Kandidaten für "das hässlichste Gebäude"

  • Eine exemplarische Gegenüberstellung des Begriffs Baukultur in der Vergangenheit und der Gegenwart. Wann haben wir aufgehört, die Schönheit zu ehren?

    Seit der Entdeckung, dass man solchen Billigkram tatsächlich unter die Leute bringen kann. Die Lizenz zum Gelddrucken. Nicht umsonst waren Neubauprojekte bis zur Energiekrise samt Zinswende nach etwas mehr als 10 Jahren schon wieder amortisiert. Denkt mal da drüber nach. Man könnte so ein Gebäude nach 15 Jahren schon wieder abreißen und hätte dabei noch ein Geschäft gemacht.

  • Wann haben wir aufgehört, die Schönheit zu ehren?

    Gute Frage. Im Grunde ist Bedürfnis nach und Empfinden für Schönheit immer die Sache von wenigen. Der Masse ist es einerlei, wenn sie in Würfeln lebt, solange ausreichend Parkraum vorhanden ist. Fast alles, was wir in der Architektur als schön ansehen, wurde in feudalen, undemokratischen Verhältnissen ersonnen, als eine kleine Schicht in ästhetischen Fragen (und nicht nur dort, schon klar) tonangebend war. Insofern sind Demokratien mit ihrer Fixierung auf Zahlen und Statistiken anstelle von Qualität ein schlechter Humus für Schönheit, zumal diese ja auch immer für Ungleichheit steht und Neid und Ressentiment erzeugt.

  • Gute Frage. Im Grunde ist Bedürfnis nach und Empfinden für Schönheit immer die Sache von wenigen. Der Masse ist es einerlei, wenn sie in Würfeln lebt, solange ausreichend Parkraum vorhanden ist. Fast alles, was wir in der Architektur als schön ansehen, wurde in feudalen, undemokratischen Verhältnissen ersonnen, als eine kleine Schicht in ästhetischen Fragen (und nicht nur dort, schon klar) tonangebend war.

    Also das würde ich nicht so sehen. Als ob quasi der blaublütigen Adel ein Gespür oder gar ein Gen für Schönheit besitzt, die tumben Bürger oder Proleten aber nicht.

    Die wandelnde Einstellung wird vielmehr mehrere Ursachen haben. Einer davon ist bei vielen z.B. "erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral".

    Also erst genügend Wohnfläche, Kinderzimmer, Küche, eigenes Klo und Bad, dann kann ggf. nach der Fassade geschaut werden.

    Der DDR Städtebau war in den 50er Jahren z.B. durchaus noch annehmbar. Man merkte jedoch rasch, dass man mit der Art des Bauens nicht genügend Wohnraum schaffen konnte. Die Plattenbauten waren auch eine Folge der ökonomischen Lage.

    Und im Westen war es glaub ich auch nicht so anders. Ob man dort in den 60er und 70 er Jahren ohne die Trabantenstädte genügend günstigen Wohnraum hätte schaffen können?...nur mit Gebäuden, die hier im Forum für "akzeptabel" empfunden werden?

  • Ob man dort in den 60er und 70 er Jahren ohne die Trabantenstädte genügend günstigen Wohnraum hätte schaffen können?...nur mit Gebäuden, die hier im Forum für "akzeptabel" empfunden werden?

    In der Weimarer Republik hat man mW sogar deutlich mehr Wohnraum in kürzerer Zeit und höherer Qualität geschaffen.
    Oft auch schon mit industriellen und automatisierten Methoden.

    Auch zuvor in der Gründerzeit und Reformarchitektur usw. hat man sehr schnell sehr viel Wohnraum geschaffen, so viel wie davor und danach nicht mehr. Klar, die Arbeitsleistung war vgl.weise günstig. Vielleicht kommen wir da mit Robotisierung wieder hin. Oder wenn KI so viele Jobs übernommen hat, dass menschliche Arbeitskraft wieder vielgestaltig und günstig verfügbar ist.

    Der Hauptpunkt war aber wohl der Typenbau, entsprechende Typenbaugenehmigungen, ein einfacheres Baurecht, steuerliche Attraktivität des Neubaus wie auch die verbreiteten Baukataloge zur Gestaltung für Handwerker. Es brauchte oft keine Architekten. Eigentlich müsste das auch heute gelten, wir haben nur leider Architekten-Inflation...

    Also das würde ich nicht so sehen. Als ob quasi der blaublütigen Adel ein Gespür oder gar ein Gen für Schönheit besitzt, die tumben Bürger oder Proleten aber nicht.

    Das war auch definitiv nicht so. Das vernakulare, lokale Bauen war von Handwerkskunst geprägt. Dabei entstanden wunderbare Bauten allerorten, mit denen der Adel wenig bis nichts zu schaffen hatte.

  • Wo ist der Bau, von wem entworfen, wann gebaut? Das Ding gehört an den öffentlichen Pranger. Ist ja unfassbar.

    Das ist der Erweiterungsbau des Sächsischen Staatsarchivs, entworfen vom Büro Schweger.

    Sächsisches Staatsarchiv Dresden | SAA Schweger Architekten
    Aufwertung und Ergänzung des unter Denkmalschutz stehenden sächsischen Staatsarchivs durch umfangreiche, fein abgestimmte Sanierung, Umbau und Neubau.
    schweger-architects.com

    Ein PDF mit Bildern der Bestandsbauten und zum Projekt von damals gibt es von der Stadt Dresden hier:

    https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://www.sib.sachsen.de/download/2011_NL_Dresden_I_HStA_Inhalt.pdf&ved=2ahUKEwjrm5Cal4P9AhUPSvEDHSasAFoQFnoECBkQAQ&usg=AOvVaw25enCByce1yIEhz8h3eTLH

  • Ein gruseliges Zeug. Nur der "ursus" findet das toll...

    Bist schon ein bissl meschugge, alter Heimdall? Wann hab ich jemals sowas für toll geheißen?

    Und ich wollt grad was Ätzendes dazu schreiben, etwa, dass die Fassadengestaltung höchstes Können abverlangt haben muss...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Das ist der Erweiterungsbau des Sächsischen Staatsarchivs, entworfen vom Büro Schweger.

    https://schweger-architects.com/projects/saech…archiv-dresden/

    Ein PDF mit Bildern der Bestandsbauten und zum Projekt von damals gibt es von der Stadt Dresden hier:

    https://www.google.com/url?sa=t&sourc…ce1yIEhz8h3eTLH

    Ach du Schande, die meinen das wirklich ernst.

    Wenn einem das Aussehen der eigenen Stadt bzw. hier einem einzelnen Punkt egal ist, dann sollte man dazu einfach schweigen.

    „Die Massivität seiner Fassade verdeutlicht gleichzeitig seine Hauptaufgabe, den „Schutz des Archivgutes“. Trotzdem waren für die Ge- staltung nicht nur ästhetische, sondern vor allem auch funktionale, wirtschaftliche und energetische Aspekte ausschlaggebend“ (Quelle der verlinkte Bericht unter „Neubau“)

    Das wirkt schon sehr zynisch.

  • Ich sende einen etwas ungewöhnlichen Kandidaten ein: das "Hotel Münsterplatz" in Ulm, ehemals Kaufhaus Abt.

    "Warum das, das sieht doch ganz gefällig aus?" - Genau da sehe ich das Riesenproblem solcher "minimalangepassten" Bauten.
    Etwas Dachneigung, minimale Baukörpergliederung, ein angeflanschtes Kunstwerk (und sei es auch eine historische Spolie) - das macht noch lange kein gutes Bauwerk. Sowas ist einfach nur mies, trist und weit unter dem, was an einem wichtigen Ort wie dem Münsterplatz in Ulm gebaut werden müsste. Damit ist es zwar immer noch ein, zwei Kategorien unter den richtig heftigen Bausünden, aber dennoch ist es eine ärgerliche Bausünde.

    Zeno beschreibt das Problem hier treffend:

    Alle diese Häuser haben keinen Charme, sie sind schrecklich anödend, vom Gefühl her eiskalt, das Gegenteil von heimelig. Man hat den Eindruck, dass die Altstadt von Ulm immer mehr von diesen Bauten überschwemmt wird. Vor diesem Hintergrund scheint mir der Begriff "Ulmisierung" zu verstehen zu sein.

  • Halte ich für keinen würdigen Kandidaten. Wenn man ein Gebäude mit wenigen Kniffen anpassen kann zu einer besseren Gestaltung, so handelt es sich nicht um die Spitze der "hässlichsten Gebäude". Ich hab in dem von Dir verlinkten Strang mal ein, zwei Seiten vorgeblättert, da sieht man, was ein "roter Anstrich" und bisschen Leben in der Fassade (ich meine das Bild mit der offenen roten Isolierung, wie in dem Strang auch angemerkt wird) bereits mit dem Gebäude macht. Auch zeigen die Visualisierungen, die in dem Strang gezeigt werden eine abgestufte Fassadeneinfärbung samt abgesetzter Sockelzone (die man ja sogar leicht an der unterschiedlichen Oberfläche der Putze auf den Bildern sieht, aber halt leider alles weiß nun). Da wirken die Gebäude sofort nicht mehr so kühl, abweisend und vor allem sehr hoch.

    Wenn man dann noch feststellt, dass es sich um einen Umbau eines bestehenden Gebäudeblocks handelt und somit weniger Spielraum ist für Gestaltung, so wäre es nicht sehr klug, so ein Projekt als eines der Negativsten überhaupt zu verreißen.

  • Bei vielen anderen Abscheulichkeiten sind die Probleme eben viel offensichtlicher.
    Aber so ein trivialer Mist geht oft unter und wird nicht weiter beachtet. Dabei entwertet er mittlerweile zahlreiche Altstädte. Und das geht immer so weiter. Darum muss dieses Treiben ebenfalls ins Rampenlicht. Bevor es überall aussieht wie in Ulm, Nürnberg oder Würzburg. :boese:

  • Siehs pragmatisch. Wenn man solche Häuser für 50.000 Euro in einen guten gestalterischen Zustand bringen kann, so kann man natürlich auf diese Wandlung drängen, aber man muss schon auch anerkennen, dass die wirklichen Probleme bei Gebäuden liegen, die nur mit Komplettabriss und großflächiger Neuparzellierung eine riesige Reparatur im Stadtbild nötig machen. Das sind dann auch politisch die dicken Bretter, die man bohren muss. Da liegen auch die größten Kontraste und Gewinne für Uns. Ich ziehe mal einen Vergleich zu einigen Bremen Strängen hier im Forum, wo auch reichlich diskutiert wird, welche Umbauten nun nicht so toll sind, und was man besser machen kann. Aber es bringt herzlich wenig da nun den einzelnen Eigentümer ins Feuer zu stellen, und sein Gebäude zum hässlichsten was es so gibt zu erklären.

  • zum hässlichsten was es so gibt zu erklären

    Das ist der Grundfehler dieses Stranges. Wie der Titel eindeutig sagt, geht es um "das (eine) hässlichste Gebäude". Dennoch werden hier alle möglichen unattraktiven Gebäude genannt, die natürlich niemals das Zeug zum hässlichten Gebäude haben. Und selbstverständlich ist das frühere Abt-Gebäude an der Nordwestecke des Münsterplatzes in Ulm auch bei weitem nicht das hässlichte Gebäude, das es so gibt. Erbse wollte es aber als altstadtuntauglich bzw. stadtbildstörend erwähnt haben. Und das ist es, auch wenn es in derselben Altstadt viele andere noch hässlichere und noch viel mehr störende Gebäude gibt, insbesondere die unsägliche Neue Mitte und die Pyramide. Beides hat in einer Altstadt absolut nichts zu suchen.

  • Erbse wollte es aber als altstadtuntauglich [...] erwähnt haben. Und das ist es, auch [...].

    Dann möchte ich Dich nochmal bitten in den verlinkten Strang dich rein zu klicken. Nimm das Gebäude vor Dein geistiges Auge, schneide es aus dem Umfeld heraus und überlege, wo so ein Gebäude hineinpasst. Mach das Gleiche z.B. mit dem Galeria Karstadt, mit einem Gebäude der Sedelhöfe, und meinetwegen vielleicht auch der Sparkasse. Ich würde behaupten für die genannten Gebäude wird quasi durch die Bank keine (gotische) mittelalterliche Stadt vors Auge treten als Umfeld, dafür aber viele moderne westdeutsche Städte. Aber was ist nun mit diesem Motel One Gebäude am Münsterplatz? Da würde ich behaupten, dass es ganz und gar nicht in andere Kontexte passt. Es passt nicht an einen Stadtrand, es passt nicht in die Neuzeitlichen Stadterweiterungen, es passt nicht zu einer klassizistischen Stadt, es passt nicht in barocke Städte, es passt nicht in eine Stadt der Moderne usw. Es passt ggf. noch in Innenstadtbebauung, wie sie in Stuttgart zwischen den Weltkriegen errichtet wurde (man beachte, auch kombiniert zu einer Fachwerkstadt). Diese Gegenthese Methode zeigt zumindest mir, dass dieser Bau in irgendeiner Weise mit seinem Umfeld korrespondiert. Sonst wäre er, wie die anderen von mir und Dir angesprochenen Gebäude, in ganz anderen Kontexten durchaus vorstellbar.