• So, ich habe mal zwei äußerst höfliche und sachliche E-Mails verfasst und an zentralen Stellen platziert. Ich hoffe, somit vielleicht einen kleinen Stein ins Rollen zu bringen. Bei meinen Recherchen ist aufgefallen, dass die negative Entwicklung in Gütersloh erst seit zwei Jahren so richtig Fahrt aufnimmt. Hat es dort personelle Wechsel im Stadtbauamt oder in der Denkmalpflege gegeben oder ist dies einfach durch den niedrigen Zinssatz und damit hohen Investitionsdruck zu begründen?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Die Abrisswelle geht weiter. Nun soll auch noch das Haus Kirchstraße 19, unweit des gut erhaltenen Kirchplatzes abgebrochen werden:

    http://www.nw.de/lokal/kreis_gu…aus-faellt.html

    Zitat:
    Um den Erhalt des Hauses hatten der Besitzer und die Stadt lange gerungen. Der Eigentümer hatte es eigenen Angaben zufolge sanieren und um kleinere Anbauten ergänzen wollen - doch die Stadt habe das abgelehnt, weil eine vorgeschriebene Abstandsfläche zum Nachbarhaus nicht mehr eingehalten gewesen wäre.


    https://www.paradiesbauer.de/wp-content/upl….2-1024x682.gif

    Das Backsteingebäude stammt zwar erst aus den 1950er Jahren, es fügt sich aber gut in die von zahlreichen Altbauten geprägte Umgebung ein.

  • Die Stadt löscht ihre komplette Historie scheinbar selbst aus. Interessant finde ich aber auch, dass seitens der Bürger so wenig Gegenwind entsteht. In Ahlen gibt es mit den Stadtbildmachern einen aktiven Verein, obwohl es dort lange nicht so krass ist wie in Gütersloh. Meines Erachtens ist die Entwicklung in Gütersloh aber auch vor allem in den letzten 2 Jahren so schlimm geworden. Vorher hatte der jetzige OB die Leitung des Stadtplanungsamtes inne - hat dies evtl etwas damit zu tun?

    Der Bau aus den frühen 50ern ist genial, westfälischer Heimatschutzstil in Reinform. Hätte m.E. unter Denkmalschutz stehen sollen, aber der LWL agiert bei der Unterschutzstellung leider sehr vorsichtig.

    Was mich etwas stutzig macht ist, dass der Eigentümer es scheinbar erst zur Selbstnutzung umbauen wollte, jetzt kommt ein Neubau mit 5 Wohneinheiten. Diese Renditemaximierung kommt doch sicher nicht von ungefähr. Aber es hat in Gütersloh scheinbar System. Altbauten werden verkauft, der Neueigentümer will diese eigentlich erhalten, bedauert den Abriss mit Krokodilstränen und dann kommt plötzlich so ein riesiger Renditebunker dahin.

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  • Das Haus sieht auf dem zweiten verlinkten Bild aus wie neu. Was soll den daran groß saniert werden? Das Haus meiner Mutter (von meinem Opa gebaut) ist auch von 1950 und in tadellosem Zustand. Wenn man so ein Gebäude pflegt und nötige Reparaturen rechtzeitig durchführt, wird da ganz sicher kein Abriss nötig.

    Das macht man wohl nur, wenn man entweder zu viel Geld hat, oder total Geldgeil ist. Ob der Neubau die heiligen Abstände zum Nachbarn einhält, ist natürlich die Frage. - Helle Verklinkerung mit einer Mischung aus Sattel- und Flachdach. Oje, ich befürchte das Schlimmste. Ganz bestimmt wird der Neubau nicht so ansehnlich wie der Bestandsbau.

  • Der Investor Peter Oesterhelweg, der schon die Abrisse und Neubebauung an der Kökerstraße initiiert hat und jetzt den Abriss der beiden Häuser an der Münsterstraße plant (s.o.) hat noch ein weiteres Immobilienprojekt in planung, bei dem ebenfalls ein Altbau in Innenstadtnähe einem "ungewöhnlichen, dreigeschossigen Gebäude mit Staffelgeschoss" weichen soll:

    Lehrerhaus weicht Stadtwohnungen


    Außerdem gibt es im Innenstadtbereich noch das Areal des ehemaligen Möbelhauses Wellerdiek, dessen Neuentwicklung sich seit einigen Jahren hinzieht. Leider werden wohl auch dort weitere Altbauten fallen:

    Neue Pläne für das Wellerdiek-Areal

    Fotos auf Paradiesbauer.de

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  • Leider werden wohl auch dort weitere Altbauten fallen

    Ach mann, das wäre jammerschade... ;(

    Danke Booni für die Fotos auf "Paradiesbauer.de"
    Die Gründerzeitler könnte man lieber sanieren anstatt abzureißen. Soll bei einer Abriss-Planung etwa auch die schöne Jugendstil-Villa, unten dunkelrot, oben weiß gestrichen, mit dem mit Efeu bewachsenen Türmchen weichen? Ich meine die auf dem Foto rechts oben mit dem Schild auf dem steht: "Rends-ici Cabaret".
    Also, wenn sie die abreißen wollen, dann wäre das hoffnungslos verrückt... :kopfschuetteln:
    Ebenso das Haus von 1951 in der Kirchstraße 19 sieht wirklich noch so gut aus.


    Was geht bloß in deren Köpfen vor sich...? Nur die Dollarzeichen vor den Augen?

  • Nicht untypisch für diese Zeit.

    Aber gerade in Westfalen schon seit den 50ern Gang und Gäbe. Immer weg mit dem "alten Mist", ein Bewußtsein für das, was man hat, gab und gibt es nur punktuell: Die meisten Dörfer und Kleinstädte haben dort gerade mal ihre Kirche wahren können und ein bis drei Häuser um den Kirchhof, wo dann ein Heimatmuseum oder Dorfgemeinschaftshaus residiert und der Rest ist Schweigen, das feiert man dann als erfolgreiche Traditions- und Heimaterhaltung...

    2 Mal editiert, zuletzt von Kaoru (26. September 2016 um 17:22)

  • So ganz unrecht hast Du mit Deiner Aussage nicht, Kaoru. Allerdings ist mein Gefühl, dass es vor allem westlich von Münster exakt so ist, wie Du es beschreibst. Östlich von Münster sieht es schon wieder ganz anders aus, die kleineren Städte wie Telgte, Warendorf, Beckum, Oelde, Rheda-Wiedenbrück usw. haben alle noch viel Altbausubstanz vorzuweisen. Wie es mit den Dörfern aussieht kann ich nicht ganz beurteilen aber die kleinen Orte rund um Soest haben auch noch sehr viel Altbausubstanz. Insbesondere große Fachwerkhäuser gibt es hier noch sehr viel.

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  • Auch wenn das der Wahrheit entspricht werden hier immer wieder reihenweise Gebäude abgerissen. Es lohnt sich garnicht alles aufzulisten für Ostwestfalen und das Münsterland...
    Das historische Bewusstsein ist hier nicht so existent.

  • Das Haus Kirchstrasse 19 ist bereits Geschichte, die aktuelle Häufung von Abrissen scheint jedoch ein Umdenken anzustoßen, wie diesem Artikel der Glocke zu entnehmen ist:

    Schutz erhaltenswerter Häuser gefordert

    Wollen wir hoffen, dass sich hier zukünftig etwas ändert.

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  • Da hat es der Besitzer der Kirchstraße 19 aber ganz schön eilig gehabt. Nun soll er auch schön schnell den Neubau hochziehen.

    Die plötzliche Debatte der Lokalpolitik ist ja ganz rührend. Doch sie kommt, wie immer, reichlich spät. Ich glaube auch nicht, daß sich in der Abrisspraxis etwas verändern wird. Den Hausbesitzern, ob Denkmal oder nicht, sind einfach zu viele Möglichkeiten gegeben ihr Gebäude zu beseitigen. So lange es keine konsequenten und saftigen Strafen, oder Enteignungen gibt, geht das ganz munter immer so weiter. Ich habe da meine Zweifel, ob die Politik das verstanden hat und den nötigen Durchblick besitzt.

  • Die vielen Abrisse in Gütersloh finde ich auch erschütternd, ich hoffe aber, dass jetzt in der Politik doch ein Umdenken entsteht. Dass durch die Abrisse und Neubauten das Stadtbild nachhaltig verändert wird - längst nicht immer zum Positiven - haben die ja schon mal gut erkannt. Daher hoffe ich, dass ein Neubauten in der Kirchstraße jetzt nicht so überschnell hochgezogen wird.

    Gerade jetzt, wo die Debatte wg. Stadtbild angestoßen wurde, sollte man die bisherigen Baupläne überdenken und überarbeiten und lieber ein Haus hinbauen, das in der Optik seinem Vorgänger entsprechen wird. Ebenso das Gleiche an den anderen Stellen, in denen schon abgerissen wurde.

    Für Gütersloh würde ich mir vor allem auch von Seiten der Einwohner sehr viel mehr Engagement wünschen, die bewährten Altbauten schützen zu wollen, in Form von Unterschriftensammlungen etc.

  • Ich habe als Reaktion auf eine E-Mail noch eine Stellungnahme von einer Mitarbeiterin des Bauamts der Stadt Gütersloh bekommen.
    Bei den aktuell diskutierten Objekten in der Kirchstraße und Münsterstraße war eine Unterschutzstellung aufgrund baulicher Veränderungen nicht gerichtsfest möglich, so dass die Gebäude selbst nicht geschützt werden können. In der Vergangenheit wurde zudem eine Bauordnung für diese Bereiche aufgestellt, die eine Überbauung der bestehenden Bausubstanz mit größerem Volumen vorsieht, so das seitens der Stadt keine Gründe vorlagen, die Abrissanträge zu verweigern. Es wird jedoch geprüft, mit welchen baurechtlichen Instrumenten zukünftig der Abriss stadtbildprägender Bausubstanz von vornherein vermieden werden kann. Diese Aussage deckt sich mit dem von mir oben geposteten Artikel, so dass zumindest die Hoffnung besteht, dass sich in Gütersloh etwas ändert.

    Es gab im Übrigen wohl Bemühungen seitens der Stadt, den Investor an der Münsterstraße zu überzeugen, die Fassaden zu erhalten. Er ließ sich jedoch nicht überzeugen - vermutlich, weil damit nicht das erhoffte Bauvolumen zu erzielen ist.

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  • Noch ein kleiner Nachtrag:

    Die Abrisse in Gütersloh wurden auch im Satirischen Jahresrückblick der Neuen Westfälischen aufgenommen:
    http://www.nw.de/lokal/kreis_gu…Guetersloh.html

    Zudem gibt es in der NW einen weiteren Artikel, der für die Zukunft Hoffnung macht. Scheinbar will die Politik historische Gebäude zukünftig besser schützen:
    http://www.nw.de/lokal/kreis_gu…er-Haeuser.html

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  • Dümmliches Geseire aus der Parallelwelt, mit der eine derbe Verschlechterung und klare Stadtbildbanalisierung schöngeredet werden soll.

    Zitat

    Der Fachbereichsleiter Stadtplanung, Dr. Michael Zirbel, lobte den Siegerentwurf. Er zeige Respekt vor der Geschichte, vor dem gewachsenen Straßenraum, und schaffe gleichwohl etwas Neues, das sich harmonisch einfüge. Zugleich sei der Entwurf mutig. Zirbel spielte damit auf die unterschiedlichen Giebel und das Proportions- und das Spannungsverhältnis in der Fassadengliederung an.
    Das Gebäude so aussehen zu lassen, als bestünde es aus zweien, war Vorgabe des Wettbewerbes. Das Büro Melisch habe darauf die beste Antwort gewusst, so die Jury. „Mit dem Vorschlag, zwei unterschiedlich breite und hohe Giebel mit einem leichten Versatz anzuordnen, hat es einen mutigen Schritt getan." Insgesamt füge sich das Gebäude wohltuend in den Straßenverlauf ein und verzichte auf modisches Beiwerk. Und, ebenso wichtig: „Es verspricht eine gute Wirtschaftlichkeit."


    Neubau: Mutiger Entwurf für die Münsterstraße - Neue Westfälische

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • "Insgesamt füge sich das Gebäude wohltuend in den Straßenverlauf ein und verzichte auf modisches Beiwerk..."

    Ach ja...???

    Es ist absolut unbegreiflich, warum man diese beiden schönen Häuser aufgibt und abreißen will für so einen Schrott, der da jetzt hinkommen soll... Dieser Neuentwurf ist doch die Langeweile und Banalität im Reinformat. :kopfschuetteln:
    Überhaupt kein guter Ersatz für die bisherigen Häuser an der Stelle.

    Vor kurzer Zeit gab es doch erst einen Artikel, dass man in Gütersloh mittlerweile ja so erschrocken darüber wäre, dass die Stadt durch die aggressive Abrisswelle immer mehr ihr Gesicht verlieren würde... Warum geht dann der Abriss-Wahnsinn weiter? Von Seiten der BürgerInnen müsste mehr Widerstand kommen gegen diese aggressive Baupolitik. Eine engagierte Bürgerinitiative mit Namen "Rettet Gütersloh" oder so ähnlich wäre gut!

  • Es ist absolut unbegreiflich, warum man diese beiden schönen Häuser aufgibt und abreißen will für so einen Schrott, der da jetzt hinkommen soll...

    Begreiflich ist das schon. So haben die Neubauten doch ein Geschoss mehr. Also mehr vermiet- oder verkaufbare Fläche. Da geht es um reinen Mammon. Das sind Leute, denen bedeutet architektonische Schönheit oder Geschichte nicht viel, dafür das Klimpergeld in ihrer Brieftasche umso mehr. So banal ist das.

  • Gegenüber dem Bau, den der Investor an der Kökerstraße (Foto) hochgezogen hat, nimmt sich die Neubebauung geradezu konservativ heraus. Dennoch ein herber Verlust für das Stadtbild an der Stelle. Schade, dass dem scheinbar lokalem Unternehmer Oesterhelweg scheinbar jegliches Gespür für die Stadt zu fehlen scheint. Wenn der Neubau wenigstens einige lokale Stilelemente aufgreifen würde. Aber nein, wie schon an der Kökerstraße werden erhaltenswerte Altbauten der "guten Wirtschaftlichkeit" und meines Erachtens dem schlechten Stil geopfert.

    Hoffen wir, dass das Vorhaben der Stadt, Altbauten besser zu schützen, zukünftig deutlich besser gelingt.

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