Wir sind ein Forum, das sich für Rekonstruktionen stark macht. Und diesbezüglich kann in Anklam ganz sicher kein Grund zur Zufriedenheit bestehen, zumal es sehr wohl ein paar hochkarätige Kandidaten gegeben hätte. Diese historisch gesehen mehr als triste Durchschnittsware wird der historischen Bedeutung dieses Ringes ganz sicher nicht gerecht. das ist kein Gemotze, sondern Tatsache.
Anklam
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Rekos sind natürlich in den allermeisten Fällen erste Wahl. Doch das gotische Giebelhaus z.B., das sicher die naheliegendste Rekonstruktion wäre - dafür müsste erstmal das Rathaus aus den 50ern abgerissen werden, wenn der Bau denn an den Originalplatz soll. Das ist in den nächsten Jahren doch reichlich unwahrscheinlich.
Ich plädiere ja für das Alte Rathaus. Das ist zwar schon sehr lange weg (weit vor dem 2. WK), würde dem Markt aber wieder eine reizvolle Mitte und eine echte Landmarke geben, das kann gut mit dem Greifswalder Rathaus z.B. mithalten:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ankl….jpg?uselang=de
Die Dokumentationslage dazu kenne ich allerdings nicht... Wikipedia zu dem Bau:
"Bereits im Stadtgründungsjahrhundert, dem 13. Jahrhundert, wird auf dem Anklamer Marktplatz ein repräsentatives Rathaus angelegt. Das gotische Bauwerk hatte eine imposante Größe von etwa 40 × 14 Meter und wurde nach Schäden durch Krieg, Brand und Vernachlässigung immer wieder aufgebaut bzw. repariert. Die Spuren der Zeit waren an diversen gotischen und renaissancezeitlichen Fassadenüberformungen ablesbar – selbst die großen gotischen Schaugiebel entstammten unterschiedlichen Bauphasen. 1549 erhielt das Rathaus einen Turm (Dachreiter). 1841/42 wurde das Gebäude zusammen mit der restlichen Marktbebauung abgerissen.[12]"
https://de.wikipedia.org/wiki/Anklam#Fr…bis_Mittelalter -
Tja, das tolle Giebelhaus und das repräsentative alte Rathaus wären schon 2 echte Hingucker. Und sie wären auch deutliche Mittelpunktsanker, so daß der Ort nicht mehr so sehr zu einem gesichtslosen Dorf-Siedlungsbrei ohne vorne und hinten verrührt wird. Der Verlust dieser beiden Gebäude hat den Ort eindeutig provinzialisiert bzw. von Ort auf Agglomeration heruntergestuft.
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Ehrlich gesagt würde ich die Standortfrage nicht so streng sehen. Man hätte das Giebelhaus auch an anderer Stelle wiedererrichten können, was hätte das für einen Unterschied gemacht? Schon früher hat man bedeutende Fassaden transloziert. Das soll keine Ausrede sein.
Das Alte Rathaus in Platzmitte hätte was. dazu kommt, dass dermaßen leergeräumte Plätze in Pommern, das wohl dem schlesischen Ringsystem verhaftet ist, ohnedies ahistorisch sein dürfte. -
Wir sind ein Forum, das sich für Rekonstruktionen stark macht. Und diesbezüglich kann in Anklam ganz sicher kein Grund zur Zufriedenheit bestehen, zumal es sehr wohl ein paar hochkarätige Kandidaten gegeben hätte. Diese historisch gesehen mehr als triste Durchschnittsware wird der historischen Bedeutung dieses Ringes ganz sicher nicht gerecht. das ist kein Gemotze, sondern Tatsache.
Wie so oft ist das Glas halbleer oder halbvoll.
"Historisch gesehen" mag es "Durchschnittsware" sein, gemessen an den seit Jahrzehnten in diesem Land realisierten Stadtplanungen samt dazugehöriger Architektur sehe ich Anklam weit weniger kritisch, auch wenn ich mir auch dort durchaus noch bessere Gebäude vorstellen könnte.
Im Hinblick darauf, dass es sich um eine arme ehemalige Kreisstadt in einer der ärmsten Regionen Deutschlands handelt, hat Anklam teilweise sogar Vorbildcharakter, zumindest aber Respekt verdient.
Ich wüsste auch nicht, wie die Rekonstruktion dieser o.g. Gebäude, der "hochkarätigen Kandidaten", finanziell realisiert werden könnte. Die Idee Erbses, das alte Rathaus von Anno dazumal zu rekonstruieren finde ich z.B. durchaus charmant.
Wenn nun aber weit und breit kein Mäzen in Sicht ist (die z.B. in Potsdam reichlich vorhanden sind), sollte der Maßstab das finanziell machbare und nicht die Phantasie sein. -
Noch ein kleiner Rundgang um die Baustelle Steinstraße-Brüderstraße / Quartier II
Die unmittelbare Vorkriegsbebauung bestand bis zur Brüderstraße aus traufständigen Häusern, sodass hier m. E. sogar eine Verbesserung eintritt
Bei fast allen Giebelhäusern wurde bereits das Richtfest gefeiert oder sie sind zum Teil schon gedeckt
Hofseite, mit der Anschlußbebauung Brüderstraße-Nikolaikirchstraße haben wir hier bald ein geschlossenes Quartier mit Innenhof
Erfreulich daß hier auf die steilen Satteldächer geachtet wird, das wurde an der Ostseite Markt leider nicht getan
Blick auf die mittlerweile vertraute Westseite Markt und Keilstraße, hier wurde auf eine ordentliche Dachgestaltung geachtet
Die verbliebenen Platten in der Steinstraße sind bereits leergezogen und werden demnächst fallen
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Erfreulich daß hier auf die steilen Satteldächer geachtet wird, das wurde an der Ostseite Markt leider nicht getan
Ja, aber sehr schade, dass hier offenbar eine schwarze Dachdeckung genehmigt wurde. Dabei müsste doch allgemein bekannt sein, dass in den norddeutschen Hansestädten eine rote üblich ist. Hier hätte man nun wirklich ohne Mehraufwand (einfach eine andere Farbe bestellen) eine deutlich authentischere Wirkung erzielen können! Warum wurde das nicht - wie z.B. in Lübeck - im Bebauungsplan oder über eine Gestaltungssatzung festgelegt? Ich kann so eine Gedankenlosigkeit nicht verstehen.
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Der postmoderne Giebel hat was und die Dimensionierung vermittelt dort mal etwas Mittelstadt-Flair und mehr Urbanität.
Eine zur Straße geöffnete Erdgeschossfläche, meinetwegen als Arztpraxis, kleiner Laden oder Büro wäre noch eine gute Ergänzung. -
Ich frag mich bei solchen Gebäuden immer, ob es clever ist, das untere Geschoss offen zu lassen (hier wohl für eine offene Garage) und nicht unnötig eine Angriffsfläche für Kälte und Feuchtigkeit bietet.
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Auf solch tiefem Architekturniveau bewegen sich Studienanfänger im 1., allenfalls 2. Jahreskurs. Einfach grauslich!
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Das mag ja sein, Riegel. Das Schlimme ist nur: die allermeisten Architekturabsolventen bewegen sich auf einem Niveau, bei dem es weder Steildächer, noch Giebel, noch regelmäßig angeordnete Fenster gibt!
Mir ist schon mehrfach aufgefallen, dass frühere Semester noch eher Häuser entwerfen, die noch nach Haus aussehen und klassische Elemente enthalten. Was ihnen dann sukzessive abtrainiert wird im Laufe des Studiums... Uni-Brainwashing.
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Hmm ne, ganz so schlimm ist es nun auch wieder nicht...da gibt's architektonisch noch einiges an Fallhöhe.
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So sahen aber Gebäude aus, die wir im 3. Semester in den 80er-Jahren entwarfen. Eine ganz blöde Übergangszeit, in der die ätere Professorengeneration der Postmoderne durch die aufkommende jüngere Avantgarde als Gastdozenten abgelöst wurde. Da ich ja eher an historischer Architektur interessiert war und einen guten Abschluss wollte, gehörte ich eher zu den schlechteren Entwerfern, und da kamen bei einem Anfänger solche Sachen heraus.
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Was immernoch vielsagend ist, wenn das Ergebnis dann besser ist als locker 80% des sonstigen Neubau-Niveaus heute.
Wo es fast nur Flachdächer, weiße WDVS-Fassaden ohne jede Gliederung, Schüttelfenster und Stahlgitter gibt. -
Zur Nikolaikirche:
Anklam, Nikolaikirche, Südseite (Foto: Elisauer, 15. April 2018, CC-BY-SA-4.0)
Im Februar wurde eine Kooperationsvereinbarung zwischen Anklam und Stettin unterzeichnet. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bringt EU-Fördermittel ein. Das Otto-Lilienthal-Museum arbeitet mit dem Museum für Technik und Kommunikation in Stettin zusammen. Für anderthalb Millionen Euro wird in der Nikolaikirche ein "Lilienthal-Lab" als "außerschulischer Lernort" eingerichtet und der Fußboden saniert. Die hier bereits gezeigte Visualisierung des modernen Turmhelmes mit "Skylounge" von heneghan peng architects ist nach wie vor Stand der Planung und wird dann wohl in einer späteren Ausbaustufe realisiert. Das Projekt "Erlebnismuseum Ikareum" ist jedenfalls auf Kurs.
Es laufen auch Untersuchungen zur Standfestigkeit der Kirche - Bericht dazu im Nordkurier.
Die Planungen sehen vor, noch in diesem Jahr mit der Errichtung eines Funktionsanbaus an der Nordseite der Kirche zu beginnen. Wahrscheinlich sind aber zuerst Maßnahmen zur statischen Ertüchtigung des Bauwerks erforderlich.
Ich fände es besser, die Nikolaikirche äußerlich gegebenenfalls so zu lassen, wie sie jetzt ist. Die geplanten modernen Ergänzungen wirken unpassend, um es mal sehr zurückhaltend zu formulieren.
Dass Anklam so auf Lilienthal setzt, ist historisch ja auch nicht ganz berechtigt. Seine Flugversuche fanden alle im Havelland statt. Gelebt hat er die meiste Zeit in Berlin.
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Och naja - wie lange hat Goethe in Frankfurt gewohnt?
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Seit den letzten Baustellen-Updates ist fast ein Jahr vergangen. Es würde mich doch sehr interessieren, wie es mit der erfreulichen Stadtentwicklung weitergegangen ist.
Eine schöne Meldung ist auf jeden Fall diese hier:
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Ja, den Abriss der Plattenbauten am Steintor bewerte ich auch positiv. Für Baustellen-Updates sind eigentlich unsere "Pommeranzen" zuständig. Anknüpfend an den Bericht von Lupi vom 28. Juni 2019 hier kann ich für die Steinstraße 20 dieses Foto vom 7. April 2020 aus dem Nordkurier anbieten. Sieht gut aus, wie ich finde. Der zugehörige Artikel kündigte Bezugsfertigkeit für Mai an.
Hier die Projektseite des Architekturbüros Tchoban Voss zur Steinstraße 20. Der Entwurf wurde also mit kleineren Änderungen umgesetzt.
Infos und schöne Bilder gibt es auf der Seite der kommunalen Grundstücks- und Wohnungswirtschaft Anklam (GWA) .
Dort auch ein Luftbild: Westen ist unten. Dort am Bildrand die Marienkirche. Markant führt die Steinstraße nach Osten (oben) zum Steintor, wo die beiden Plattenbauten nun abgerissen werden. Marktbebauung und Nikolaikirche sind im mittleren Teil der Altstadt gut zu erkennen.
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