Gutteil), kann aber andererseits dazu verhelfen, recht kostengünstig neue Kunst am und im Bau zu beflügeln.

    Daraus entsteht also eine Chance für Rekonstruktionen, ebenso wie die Chance auf die Entwicklung ganz neuer Stile. Bauherren und Architekten benötigen allerdings Mut, einen Schritt rückwärts aus der Sackgasse zu machen.

  • Für mich überraschend im Text unter dem Bild stehend, dass die Ansgaiigemeinde das Grundstück erst gar nicht an den Hertie-Konzern verkaufen wollte, sondern "für die Ruine eine Lösung im Sinne des veröffentlichten Bebauungsplanes" suchte. Nur 1. was heißt das? und 2. wissen wir Spätgeborene ja inzwischen, dass die Ansgaiikirchengemeinde des Grundstück dann doch an den - Hertie-Konzern verkauft hatte.

  • Hallo findorffer.

    Daran, dass die Gemeinde nicht gleich beim ersten 'unmoralischen Angebot' schwach geworden ist, meine ich mich zu erinnern.
    Sehr interessant ist da tatsächlich die 'Lösung im Sinne des veröffentlichen Bebauungsplanes'. Auf welchen Bebauungsplan wird hier Bezug genommen? Etwa auf den Bebauungsplan des ersten Investors, der die Gemeinde nicht hinter dem Altar hervorlocken konnte? Oder gab es gar andere Lösungen für den Platz? Etwa von Seiten der Stadt? Und wenn ja, wie sahen diese aus? Existieren diese Pläne noch? Kann man sie vielleicht noch einsehen?

    Wo ist Pagentorn, wenn an ihn braucht?
    Kann er Licht ins Dunkle bringen?

    findorffer, aus welcher Zeitung ist dieses Bild und gibt es dazu noch einen ergänzenden Artikel?

    Was mich zudem irritiert: Ich dachte, das wunderbare Lloydgebäude, das man im Hintergrund sehen kann, wäre viel eher abgerissen worden.
    Tragisch schön, dass es am 19.01.1956 noch stand und zusammen mit der Kirchenruine auf diesem Foto verewigt wurde.

  • Ich hatte auch überlegt, auf Basis dieses Fotos noch etwas zum Lloydgebäude zu schreiben, es mir dann aber verkniffen wegen der drohenden schlechten Laune ;). Das Lloydgebäude wurde meines Wissens erst 1968 (!!) abgebrochen, allerdings hat mich der auf dem Foto oben zu erahnende Zustand auch überrascht. Ich wusste zwar, dass es nur beschädigt war und große Teile recht bald nach dem Krieg wieder zur Verfügung standen für die Bauverwaltung, aber de facto sieht man auf dem Bild ja ein intaktes Gebäude, das nur ein bisschen Fassadenschmuck und eben den Turm (tlw.) verloren hatte. Es gab bestimmt auch noch andere Gebäudeteile, die schlimmer zerstört waren, trotzdem erfüllt es einen mit ungläubigem Staunen, dass so etwas noch 1968 abgerissen werden konnte. Ich denke, nur 5, spätestens 7 Jahre später hätte die Sache schon ganz anders ausgesehen.

  • Hallo Heinzer,

    danke für die prompte Ausführungen, ich hatte das nicht mehr so auf dem Schirm.

    Damit die schlechte Laune nicht weiter in uns gären kann, werde ich jetzt auf das Jahr 1968 und den Abriss des Lloydgebäudes nicht weiter eingehen.

    Du triffst auch so den Nagel auf den Kopf...!!!

  • Jakku Scum, der Artikel stammt aus dem Weser-Kurier vom 13.1.2006, aus der "Serie" von Erika Thies: "Bremisches vo 50 Jahren". Der zum Bild ergänzende Artikel steht unter dem Bild. Zum Lloydgebäude: Abriss Ende Oktober 1968 bis März 1969. Der Horten-Konzern hatte das Gelände gekauft um dort sein Flaggschiff, den größten Horten-Bau Deutschlands, zu errichten.

    Einmal editiert, zuletzt von findorffer (6. Dezember 2018 um 12:00)

  • Schaut Euch einmal diesen kurzen Film an über den Norddeutschen Lloyd und auch ab der Minute 2:07 sieht man das erhaltene Gebäude und dann auch das Treppenhaus...bezeichnend auch die Interviews zum Schluss. 1968...wie dummdreist und kulturlos die Menschen in diesen Tagen waren und mitunter weht dieser abgestandene Muff dieser Tage leider noch immer durch die Ämter und Hochschulen.


    So, aber nun staunt selbst:

    https://www.youtube.com/watch?v=BgprYWId7sY

    Einmal editiert, zuletzt von Exilwiener (5. Dezember 2018 um 23:43)

  • Und ich bleibe dabei, dass "1968" eine Reaktion auf genau diese Form von "Stadtsanierung" war. Es ist und bleibt unlauter, der 68er-Bewegung die rigorose Abrisspolitik der Nachkriegsjahrzehnte anzulasten. Man kann der 68er-Bewegung vieles vorwerfen, aber neben dem "Muff von 1000 Jahren" an den Universitäten war es gerade diese Form von brutaler Stadtsanierung, die die jungen Leute auf den Plan gerufen hatte. Viele der heute extrem beliebten Gründerzeitviertel in Westdeutschland gibt es überhaupt nur noch ihretwegen und auch bei Altstadtsanierungen hatten sie ihre Finger im Spiel.

    In Göttingen etwa war eine der Initialzündungen für die Studentenbewegung der Abriss des Universitätsreitstalls für, man ahnt es schon, Hertie (das genau wie in Bremen Hertie auf dem Platz der Ansgariikirche und Horten auf dem Platz des Lloydgebäudes natürlich schon 20 Jahre später wieder zumachte).

    Abgesehen davon aber natürlich Zustimmung, ein erschütterndes Zeugnis der Barbarei.

  • Gibt es eigentlich schon eine Community bei Facebook für den Wiederaufbau des Ansgarii-Kirchturmes? Oder sonstige relevante Öffentlichkeitsarbeit?

    Die Beiträge hier sind für die Dokumentation klasse, bringen für die öffentliche Wahrnehmung aber fast nichts.

    Ich will das nochmal mit Nachdruck wiederholen. All die Dokumentation ist schön und spannend, doch ohne Öffentlichkeitsarbeit wird es keine Ansgariikirche geben können!

    Hier wird schließlich schon seit über 8 Jahren in diesem Diskussionsfaden allerhand Material gesammelt...

  • Lieber erbse,

    du musst bitte verstehen, dass in Bremen ein anderes Zeitmaß gilt als im Rest der Republik.
    So mahlen die Mühlen hier viel llllllaaaaaaaaaaaannnnnnnngggggggggssssssssaaaaaaammmmmmmeeeeeerrrrrr!!!!

    Ich kann den Nachdruck in deinen Worten gut verstehen, mir ergeht es ebenso. Es ist ein weiteres Jahr verstrichen, in dem das Projekt keinen realen Schritt weitergekommen ist. Das ärgert mich in sofern, weil im letzten Dezember, 2017, hier in Bremen eine Tür für uns, die Ansgarii-Freunde, aufgegangen ist. Aber wir haben es versäumt, nachhaltig einen Fuß in diese Tür zu bekommen. So haben in dem vergangenen Jahr diverse Ideen-Meisterschaften und Tagungen zur Gestaltung der Innenstadt in Bremen stattgefunden, allerdings ohne uns. Es ging ja nicht darum, gleich auf dem Podium einen Vortrag zu halten, so aber doch immerhin präsent zu sein, die Ohren zu spitzen und möglicherweise erste, zarte Kontakte zu knüpfen, die mit Sicherheit in der Stadt vorhanden sind.

    Nun, Ende November und Anfang Dezember sind endlich wichtige Schritte in die richtige Richtung unternommen worden, die dann das Projekt 'St. Ansgarii' und das Motto 'Back-up der Bremer City' sowie 'Bremer gestalten Bremen' – hoffentlich – im nächsten Jahr auf den Weg bringen werden. Dazu wird mit Sicherheit neben der Öffentlichkeitsarbeit auch Auftritte als Webseite und als Account bei Facebook und Co sein.

    Dieses Jahr müssen wir daher wieder einmal als eine Null-Runde abschließen, ich hoffe, Ende des Jahres 2019 werden wir dieses nicht mehr vermelden, sondern eine andere, positivere Bilanz ziehen können.Wir dürfen auf keinen Fall das große Ziel aus den Augen verlieren, und das ist das Jahr 2022, das Jahr, in dem in Bremen 500-Jahre-Reformation gefeiert werden. Dieses Ziel sollte uns einen, Kraft und Energie liefern, denn eine Rekonstruktion der Kirche ist längst nicht mehr so 'irre' wie noch vor ein paar Jahren, es ist in der Tat eine Basis, ein Fundament in der Stadt vorhanden. Diese Basis, dieses Fundament sollten wir unbedingt für unsere Zwecke nutzen...!

  • Hallo findorffer,

    nach deinem Hinweis bin ich virtuell in das Zeitungsarchive gestiegen, und habe die Weser-Kurier Ausgabe vom 19.01.1956 'ausgegraben'.

    DIe Verlinkung der entsprechenden Seite scheitert leider, weil man sich dafür als zahlender Zeitungsleser des Weser-Kuriers outen muss. Ich hatte das bereits befürchtet, dass man nur mit einem Lock-in die Seiten des Archives aufrufen kann. Ich kann die Seite oder den Artikel auch nicht kopieren, deshalb müssen wir das hier in Trockenübungen machen.

    In dem Artikel wird von einer 'Spende' gesprochen, die der Gemeinde zugekommen sein soll. Wissen wir mehr über diese Spende?

    Entsprechend der damaligen, politischen Windrichtungen, kann sich Bau-Senator Balcke nicht vorstellen, dass die Ruine als Denkmal für die Kriegsopfer dienen könnte. Ausdrücklich erwähnt er den Lärm um den Platz herum oder in dessen Nähe. - Wie lächerlich ist das denn? Als die Kirche noch intakt war und Gottesdienste in ihr abgehalten wurden, war der Lärm wohl kaum weniger bzw. leiser, Einkehr und Besinnung fand man in der Kirche schon seit Jahrhunderten trotz des 'Stadtlärms'. Wäre also nach 1956 dort ein Denkmal für die Kriegsopfer eingerichtet worden, wäre die 'Einkehr' und die 'Besinnung' allein durch das historische Erbe der Ruine und des Platzes entstanden – unabhängig vom Lärm...!

    In dem Artikel vom 19.01.1956 wird von einer vorangegangen Berichterstattung gesprochen. Am 29.12.1955 erschien daher ein ergänzender Artikel.
    Hier wird ein gesonderter Ausschuss erwähnt: Planungs- und Aufbauausschuß der Aufbaugemeinschaft Bremen. Hier sollen namhafte Bremer Architekten vertreten gewesen sein zum Wiederaufbau Bremens. - Was ist darüber bekannt?

    Was ist außerdem über die Gewichtung oder Stimmkraft dieses Ausschusses bekannt? Hatte er tatsächlich Einfluss auf städtische oder politische Entscheidungen in Bremen (nicht unbedingt in Sachen St. Ansgarii – wie wir ja alle wissen)?
    Denn einerseits schlägt der Ausschuss den Erhalt der Ruine vor bzw. folgt der Auffassung, der Platz solle nicht wieder bebaut werden?
    Unvorteilhafter ist da der Vorschlag des Ausschusses zum faulen Kompromiss, das Katharinenkloster für den Erhalt der Ansgarii-Ruine zu opfern. Wie die Zeit und die Geschichte uns lehrte, fielen beide Gebäude der 'Stadtentwicklung' zum Opfer.


    Noch ein paar Sätze zum Lloydgebäude: Auch hier lehrte und die Zeit und die Geschichte, dass es möglicherweise an einer sinnvollen Nutzung des Gebäudes lag, die den Verkauf und Abriss beschleunigte. Dabei lag die Nutzung doch auf der Hand: Das Gebäude beherbergte bereits das Senats-Bau-Ressort; warum sind damals im Lloydgebäude nicht sämtliche politischen Ressorts des Landes Bremens zusammengefasst worden? Heutzutage liegen sie in der Stadt verstreut, hätten sie doch zentral an einem Platz angesiedelt werden können, dem Lloydgebäude. Und nach dem Besuch der Finanzbehörde hätte man im 'Remmers' auf die zu erwartenden Steuerrückzahlungen schon einmal anstoßen können!!!

    Einmal editiert, zuletzt von Jakku Scum (9. Dezember 2018 um 13:55)

  • Artikel aus dem Weser-Kurier vom 19.01.1956:

    Kirchenvorstand von St. Ansgarii beschließt:

    Kaufangebot wird nicht angenommen“

    Bisher noch unbekannt, ob Grundstück an die Stadt verkauft wird

    Der Kirchenvorstand der St. Ansgarii-Gemeinde hat beschlossen, ein Kaufangebot für das Ruinengrundstück am St. Ansgarii-Kirchhof nicht anzunehmen und für die Ruine eine Lösung im Sinne des veröffentlichten Bebauungsplan zu suchen. Der Beschluß wurde einstimmig in einer Sitzung am Dienstag gefaßt. Die Gemeinde wollte keine weiteren Einzelheiten zu diesem Beschluß mitteilen.

    Von dem Senator für das Bauwesen, Alfred Balcke, erfuhren wir, daß diesem Beschluß keine erneuten Verhandlungen zwischen der St. Ansgarii-Gemeinde und der Bauverwaltung voraufgegangen sind. Die Entscheidung, so meinte Senator Balcke, dürfte vielmehr auf eine große Spende zurückzuführen sein, die der Gemeinde zugesagt worden sei. Es könne angenommen werden, daß sie etwa die Differenz ausgleiche zwischen dem von einem Warenhauskonzern gebotenen Kaufpreis in Höhe von 1,7 Millionen Mark (der W-K berichtete kürzlich davon) und dem, was die Stadt zahlen könne, nämlich etwa eine Million Mark.

    Es sei bisher noch völlig offen, ob das Grundstück nunmehr an die Stadt verkauft werden sollte. Senator Balcke hielt es für denkbar, daß die Gemeinde zu dem Entschluß käme, selbst Läden zu errichten und zu verpachten, um auf diese Weise das Grundstück zu nutzen. Was weiter mit dem St. Ansgarii-Platz geschehen sollte, müßten Verhandlungen zwischen der Gemeinde und der Bauverwaltung ergeben. Es liege jedoch bei der Gemeinde, ob sie an die Bauverwaltung herantreten wolle.

    Senator Balcke sagte, er persönlich habe Bedenken gegen den Plan dort eine Gedenkstätte für Kriegsopfer zu errichten. Er glaube vielmehr, daß sich ein Platz, der von Verkehrslärm umgeben ist und in der Nähe der zukünftigen wichtigen Kreuzung Obernstraße und Westumgehung Markt liegt nicht als Ort der Besinnung und Einkehr eigne.

  • Artikel aus dem Weser-Kurier vom 29.12.1955:


    Für Erhalt der Ansgarii-Ruine

    Über das Schicksal der Ruine von St. Ansgarii dürfte in Kürze wohl endgültig entschieden werden. Die Meinungen, ob die Ruine erhalten oder abgerissen werden soll, sind geteilt. Wir berichteten bereits über das Angebot eines auswärtigen Kaufhauses, das für 1,7 Millionen Mark das Grundstück ankaufen und darauf ein Geschäftshaus mit Hochgarage errichten will.

    Auch der Planungs- und Aufbauausschuß der Aufbaugemeinschaft Bremen hat sich kürzlich erneut mit der Zukunft des historischen Platzes beschäftigt. Der Ausschuß, in dem namhafte Bremer Architekten tätig sind, hat seit dem Krieg wichtige Vorarbeit für den Wiederaufbau Bremens geleistet. Einstimmig kam er zu der Auffassung, man solle den Platz nicht wieder bebauen.

    In einer an Oberbaudirektor Dr. Rosenberg gerichteten Empfehlung schlägt der Ausschuß vor, die Stadtgemeinde solle den Grund und Boden der ehemaligen St. Ansgarii-Kirche mit Ausnahme der Zütphen-Kapelle von der Gemeinde übernehmen. Allerdings müsse der Stadt die Möglichkeit eingeräumt werden, die Grundstücke an der Seite der Obernstraße bis zur Ecke Ansgaritorstraße wieder zu veräußern, damit dort eingeschossige Läden gebaut werden können. Die Zütphen-Kapelle soll der Obhut der Ansgarii-Gemeinde unterliegen, während die Bremischen Evangelischen Kirche aus der Ruine von Querschiff und Chor eine der Allgemeinheit zugängliche Gedächtnisstätte für die Opfer des Krieges schaffen könne.

    Der Ausschuß fand es vertretbar, am Schüsselkorb auf die unter Denkmalschutz stehende Ruinenmauer des früheren Katharinenklosters zugunsten der geplanten Ortsumgehung des Marktplatzes zu verzichten, wenn dafür die Ansgarii-Ruine erhalten bleibt.

    Bereits 1947 war der zuständige Gebietsarchitekt der Aufbaugemeinschaft zu der Auffassung gekommen, das Grundstück der ehemaligen Ansgarii-Kirche dürfe nicht wieder bebaut werden. Sechs Jahre später wandten sich auch der Verein Niedersächsisches Volkstum, die Vereinigung für Städtebau, die Landesgruppe Bremen im Bund Deutscher Architekten und die Historische Gesellschaft gegen die ihrer Meinung nach unter keinen Umständen zu vertretende völlige Freigabe alten bremischen Kulturguts.

  • Wenn ich alte Aufnahmen der Verwaltungszentrale des Norddeutschen Lloyds sehe, verspüre ich mitunter wirklich Schmerzen. Das oben verlinkte Video habe ich mittendrin beendet. Nahezu 20 Jahre habe ich in Sichtweite des Platzes gewohnt. Gut kann ich mich noch an die Abrißbirne erinnern, die das damalige Kaufhaus - ich glaube es hieß Hertie - zu Klump gehauen hat. Dass direkt daneben an der heutige Stelle von Horten/Kaufhof das Lloyd-Gebäude stand, habe ich erst viel später erfahren, als ich eine alte Aufnahme der östlichen Altstadt sah. Am Lloydhof findet sich sehr versteckt eine kleine Plakette, auf der auch die alte Ansgarii-Kirche abgebildet ist - das war es dann auch schon.

    Mich hatte gewundert, zu welchem Gebäude dieser markante Turm wohl gehört hatte. Anfangs dachte ich noch, der heutige Fahrstuhl an der abscheulichen Außenfassade sei von den damaligen Architekten als Reminiszenz an diesen Turm angebracht worden,was aber angesicht der Lage (der Turm scheint näher an der Ecke zur Knochenhauerstraße verortet gewesen zu sein) nicht passt. Gewundert hätte es mich aber nicht. Studiert man nun Aufnahmen der östliche Altstadt, auf denen man noch recht gut erhaltene Bausubstanz sehen kann und vergleicht die Bilder mit heutigen Aufnahmen, dann kann man nur mit dem Kopf schütteln - vor allem da die Aufnahmen nicht von 1949 sind.

    Vor ein paar Tagen stand ich in Braunschweig vor der Fassade des Stadtschlosses. Egal was man über das Einkaufszentrum dahinter denken mag; der Platz an sich hat alleine durch die Rekonstruktion enorm an Ästhetik gewonnen und laut einiger Bewohner steht man der Reko auch sehr positiv gegenüber. Was einem dann aber doch ins Auge sticht - und darum der Bezug zu Braunschweig - ist das rechts davon stehende unsägliche Kaufhof-Gebäude mit seinen Horten-Kacheln, die gerade gut genug für nistende Tauben sind. Angeblich steht die Fassade sogar unter Denkmalschutz. Das mag viele verblüffen, ist aber angesichts der Funktion, die diese Behörde inne hat, fast folgerichtig - dem Amt geht es nicht primär um Ästhetik, sondern um Bewahrung des seine Zeit Prägenden. Da kann man nur hoffen, das Zech das gesamte Areal in Bremen dem Erdboden gleich macht, bevor der Denkmalschutz hier auf Ideen kommt.

  • Jakku Scum,

    ich sehe, Du bist inzwischen fündig geworden. Dann bleibt mir nur noch, zwei Fragen zu beantworten, einmal

    die Aufbaugemeinschaft war ein Zusammenschluss der Kaufleute aus der Innenstadt, die sich engagiert an der Stadtplanung beteiligte und Empfehlungen gab oder Kritik austeilte. Diese Aufbaugemeinschaft besteht bis heute.

    Zum Lloydgebäude ist zu sagen, dass zwar die Bauverwaltung dasselbe nutze, aber ja ganz andere, moderne Pläne im Hinterkopf hatte: den Bauhof mit 23 (?) Stockwerken an Rembertiring Das war das Begehren von Senatsbaudirektor Franz Rosenberg und seiner Mannschaft. Moderne Zeiten. Atemberaubende Architektur für die Architekten damals. Und dann noch die Hochstraße in unmittelbarer Nähe. Amerikanische Modernität. Wir bauen das neue Deutschland. Weg mit den alten Ideen und Stadtbildern. Der Ostertordurchbruch (Mozarttrasse) war ja ein willkommener Wegbereiter, das gesamte Viertel bis hin zur Kohlhökerstraße umzuwidmen. Dazu siehe auch meinen Beitrag zur Franz-Schütte-Villa.

    Zudem - das Lloydgebäude gehörte nicht der Stadt, sondern der AG-Weser. Und diese konnte mit dem Gebäude machen, was sie wollte, schließlich war es ja ein auf Wirtschaftlichkeit und nicht Stadtverschönerung ausgerichtetes Unternehmen. Und davon hat die AG Weser auch Gebrauch gemacht, wie es ihr Recht war. Natürlich hätte die Baudenkmalpflege hier eingreifen können. Aber der Baudenkmalpfleger Dillschneider, in dessen Verantwortung der Erhalt des Gebäudes gelegen hätte, war ja früher selbst Bestandteil von Rosenbergs modern ausgerichteten Team junger Architekten und dachte, wie die Modernisten halt so denken. Der Historismus war bei den modernen Stadtplanern extrem "unbeliebt", insbesondere aber das Lloydgebäude bei Dillschneider. Außerdem - Unterschutzstellung hätte ja auch Mühe gemacht, Zeit gestohlen, die Dillschneider brauchte, um sich seinem Lieblingsprojekt zu widmen - den Erhalt des Schnoorviertels.

    Einmal editiert, zuletzt von findorffer (10. Dezember 2018 um 11:32)

  • @ erbse

    Sehr geehrte erbse,

    bitte verzeihen Sie, daß ich - infolge Erkrankung und anderweitigen Verpflichtungen - erst jetzt dazu komme, auf Ihre berechtigte Frage / Anregung zu antworten.

    Ich kann Ihnen erfreulicherweise mitteilen, daß Ihre Überlegungen hier auf einen fruchtbaren Boden fallen: Ende November haben sich fast alle Bremer Foristen und darüberhinaus noch weitere Interessenten zusammen gesetzt, um die ja schon so lange fast fertige Vereinsumwidmung sowie die Zusammenarbeit mit dem Verein Stadtbild Deutschland zu besprechen und auf den Weg zu bringen. Wegen der Umwidmung stehen wir bereits in Kontakt mit einem Notar, der dann das Nötige mit dem Registergericht regeln wird. Und hinsichtlich des Auftritts bei Facebook hat sich Architekt Axel Spellenberg bei der Zusammenkunft sehr nachdrücklich für einen solchen eingesetzt. Alle Teilnehmer haben ihm beigepflichtet. Also im nächsten Frühjahr wird auch das in Angriff genommen werden.

    Das ist der aktuelle Sachstand. Sie sehen also, wir drängen nun mit Nachdruck an die Öffentlichkeit...


    P.S.: Auch die Wikipedia-Seite zu St. Ansgarii wird Stück für Stück ausgebaut. Leider ist die Zusammenarbeit mit den dortigen 'Sichtungsberechtigten' manchmal nicht ganz so geschmeidig, wie man es sich wünschen würde. Aber das kann ja noch werden...