• Neuer Strang für die Kreisstadt Köthen in Anhalt.

    Zitat von "Alexander ( http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?f=28&t=2032">viewtopic.php?f=28&t=2032)"


    Die Alte Apotheke, deren Datierung auf das Jahr 1527 erfolgte. Somit ist es das älteste noch erhaltene Wohngebäude der Stadt Köthen.

    Nun wird das Gebäude leider abgebrochen:

    Einstimmig für Abriss der Alten Apotheke

    Immerhin sollen wesentliche Fassadenelemente und das Portal mit Figuren zuvor geborgen werden und darüber hinaus soll ein möglichst maßstabsgerechter rascher Wiederaufbau erfolgen. Beispiele für Letzteres sind in der Galerie von Alexander ja durchaus vorhanden.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Na ja - bis auf das Portal dürfte schon jetzt kaum noch "historische" Bausubstanz vorhanden sein. Eigentlich sieht es jetzt schon aus wie ein in den 50er jahren verschandelter, simpler Bau aus dem späten 19. Jahrhundert. Aber natürlich kann der Eindruck des Fotos auch täuschen. - Trotzdem natürlich schade.

  • Wie schade um das alte Apothekergewölbe, das hätte man doch wenigstens versuchen können zu retten. Aber nein, es ist natürlich (so die Baufirma) nicht rettbar, wie auch der ganze andere Rest. :( Sehr schade, wieder ein Teil der originalen Bausubstanz weniger, auch wenn anscheinend nur noch sehr wenig davon erhalten geblieben ist.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Man ist halt in D sehr, sehr schnell mit der Abrissbirne bei der Hand. Wie gesagt, die dortigen Denkmalschutzbestimmungen sind mit ein Rätsel. Bei uns nur schwer denkbar.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Abgesehen vom Verlust des Apothekergewölbes dürfte immerhin, wenn ich das alles richtig verstehe, ein Neubau in den Formen und mit den wiederverwendeten Architekturdetails des alten erfolgen. Insofern immerhin ein kleines Glück im Unglück... :(

    Zitat von "ursus carpaticus"

    Bei uns nur schwer denkbar.


    Dem ist definitiv nicht so. Österreich mag eine geringere Abrissenergie in den unmittelbaren Nachkriegsjahrzehnten entwickelt haben, heute sehe hier keine Unterschiede mehr. Auch die von mir lange gehegte Vermutung, in Vorarlberg wäre es österreichweit am schlimmsten, vermag ich nicht mehr wirklich mit Überzeugung aufrechtzuerhalten.

    Einige Fälle aus den Jahren 2002 und 2003:
    Niederösterreich (Abbruch eines 500 Jahre alten Hauses, illegaler Abriss, Aufhebung der Denkmaleigenschaft - alles dabei...)
    Vorarlberg (Älteste Häuser im Ort abgerissen)
    Steiermark (Selbst das Weltkulturerbe Graz wird nicht ohne Wenn und Aber geschützt.)

    Regelmäßig neue Schreckensnachrichten liefert: http://www.initiative-denkmalschutz.at

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Sehr schade. Ich denke auch, dass das Renaissancegebäude quasi komplett erhalten ist. Erkennbar ist dies an den niedrigen Geschosshöhen und dem relativ steilen Dach. Renaissance-Häuser in Mitteldeutschland waren immer sehr schlicht. Der heutige Fassadenputz ist sicher ziemlich jung und seine glatte Machart verdirbt das Gesamtbild.
    Ein nicht zu unterschätzendes Problem in den neuen Bundesländern ist der z.T. jahrzehntelange lange Leerstand, der den Gebäuden extrem zu schaffen macht, Holzschädlinge und Schimmel können sich ungestört ausbreiten usw. Irgendwann ist das Holzwerk (Geschossdecken und Dachstuhl) dann nicht mehr sanierbar. Dies Problem ist es in den alten Bundesländern/Österreich.... so extrem nicht. Ich meine allerdings, dass bei so niedrigen Gebäuden die Steinmauern- und Gewölbedecken mit Kreativität leicht zu erhalten sind. Dumm nur, dass die Gutachten/und Wohnungsbauunternehmen immer schon von vornherein wissen, dass sie lieber neu bauen wollen.

  • Zitat von "Leipziger"

    Ich denke auch, dass das Renaissancegebäude quasi komplett erhalten ist. Erkennbar ist dies an den niedrigen Geschosshöhen und dem relativ steilen Dach. Renaissance-Häuser in Mitteldeutschland waren immer sehr schlicht. Der heutige Fassadenputz ist sicher ziemlich jung und seine glatte Machart verdirbt das Gesamtbild.


    Das denke ich auch, es kommt halt eben immer darauf an, wie man "Originalsubstanz" definiert:

    Zitat

    Von dem alten Flair der Apotheke ist bis auf das Gewölbe nichts mehr vorhanden.

    aus:http://www.koethen-anhalt.de/index.php?id=104003000527

    Wenn mit altem Flair die Apothekeneinrichtung oder sonstige Einbauten gemeint sind, stimmt das wohl, hat aber mit der Kernbausubstanz nichts zu tun. Trotzdem hört es sich so an, als ob eben bis auf die wenigen Reste nichts mehr übrig geblieben ist. :augenrollen:

    Zitat

    Erhalten werden die noch vorhandenen Schmuckelemente wie die Laterne und die beiden Bären. Diese werden abgenommen, restauriert und in den Neubau wieder integriert.

    aus:http://www.koethen-anhalt.de/index.php?id=104003000527
    Hoffentlich nicht nur die Bären und die Laterne, was ist denn mit dem dem Rest?

    Interview mit dem OB

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    (Vergil)

  • Zitat von "Georg Friedrich"


    Dem ist definitiv nicht so. Österreich mag eine geringere Abrissenergie in den unmittelbaren Nachkriegsjahrzehnten entwickelt haben, heute sehe hier keine Unterschiede mehr. Auch die von mir lange gehegte Vermutung, in Vorarlberg wäre es österreichweit am schlimmsten, vermag ich nicht mehr wirklich mit Überzeugung aufrechtzuerhalten.

    Einige Fälle aus den Jahren 2002 und 2003:
    Niederösterreich (Abbruch eines 500 Jahre alten Hauses, illegaler Abriss, Aufhebung der Denkmaleigenschaft - alles dabei...)
    Vorarlberg (Älteste Häuser im Ort abgerissen)
    Steiermark (Selbst das Weltkulturerbe Graz wird nicht ohne Wenn und Aber geschützt.)

    Regelmäßig neue Schreckensnachrichten liefert: http://www.initiative-denkmalschutz.at

    Ja und nein. Den kulturellen Raubbau in den Dörfern und kleineren Orten kann man nicht leugnen. Allerdings wäre ein 'Projekt' wie dieses bei uns (noch) undenkbar: der Abriss eines im allerinnersten Kernbereich einer so großen und bedeutsamen Stadt gelegenen 'ältesten Bürgerhauses'.
    Bei uns wir denn da doch mehr differenziert. In D sind die allerzentralsten Plätze und Straßen einem ernormen wirtschaftlichen Erschießungsdruck ausgesetzt. Karstadt baute am liebsten in der Nähe des Marktes (oder direkt dort).

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Den Eindruck habe ich auch. In Österreich ist zwar auch nicht alles Gold, was glänzt, aber es reiht sich eben nicht Lücke an Drogerie-Markt, an modernes Museum, an denkmalgeschützten Altbau... wie fast überall im heutigen Deutschland.

    Als man aus unserer Kirche das 160jährige vollständige erhaltene Original-Kirchengestühl (Eichenholz) mit Namenstafeln raus riss, hörte ich einen Tischler aus Österreich/oder Schweiz kopfschüttelnd sagen, dass solche Aktionen dort kein Thema seien. Jemand im Ort rettete zumindest die transportablen Bänke und stellte sie auf den eigenen Dachboden.

    Zu der alten Apotheke in Köthen:
    Freilich ist von der Apothekeneinrichtung nichts mehr vorhanden. Ich bin aber sicher, dass man in dem Gebäude noch unter dem Putz "Geschichte" freigelegen könnte. Solche Steingebäude lassen sich quasi archäologisch erforschen. Wenn sich die Umbauplanung dann an diesen Funden und gegebenen Strukturen orientiert, ist das Ergebnis i.d.Regel sehr viel ansprechender als ein belangloser Neubau mit drei wiederverwendeten Original-Spolien.

  • Ich möchte hiermit zeigen, was nun aus dem Neubau der "Alten Apotheke" geworden ist. Das Portal würde demontiert und dann nach Sanierung wieder an Ort und Stelle eingefügt.

  • Der Neubau entspricht in etwa dem Altbau, das Portal der Tür wurde vor dem Abriß demontiert, saniert und dann wieder angebracht, was allerdings das einzige alte Stück am ganzen Haus ist. Warum nun die moderne Tür das Portal beeinträchtigen muß, kann ich nicht beantworten. Ansonsten fügt sich der Bau, für mein Dafürhalten, allerdings recht harmonisch ein, da kenne ich Schlimmeres.

  • Nachtrag zum Erhaltungszustand des Gebäudes, mit der Einschränkung, daß ich kein Fachmann bin, die Vorderfront sah ganz manierlich aus, auf der Rückseite konnte man über Jahre mangels Rückwand die Dachsparren von innen sehen, so daß ich vermute, da war wirklich nicht mehr viel zu retten, auch wenn die Gewölbe drin schön waren. Die Apotheke war bis Anfang der 90 er eine solche, das Innenleben wurde dann aber vermutlich mit deren Schliessung entfernt und seither herrschte Leerstand.

  • So, jetzt hat es endlich geklappt :)

    Es ist eine Notlösung, denn die restliche Vorderfront ist zu glatt. Aber immerhin eine Lösung. So stelle ich mir auch einen Kompromiss am Dessauer Schlossplatz vor. Hier die älteste und schönste Fassade mit drei historischen Eingängen.

  • Du hast recht, es ist kein Brillant der Stadt, aber bei dem was man sonst so geboten bekomtm, finde ich schon ein Segen.

    In Dessau täte der "Versuch einer Innenstadt" not und der Stadt nur gut. Wie schön es einmal war, sieht man ja auf alten Bildern und läßt der eine rekonstruierte Schloßflügel erahnen. Die Tatsache, aß ein lebenswertes Stadtzentrum - ich kenne keines, daß NICHT historisch ist ...- auch den Wegzug reduzieren und das Renomee der Stadt erhöhen würde, ist nichts Neues, scheint aber an verantwortlicher Stelle unbekannt zu sein.
    Hoffnung habe ich hier allerdings keine. Machbar wäre es bei entsprechenden Vorgaben sicher. Wenn man eswas will, geht es immer, aber da es schon am Wollen der Entscheidungsträger mangelt, wie soll es passieren. Ob der weitere Einwohnerverlust zum Nachdenken anregt, wengstens mit den weichen Faktoren zu punkten ?

    So bleibt das Zentrum Dessaus eine Kreuzung. Neuerdings gibt es dann das "Bauhausmusem", was mich sehr an das Autohaus Brüggemann an der Ortseinfahrt Bitterfeld von Süden erinnert. Wahrscheinlich derselbe Architekt - Ironie aus.

    Ich drücke die Daumen, daß sich etwas bessert, aber es werden wohl gesichtlose Klötzchen werden, auch nicht hässlicher als die Blöcke jetzt, aber kein Fortschritt.

  • Das Hauptthema der bisherigen Beiträge in diesem Strang war der Neubau der Alten Apotheke. Hier nun ein aktueller Bildvergleich.

    Köthen, Blick in die Marktstraße. Das Gebäude ganz links ist der historische Bau der Alten Apotheke. Am Rand angeschnitten das Renaissanceportal. Von diesem abgesehen sieht das Haus nicht aus wie ein Renaissancegebäude (Foto: Dguendel, 30. März 2010, CC-BY-3.0)

    Köthen, die Alte Apotheke in der Marktstraße heute (Foto: Ralf Lotys, 26. März 2021, CC-BY-4.0)

    Der spezifische Grauton und die schönen Fensterteilungen tragen wesentlich zum Eindruck eines Bürgerhauses der mitteldeutschen Renaissance bei. Der rot abgesetzte, zweiachsige Gebäudeteil rechts ist ebenfalls Teil der Rekonstruktion. Nach links schließt sich das Rathaus an die Alte Apotheke an.

    Marktstraße 4-5, Portal der Alten Apotheke (Foto: Ralf Lotys, 26. März 2021, CC-BY-4.0)

    Bei der Türgestaltung wurden funktionale Bedürfnisse berücksichtigt. Der barrierefreie Zugang wird an der Gebäuderückseite (Zugang über die Ritterstraße) gewährleistet. Am Haupteingang in der Marktstraße gibt es eine schön gearbeitete Sandsteinschwelle. Man beachte die Riffelung an der Vorderseite. (Über die Links bei den Bildern könnt ihr zu vergrößerten Ansichten gelangen.)

    Die Alte Apotheke beherbergt heute die Geschäftsstelle der Wohnungsgesellschaft Köthen. Äußerlich handelt es sich um eine sorgfältig ausgeführte Rekonstruktion, die das Gebäude seinem ursprünglichen Aussehen im 16. Jahrhundert annähert.

    Blick vom Marktplatz in die Ritterstraße. Vorn rechts das Rathaus. Über die Einfahrt dahinter wird der barrierefreie Zugang zur Alten Apotheke gewährleistet. Im Hintergrund altstadtgerechte Neubauten (Foto: Dguendel, 30. März 2010, CC-BY-3.0)