Kandidaten für "das hässlichste Gebäude"

  • HÄUSER DES JAHRES 2021 DACH Region, ausgelobt vom Callwey Verlag.

    Gewinner:

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    Ich weiß nicht, wer von Euch schon in Griechenland und Albanien war. Dort stehen überall so ähnliche Bauruinen herum, die fast identisch aussehen, weil sie erst dort Steuern für das Haus zahlen müssen, wenn ein Dach darauf ist und der Bau fertig ist. Vermutlich haben sich die geizigen Schweizer davon „inspirieren“ lassen ?.

    Ganz ehrlich, die Leute die so etwas zum Gewinner erwählen kann ich nicht im geringsten ernst nehmen. Gegen diesen Virus bin ich wenigstens immun und stärke mein Immunsystem mit Bildern der schönen Rekonstruktionen aus Dresden und Potsdam ?!

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    Der Innenraum des zuletzt gezeigten Hauses ist ja noch schlimmer, als die ruinöse Außenhülle.

    Wer will denn allen Ernstes in solch einer Mischung aus Bunker, Gefängnis und Rohbau wohnen? Das fühlt sich doch selbst im Hochsommer noch eiskalt an. Gemütlichkeitslevel -100.

    Man stelle sich vor, wie diese nackten Wände nach 20 Jahren aussehen, wenn da sämtliche Bohrlöcher von ehemaligen Bildern und Möbeln zu sehen sind. Eben Spuren der Nutzung und des Wohnens. Löcher zuschmieren und drüber tapezieren? Das geht ja bei dem gewollten Brutalismus-Design nicht.

    Dieser Trümmer ist einfach ein ganz fürchterliches Bauwerk.

  • Ich möchte unbedingt noch festhalten, was für ein wunderbares Betrachtungsobjekt Mandorin Uns hier geliefert hat. Es steht für alles, was in der Architekturwelt falsch läuft: Aufmerksamkeit und Preise gibt es fast ausschließlich für unangepasste Radikalität. Nicht die Funktion, nicht die Nutzer, auch nicht die Gemeinschaft stehen im Vordergrund. Im Vordergrund steht der Architekt, der eine Botschaft sendet, der sich als ,,Künstler" profilieren und abheben muss aus der Masse. Wenn die Botschaft des Künstlers Ökologie sein soll, dann können Architekten auch ökologisch Bauen, jedoch muss das dann die Botschaft sein. Dieses Gebäude hier hat auch nichts für die Umwelt übrig, ist, wie Neußer bereits andeutet, ein Wegwerfprodukt. Bewusst geschaffen von Architekten, für Architekten. Außerhalb dieses Universums sollte man diese höchst antisozialen Aktivitäten endlich als die egonzentrische Ausbeutung des öffentlichen Raumes wahrnehmen, die sie ist.

  • Ein sehr dystopisches Gebilde, wie vielfach schon gesagt alles andere als Wohnlich sondern einzig auf ein künstlerisch indendierten Wow-Effekt hinaus erdacht. Für mich ist daraus auch eine gewisse Endzeit-Sehnsucht erkennbar, die aber irgendwie bei allen minimalistischen Strömungen in der Stadtgestaltung mitschwingt. Man muss Städte, Bauwerke und Orte nicht mehr schmücken, denn man hat eh nicht lange etwas davon, rauscht nur durch, im Expresszug Richtung Weltuntergang. Und bis dahin mache ich es mir im meinem Daheim gemütlich, denn da darf ich dekorieren und schmücken wie ich will.

    Seit Jahren schaue ich sehr sehr aufmerksam Webeblöcke im Privatfernsehen an, oft laufen Spots, z.B. von Möbelhäusern, aber auch für technische Gadgets, in denen glückliche Leute in vermeintlich ihren Häusern und Wohnungen gezeigt werden. Dort haben sie stets 4 Meter hohe Decken, 30 qm große Wohnzimmer mit Sprossenfenstern, oder eben futuristischen Betonpurismus, als würde man sich in einem 100qm-Raum, der nur ein Designsofa und eine Stehlampe enthält, dauerhaft wohlfühlen. Zwei Extreme, die einerseits völlig unrealistisch sind und den Leuten sugeriert "hey kaufe für dein Mauseloch doch einfach unsere neue Sofalandschaft, und dann fühlst du dich so wie die hippe Familie in ihrer Pariser Bel Etage." Oder "Du magst es einfach? Ein Holzstuhl, eine Stehlampe und unser Technikkrimskrams macht es möglich".

    beides geht an der Realität meilenweit vorbei und überzeichnet die Bedürfnissen der Menschen ins extreme. Das oben gezeigte Beispiel gehört mit in diese "Kunst" der Irreführung.

    Ich kenen so viele Leute die auf diese Reklameversprechen abgehen und fast ritualisiert Samstags in Möbelhäuser gehen auf der Suche nach dem einen Produkt, dass ihnen dieses versprochene Lebensgefühl endlich nach Hause bringt. Dabei liegen die Probleme in unserer gebauten Umwelt, in der Tristesse aus weißen Schmaumstofffassaden und niedrigen Zimmerdecken, in der Mutlosigkeit angesichts der Schönheit der Vergangenheit, in dem Architektenkanon, der einmütig konstatiert "weniger ist mehr", "Schnörkellos" muss es sein, die "klare Linie" wird verehrt... ach ich könnt darüber stundenlang schreiben...

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    Nichts gegen Wohnräume mit klaren Linien, Schnörkellosigkeit... wichtig ist doch nur, dass es stilsicher ist, geschmackvoll, gemütlich, dass es zusammenpasst (also das Gegenteil von dem obigen Objekt). Das geht auf vielerlei Art.

    beides geht an der Realität meilenweit vorbei und überzeichnet die Bedürfnissen der Menschen ins extreme.

    Das war doch schon immer so. Stereotypisierung, Überzeichnung, Einreden von Bedürfnissen etc. In der Vielfalt der Kommunikationskanäle sicher nochmals potenziert.

    Spricht nichts dagegen, finde ich, denn Mitdenken und Hinterfragen ist ja nicht verboten ;) Und wer das nicht tut, der will es nicht anders :saint:

  • Snork 6. November 2021 um 16:52

    Hat den Titel des Themas von „Kandidaten für "Das hässlichste Gebäude"“ zu „Kandidaten für "das hässlichste Gebäude"“ geändert.
  • ^ Dafür gab es 3 Architekturpreise. Schon allein dafür hat sich das für den Architekten gelohnt. Die Medien sind auch drauf angesprungen, habe einen Beitrag über das Haus vor Jahren im Fernsehen verfolgt. Man versteht die Mechanismen der Branche immer besser.

  • Wir hatten das Beispiel schon mal. Für mich ein Zeichen von Anti-Haltung und Übersättigung. Denn es gibt Weltgegenden, in denen Menschen in solchen Häusern leben müssen. Infolge von Kriegsschäden, Erdbeben, mangelndem Geld... Dort allerdings ohne doppelverglaste Fenster, Kamin, Designermöbel und warmes Badezimmer.

    Diesbezüglich sind Brandlhuber+ Emde also wenig konsequent. Man hört ja von Modernisten oft das hämische Argument, dass Rekonstruktionen "Disneyland" seien, und ob man denn auch das mittelalterliche Plumpsklo rekonstruieren wolle. (So, als gäbe es heute keine modernisierten Fachwerkhäuser mit WC) Hier könnte man das Argument wenden: Warum wollt ihr im Stil eines irakischen Abbruchhauses leben, dann aber mit Heizung und Küche. Das ist ja wohl "Disneyland", oder?

  • Solche Architektur ist insofern zynisch, weil es Menschen gibt die in halb zerstörten Häusern leben müssen oder deren Haus in kriegerischen Auseinandersetzungen zerstört wurde.

  • Man muss doch auch das Positive sehen: Liebhaber moderner Stahl-und-Glas-Architektur können endlich eine gemeinsame Basis mit Freunden historischer Baustile finden, in der einhelligen Ablehnung derartiger visueller Körperverletzungen.

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    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • Solche Beispiele sind immer verstörend und erwecken fast Mitleid. Man merkt dem Architekten den Ehrgeiz ja an, etwas Bestehendes verbessern zu wollen. Nur sein nicht vorhandenes Gespür für Farben und Form, sein gänzlicher Mangel an räumlichem Denken, seine Unkenntnis vergangener Stilepochen und seine Unfähigkeit, in Ensembles zu denken machen all seinen ehrenhaften Bemühungen einen dicken Strich durch die Rechnung. Tragisch aus der Innenperspektive dieser gescheiterten ‚Architekten‘ (sie wissen ja tief in ihrem Inneren selbst, dass sie nichts können). Und ärgerlich für alle Anderen.

  • "Mangel an räumlichem Denken, seine Unkenntnis vergangener Stilepochen und seine Unfähigkeit, in Ensembles zu denken"

    So ist das absolut nicht. Den heutigen Architekten wird an der Universität beigebracht, dass die vergangenen Architekturepochen minderwertig sind sich endlos wiederholt haben und die heutige Moderne weit überlegen ist. So wurde eine Vielzahl der Gründerzeitfassaden abgeschlagen.

    Es ähnelt fast an den "Glauben an einen sozialistischen Menschen", der durch Umerziehung mit allen Traditionen brechen sollte, keinen Schmuck und keine Individualität mehr kennt. In der Architektur wird das offenbar heute heute noch so gesehen und ausgelebt.

    So wird in das Neue Museum in Berlin statt des ägyptischen Hofes ganz bewusst eine Stahlbetonplatte mit Milchglaswänden gesetzt oder in die Staatsbibliothek Unter den Linden kommt eine orange GOS-Mensabox als Lesesaal und die Lukasklause in Magdeburg erhält ein Betonsilow als Anbau. Die Ideen der ursprünglichen Architekten müssen den Stachel der Moderne spüren -damit die Bauwerke durch diese Überfremdung ganz bewusst verändert, ja eigentlich zerstört werden. Es ist eine Korrektur oder Kampfansage.

    Das ist keine Unkenntnis, es ist arrogante Absicht der modernen Architekten die sich ideologisch überlegen fühlen. Wenn ein Kritiker sagt es gefällt ihm nicht, dann wird ihm unterstellt die Demokratie abschaffen zu wollen oder er sei zu dumm Architektur zu verstehen. Dabei könnte man umgekehrt genauso absurd behaupten, moderne Architekten wollen unter dem Tarnmantel des "demokratischen Bauens" den Sozialismus einführen oder den Geschmack diktieren.

  • Wäre es nicht schön, wenn moderne Architekten sich nicht dienstbeflissen über das eigene Design definieren würden, sondern vielmehr über ihre Fähigkeiten in der Statik, der verwendeten Baustoffe, der Isolierung, des nachhaltigen Bauens und ähnlicher funktionaler Fortschritte?

    Dann könnten sie neidlos anerkennen, dass frühere Architekten ihr Handwerk verstanden, und es gäbe keine Notwendigkeit eines Wettbewerbes auf dem Gebiet der Ästhetik.

    Wenn ich mir beispielsweise vergegenwärtige, wie moderne Technik die Frauenkirche in Dresden um so viel stabiler hat werden lassen als das Bähr'sche Original, dann frage ich mich, ob das nicht die wahre Win-Win-Situation wäre: Sich ergänzende moderne (technische) und traditionelle (ästhetische) Aspekte von Architektur.

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