• Soeben bin ich auf eine interessante Sache gestoßen,
    die für uns ein weiterer Ansporn für unsere Sache
    sein sollte. Nämlich die Entstehung des Jugendstiles.

    Vorab ein paar schöne Jugendstilimpressionen. :anbeten:

    Dieser damals völlig neue, aber dennoch traditionelle Architekturstil
    wurde nämlich mit Hilfe einer Zeitschrift erst bekannt und später
    sogar nach ihr benannt.

    Ab Januar 1896 erschien die "Jugend. Münchener Illustrierte Wochenschrift für Kunst & Leben". Sie verstand sich als eine vielseitig interessierte Unterhaltungszeitschrift, die dem traditionellen Kulturkanon kritisch gegenüberstand und jegliche Form der Spießigkeit ablehnte. Sie ähnelte darin dem ebenfalls 1896 gegründeten "Simplicissisimus" oder der seit 1895 erscheinenden Zeitschrift "PAN", obwohl die scharfe politische Satire die Ausnahme blieb.

    Bereits ab der ersten Nummer wurde einer neuen künstlerischen Manier Raum gegeben, die zu diesem Zeitpunkt noch keinen Namen hatte und nun in Anlehnung an die Zeitschrift "Jugendstil" genannt wurde.

    Ich sehe schon in nicht all zu ferne Zukunft unsere neue Zeitschrift,
    nach der dann später einmal diese bald kommende neue ornamentreiche
    Epoche genannt werden wird. :engel:

  • Ohne jetzt beckmessern zu wollen, der Jugend-"stil" war eigentlich gar keiner, denn er hat keine neuen, starken Formen hervorgebracht oder alten zu neuem Ansehen verholfen, er war eine hübsche Spielerei an der Oberfläche, nicht wahr.
    Wie uneindeutig er von wenigen schlagkräftigen Beispielen abgesehen war, sieht man schon daran, daß Hinz und Kunz heute in der Regel jede Gründerzeitfassade, auf der irgendwelche trutzigen Gesichter oder Grimmbärte zu sehen sind, stets und gnadenlos als Jugendstil bezeichnen.
    Man studiere diesbezüglich nur einmal die Anzeigen der Makler in den Wochenendausgaben der Tageszeitungen.

  • denke schon, dass der jugendstil ein stil war, denn sonst würde man ihn wohl kaum oft so gut erkennen können.

    oliver,
    sehr schöne objekte. wo stehen die ?

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • in vielen osteuropäischen städten gibt es zahlreiche jugendstilgebäude - ein traum von architektur!

    und da muss ich widersprechen: jugendstil ist als ein eigener stil aufzufassen, der sogar noch in unterkategorien eingeteilt wird, wie z.b. darmstädter stil, art noveau, ...

  • @Kai
    Der Widerspruch heftet sich dem Bumerange gleich an Deine Fersen - zeig' mir doch mal einen Architekten, der wirklich eine neue Formensprache entwickelt hätte (Olbrich, wer denn noch?), es war eine neue Form der Dekoration, bestenfalls der Möbel- und Innenraumgestaltung.
    Und wie "leicht" man ihn wiedererkennt, den sogenannten Stil, erkennt man daran, wie oft ihn Leute mit banalen Gründerzeitelementen verwechseln :peinlich: , wie bereits weiter oben erwähnt.
    Er war eine Sackgasse, ein letztes Aufbäumen von Gestaltern, die unbedingt etwas Neues schaffen wollten und sich in pflanzliches Dekor verrannten; daß es etwas Aufgezäumtes war , zugegebenermaßen teilweise recht hübsch, kann man auch daran sehen, daß seine ganze Kraft mit Kriegsbeginn in sich zusammenfiel und er nach 1918 nicht wieder auf die Beine kam.

    De Mortuis nihil nisi bene. :P

  • Antiquitus,
    nun ich habe eigentlich ein wenig gegoogelt.
    Das erste war irgendwo in Osteuropa, denke ich.
    Riga vielleicht ? Das zweite Bild stammt glaube ich
    auch aus Osteuropa.
    Das dritte ist ein Gebäude in Wien. Wien war ja sozusagen
    ein Jugendstilzentrum.
    Ja und das letzte ist in Berlin. Tietz in Berlin. :harfe:

  • @ Clint_Tristwood

    Der Jugendstil ist deshalb nicht mehr auf die Beine gekommen, weil nach dem Kieg eine neue Epoche eingeleitet werden sollte. Egal welcher Stil vor Kriegsbeginn die Dominanz inne gehabt hätte, die Kuben wären gekommen. Dies lag nicht daran, dass der Jugendstil angeblich schwach gewesen sein soll. Abgesehen davon dachte man, dass der Jugendstil und allgemein, klassische Gebäude daran Schuld gewesen war, dass die Deutschen sich zu Nazis verwandelt haben. Das glauben sogar Heute noch viele, dass die Architektur die Menschen zu Nazis werden ließ was totaler schwachfug ist, weil´s nicht wahr ist.

    Insofern hat man sich beim Jugendstil ganz bestimmt nicht verrant. Selbst der Klassizismis oder der Barock wäre nicht mehr auf die Beine gekommen.


    De Mortuis nihil nisi bene. <- ? Was soll das ? Bist du Nihilist ? Und dann erst dein Motto.... Du magst Kuben ? Das kann aber nicht angehen. Plattenbau hat nichts mit Architektur zu tun oder kannst du eine Fassade daran erkennen ? Also ich sehe keine Fassade. Vermutlich liegt das daran, dass eine Platte keine Fassade besitzt :P .

  • Der Jugendstil ist auch deshalb nach dem Krieg nicht mehr hochgekommen, da er vor dem krieg schon zu ende war wenn man dass so sagen kann!

    Der Werkbund ist schließlich eine Reaktion auf den Jugenstil/Art Noveau!
    Bzw auf die Unstimmigkeiten die man damals im Jugendstil sah und fand!
    Deshalb taten sich (weiß es nicht 1005 auswendig also die Jahreszahl) um 1910 verschiedene Künstler und Industrielle zusammen und einen auf dem handwerk basierenden parktischen (deutschen) also nationalen Stil zuentwickeln! E Voila - der Werkbund war geboren!

    Man darf Jugenstil und Werkbund nicht verwechseln, da beide teilweise ähnliche Züge haben!

    Was sichlerlich auch ein Grund war warum der schon vor dem WWI kränkelnde Jugenstil endgültig nicht mehr auf die Beine kam, war, dass er just zu fröhlich und verspielt war und nach dem WWI hatte man für solch eine Architektur keinen Sinn mehr. Dass ist wohl auch der Grund warum die eckigen und krassen Formen des Expressionismus nach dem WWI immer mehr Anklang in der Architektur bzw bei den Architekten fanden!

  • meines erachtens stellt der jugendstil sehr wohl einen eigenen stil dar.
    eines der zentralen themen in der jugendstilarchitektur ist die fröhlichkeit der formen und figuren, die "belebtheit" des ganzen. dies wurde größtenteils durch pflanzliche motive dargestellt, die sich am ganzen haus entlangschlingeln, oder als ein einzelnes ornament dienen, wie z.b. als rechteckiger spiegel unter einem fenster, in dem die pflanzlichen motive vorherrschen. ebenso oft wurden fratzen dargestellt.
    ebenso wurden neue säulen entwickelt, die ja nicht nur dekoration sind, sondern auch architektonisch wichtig sind. da fällt mir ein hübscher entwurf von henry van de velde ein.

    meiner meinung nach ist der jugendstil eine weiterentwicklung des gotischen und barocken bauens, die neu überdacht wurden und mit neuen formen und figuren versehen wurden und zu einem eigenen stil entwickelt wurden. natürlich besteht der jugendstil nicht nur aus floral-verspielten spiegeln und anderen ornamenten, es gibt auch gebäude, die man ebenso dem jugenstil zu ordnen kann, die keinesfalsch verspielt sind, sondern eher durch ihre schlichtheit auffallen. wie zum beispiel gebäude des darmstädter / münchener stils.

    ein buchtipp von mir: karl eschmann - jugendstil: ursprünge, parallelen, folgen erschien im muster schmidt verlag.

    @ johann
    ich denke nicht, dass er nihilist ist. nihil ist lateinisch und heißt "nichts".

  • Auf die Gefahr hin oberlehrehaft :lehrer: zu wirken:

    "De mortuis nihil nisi bene" = "Von den Toten (soll man) nur Gutes (reden)" bzw. wörtlich übersetzt: "Von den Toten nichts, es sei denn Gutes."

  • Sind nicht in den 1920er Jahren noch Jugendstilbauten entstanden?

    Eigentlich schade, das von 3 modernen Strömungen (Jugendstil, Expressionismus, Bauhaus) sich die häßlichste durchgesetzt hat.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • @Johann
    Meine Signatur ist ironisch gemeint, die Platte ist sozusagen die Apotheose der schönheitsfeindlichen "Baukunst". O.K.?

    Mit "De Mortuis..." wollte ich nur einen kleinen Nachruf auf diese kurzlebige Kunstform aussprechen.
    Wahrscheinlich besteht der Irrtum in der Ansicht des Jugend-"Stiles" auch nur darin, daß er in der Kleinplastik, bei den Gebauchsgegenständen und in der Graphi hervorragendes geleistet hat. Er hätte sich nur nicht auf das Gebiet der Architektur verirren sollen, da war sein Arm schlicht zu kurz.

  • Ich finde den Jugendstil generell sehr schön...Allerdings nicht unbedingt diese leicht bekifft dreinschauenden Riesenköpfe....ODer dieses eine Haus in München...

    Ob es nun ein eigener Stil war...? Irgendwie schon, oder...Seine Kurzlebigkeit sagt ja nicht zwangsläufig etwas über seine Qualität bzw. Ideen aus. Unser Haus (1909) ist zwar auch in erster Linie ein Gründerzeitler, weist aber durchaus Elemente des Jugendstils auf, z.B. Spiegel mit floralen Mustern, Tiffanyglas, die Schnitzerein an den Türen oder einfach nur die Klingelschilder. Zu der Zeit wurden doch ohnehin alle Stilrichtungen durcheinandergewürfelt...Und es kann ja auch Mal passieren, dass man einen frühklassizistischen Bau auf den ersten Blick für einen barocken hält...

  • meiner meinung nach ist der jugenstil auch sehr schön, also teilweise natürlich nicht alles!
    nur leider sahen es die zeitgenossen wohl etwas anderes :-/

    diese ignoranten :P

  • @Ben
    Sicher kennst Du auch das jovial, überlieferte Bonmot des Berliner Poliers, der fragte:

    "Meester, der Bau iss' feddich. Watt für'n Stil soll'n jetzt ruff?"

    Jugendstil war reine Deko und hat von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, keine neuen Bauformen geschaffen und an dieser Geburtskrankheit ist das Kerlchen eben auch bald wieder zugrunde gegangen.

  • Ich glaube, die Menschen haben den Jugendstil früher genauso schön
    gefunden wie die Menschen heute. Meiner Meinung nach, lag es an
    den Architekten, daß sich schließlich der Bauhaus durchgesetzt hat.
    Es gab ja diverse Dogmen von verschiedenen Architekten, die den
    Bauhaus als einzig wahre Architektur angepriesen haben.
    Außerdem muss man berücksichtigen, wie die Menschen zu der
    Zeit getickt haben. Sie lebten in einer Gesellschaft die sehr
    autoritäre Züge hatte. Die meisten Menschen empfanden sich
    nur als ein "Befehlsempfänger" und nicht als ein selbst denkendes
    Wesen. Alle diese "Befehlsempfänger" haben nur deshalb
    mitgemacht, weil ihnen eine große Zukunft in Aussicht gestellt wurde.
    Nun, das alles sorgte dafür, daß die meisten Architekten
    sich ihren "großen Denkern" anschlossen. Zum Großteil
    befolgen sie bis heute noch diese verstaubten Dogmen
    aus dem letzten Jahrhundert. :kopfschuetteln:

  • "Jugendstil war reine Deko und hat von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, keine neuen Bauformen geschaffen und an dieser Geburtskrankheit ist das Kerlchen eben auch bald wieder zugrunde gegangen."

    schön gesagt :)

  • @Lieber Oliver,

    das ist ein fulminantes Mißverständnis, es ging nicht um "Jugendstil versus Bauhaus".
    Es ging um "Reformarchitektur und Bauhaus".
    Das kann man sehr gut studieren, wenn man die Lupe auf Weimar um zu Beginn Ende der 20ger Jahre richtet, alle drei bedeutenden Protagonisten waren dort tätig:

    - Paul Schultze-Naumburg (für die Reformarchitektur)

    - Van de Velde (Jugendstil)

    - Gropius (Bauhaus, sogenannte Moderne).

    Der Jugendstil besaß nicht die Kraft sich durchzusetzen, er war (auf zugegebenermaßen sympathische Weise) zu kraftlos, das Ringen konzentrierte sich auf erste und letztere.

    Wenn die meisten Menschen nicht aus ideologischer Verängstigung so davor zurückschrecken würden, so ergäben sich mit der Beschäftigung mit der NS-Architektur sehr interessante Erkenntnisse.
    So konnte sich Schultze-Naumburg, obwohl er seit Anfang der 30ger aktives Parteimitglied war und auch sehr aktiv , sich nach '33 mit seinem Reformstil nicht durchsetzen, Gieseler und Speer hießen bekanntermaßen die Favoriten.
    Das Bauen im 3. Reich war eine dreigleisige Symbiose aus Heimatstil (und ich gestehe schamlos, daß ich diese Bauten ausnahmslos für gelungen halte), aus dem reduzierten Neoklassizismus (Haus der Kunst, OlympiaStadion, Tempelhofer Flughafen) und , ja genau, einer abgeschwächten Moderne mit deutlichem Bauhausanklang.
    Nach dem Krieg blieben dann Heimatstil und Neoklassizismus sowieso auf der Strecke und die Bauhäusler gewannen die Oberhand - wobei ich die fünfziger Jahre im Verhältnis zu den erstarrten 60gern rückblickend noch kühn finde, die niedlichen Tankstellen mit ihren geschwungenen Dächern, die stolzen Verwaltungsbauten, denen man ihr "wir haben es geschafft, aus dem Dreck wieder herauszukommen" noch anmerkt.

  • Nun, ich stimme Dir ja zu, daß der Jugendstil eher eine
    Weiterentwicklung der Gründerzeitarchitektur war.
    Es sind halt nur diverse neue Gestaltungsdetails dazugekommen,
    wie Du richtig anmerkst.
    Aber meinst Du nicht, daß so gesehen der Jugendstil nicht auch
    eine Reformarchitektur ist ?

    Du sprichst da übrigens noch eine interessante Sache an,
    die nicht mehr direkt etwas mit Jugendstil zu tun hat.
    Nämlich die Verbindung des Bauhaus mit dem 3. Reich.
    Angeregt durch das "Eiermann-Jahr" habe ich mal so ein
    bischen nachgeforscht, was der Mann so alles gemacht hat.
    Und siehe da. Er ist gerade in der Nazi-Zeit ein berühmter
    Architekt (durch seine vielen Industriebauten) geworden.
    Man sollte dieser Verbindung echt mal nachgehen... 8)
    (Wäre sicher auch einmal ein eigenes Thema wert.)

  • Oliver

    Die Jugendstilbewegung hat sich auf jeden Fall als Reformbewegung verstanden.
    Ich möchte nur davon abraten, diesen Begriff auf den J.stil zu übertragen, weil im offiziellen Sprachgebrauch der Architekturgeschichte dieser Begriff auf Schmitthenner und Co. gemünzt ist, sonst bekommen wir ein Kuddelmuddel.
    Natürlich haben viele Nachkriegsarchitekten auch im 3. Reich gebaut, von Schmitthenner bis hin zu Konstantin Gutschow.
    Die "Motive" gehen querbeet, vom sicher nachvollziehbaren Wunsch morgens ein paar Brötchen auf dem Tisch zu haben, bis hin zur ideologischen Liebedienerei mag da die (menschliche) Bandbreite gehen.

    Ich kann zu diesem Thema mehrere Bücher empfehlen, zum einen das bereits weiter oben genannte von

    - Barbara Miller Lane (ARchitektur und Politik in D.land v. 1918-1945)
    erfrischen leicht zu lesen, sehr anschaulich

    - von einem Herrn Durth gibt es ein Buch, das kann ich nur aus dem
    Gedächtnis zitieren , ich glaube es heißt "Biographien", ist aber für
    mein Empfinden sehr zäh und langatmig geschrieben, habe die 400
    Seiten damals nach einem Drittel geschlaucht auf Nimmerwiedersehen#
    aus der Hand gelegt.

    - das hervorragende "Kunst in Deutschland 1933-1945" , "Band III - Architektur", geschrieben von Mortimer G. Davidson (ein Ausländer, siehe da). Es ist ein richtiger Foliant, kostet auch ein paar Euro, aber lohnt sich :
    460 ! Seiten mit S/W Fotos, davon sogar einige Farbfotos mit Bildern aus der Reichskanzlei, danach über 100 Seiten mit gut recherchierten Biografien und zwar prinzipiell auf Deutsch/Englisch/Französisch.

    Wenn einem die Ladenpreise zu teuer sind, kann man es über die ZVAB - Zentrales Verzeichnis Antiquarischer Buchhändler probieren.