Wiener Barockpaläste (Galerie)

  • In Wien existieren eine Reihe von Barockpalästen, welche man einer genaueren Betrachtung unterziehen sollte. Ich werde in diesem Strang versuchen, möglichst chronologisch vorzugehen, von gewissen Ausnahmen abgesehen. Mein Ziel ist es, anhand von Bildern die Entwicklung der Palastarchitektur in Wien nachzuvollziehen, wobei das Hauptaugenmerk ganz klar auf den Stadtpalästen liegt, die weiter außerhalb liegenden Gartenpaläste unterscheiden sich architektonisch sehr stark.
    In Wien mussten die Architekten oft mit sehr wenig Platz auskommen, weshalb viele Palais über mehrere Innenhöfe verfügen. In ganz seltenen Beispielen kam es nahe der Stadtmauer zu größeren Abbrüchen, wodurch Platz vorhanden war (zB beim Palais Liechtenstein). Dazu kommt, dass sich viele Adelige nahe der Hofburg ansiedeln wollten (Herrengasse). Im Laufe der Zeit hat sich ein zweites Zentrum des Wr Palais entwickelt, und zwar im Kärnterviertel, eingeleitet durch den großen Palast Prinz Eugens. Auch dort sind daher einige interessante Palais vorhanden, wenngleich die Dichte im Herrengassenviertel wesentlich höher ist.
    Architektonisch kann man grob das 17. und das 18. Jhdt voneinander abgrenzen, wobei es erst ab 1683 zu vermehrter Bautätigkeit kam, weshalb die meisten Paläste im 18. Jhdt entstanden sind. Anfangs waren va die italienischen Architekten federführend, wurden ungefähr ab 1700 jedoch von Fischer v Erlach und Hildebrandt abgelöst. Daher ist in gewisser Hinsicht auch ein Bruch erkennbar, der durch die nachträgliche Änderung vieler Paläste jedoch stark abgemildert wird. Während Johann Bernhard Fischer v. Erlach va vom Kaiserhaus sehr geschätzt wurde, erhielt Johann Lukas v. Hildebrandt va Aufträge von Prinz Eugen und vielen anderen Adeligen, wobei es auch oft zum Zusammenwirken beider Architekten kam (zB am Stadtpalais von Prinz Eugen, oder auch am Palais Batthyany-Schönborn).

    Beginnen werde ich mit einem frühen Palais, dem Palast Liechtenstein-Kaunitz, welcher unmittelbar am Rande der Stadt lag und auf einem größeren, freien Grundstück platziert werden konnte, wodurch das Palais eine erstaunliche Größe aufweist. Das Palais wird gerade für ein Museum der Liechtensteinschen Sammlungen adaptiert und saniert, weshalb ich keine aktuellen Bilder habe. Der Zustand entspricht somit jenem von 2008.

    Auftraggeber des Palastes war ursprünglich Graf Kaunitz, der den Rohbau jedoch an Fürst Liechtenstein verkaufte. Begonnen wurde der Bau 1689 und damit kurz nach der Abwehr der Türken vor Wien, was generell als Startschuss für eine Palastbauwelle gesehen werden kann. Zunächst wurde der bayrische Hofarchitekt Enrico Zuccalli engagiert und beauftragt, einen italienischen Stadtpalast zu errichten. Er orientierte sich dabei am römischen Palast Chigi-Odescalchi Berninis. Abgelöst wurde Zuccalli vom Römer Domenico Martinelli um 1690, der sich auch weitgehend für den Stadtpalast Liechtenstein verantwortlich zeigt (wer den Alsergrund-Strang noch im Kopf hat). Ähnlichkeiten zum Stadtpalais sind durchaus vorhanden, va auf der Seite zur Bankgasse, va durch den strengen, nüchternen Aufbau der Fassade, der va durch das Portal und die Balustrade aufgelockert wird.

    Hier zeigt sich die heutige städtebauliche Situation. In der Gassenflucht befindet sich das Concordiahaus, links das Palais Dietrichstein, rechts angeschnitten das Palais Starhemberg und die Minoritenkirche, nach der der Platz benannt ist.

    Die abgeschnittene Fassade zum Minoritenplatz wird hier sichtbar.

    Portal zum Minoritenplatz.

    Nochmals das Dreigestirn Dietrichstein-Liechtenstein-Starhemberg, links die Minoritenkirche.

    Das Portal zur Bankgasse samt Liechtensteinschem Wappen.

    Die nüchterne Fassade ist va durch das leicht hervortretende, fünfachsige Mittelrisalit gegliedert, welches wiederum eine Pilastergliederung nach römischer Schule aufweist.

    Hier die Fassade, die sich ursprünglich neben der Stadtmauer befand und sehr schlicht gehalten ist.

    Ein letzter Blick in die Bankgasse, wo das Palais Starhemberg sichtbar wird.

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • Wir bleiben am Minoritenplatz und betrachten das altehrwürdige Palais Starhemberg, welches leider seinen frühbarocken Charakter nicht vollends in unsere Tage hinüberretten konnte. So wurde es Ende des 19. Jhdts um einige Fensterachsen erweitert und bereits Ende des 18. Jhdts umgestaltet, trotzdem stellt es neben dem Leopoldinischen Trakt der Hofburg die einzige bedeutende, frühbarocke Fassadenform in Wien dar, welche auch für spätere Palaisbauten Vorbild war.
    In Wien wird die Zeit bis etwa 1670 noch als frühbarocke bezeichnet, wobei dies wohl auch auf den 30-jährigen Krieg zurückzuführen ist, der jegliche Bautätigkeit weitgehend gehemmt hat. Das Palais Starhemberg wurde von Graf Starhemberg 1661 in Auftrag gegeben, ausführender Architekt war wohl Domenico Carlone, welcher sich am oberitalienischen Manierismus orientiert hat. Es kam zwar später zu Umgestaltungen, welche jedoch va die Innenräume betrafen und die Fassade daher kaum beeinträchtigten. Interessant ist, dass das Portal zum Minoritenplatz ursprünglich nicht zentral war, sondern erst seit der Erweiterung um 3 Fensterachsen Ende des 19. Jhdts nach Abbruch der Nachbarbebauung in der Mitte der Fassade zu finden ist. So macht es heute einen natürlichen und harmonischen Eindruck, was auch an der Zurückhaltung im Historismus lag. Interessant sind va die gesprengten Segmentgiebeln und das schöne Portal, es handelt sich um eines der wenigen Stadtpalais, welches völlig freistehend ist. 1683 wurden hier die Friedensgespräche mit dem türkischen Botschafter abgehalten.

    Fassade zum Minoritenplatz. Der historistische Erweiterungsbau ist nicht erkennbar, interessant ist, dass beide Geschosse "gleichberechtigt" sind, es gibt keine Beletage, welche später in Wien ein beliebtes Mittel zur Fassadengliederung ist.

    Heute befinden sich hinter dem Portal Ministerien.

    Die Fassade zur Bankgasse ist ähnlich gegliedert, das Portal ist jedoch eine klassizistische Erweiterung.

    Seitenfassade zur Petrarcagasse, links ist die Minoritenkirche erkennbar.

    Blick in die Bankgasse.

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • Ein wirklich wunderbares Thema. Aber in Wien auch schier unerschöpflich...
    Danke für die guten Erläuterungen. Freue mich auf die Fortsetzungen.
    Wenn Du auch noch Innenaufnahmen mitliefern könntest, wär das natürlich noch fürstlicher

  • Ich werde versuchen, diese Wünsche zu berücksichtigen. Mit den Innenräumen wird´s schwierig, zumindest Innenhöfe werden jedenfalls folgen, falls das eine kleine Entschädigung ist!

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • Als nächstes folgt das Palais Harrach, welches sich an einem sehr prominenten Ort, der Freyung, befindet. Das Palais wurde um 1690 von Domenico Martinelli für Graf Harrach erbaut, nachdem das Vorgängergebäude in den Wirren der Türkenkriege zerstört wurde (dies war wohl in vielen Fällen auch eine willkommene Gelegenheit bzw Ausrede der adeligen Bauherren).
    Martinelli kennen wir nun bereits von den Liechtensteinschen Aufträgen, dieser, frühere Bau ist jedoch wesentlich schlichter geraten. Zwar wurde die Fassade spätklassizistisch/frühhistoristisch verändert, nach den Schäden 1944 wurde das Palais allerdings im barocken Zustand rekonstruiert, wodurch die heutige Situation weitgehend unverfälscht ist. Es stellt den Beginn der hochbarocken Wiener Paläste da.
    Interessant ist auch der dreieckige Grundriss des Palais, was durch die Parzellen der Vorgängergebäude bestimmt war. Der Innenhof enthält Arkaden, die jedoch großteils zugemauert sind, die restlichen sind verglast. Die Fassadengliederung erfolgt im Wesentlichen durch Pilaster, die Schaufassade liegt an der Freyung, jene zur Herrengasse ist schlichter geraten. Zwei leicht hervortretende Seitenrisalite Rahmen das Portal mit Balustrade bzw Scheinbalustrade. Der Gartenpavillon existiert leider nicht mehr.

    Blick von der Schottengasse kommend auf die Seitenfassade, wo sich früher der Gartenpavillon ("Salettl") befand.

    Hauptfassade zur Freyung.

    Portal mit Wappen der Familie Harrach.

    In der Einfahrt finden sich interessante Stuckdecken und schön gestaltete Türen.

    Wie üblich bei den innerstädtischen Palais, existieren 2 Höfe, von denen der Erste repräsentativer ist. Da die Fassadenbreite limitiert war, weisen die Paläste eine beachtliche Tiefe auf.

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • Wir bleiben "italophil" und widmen uns dem Palais Mollard-Clary, welches sich wie das Palais Harrach in der Herrengasse, jedoch näher des Michaelerplatzes, befindet. Ob das Palais ganz so italienisch in seiner heutigen Erscheinung ist, scheint fraglich. Baugeschichtlich wurde es Mitte des 16. Jhdts erstmals erwähnt, wobei es in seiner heutigen Form gegen Ende des 17. Jhdts erbaut wurde. Federführend waren die beiden italienischen Barockarchitekten Domenico Martinelli (jaja, kennen wir bereits) und Domenico Egidio Rossi, welcher weitestgehend für die Fassade verantwortlich war. Der italienische Eindruck könnte jedoch getrübt sein, da auch Hildebrandt am Bau beteiligt war (Aufstockung). Um 1760 gab es geringfügige Fassadenänderungen im Stile des in Wien seltenen Rokoko.
    Dies Abweichungen sollen uns hier jedoch nicht stören, im Gegenteil, stellt dieses Palais damit eine wesentliche Schnittstelle zwischen ausgehendem, 17. Jhdt und damit italienischer Barockkunst und beginnendem 18. Jhdt und damit dt Barockkunst in Wien dar. War jetzt genau welchen Anteil am Palais hat spielt hier keine Rolle, Hauptsache, es gefällt. Folgerichtig müssen als nächstes das längst überfällige Palais Collalto, Palais Esterhazy, Palais Lobkowitz und das Gartenpalais Liechtenstein gezeigt werden. Letztere übrigens auch mit Innenaufnahmen, ohne Gewähr!

    So, jetzt aber ein paar Bilder dieses Palais, leider ohne Innenaufnahmen, jedoch mit dem Innenhof:

    Draufsicht von der Wallnergasse aus.

    Das Portal stammt aus der Bauzeit von circa 1690, die weiblichen Spandrillenfiguren stellen Allegorien auf die Klugheit & Weisheit dar. Gebaut wurde das Palais urspr für Graf Mollard erbaut, wurde jedoch 1760 von Graf Clary-Aldringen gekauft, deshalb auch Mollard-Clary (eig Palais Clary, sonst müsste ich auch Palais Daun-Kinsky oder Dietrichstein-Lobkowitz statt Kinsky bzw Lobkowitz schreiben, ich hoffe, man verzeiht!).

    Heute befindet sich im Gebäude eine Nebenstelle der NB, eine durchaus sinnvolle Nutzungsmöglichkeit, wie ich meine. Hier sieht man gut die Nische über dem Mittelfenster, wo der hl Leopold dargestellt ist, eine Zutat von 1760.

    Sehr schön sind die Rokokogitter der Beletage, welche ebenfalls um 1760 angefertigt wurden und die Initialien CA enthalten, von Clary-Aldringen.

    Die Fassade ist durch wuchtige Pilaster gegliedert.

    Die weiblichen Darstellungen des Portals etwas genauer.

    Das Palais weist 2 Höfe auf, der erste stammt aus der Bauzeit und wurde früher auch als Stallt genutzt, die entspr Fassaden im Erdgeschoß wurden jedoch zugemauert. Hier finden sich noch Teile des alten Gebäudes (Freihaus Mollard), welches um 1563 erbaut wurde, va die Kellertüren.

    Der zweite Innenhof war nicht zu besichtigen, scheint allerdings auch nicht weiter erwähnenswert zu sein. Im Inneren finden sich noch Räume des alten Freihauses aus der Renaissance und Räume aus der Erbauungszeit, genauso wie spätere Zutaten des Rokoko und des Klassizismus. Das Palais konnte seine urspr Ausstattung also weitgehend bewahren, was nicht allzu oft der Fall ist. Innenbilder wären interessant, mal schauen.

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • Kleist

    Sehr netter Strang!

    Ad Harrach: Das Dachgeschoß wurde in den 1980ern ausgebaut und beherbergt Wohnungen und Büros.

    Um Deine Außenbilder zu ergänzen erweitere ich Deine Bilder um ein paar Eindrücke aus dem Inneren.


    Ad Clary: Die schönen Ziergitter an der Fassade sind aus dem Clary Schloss aus dem nordböhmischen Teplitz. Sind quasi translociert worden.

  • Super, danke für deine Unterstützung.

    Ad Clary: lustig, weil der Brunnen, der urspr im Hof stand, seinerseits wiederum retransloziert wurde, und zwar ins Schloss Grafenegg. Der Schalenbrunnen stand zuerst im nö Landhaus, also Landhaus - Palais M-C - Schloss Grafenegg. Weißt du was über die Hintergründe?

    Die Inneneinrichtung des P Harrach spiegelt übrigens einen ganz wichtigen Stil wider, das 2. Rokoko, aus der 2. Hälfte des 19. Jhdts. Gelungen, wie ich meine, Ursus?

    lG

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • Ich glaube der Brunnen war zuerst überhaupt in Grafenegg und nahm mehrere Umwege (wie von Dir beschrieben) und kam vor ein paar Jahren wieder an seinen Ursprungsort zurück. Man sieht: Das Translozieren von Gebäudeteilen/Ausstattungen war immerwährender Usus.

  • Zitat von "Kleist"

    Die Inneneinrichtung des P Harrach spiegelt übrigens einen ganz wichtigen Stil wider, das 2. Rokoko, aus der 2. Hälfte des 19. Jhdts. Gelungen...


    Das hätte ich nun wirklich nicht vermutet. Für mich sieht das optisch eindeutig nach Original Wiener Barock/Rokoko aus. Ich hätte allerdings durch die Räume der Hofburg aus dem Zeitalter von Franz Joseph und Sisi gewarnt sein müssen. Der dortige Neo-Barock/Rokoko ist letztlich im großen ganzen ähnlich.

  • Endlich kann ich hier etwas zeigen, was eig den Anfang in diesem Strang hätte machen sollen; das Palais Collalto am Hof in Wien, das jedoch von so vielen Zeitschichten überlagert ist, dass eine zeitliche Einteilung schwierig ist.
    Der barocke Eindruck verbirgt zum einen die deutliche ältere Bausubstanz, welche sich hinter der Fassade befindet, ist zum anderen selbst nicht ungeschmälert, da es im Klassizismus zu Änderungen kam. Ursprünglich wurde das Palais vom Kaiserhof (Ferdinand I) Mitte des 16. Jhdts gebaut, im 17. Jhdt wurde es dann vom Kaiserhaus dem Grafen Collalto geschenkt, der sich im 30-jährigen Krieg besonders verdient gemacht hatte. 1628 wurde die Fassade des Palais, welches erstmals um 1200 erwähnt wurde und im Inneren noch bedeutende ma Bausubstanz aufweist (gotischer Wohnturm), von Giovanni Patista Pieroni barock umgestaltet. Der frühbarocke Eindruck heute ist allerdings nicht unverfälscht, da das Palais Anfang des 18. Jhdts eine hochbarocke Fassadenadaptierung "erhielt". Der Trakt Richtung Parisergasse, in dem im ma jüdische Wohnhäuser waren (bedeutende ma Bausubstanz), wurde klassizistisch umgestaltet. Die beiden urspr unabh Bauten wurden erst im 17. Jhdt vereinigt.
    Das Palais passt eig nicht ganz in diesen Strang, weil es quasi eine eigene, unabh Geschichte aufweist, unabh von den Herrengassenpalais. Das ist ihm auch äußerlich anzumerken, das Palais hat wesentlich mehr Wohncharakter und ist weniger auf Repräsentation bedacht, was schon wesentlich durch das unscheinbare Portal auffällt. Auch steht es etwas abseits der Hofburg und somit nicht im ehemaligen Zentrum der Macht. Das soll uns jedoch nicht davon abhalten, das Palais hier trotzdem zu präsentieren, solche "Ausnahmen" wird es in diesem Strang immer wieder geben, auch wenn unser eigentliches Interesse auf anderen Dingen liegt.

    Hier der Trakt zur Parisergasse bzw zum Schulhof, wo sich früher ein Friedhof befand.

    Das Palais ist mit der Kirche am Hof verbunden per Schwibbogen, ähnlich der Mariahilfer Kirche, welche in einem anderen Strang bereits präsentiert wurde. Die rückwärtige Fassade stammt weitgehend von 1804, birgt jedoch noch Reste der Vorgängerbebauung. Das Palais Collalto ist der Prototyp des Palais in Wien, wo über die Zeitschichten immer wieder drüberfassadiert wurde und wo die Vorgängerbausubstanz noch gut sichtbar ist.

    Ansicht vom Hof aus. Im Palais Collalto hatte übrigens der 6-jährige Mozart seinen ersten öff Auftritt in Wien (1762). Links befindet sich das barocke Urbanihaus von Hildebrandt, rechts die Kirche am Hof.

    Noch einige Eindrücke der Fassade sowie des rückwärtigen Teils.

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • Kleist

    Auch hierzu noch ein Annex:

    Eine alte Ansicht, die ich noch habe - um 1815, welche auch das Palais zeigt:

    Eines der wenigen guten DG Projekte in der Wiener Innenstadt...mit roten Ziegeln, Gauben, keinen Brüchen. Das waren noch Zeiten...

    Ich weiß nicht, ob Du den alten Urbani Keller noch kanntest, aber ich war früher öfter drinnen - schön zum Munckeln... . Ist aber nun schon lange zu und die denkmalgeschütze Einrichtung wird derzeit restauriert und ist bald in der Burg Hardegg (gelle gelle Ursus) zu bewundern.


    Ich mag Deinen Strang, weil er exzellent recherchiert ist und daher stelle ich auch gerne meine Bilder zur Verfügung. Bin schon gespannt, was Du noch auf Lager hast!

  • Danke, das und Deine Bilder motivieren mich natürlich sehr. Wenn jemand an meinen Quellen interessiert ist, einfach eine Nachricht schreiben.
    Ich muss jetzt eine kl Pause einlegen von einer Woche, dann werde weitermachen, wobei meine nächsten Ziele va das Palais Lobkowitz und das Gartenpalais Liechtenstein sind (beides Museen, also sind Innenaufnahmen wahrscheinlich), genauso wie die Palais Esterhazy (Wallnergasse) und Windischgraetz.

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • S
    Auch von mir ein Dank für die Bilder und Informationen.
    Das schöne Lobkowitzpalais wird ja seit langem als Eigenwerbefläche dieses komischen Museums verhunzt, woran sich niemand zu stören scheint. Es gibt offenbar eben noch immer zu viele Palais in Wien...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Das Palais Esterhazy führt unsere Reihe zu den Barockpalais fort. Auch hier wurde der hochbarocke Zustand im Rokoko und Klassizismus liecht verändert, was uns aber nicht den Spaß verderben soll!
    Die ursprünglich 3 Bürgerhäuser, welche diesem Palais zum Opfer fielen, wurden von 1612 bis ca 1670 von den Esterhazys angekauft und ab 1687 wurde das Palais von Francesco Martinelli geschaffen, es besteht meines Wissens keine verwandtschaftliche Beziehung zu Domenico Martinelli, der ua das Palais Harrach entworfen hat. Es handelt sich hier also im ein frühes post-Türkenkriege Barockpalais in Wien, welches an der Fassade Mitte des 18. Jhdts leichte Veränderungen erfahren hat, die Innenräume wurden im Rokoko bzw im Klassizismus ebenfalls adaptiert. Das Palais erhielt einen Hintertrakt zur Naglergasse zu Beginn des 19. Jhdts. Die vorbarocken Bürgerhäuser wurden in die Bausubstanz miteinbezogen, sind jedoch heute am äußeren Erscheinungsbild nicht mehr auszumachen.
    Francesco Martinelli hat sich in Wien ua an der Peterskirche und an der Servitenkirche im Alsergrund verdient gemacht. Die Fassade stammt weitgehend aus der Zeit um 1690, später wurden tw Stuckelemente entfernt, wodurch die Fassade heute etwas klassizistisch anmutet. Über dem Portal befindet sich das Familienwappen, das Palais wurde jedoch 1989 an die Creditanstalt verkauft, die heute nicht mehr existiert. Leider habe ich keine Fotos aus dem Inneren, die Räumlichkeiten sind va im Stil des Rokoko und des frühen Klassizismus gehalten.
    Besonders interessant im Inneren sind die Kapelle sowie die Ahnengalerien. Im 18. Jhdt wurde ein Uhrturm hinzugefügt, welcher von außen nicht zu sehen ist.

    Wir beginnen in der Naglergasse, hier befindet sich der Hintertrakt aus dem Klassizismus. Über den Haarhof ist er mit dem Vordertrakt verbunden. Dadurch ergibt sich eine beachtliche Tiefe des Palais mit 2 Innenhöfen.

    Durchgang zum Haarhof. Wir befinden uns in der Naglergasse, die in einem anderen Strang bereits vorgestellt wurde.

    Haarhof.

    Seitentrakt, im Hintergrund das Hochhaus in der Herrengasse von 1934.

    Blick zurück in den Haarhof.

    Jetzt befinden wir uns in der Wallnerstraße, wo sich das urspr Palais nach Zusammenlegung der 3 Bürgerhäuser befand und wo sich heute der Vordertrakt befindet.

    Hauptfassade, 11 Achsen, alternierende Giebelgestaltung in der Beletage.

    Portal und Wappen.

    Durchgang in den ersten Hof.

    Der Uhrturm im ersten Hof, welcher gleichzeitig als Kirchturm der (älteren) Hauskapelle fungiert.

    Fassade im ersten Hof.

    Bauinschrifttafel mit Fürstenkrone von 1695, diese befand sich urspr am Hauptportal.

    Mariendarstellung im 2. Hof.

    Nächste Station ist das Palais Windischgraetz.

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • Kleist

    Ich freue mich noch immer über Deinen Strang!

    Ad Esterhazy: Im „Uhrturm“ am nördlichen Ende des großen Hofes ist eine Dachgeschoßwohnung. Im letzten Turmgeschoß befindet sich das Schlafzimmer: Von dort oben hat meinen einen wunderbaren Blick über die südliche, westliche und östliche Altstadt! Nur nach Norden hin gibt es kein Fenster.

    Die Prunkräume des Palais befinden sich im Bereich des 1. OG zwischen Neubadgasse, Haarhof und Wallnerstraße: Es handelt sich hierbei um wirklich wunderbare Räume – unter anderem einem Vieux-Laque-Zimmer! Ich werde, wenn ich ein bisserl Zeit habe hierzu ein paar Innenaufnahmen einstellen. Befürchte jedoch, dass ich nur analoge Bilder davon besitze...mal sehen.

  • So, kleine Abstinenz, jetzt geht´s weiter mit dem Palais Windischgraetz, welches sich in der Renngasse unweit der Freyung befindet. Es wurde um 1702 von Christian Alexander Oedtl erbaut, ursprünglich für den Freiherrn von Geymann, 1756 ging es dann allerdings in den Besitz Windischgrätz über. Heute befindet es sich im Besitz des Siftes Klosterneuburg.
    Das Palais wurde unter Einbeziehung von älterer Bausubstanz (Palais Volkhra 17. Jhdt) erbaut und wurde innen Ende des 19. Jhdts umgestaltet, da es in den Besitz des Ministerpräsidenten Windischgrätz überging und dementsprechend an den Stil der damaligen Zeit angepasst werden "musste". Die Adaptierung erfolgte im neobarocken Stil, leider konnte ich keine Innenaufnahmen machen. Bemerkenswert ist auch der Innenhof, der weitgehend aus der Zeit um 1660 stammt und einen Rest der Vorgängerbebauung zeigt. Das Palais lässt sich nicht leicht in die Reihe der anderen Palais einordnen, es liegt auch ein wenig abseits und ist keinesfalls so repräsentativ. Außerdem war mit dem Architekt Oedtl ein Mann am Werk, der zwar eher Hildebrandt/Fischer zuzurechnen ist und mit ihnen auch zusammengearbeitet hat, der sich aber trotzdem deutlich weniger als die beiden von den italienischen Palais des 17. Jhdts abgrenzt. Er hat ua auch an der Alserkirche in Wien Josefstadt (s. barocke Vorstadtkirchen) mitgewirkt.

    Frontalansicht zur Renngasse, Portal und darüber die Fenster der Beletage mit alternierenden Fensterverdachungen.

    Die Fassade in der ganzen Breite, 5 Achsen, schön zu sehen sind hier die unterschiedlichen Fenstergiebel.

    Eingang in den Innenhof.

    Die barocke Pawlatsche ist typisch wienerisch, davon gibt zwar viele, bei Adelspalästen sieht man sie jedoch nicht häufig. Im 1. OG ein Medaillon von 1898 mit Franz Josef, darüber im 2. OG ein barockes Ovalbild (gibt 2 im Hof, stellen Gnadenbilder dar).

    Schön zu sehen hier die Wappenkartusche der Fürsten Windischgrätz aus Gusseisen.

    Hier sind die Bögen schön zu sehen, den Segmentbogen zieren Muscheln, die Knickbögen Kartuschen. In der Mitte befindet sich ein mehrteiligen Bogen mit Puttenkopf über dem Portal.

    Etwas "eingequetscht".

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940