Berlin - Anhalter Bahnhof

  • Ja, ihr seid in der Diskussion hier natürlich schon viel weiter, aber ich biete als "Basis" noch einmal meine sehr knappen Zeilen zum "Anhalter" an. Als begeisterter Stadtspaziergänger kenne ich den Portalüberrest natürlich auch, habe früher auch mal mit meinen "Älteren" darüber gesprochen. Meine Großmutter selig ist da noch abgefahren und angekommen, als der Betrieb noch lief. Sowohl IM Krieg, als auch danach noch. Auch sie war der Meinung, dass das Gebäude als solches "zu retten" gewesen wäre, aber nicht als Bahnhof in Mauerzeiten.
    Was nun eine Chance für die Rekonstruktion, zumindest von Teilen des Gebäudes angeht, bin ich nicht wirklich optimistisch. Franz Schwechtens Werk des "Historismus" bzw. aus "Kaisers Zeiten" hat vermutlich in den entscheidenden Kreisen keinen guten Ruf (vermutlich zu Unrecht, wie ich absolut offen zugebe, da ich z. Bsp. seinen "Grunewaldturm" sehr schätze, von der alten Gedächtniskirche ganz abgesehen). Obwohl in Zeiten von "Humboldtforum" und aufkommender Diskussion über die Denkmalskirche am Berliner Dom vielleicht auch der "Anhalter" von der "Verdammnis" imperialer Architektur ausgenommen werden kann, so sehe ich derzeit weder den Willen noch die Finanzen für ein solches Projekt irgendwo am Horizont aufdämmern. Ich gestehe: ich bedauere dies, weil auch ich den alten Anhalter großartig finde ("glorreich" darf man ja wohl hier nicht sagen, muss auch nicht sein, die deutsche Sprache hat so viele, schöne Worte der Bewunderung, obwohl ich solche kleingeistigen Wortklaubereien natürlich grundsätzlich ablehne. Zensur kriege ich auf diversen, sozialen Netzwerken schon zur Genüge, aber das ist ein völlig anderes Thema, das primär mal nix mit Architektur zu tun hat.)
    Also, der "Anhalter":....
    https://ckstadtspaziergaenge.wordpress.com/2016/11/18/ver…halter-bahnhof/
    Und hier sein Architekt:...
    https://ckstadtspaziergaenge.wordpress.com/2018/07/18/per…f-ins-bekannte/

    • Auf Wiedersehen 2025 im Exilmuseum:

    4 Mal editiert, zuletzt von reschbanner (2. September 2019 um 19:01)

  • Ein "Multifunktionsturm" ist auf dem Gelände des Anhalter Bahnhofs geplant. Die Pläne können eigentlich nur aus Vor-Coronazeiten stammen. Oder geht es auf dem Immobilienmarkt nach Corona so weiter wie vor Corona?

    Gebaut werden soll - unter dem Arbeitstitel WoHo - ein bis zu 100 Meter hohes Hochhaus:

    https://www.morgenpost.de/bezirke/friedr…fs-geplant.html

    In Berlin scheint man, wie noch in den 70iger Jahren, Hochhäuser auch außerhalb von Hochhaus-Clustern in die Stadtlandschaft stellen zu dürfen. Die geplante "soziale Mischung" hat bestimmt die Genehmigung des Projektes beschleunigt.

    ...

  • Also der Immobilienmarkt zeigt sich bislang unverändert.

    ... In Berlin, das in den letzten zehn Jahren eine Explosion der Immobilienpreise erlebte, ist ein minimaler Rückgang von einem Prozent zu verzeichnen: In der Hauptstadt ging der Quadratmeterpreis im Vergleich zum Vormonat leicht von 4.220 Euro auf 4.160 Euro zurück.

    Multifunktionsturm erinnert mich an ein Fitnessgerät. Und nicht nur mich... ;)

    Beauty matters!

  • Die Berliner Morgenpostt berichtet vom Entwurf für ein Exil-Museum am Anhalter Bahnhof:

    MoPo

    Hier gibt es auch eine Abbildung des Wettbewerbentwurfes, der von der 10-köpfigen Jury zum Sieger gewählt wurde.

    Er stammt vom Büro Dorte Mandrup aus Kopenhagen.

  • Warum ein Museum, dass den Menschen die vor dem Nationalsozialismus zu Glück entkommen sind, gewidmet wird, aussehen muss wie ein Gefängnis, erschließt sich mir auch nicht.

  • Sorry, ich habe die ganze Zeit mit mir gehadert, ob ich dazu schweigen soll. Aber irgendwie gelingt es mir nicht, weil es nicht bei einer einmaligen Meldung mit Link blieb, sondern die Diskussion hier weiterläuft und sich an Nebenfragen aufhängt.

    Somit kann ich leider nicht anders, als einen Post abzulassen, der wieder einige zu Hitzewallungen bringen wird, und der dann von der Moderation ohnehin gelöscht wird. Egal.

    1. Der Bau ist so schlecht nicht mal. Leider bringen sie in das Raster-Obergeschoss aber kleine Asymetrien hinein, was ich aus der Zeichnung zumindest so schließe. Es muss halt immer irgendetwas krummes rein, damit die "Gebrochenheit" symbolisiert wird.

    2. Der Bau steht an der falschen Stelle. Er benutzt das Portal des Anhalter Bahnhofs als Eingangskulisse und verhindert dadurch eine mögliche Außenrekonstruktion zumindest der Bahnhofsfassade für z.B. eine dahinter liegende zukünftige Fest-/Konzerthalle in der Kubatur des Bahnhofs.

    3. Der Inhalt dieses Museums dient nur dazu, dass die üblichen Kultur-Ikonen der BRD nun die nächste Kult- und Gedächtnisstätte erhalten. Dort dürfte nicht Otto Strasser werbend herausgestellt werden, sondern (einmal mehr) Kurt Tucholsky, Billy Wilder, Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Walter Gropius, Mies van der Rohe oder Ernst May. Eben die linke und neomarxistische Kulturschickeria der Weimarer Republik. Ihr Schicksal war persönlich bedauerlich, aber es wird schon in genug anderen Gedächtnisstätten erwähnt. Die Storys sind seit Jahrzehnten aufgearbeitet und irgendwann mal durch.

    4. Der Vergleich zum Jahre langen Gezeter um das immer mehr verwässerte "Zentrum gegen Vertreibungen" im Berliner Deutschlandhaus, das nach Jahrzehnten Verzögerung angeblich 2021 seine Pforten öffnen soll stellt sich, wenn man liest, dass dieses Museum schon 2025 öffnen soll. Da scheint es also nun keine Widerstände zu geben, da scheint das Geld ganz einfach zu sprudeln. Dabei wurden nach 1945 Menschen in ganz anderen quantitativen Maßstäben vertrieben oder zur Abwanderung gezwungen, als diese Exilanten. Das Thema aber findet im öffentlichen Diskurs kaum statt, allenfalls heute wieder ein bisschen im gleichsetzendem Zusammenhang mit Syrern oder Afrikanern.

    5. Wie herauszulesen ist, stört mich die Architektur nur sekundär, der Inhalt aber primär. Mir geht diese neue Kultstätte, da inhaltlich vorhersehbar, am Allerwertesten vorbei. Sie dient nur zur weiteren Ablenkung von den hiesigen Verhältnissen, bei denen bislang Leute/echte Fachkräfte zwar nur aus wirtschaftlichen Gründen zur Auswanderung gezwungen sind (Steuerlast, mangelnde wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten und Zukunftsperspektiven), es aber nur so wimmelt von subtilen repressiven Maßnahmen, von Arbeitsplatzverlust, von Internetzensur, Verhinderungen öffentlicher Veranstaltungen, Einschüchterungen, sozialer Isolation Andersdenkender und nun Ikonoklasmus. Wer z.B. heute noch von Bücherverbrennung redet, aber nicht die Seiten-Sperrungen auf Facebook, Twitter, Youtube und Co. erwähnt, ist für mich ein Heuchler. Ähnlich sehe ich es mit einer solchen Museums-Kultstätte, die mich nicht falscher Vorurteile überführen dürfte (obwohl ich das begrüßen würde).

    Unter normalen Umständen wäre es für mich nur noch ein Schulterzucken wert. Warum über dieses immer gleichen Gedenkzeug noch aufregen. Hoffentlich wird´s nicht gebaut, weil sie pleite sind. Das wär´s.

    Aber dieses Forums-Diskussion um Kleinzeug, um Berliner Raster oder fehlende Verbindungsglasscheiben zum Bahnhofsportal oder über den "Trost" gegen die noch tristere Plätze 2 und 3 ließ bei mir mal wieder den Kessel überkochen.

    So, und jetzt darf die Moderation löschen.

  • Heimdall also mit anderen Worten: du kannst es nicht ertragen, wenn mal nicht über deine lieblingsthemen diskutiert wird. Deine Punkte 1 und 2 sind "spot on" , thematisieren die Architektur, die Rekonstruktion - aber dann musst Du unbedingt die Politik noch reinbringen. Schade! Ich hoffe, die Moderation ist klug genug und kürzt Deinen Beitrag entsprechend zusammen.

    Ach ja, und wenn sie das tut, kann sie diesen Beitrag dann mitlöschen.

  • Heimdall:

    1.Ein Museum, dass das Schicksal der Exulanten und die Folgen, die deren Flucht für Deutschland und dessen Entwicklung zum Thema hat begrüsse ich (wie Du Dir sicher denken konntest). Ein Museum, dass die Vertreibung nach dem Krieg thematisiert, ist aus meiner Sicht auch sinnvoll und unabhängig von dem hier geplanten. (das soll's zu diesem Teil des Themas gewesen sein).

    2. Der Standort ist an sich nicht schlecht gewählt, eine Rekonstruktion des Anhalter Bahnhofs als Ganzes kommt nie, ein solches Gebäude wird an dieser Stelle auch nicht (mehr) gebraucht. Was ich auch gut finde, dass in dem zu errichteten Gebäude auch ein Museum, dass den Bahhof als solchen zum Inhalt hat, geplant ist.

    3. Das jetzt geplante Gebäude finde ich nicht gut. Die Fassade ist abweisend. Das passt weder zum Museum, noch zum Bahnhof. Diese hätte sich durchaus, zumindest in den Umrissen, an dem historischen Bahnhof orientieren können und insbesondere das Portal integrieren müssen.

    Neußer: Die Assoziation zum 2 Preis ist mir auch sofort gekommen. Eine solche Verbindung zum Thema des Museums wäre aber sehr unpassend.

  • Also ich fand Heimdalls Äußerung als Diskussionsbeitrag jetzt gar nicht sooo schlecht. Verglichen mit einigen Beiträgen zur Architekturkritik davor (Stichworte: Gefängnis, Albert Speer) hatte sie schon mehr Niveau.

    Leider wurde zu dem Siegerentwurf, von den Visualisierungen abgesehen, bislang nichts mitgeteilt. Der Text auf der Seite des Architekturbüros sagt nichts über die Architektur. Ich vermisse Angaben zur Raumdisposition im Innern des Gebäudes, eine Frontalansicht mit der Bahnhofsruine davor, eine Visualisierung der Rückseite. Ich befürchte, dass die Ruine vor der großen Kulisse des Neubaus nicht mehr so gut zur Geltung kommen und an Ausdruckskraft verlieren wird.

    Ansonsten scheint der Entwurf von Dorte Mandrup durchaus gewisse Qualitäten zu haben. Die Konzeption eines Exilmuseums scheint mir etwas problematisch. Ist das noch zeitgemäß? Es geht doch darum, Biografien und Geschichten multimedial zu vermitteln. Braucht man dafür ein eigenes Gebäude? Bei dem heutigen Stand des Internets?

    Ich weiß allerdings nicht, was an Kultuschaffenden der Weimarer Republik "neomarxistisch" gewesen sein soll. Und eigentlich wundert es mich auch, wenn konservativ und national orientierte Deutsche die Emigration ab 1933 nicht bedauern.