Diesem "Phänomen" sollten wir aus mehreren Gründen einen eigenen Strang widmen.
Nach dem Krieg waren viele Altbauten weitgehend intakt. Notgedrungen musste man viele weiternutzen, auch wenn der modernistische Nachkriegsstadtplaner von Welt gern alles abgerissen und nach seinen Vorstellungen gestaltet hätte. Man denke an das Konzept der autogerechten Stadt.
Nun sollten diese erhaltenen Bauten jedoch dem Zeitgeist entsprechend zu reinen Funktionsbauten umgemodelt werden. Entkernung, Anbauten, Überbauung, Aufstockung und Entstuckung waren die Folge. In der "autogerechten Stadt" sollte der Blick nicht durch Ornament am Straßenrand von der Straße gelenkt werden. Der dynamische Mensch als lebende Maschine, als Arbeitstier, hatte keine ästhetischen Ansprüche zu stellen. Gebäude sollten nunmehr rein funktional überzeugen und aus ihrer Funktion heraus sollte sich eine formale Schönheit ergeben. Da Ornament keine funktionale Notwendigkeit darstellte, entfernte man es, um die Altbauten nunmehr als moderne, ihrer Funktion verpflichtete Gebäude umzuwidmen. Neben der allgemeinen Geringschätzung gegenüber dem Historismus kam das Argument der Verklärung von Begebenheiten hinter den reich verzierten Fassaden hinzu.
So weit meine Theorie, bzw. das, was ich aus Gesprächen als einige der Kernthesen zum Thema Entstuckung mitgenommen habe.
Wie seht ihr das? War es nach den Kriegszerstörungen (vorallem in Berlin) tatsächlich in vielen Fällen nötig, den Stuck zu entfernen? Was steckt wirklich dahinter? Folgte man lediglich der Philosophie Adolf Loos' und der Bauhausmoderne?
Statische Gründe oder Sicherheitsrisiken (herabbröckelnder Stuck) erscheinen oft vorgeschoben, wenn auch nicht allzu weit hergeholt. Gerade bei minderwertiger Fertigung der Stuckarbeiten mag es Instabilitäten infolge der Kriegseinwirkung und Verwitterung gegeben haben. Inwiefern sich dies belegen ließe, bleibt zu klären. Dass man aber bis weit in die 70er hinein diese Praxis bei intakten, stabilen Gebäuden verfolgte, ist für mich unentschuldbar.
Und das schlimmste ist: Wir fallen zurück in diese graue Vorzeit. Auch heute wird wieder fleißig entstuckt, vorallem in peripheren Lagen von industriell geprägten Großstädten, aber auch andernorts. Warum? Energetische Sanierung lautet das "Zauberwort". Wärmedämmplatten werden großzügig aufgetragen, die Stuckfassaden müssen dafür weichen. Innendämmung sei schließlich "aufwändiger" (ein Ammenmärchen, wie ich aus eigener Erfahrung klarstellen muss).
Welche Beispiele für entstuckte Fassaden kennt ihr? Wo werden auch heute noch Gebäude von ihrem Stuck "befreit"? Wie lässt sich dieser Wahnsinn stoppen?