Isny im Allgäu

  • Anstelle des 1850 abgebrochenen Obertors, das die Altstadt in Richtung Lindau abschloss, hat die Stadt vor, ein neues Stadttor zu bauen. Allerdings keine Reko des historischen Obertores, sondern einen Glasturm. Man bedient sich des Schweizer Architekten Peter Zumthor.

    Einmal editiert, zuletzt von Zeno (16. Mai 2019 um 20:02)

  • Dieser Herr Zumthor erhielt also einen „Internationalen Architekturpreis für Neues Bauen in den Alpen“. Sind damit etwa solche unsensiblen Eingriffe in ansonsten weitgehend intakte Stadtbilder im Alpenraum gemeint:

    http://www.provincia.bz.it/hochbau/images/kurhauspassage.jpg

    Kurhauspassage Meran - Galleria

    Oder das „Hotel Kurzras“, das in diesem Forum schon mal diskutiert wurde, eines der typischen Touristen- und Skifahrerghettos an landschaftlich exponierten Stellen:

    http://www.provincia.bz.it/hochbau/images/KURZRAS_HOTELS.JPG

    Ist zwar beides von anderen modernistischen Architekten aber fällt auch in das Schema Provokationsbau. Und die Architektur ist nicht das einzige was an dieser Passage provokativ ist.

  • Oh weh! Wenn ich das Ding sehe, bekomme ich regelrecht Zahnschmerzen. Womöglich liegt es daran, dass mich das so genannte Stadttor irgendwie an einen riesigen Backenzahn erinnert.

  • Hallo, ich hoffe der Post passt in diese Rubrik, habe die Info inhaltlich im Forum auch noch nicht gefunden:

    Isny: Abstimmung Stadttor
    (Quelle: Der-Westen, Stand: 06.02.12)

    Ich finde die Nachricht interessant, weil hier tatsächlich mal um einen (strittigen) Neubau abgestimmt wurde.
    Den Architekten (Zumthor) schätze ich, mit dem Tor tu ich mich auch etwas schwer. :unsure:


    Moderationshinweis (Zeno):
    In den bereits bestehenden Strang zu diesem Thema verschoben

  • Na, das ist doch mal wieder was sehr sehr Erfreuliches.

    Zitat

    „Die Welt hat begeistert und mit Hochachtung auf Isny geschaut, nun wird sie mit maßlosem Entsetzen reagieren, weil sie nicht verstehen wird, warum eine solche Chance zerstört wurde“, formulierte Projektkoordinatorin Sonja Rube. Ihre Kollegin Ruth Küster-Beilharz sprach von der „negativsten Presse für Isny“, die jetzt nach draußen gehe. „Das Zeichen, das wir jetzt in die Welt senden, ist verheerend“, brach sich ihre Traurigkeit Bahn.

    Zumthor-Bau: 72 Prozent der Isnyer stimmen mit „Nein“

    Einmal editiert, zuletzt von Markus (6. Februar 2012 um 10:52)

  • Und die Modernisten polemisieren in ihrer Verblendung ganz wie gewohnt. Ich freue mich sehr, dass die Bürgerschaft Isny sich nicht alles gefallen lässt. Dennoch mal wieder erstaunlich, wie extrem das System deutschlandweit durchdrungen und gefestigt ist. Modernisten in der städtebaulichen Verantwortung kämpfen gegen den Willen der Bürgerschaft. Und wenn sie denn mal verlieren, sind sie nicht etwa respektvoll und einsichtig, sondern poltern umso unverschämter drauf los.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Ich halte jede Form von Polemik in diesem Falle für daneben. Auch jetzt als Nichtbetroffener nach zutreten, ist ein falsches Signal.
    Persönlich hatte ich den Isnyern dem Mut gewünscht, den Zumthor zu wagen.....wider alle Polemik!

  • Tss, was haben denn die Standardfloskeln wie "Zukunft wagen" oder "Mut" mit sachlicher Argumentation zu tun? Im Umkehrschluss heißt das ja: Wenn man Zumthor ablehnt, traut man sich nichts und ist "ewiggestrig". Dass Sie so etwas in Ihrem Architekturstudium eingetrichtert bekommen haben, heißt noch lange nicht, dass Sie es unreflektiert und ohne jede Hinterfragung nachplappern müssen. Wirklich mutig wäre es, in unserem festgefahrenen Modernistensystem eine regionaltypische Architektur zu wagen, die sich an lokalen Bautraditionen orientiert, anstatt diese wie üblich zu kontrastieren.

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  • Zitat


    Die Welt hat begeistert und mit Hochachtung auf Isny geschaut

    Soso, gleich die ganze Welt war also begeistert... klar, in New York und Tokio wird seit Monaten über nichts anderes mehr diskutiert :smile:

    Ich würde mal sagen, allenfalls der umliegende Landkreis hat darauf geschaut, war definitiv nicht begeistert und hat das gesamte Projekt daher klar abgelehnt.

    Merke: Nicht alles, was definitiv nicht in die Umgebung paßt und (fast) keinem gefällt, ist automatisch "modern" und "weltoffen". Daher wollen wir nicht mehr Zumthor, sondern einfach mehr Demokratie wagen - davon können wir alle nur profitieren.

  • Wenn wir stets derart viel Demokratie wie in Isny wagen würden, würde wohl in ganz Deutschland das gesamte Baugeschehen zum Erliegen kommen. Die Frage hierbei wäre allerdings, ob das an der miesen Architektur, oder am schlechten Geschmack der Bevölkerung liegen würde und ob zwischen beidem vielleicht ein Zusammenhang bestünde.
    Wenn ich jedenfalls durch die "Eigenheim-Idyllen" unserer Republik schlendere, wird mir ob der baumarkt-billigen Einfältigkeit der dort zu sehenden Machwerke meist schlecht. Aber sie entspringen ja nicht zuletzt dem "individuellen Geschmack" ihrer Bewohner.
    Nein nein, mit Demokratie braucht man mir im Zusammenhang mit Architektur nicht kommenn. Die hat es früher nicht gegeben und sie kann und wird auch heute nicht des Rätsels Lösung sein. Mein persönlicher Ansatz heißt deshalb Nachhaltigkeit!

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Wenn wir stets derart viel Demokratie wie in Isny wagen würden, würde wohl in ganz Deutschland das gesamte Baugeschehen zum Erliegen kommen.

    Du denkst, ein Stadttor, das sich an der Isnyer Regionaltypik orientiert und sich sensibel in's Umfeld einfügt, hätten die Isnyer ebenso vehement abgelehnt?

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  • Wenn es sich um herausragende Bauten handelt, die stadtbildprägend sind, ist eine Bürgerbeteiligung meiner Meinung nach unerläßlich - siehe auch Dresdner Neumarkt, wo ein klares Votum der Bürger sehr hilfreich gewesen wäre.

    Natürlich soll nicht darüber abgestimmt werden, wie ein Einfamilienhaus am Stadtrand aussieht... das ist für die Öffentlichkeit nicht relevant.

    Aber inwiefern spielt der Faktor der Nachhaltigkeit bei demokratischen Entscheidungen eine Rolle, speziell mit Bezug auf das Bauwesen?

  • Der Zumthor-Entwurf hat doch was neuwagendes. Bestimmt KEINE Retro-Bauhauskubenklotzarchitektur.!Ich kann dem Thorkoloss durchaus was abgewinnen. NUR: es ist halt (in meinen Augen) keine mit einer Altstadt kompartible Architektur. Es ist überhaupt keine Architektur, sondern eine monumentale Skulptur, eine begehbare, durchschreitbare Skulptur. Und , am anderen Ort durchaus eine neuer Impuls. Die amorphen Naturformen strahlen was gewachsenes aus. Das Glas würde die Schwere nehmen. Oben eine pilzartige Kappe. Eingang zur Stadt der Riesen und Zwerge :thumbup: .
    Nee, echt jetzt: Herr Zumthor will jetzt Bildhauer sein und verkauft sein Werk als Architektur. Das mußte ja schiefgehen!

  • Die Stadt ist doch für die Bürger da, und wenn die keine Lust haben, jeden Tag auf einen Backenzahn zu schauen, muss Herr Zumthor das akzeptieren und vielleicht mal über seine Vermessenheit nachdenken, so etwas für Isny überhaupt vorzuschlagen. Er kann den Zahn ja jetzt mal in Barcelona und Bilbao vorschlagen, dort würde der von der Welt-Öffentlichkeit ohnehin besser wahrgenommen. (Die Stadtoberen dachten ja im Ernst, dass wegen dem Backenzahn mehr Touristen aus aller Welt in ihre kleine Stadt kämen, nicht zu fassen)

    So schnell wird sich in Isny wohl kein Architekt mehr blamieren wollen, so dass die Isnyer jetzt vielleicht erstmal wieder ihre Ruhe haben von solchem Irrsinn. Aber wer weiß, was diese Frau, die das vermeintliche Desaster für die Stadt beklagt, schon wieder Neues ausheckt.....

    Dem bald wieder aufgebauten Berlin stehen goldene Zeiten bevor .....

  • Aber inwiefern spielt der Faktor der Nachhaltigkeit bei demokratischen Entscheidungen eine Rolle, speziell mit Bezug auf das Bauwesen?

    Ich habe mich wahrlich etwas kryptisch ausgedrückt. Entschuldigung!

    Nachhaltigkeit ist eine derzeit offensichtlich en vogue scheinende Begrifflichkeit, die auch gern von Architekten kolportiert wird. Allerdings spielt sie, zumindest meiner Meinung nach, nicht wirklich eine Rolle, sondern wird Architektur ausschließlich als werbewirksames Label angeblicher Energieeffizienz aufgedrückt.
    Und deshalb sehe ich eine Lösung unseres Dilemmas eben in wirklich nachhaltiger Architektur! Hierzu bedarf es aber erst einmal der Verwendung anderer Materialien. Recyclebare Baustoffe wie Holz, Lehm, Naturstein und Papier (zur Wärmedämmung), aber auch aktuell schon weit verbreitete Hohllochziegel, sind Beton (u.a. extrem hoher CO2-Ausstoß während der Produktion) und Kunststoffen (extrem hoher Verbrauch fossiler Rohstoffe) vorzuziehen.
    Das allerdings reicht meiner Meinung nach immer noch nicht aus! Worum es mir deshalb außerdem geht, ist ästhetische Nachhaltigkeit. Eine Architektur, die mit ihrer Landschaft, der Region, verwachsen ist und unverfälscht aus dem Fundus einer jahrtausendealten Tradition schöpft. Leider ist es nämlich so, dass die Architekten im Grunde genommen recht haben: sie werden nicht verstanden! Das aber liegt eben daran, dass kein Mensch dauerhaft dazu bereit ist, die oft stark abstrahierten Stilmittel zeitgenössischer Architektur ständig zu dechiffrieren und demnach auch seinen Gästen erklären zu müssen, dass dieser und jener Klotz ein großes Werk eines großen Architekten sein soll. So etwas erschöpft sich und verkommt letztlich zu einem sinnentleerten Innovationswettlauf, der die Halbwertszeit von Architektur mehr und mehr einzuschränken droht. Insofern plädiere ich für eine nachhaltige unaufgeregte Ästhetik, die ihren Mehrwert aus regionaler Verwurzelung und einer schlichten, logisch konsistenten Klarheit aller Bauglieder bezieht, ohne modisch dekorieren zu wollen.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Das sehe ich auch so - hochwertiges und dauerhaftes Bauen, das während der Errichtung des Gebäudes vielleicht etwas teurer ist, aber langfristig nicht nur Kosten spart, sondern auch wirklich einen dauerhaften Wert schafft und dadurch nachhaltig ist.

    Das genaue Gegenteil beispielsweise des Stuttgarter Baugeschehens, wo in den letzten Jahren flächendeckend Nachkriegsbauten wieder abgerissen werden (die allerdings so billig ausgeführt wurden, daß man darüber froh sein muß... oder müßte, wenn das neue nicht häufig ähnlich gruselig wäre).

  • Eine äußerst erfreuliche Entscheidung der Bürger, damit die kleine Stadt lebenswert bleibt!

    Die Stadtoberen dachten ja im Ernst, dass wegen dem Backenzahn mehr Touristen aus aller Welt in ihre kleine Stadt kämen, nicht zu fassen


    Ganz im Gegenteil: Jetzt habe ich wieder größere Lust, wieder mal nach Isny zu kommen. Das wäre kaum der Fall gewesen, wenn man "den Zumthor gewagt" hätte.

    Es ist wirklich nicht zu fassen, dass sich die Stadtoberen nicht mehr vorstellen können, dass die Normalmenschen einfach nur ihre nette kleine Stadt behalten wollen, die nach menschlichen Maßstäben gestaltet ist und nicht von einem Glasmonstrum überragt wird. Sie wollen einfach nur ihre heile Welt bewahren.