Ent- und Wiederbestuckung von Altbauten

  • Das folgende Beispiel ist nur etwas für Forumsbesucher mit starken Nerven. Ist mir ein Rätsel, wie so etwas im Denkmalbereich genehmigt werden konnte - vermutlich erst vor wenigen Jahren. Wenn so etwas Schule macht, dann gute Nacht.

    Dämmung raufgeknallt, fertig:

    Spandauer Vorstadt 11-2020

    Spandauer Vorstadt 11-2020

    Spandauer Vorstadt 11-2020

    Hoffentlich kommt das eines Tages wieder runter, und ab in den Sondermüll:

    Spandauer Vorstadt 11-2020

    Wohl ein einstmals mit Pilastern ausgestatteter, vereinfacht wiederhergestellter Gründerzeitler:

    Spandauer Vorstadt 11-2020

    Ein weiterer abgestuckter Gründerzeitler. Etwas schräge Idee, die Holzrahmen der Fenster knallrot anzumalen. Wenn es hierfür keine wirksame Gestaltungsvorgabe gibt, bringt die freie Farbwahl eben auch solche Resultate:

    Spandauer Vorstadt 11-2020

    Lobenswert - bis auf das Dachgeschoss:

    Spandauer Vorstadt 11-2020

    So, das war's erstmal.

    Fazit: in diesem wichtigen Bereich der Berliner Innenstadt ist viel erreicht worden bei der denkmalgerechte Sanierung der zu Wendezeiten überwiegend entstuckten und heruntergekommenen Altbauten. Die Wiederannäherung an das bauzeitliche Fassadenbild bleibt allerdings zumeist unterhalb der in Potsdam oder Leipzig zu sehenden Perfektion. Dennoch zeigen viele Sanierungsergebnisse, dass mit vergleichsweise einfachen Mitteln deutliche Verbesserungen erreicht werden können.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Richtig gut gemacht ist 1 von 10 Beispielen. Das Verständnis für Formen und den Sinn der Gestaltungselemente ist nicht mehr organisch verwurzelt, sondern nur noch rein schematisch mit unglaublich vielen Fehlern reproduzierbar.

  • Du bist ganz schön kritisch, Snork. :zwinkern:

    Es ist wohl in einigen dargestellten Fällen schwer zu sagen, inwiefern die Eigentümer schlecht beraten/geschmacklich ein wenig neben der Spur waren oder schlicht gespart werden sollte. Ein annähernd homogenes Straßenbild wird die Linienstraße aber wohl nicht mehr erhalten.

    P. S.: Mit deinen Schilderungen & Bewertungen befindest Du Dich in bester Tradition mit Charlotte von Mahlsdorf, die in ihrem Büchlein "Ab durch die Mitte" ganz ähnliche Betrachtungen vollzieht - ich erinnere mich gut, wie sie darin die Neustuckierungen in der Marienstraße zerpflückt.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Nachfolgend ein sehr lobenswertes Beispiel einer zurückhaltenden und schönen Neugestaltung einer aller Wahrscheinlichkeit nach zuvor abgestuckten Fassade (habe leider keine älteren Fotos - vielleicht kann jemand aushelfen?):

    Sophienstraße Berlin 11-2020

  • P. S.: Mit deinen Schilderungen & Bewertungen befindest Du Dich in bester Tradition mit Charlotte von Mahlsdorf, die in ihrem Büchlein "Ab durch die Mitte" ganz ähnliche Betrachtungen vollzieht - ich erinnere mich gut, wie sie darin die Neustuckierungen in der Marienstraße zerpflückt.

    Ja, so war sie drauf - ich weiß noch, daß Gutshaus welches er sie in Mahlsdorf halbzerfallen und vom Abriß bedroht, wohl mietfrei übernahm, da mußte alles wieder originalgetreu hergestellt werden - was zu DDR Zeiten schon recht sportlich war...da konnten sich die Sanierungsarbeiten doch "ein wenig" in die Länge ziehen.

  • Zwei Beispiele für dezente, meines Erachtens gelungene Wiederbestuckungen von Gründerzeitlern.

    Bayreuther Straße Ecke Wittenbergplatz in Berlin:

    Ansicht Bayreuther Straße, rechts die Ecke zum Wittenbergplatz:

    Wiederbestuckungen Wittenbergplatz

    Wiederbestuckungen Wittenbergplatz

    Wiederbestuckungen Wittenbergplatz

    Ansicht vom Wittenbergplatz:

    Wiederbestuckungen Wittenbergplatz

    StreetView Voransicht Bayreuther Straße

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Warum kann man diesen Graffiti Sprayern eigentlich nicht das Handwerk legen? Bei vielen von den schönen Sanierungsaufnahmen fällt auf, dass die Nachbargebäude schon beschmiert sind, als Vorahnung was mit dem Sanierten passiert. Wenn es nicht möglich ist so etwas einzudämmen, hat man es umso schwerer Besitzer davon zu überzeugen, Geld in die Hand zu nehmen, für eine besonders schöne Gestaltung. Als Privatbesitzer saniere ich nur liebevoll, wenn ich nicht damit rechnen muss, dass mir das gleich wieder kaputt gemacht wird. Gerade Stuck so beschmiert ist noch schwieriger sauber zu halten, feinere Ornamentik nicht wieder und wieder überstreichbar :daumenunten:

  • Schmierer in Leipzig: DAF, Bauerbe: alles was frisch saniert wurde, wird wieder mit verbissen hässlichen Graffiti unter gesprayed. Ich verstehe überhaupt nicht das in D. diese Art von Zerstörung nicht schwerstens bestraft wird. Was ist eigentlich los mit dieser Krankheit in D. das nichts dagegen gemacht wird? Täter laufen herum und machen alles wieder kaputt. .....:kopfwand:

  • Der sehr schön wiederbestuckte Eckbau Neustädtische Kirschstraße 1 im zentralen Berlin-Mitte:

    Und schon siehst du dich bestätigt. :smile:

    img_1422bwk2h.jpg

    img_1423k0jk6.jpg

    Der Bau stand seit der Nachkriegszeit schlimm entstuckt herum, ein historisches Bild:
    https://sammlung-online.stadtmuseum.de/Details/Index/520066

    Bei Google Maps ein Eindruck, wie es seit Jahren aussah (ich hab auch irgendwo noch Fotos):
    https://goo.gl/maps/KnKeT57aeYJ5qmB67

  • Sorry, genau, Naumburg an der Saale. Es gibt leider im äußeren Stadgbereich, der nicht Flächendenkmal ist, viele bereits zu DDR Zeiten von Feierabendbrigaden abgestuckte Villen. Einige sind auch dem Dämmglauben geopfert worden oder wie mein Nachbarhaus noch in den 1990igern mit umgearbeiteten Fenstern aus zwei eins aber niedriger und abgehängten Decken verunstaltet worden. Denkmalschutz sehen die Leute als Zwangsmassnahme, nicht als etwas aus sich heraus Notwendiges und Schönes. Beide Häuser sind keine Denkmäler.

  • Naumburg, vielen Dank an dich und deine Schwägerin, dass ihr viel Geld und Mühe investiert habt, dass viele Menschen (vielleicht bei manchen

    auch unbewusst) sich jetzt an einem verschönertem Stadtbild erfreuen können. Mögen sich viele Hausbesitzer an euch ein Beispiel nehmen.

  • Dennoch zeigen viele Sanierungsergebnisse, dass mit vergleichsweise einfachen Mitteln deutliche Verbesserungen erreicht werden können.

    Genau das. Die Spandauer Vorstadt ist weit von Perfektion entfernt diesbezüglich, aber wenn man das mal mit anderen Ecken in Berlin und dem Umgang mit entstellten Gründerzeitlern dort vergleicht, ist das schon deutlich erstrebenswerter. Danke für die erhellende Bilderschau!

    Ich war 2020 mehrmals die Woche in der Spandauer Vorstadt und habe mich immer wieder an diesen angenehmen Fassaden, der Kleinteiligkeit und Quirligkeit erfreut. Für Berlin ist es aktuell noch geradezu ein Altstadt-Ersatz.

  • Wer sich für die Geschichte der Entstuckungen interessiert und über ein Onlineabo der Berliner Zeitung verfügt, dem sei der folgende sehr gut recherchierte Artikel von Maritta Tkalec aus der Berliner Zeitung vom 24.1.22 empfohlen:

    Weg mit Stuck: Wie durch Hass auf Gründerzeithäuser die nackte Stadt entstand


    Gleichwohl wurden allein in Kreuzberg zwischen 1954 und 1979 von den 2300 Häusern, die den Krieg überlebt hatten, 1358 „entstuckt“, betrieben vom sozialdemokratischen Bausenator Rolf Schwedler, von 1955 bis 1972 in diesem Amt. Wolfgang Liebehenschel, von 1975 bis 1979 Hochbauamtsleiter in Kreuzberg, kämpfte mit den Folgen dieser Politik. Er erinnert sich, der Senat habe Hausbesitzern 5000 Mark gezahlt, wenn sie bei Fassadenreparaturen den Stuck abschlagen ließen.

    Zitat

    1964 zeigten sich erste Kurskorrekturen. Unter Senatsbaudirektor Werner Düttmann begann man, „geschützte Baubereiche“ einzurichten. Er fand es an der Zeit, das Feindbild Gründerzeit zu entkrampfen, schließlich habe die Moderne gesiegt. Nun galten Reservate mit Eckkneipe und museale Inseln als chic. Fünf Bereiche, darunter der Chamissoplatz und das Kreuzberger Planufer, gehörten dazu.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Ehrlich gesagt ist dieser abnorme Hass auf die wunderschönen Gründerzeithäuser -ich möchte mal sagen- krankhaft, ja geradezu pathologisch.

    Ich bin absolut entsetzt.