Berlin-Moabit und Hansaviertel

  • Das Hansaviertel wurde 1957 fertig, also vor 60 Jahren. Von konservativen Architekten und der DDR als 'undeutsch' angeprangert, von anderen hochgejubelt, ist das Viertel in die Jahre gekommen. Probleme gibt es mannigfaltig, besonders rund um den Hansaplatz mit seinem kleinen Zentrum. Aber die meisten der Bewohner lieben es hier im Grünen, direkt am Tiergarten zu wohnen.

    Als Antwort auf die Wohnungsnot in den 50er Jahren kann das Viertel nicht gelten, es bediente eher den gehobenen Mittelstand, schon wegen der enormen Erstellungskosten.

    Die Zeit der Arbeiterschlafbatterien kam erst danach, als man begann gut funktioniernde Viertel statt zu sanieren, abzureissen und man Ersatz in den Stadtrandgebieten auf der Basis industriellen Bauens zu schaffen.


    Die Berliner Zeitung widmet sich der Geschichte des Viertels und setzt sich mit der Kritik auseinander:

    Berliner Zeitung

  • Die Sanierung des Studentenhochhauses Siegmunds Hof ist bald abgeschlossen.

    Der wenig ansehnliche Bau ist als eingetragenes Baudenkmal geschützt.

    Blick vom Hansa-Ufer auf die Baustelle Bachstraße/Altonaer Straße. Der Glasklotz wird als 'Oasis Berlin' angepri€$€n.

    Die jahrelange, äußerst schleppende Sanierung des Gerickestegs am S-Bahnhof Bellevue ist dann auch bald fertig.

    Hoffentlich kommen die Lampen auch noch zurück. Und...neue Besudelungen sind natürlich auch schon vorhanden.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Die Lampen sollten auf keinen Fall zurückkommen.
    Die Zeitepoche der 50er-Jahre war kein Ruhmesblatt der Gestaltung dieser Brücke.
    Der Gerickesteig sollte besser gleich ganz im Originalzustand wiederhergestellt werden.
    Das trifft vor allem auch auf das sinnlos 2 verschiedene Stile umfassende Brückengeländer zu.

  • Zwei Ansichten des Schultheiss-Quartiers an der Turmstraße/Stromstraße.

    Ein wenig bauliche Abwechslung wie bei der Mall hätte m. E. besser ausgesehen; insgesamt aber einigermaßen okay.


    Erste Eindrücke vom neuen Schultheiss-Quartier - Berliner Woche


    Der Neubau Kaiserin-Augusta-Allee N°28 (KaiserLofts)

    Der Bau passt m. E. recht gut dort hin.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Die 1957 anstelle des 1943 zerstörten neogotischen Vorgängerbaus errichtete Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche am Rande des Tiergartens wurde nach zweijähriger Sanierung wieder ihrer Bestimmung übergeben. V.a. dem Innern der Kirche spreche ich architektonische Qualitäten zu, ganz im Stile der 50er Jahre.

    Zitat

    1,6 Millionen Euro flossen in die Sanierung der maroden Bausubstanz. Die von Stadtbaudirektor Ludwig Lemmer in den 50er Jahren entworfene Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche wird wegen ihres markanten Glockenturms im Volksmund auch "Seelenbohrer" genannt. Das Bauwerk aus rohem Beton ist in der Architekturszene international bekannt.


    Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche feiert Ende der Sanierung


    Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche im Hansaviertel [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], by Beek100, from Wikimedia Commons


    Die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche von innen [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], von HJ Graichen, vom Wikimedia Common

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • 2018 hatte ich Bilder vom Schultheiss-Quartier im Bau gezeigt. Nachfolgende einige aktuelle Ansichten in der Abfolge Turmstraße - Stromstraße - Perleberger Straße.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Snork 13. März 2020 um 19:54

    Hat den Titel des Themas von „Moabit und Hansaviertel“ zu „Berlin-Moabit und Hansaviertel“ geändert.
  • Es gibt aber schlechteres. Immerhin ist die Fassade profiliert und weist ein angenehmes Material auf. Auch Höhe und Blockrand werden eingehalten. Gut wäre ein gedecktes steiles Dach. Das könnte in Zukunft mal nachgerüstet werden, wenn weiterer Raumbedarf aufkommt.

  • Sehr gutes Beispiel für ergänzendes Bauen im Bestand. Besser geht es immer, aber für eine Mall in Moabit (!) geradezu herausragend. Man vergleiche es mit der alles in allem sehr schwachen Leistung im Fall der Mall of Berlin an so prominentem und legendärem Ort, dem Leipziger Platz.

  • Auf der offiziellen Webseite des Hansaviertels ist eine Luftaufnahme von 1945 zu sehen. Während im Text von einer weitestgehenden Zerstörung die Rede ist, die durch eine irreführende Vergleichsgrafik veranschaulicht wird, spricht das Foto eine andere Sprache. Offensichtlich waren die meisten Gebäude nur ausgebrannt, waren aber in ihrer Substanz und ihrem Zusammenhang erhalten. Das komplette Viertel befand sich in einem reparablen Zustand. Die Wahrheit ist, es ging erst durch den ideologisch motivierten Städtebau der Nachkriegszeit verloren.

    https://hansaviertel.berlin/geschichte/november-1943/

    Und wenn ich lese, dass bei Kriegsende nur 11% der Gebäude Berlins total und irreparabel zerstört waren, war der Umgang mit dem baulichen Erbe dieser Stadt nach dem Krieg - der in den meisten Fällen nichts anderes war als restlose Beseitigung - eigentlich eine Katastrophe für sich. Das alte Dresden haben tatsächlich die Bomben vernichtet, das alte Berlin aber die Stadtplaner nach 1945.

    In dubio pro reko

  • "Nur ausgebrannt" heißt konkret, dass lediglich die Fassaden und Wände noch standen. Davon gibt es etliche Aufnahmen. Im Hansaviertel war der Großteil der Gebäude zerstört und nicht wiederaufbaufähig. Der Vergleich mit Dresden ist dabei gar nicht falsch.

    In anderen Stadtteilen sah es ganz anders aus, da hast du absolut recht.

  • Danke Novaearion für deine ErLäuterung. Hansaviertel war das erste zerbombte Viertel Berlins. Es war ein einer der am schönsten Viertel Berlins mit sehr hochwertige Gründerzeitler im Bucht der Spree nicht weit vom KWGK.

    Statistisch wurde 33% der Bauten Berlins in 2.WK schwer beschädigt oder zerstört. Nach dem Krieg wurde die verblieben 67% der Bauten Berlins von Stadtplaner restlos weiter zertört mit Tiefenpunkt das völlig unbeschädgte Vinetaplatz Viertel anfang 70-er Jahren.

    Übrigens konnte ein wesentlicher Teil der 33% zerstörte Bauten gerettet oder wiederaufgebaut werden. Brandenburger Tor ist ein gelungener Vorbild. Die vielen städte prägende Bahnhöfe, Hotels, Waren- und Kaufhäuser, Kirchen oder Türme (die "Gesichter" Berlins) wurden abgebrochen oder gesprengt. Sogar das Schloss und Museum von Völkrkunde am Saarland Strasse.

    Berlin Anhalter Bahnhof - Wikipedia

    50% der ehemalige Gründerzeitler sind heute (glücklicherweise) noch da und bieten noch immer wundervolle und sehr beliebte Wohnungen. Leider wurde von 75% der Bauten die so wertvollen Schmuck beiseitigt, bis zu komplette hohe Ecktürme wie am Eckgebäude Eberswalder Strasse/Schönhäuser Allee oder Eckgebäude (Kaufhaus) Belziger Strasse und Hauptstrasse.

    Es wurden dazu unzählich vielen Chancen bis heute verpasst un das "grosse" Berlin Max Missmanns noch ein bisschen zu retten. Denn die Löcher wurden mit unempfindliche (sogar hässliche) Billigbauten gefüllt und im besten Fall Amerikanisch augende Patschkes oder Nofers die keine historische Dächer, Fenster, Balkons, Sschmuck, Stuck oder Erker besitzen und die Geschosshöhe auch nicht passt zur stehen geblieben (meistens abgeschnorkelten) Gründerzeitler.

    So entsteht ein "klotziges" neues Berlin (vergleiche mal UdL, Friedrichswerder oder Leipziger Platzvor dem Krieg mit heute), wo die 50% des wertvollen Baubestand nicht repariert ist (und auch nicht wird). Der Flair der golden Zwanziger kommt also nie zurück.

  • "Nur ausgebrannt" heißt konkret, dass lediglich die Fassaden und Wände noch standen.

    Und daraus hätte man etwas machen können. Das geht doch heutzutage auch, wenn ein Altbau entkernt wird und hinter der erhaltenen Fassade komplett neu gebaut wird.

    In dubio pro reko

  • Auf dem von Königsbau gezeigten Foto sind etliche Häuser, ganze Straßenzüge von oben zu erkennen, bei denen offensichtlich nur das Dach und die Geschossdecken fehlen, die Wände jedoch intakt geblieben zu sein scheinen. Diese Häuser galten statistisch als ganz oder teilweise zerstört, zumindest als unbewohnbar. Dennoch waren sie wiederherstellungsfähig. In der Tat sind in den Nachkriegsjahren dann etliche derart "zerstörte" Häuser erneut mit Dächern versehen und so wieder nutzbar gemacht worden. Das war der einfachste und wirtschaftlichste Umgang mit diesen Ruinen, um schnell dringend benötigten Wohnraum wiederzugewinnen - die Hauswände, Keller und Fundamente der Häuser waren ja noch vorhanden und mussten nicht neu geplant und konstruiert werden.

    Es stimmt insofern vermutlich, dass das ganze auf dem Foto gezeigte Viertel ohne allzu großen Aufwand wieder hätte repariert werden können, so wie andernorts auch. Der Abriss des Viertels war somit tatsächlich wohl stadtplanerisch-ideologisch motiviert.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Ein Gebäude mit drei oder vier Stockwerken - wie offensichtlich im Hansaviertel vorherrschend - erhält seine Stabilität durch die Verschränkung der Wand- und Deckenscheiben. Wenn nun sämtliche Holzbalkendecken weg sind - wie bei "ausgebrannten" Gebäuden der Fall - und diese Ruine dann noch mehrere Jahre Wind und Wetter ausgesetzt ist, dann ist der zur Wiederherstellung notwendige Aufwand gar nicht so gering. Nimmt man die akute Wohnungsnot und den Materialmangel der Nachkriegsjahre hinzu, dann relativiert sich der "geringe Aufwand" nochmals deutlich.

    Ich will die Abrisse dieser Zeit nicht verteidigen - sicherlich gab es auch eine ideologische Motivation. Aber es gab auch ganz sachliche Gründe, die für einen Abriss sprachen... Besser wäre es natürlich gewesen, man hätte wiederaufgebaut. Aber aus reiner Bosheit haben die damaligen Protagonisten auch nicht gehandelt.

  • Wer sprach denn von Bosheit? Du bringst mit deinen Beiträgen immer eine unnötige Polarisierung ins Spiel, UrPotsdamer. Es war nur die Rede davon, dass der Abriss der damaligen Ideologie entsprach, die das Alte überwinden und eine gänzlich neue Stadt schaffen wollte. Aus zeitgenössischer Sicht war das wahrscheinlich eine überaus ehrenhafte Großtat. Heute muss man das jedoch zutiefst bedauern.

    In dubio pro reko

  • Es stimmt aber eben nicht, dass, wie von Snork behauptet, "das ganze auf dem Foto gezeigte Viertel ohne allzu großen Aufwand wieder hätte repariert werden können" . Der Aufwand wäre erheblich gewesen. Damit ist die Aussage "Der Abriss des Viertels war somit tatsächlich wohl stadtplanerisch-ideologisch motiviert" auch zweifelhaft. Wenn man nur hätte neue Decken einziehen und das Dach neu zimmern müssen, hätte bei der damaligen krassen Wohnungsnot niemand aus rein ideologischen Gründen einen Abriss durchsetzen können.

    Es mag sein, dass ich hinter jedem Busch einen Räuber vermute - aber solche Pauschalaussagen wie die soeben zitierte sind eben auch nicht gerade fair. Es mangelt nach meinem Geschmack bei Diskussionen wie dieser hier zu oft am Verständnis für die damaligen Nöte und Zwangslagen der Verantwortlichen. Da mag es dann vorkommen, dass ich ins andere Extrem verfalle, um den Saldo auszugleichen...

  • Nur als Beispiel eine unmittelbare Nachkriegsaufnahme an der Ecke Altonaer Straße / Schleswiger Ufer:

    https://www.stadtmuseum.de/sites/default/…g?itok=S5HxXwPo

    Auf dem Luftbild von Königsbau ist dies östlich der zweiten Brücke von oben (heutige Hansabrücke). Entweder zeigt das Foto also eine Aufnahme noch vor Beendigung der Kämpfe oder es mussten die Trümmer unmittelbar nach Kriegsende (sonst würde nicht noch ein zerstörter Panzer mit Hakenkreuz rumstehen) abgeräumt werden, da die Fassaden sonst einzustürzen drohten. In Berlin gab es noch viele Jahre nach Kriegsende (teil)zerstörte Häuser, die im Stadtbild ganz normal präsent waren. Der Abriss erfolgte also 1945 nicht aus Selbstzweck.

    Ansonsten zeigt das Bild recht deutlich, wie es um die Struktur dieser Häuser stand. Auf dem Luftbild ist auch überhaupt nicht zu erkennen, welche Fassaden noch stehen. Ist teilweise nur der Dachstuhl zerstört oder sieht man von oben vielleicht nur noch die Mauern des Erdgeschosses?
    Nicht vergessen darf man auch, dass das Hansaviertel bereits Ende 1943 zerstört wurde, als die Versorungslage Berlins noch halbwegs funktionierte. Die Straßen wurden vermutlich also bereits enttrümmert, was den halbwegs "ordentlichen" Eindruck auf dem Luftbild noch verstärkt.

    Nachtrag:

    Eben noch gefunden von spiegel.de (Artikel https://www.spiegel.de/fotostrecke/na…e-109257.html):


    https://cdn.prod.www.spiegel.de/images/1f1879c…48.61_fpy50.jpg

    Das sind überwiegend leere Hüllen, zerbombt und fragil. So sah es eben in weiten Teilen der Stadt nicht aus. Und überall, wo im Ergebnis der Bombardierungen und Bodenkämpfe solche Trümmer übrig blieben, wurden diese Viertel auch gnadenlos abgeräumt.

  • Ja, diese Diskussion flammt ja immer wieder auf hier, wenn Bilder aus der unmittelbaren Nachkriegszeit oder Zerstörungsbilder gezeigt werden. Ich halte es auch für verfehlt, davon auszugehen, dass hier "aus ideologischen Gründen" im großen Stil wiederverstellbare Bausubstanz vernichtet wurde. Natürlich wird es an einzelnen Stellen und tlw. noch während des Krieges Bereiche gegeben haben, in denen der Wiederaufbau aufgrund einer neuen Verkehrsplanung o.ä. von behördlicher Seite behindert oder verboten wurde, in den allermeisten Fällen dürfte es sich aber schlicht um damals mit vertretbaren Mitteln nicht wiederverstellbare Bausubstanz gehandelt haben. Warum sollte man angesichts der katastrophalen Wohnungsnot leichtfertig ganze Bereiche mit wiederverstellbarer Bausubstanz geopfert haben?

    Wir können die Schäden durch Hitzeeinwirkung doch nicht anhand von ein paar Luftbildern beurteilen, gerade die schwerer getroffenen Gebäude, in denen dann noch tlw. tagelang Feuer gewütet haben, werden statisch sehr unsicher gewesen sein. Hinzu kommt, dass diese Landschaften auch deshalb schnell, vielleicht auch schneller als nötig, abgeräumt wurden, weil sie ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellten durch herabfallende Gebäudeteile und Unfälle z.B. spielender Kinder.

    Natürlich kann man sich 75 Jahre später hinstellen und den Kopf schütteln, aber ich denke aus damaliger Perspektive ergab das alles schon Sinn, auch wenn ich natürlich vollkommen zustimme, dass aus heutiger Sicht wahrscheinlich mehr hätte gerettet werden können und vielleicht auch müssen. Aber diese wirklich bis auf die Mauern zerschossenen und zerstörten Gebäudehüllen würde ich nicht unbedingt in diese Kategorie zählen bzw. zumindest davor warnen wollen, hier schon 1945 oder 1946 "Ideologie" zu unterstellen. Der Focus lag damals ganz klar woanders.