• Ich denke, im Osten sind die Investoren-Haie nicht ganz so extrem aktiv, weil dort die Gewinnspannen beim Verkauf von Eigentumswohnungen nicht so gut sind. Ansonsten wäre dort mehr Druck da, Altbauten abzureißen und durch Styropor-gedämmte weiße Renditekisten zu ersetzen. Wir haben es im Osten also häufiger mit privaten, regional verwurzelten Bauherren zu tun, die oft ihr eigenes Haus sanieren. Oder mit kleinen, regional aktiven Immobilienunternehmen. Oder mit Kommunen, die Interesse an ihrem Stadtbild haben.

    Im Westen ist die Erosion der Stadtbilder schon durch Jahrzehnte des Hinterherhechelns aller gerade aktuellen modernistischen Trends weiter fortgeschritten. Ist das Stadtbild schon ohne Gestaltungssatzungen in der Vergangenheit auf Murks geschaltet worden, stört es auch nicht mehr, wenn nun der nächste Bauhaus-Klon neben das Fachwerkhaus oder Gründerzeitgebäude geknallt wird. Auch ist die Fixierung auf einen falschen Materialismus, der nur Auslastung und Kontostände berücksichtigt, stärker in den Köpfen verankert.

    Das stimmt auf jedenfall alles!

    Ich finde im Westen gibt es auch oft wenig Wertschätzung von historischen Gebäuden. Besonders im Sachsen finde ich im gegenteil die Umgang fast Vorbildhaft. Im Meissen und Pirna wird nicht nur die sehr gut erhaltene Altstädte renoviert sondern auch die Grunderzeit gebäuden drumrum. Meine westdeutsche Wervandte sind eher unintressiert im Altbauten. Wichtig ist viel Platz, schöne Badezimmern und grossen Garten. Die verstehen gar nicht dass wir in eine teure 90 kvadratmeter grosse Altbau im Innenstadt wohnen. "Ihr könnte ja im Vororten in ein grosse Neubau mit Pool und Sauna leben".

    Ich glaube deswegen nicht dass es nur liegt auf Investorenhaien und Politikern. In Stockholm gibt es eine genau so hohe Druck und jetzt gibt es fast keine Abrisse von historische Gebäuden und funf grössere traditionelle Projekt (Lidingö, Upplands-Väsby, Nacka Zentrum, Gröna Lund erweiterung und die Erweiterung von Sankteriksviertel. Es liegt auch am Bevölkerung und ihre Vorlieben. Im Schweden hat AU schon fast 60000 Unterstutzer auf eine Bevölkerung auf 10 millionen.

  • Davon abgesehen, dass die ursprünglich zum Abriss vorgesehene Talstraße 89, ebenso wie das rechts Nachbargebäude nun doch saniert werden. So entdeckte ich bei einem anderen Investor weitere Sanierungsvorhaben in Meißen. Das wären die Talstraße 93 , Uferstr 6-8 und Fischergasse 16

    https://globalstocktrade.ch/Investments/Im…tuelle-Projekte

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia

  • Was anderswo einfach nur als „Schandfleck“ betitelt und beseitigt wird, findet in Meißen wieder zu seiner wahren Schönheit zurück. Ich war bereits in Meißen und fand es dort wunderschön, aber die Meißener sind wohl bestrebt ihre Stadt noch schöner zu machen. Dann werden sie mich erst recht wieder sehen :wink:.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Guten Abend in die Runde!

    Ich habe mich im Forum nur für diesen Thread angemeldet und wollte eigentlich noch ein bisschen auf wärmeres Wetter und besseres Licht warten, um dann mal ein fotografisches Update zu einigen der hier besprochenen Häuser und Quartieren beizusteuern.

    Allerdings gab es heute ein Ereignis, das mich aus persönlichen Gründen sehr berührt und das wollte ich mit euch teilen: Die Hüllen am Gammelhaus sind gefallen! Oder anders ausgedrückt, an der Vorderfront der sanierten Görnischen Gasse 32 wurde heute das Gerüst zurückgebaut.

    Weil es so eindrücklich ist, hier noch mal das bereits mehrfach geteilte Foto von vor ziemlich genau 10 Jahren, aufgenommen an der gleichen Stelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Görnische_Gasse_32_MEI.JPG

    Ich persönlich finde die Wandlung sogar noch beeindruckender als beim benachbarten Haus Nr. 35, das bekanntermaßen vom gleichen Eigentümer bereits vor einigen Jahren gerettet wurde.

    Soweit von mir; ich hoffe, euch gefällt das wunderschöne Haus und die so dringende Rettung genau so gut wie mir. ?

  • Wow :love:, das ist ja ein grandioses Ergebnis. Wenn man bedenkt, dass dieses Gebäude fast schon abrissreif war und erst mühsam dem echten Hausschwamm entrissen werden musste. Danke für's Fotografieren :foto:. Darf ich höflich anfragen, ob du noch andere Baustellen aufgenommen hast?

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia

  • Bürger von BW und NRW: Schaut auf den Osten! :love::applaus::thumbup:

    Wie wahr! Als ich als Ösi in den 1990er Jahren in den Osten zog, da erwartete ich lauter marode Plattenbauten und Tristesse pur…aber ich hätte nicht gedacht, dass es sich genau umgekehrt verhielt. Wunderbarst sanierte und erhaltene Städte, wie ich sie nie und nimmer für möglich gehalten hätte (und das bereits gerade einmal wenige Jahre nach der Revolution!)! Der Westen kann in der Tat hier gewaltig vom Osten lernen! Es wäre nun ein Aufbau West dringend nötig! Danke seeliger Helmut!

  • […] Darf ich höflich anfragen, ob du noch andere Baustellen aufgenommen hast?

    Hallo DarkVision,

    nein, andere Baustellen habe ich (noch) nicht fotografiert. Wie gesagt, wollte ich bei guten Sichtverhältnissen mal in Ruhe durch die Altstadt und angrenzende Gebiete laufen und einige der hier diskutierten Gebäude, bzw. deren Sanierungsfortschritt fotografieren.

    Nur von der Görnischen Gasse 32 habe ich einige Fotos – Bautagebuch wäre zu viel gesagt. Aber die möchte ich gern mal gesammelt hochladen, wenn die Arbeiten (zumindest der Außenhülle) vollständig abgeschlossen sind.

    Kleiner Spoiler ?:

    Görnische Gasse 32, Rückseite, Stand vom 14.02.2022.

  • Bei Sanierungsbeginn erschien ein Artikel in der Lokalzeitung mit interessanten Hintergrundinformationen zu diesem Haus (Sächsische Zeitung vom 30.08.2021). Ich zitiere:

    Zitat von Sächsische Zeitung

    Die Ursprünge des Gebäudes liegen vermutlich im 16. oder 17. Jahrhundert. Die ineinander verschachtelten Kellergewölbe sprechen dafür. Im Brandkataster taucht das Gebäude nach 1637 unter den 18 wüstliegenden Häusern des Vierten Viertels auf. In diesem Zusammenhang genannte Geldbeträge weisen auf ein recht ansehnliches Gebäude vor dem 30-jährigen Krieg hin.

    Ab 1739 gibt es Eintragungen im Urbarium der Stadt Meißen. Aus dem Wertzuwachs zwischen 1805 und 1809 kann auf umfangreiche Baumaßnahmen geschlossen werden. Die für das Gesicht des Hauses bestimmende neugotische Architektur dürfte zwischen 1860 und 1870 entstanden sein.

    Das Wohnhaus in der Görnischen Gasse 32 mit seiner strengen neugotischen Formsprache ist in der Art der Gestaltung an kaum einer anderen Stelle der Stadt Meißen wiederzufinden. Anhand der Gestaltung der Türen sind stilistische Parallelen zu den Monumentalgebäuden Kornhaus und Albrechtsburg erkennbar.

    Quelle: https://www.saechsische.de/meissen/erwach…-4-5512812.html

    Und es gibt auch Informationen zu dem so genannten Türkenkopf (rechts neben dem Erker). Hier zwei Detailaufnahmen:

    Foto 1

    Foto 2

    Zitat von Sächsische Zeitung

    Was hat es mit dem Türkenkopf auf sich?

    Einen richtigen Namen hat der ominöse Sandsteinkopf nicht, der das Vorderportal des Hauses ziert.

    Im Gurlitt wird er als „überlebensgroßer Kopf eines Türken“ bezeichnet. Aber wo kommt er her? In einigen Aufzeichnungen wird er auch als „wütender Postmeister“ bezeichnet. Denkmalpfleger Andreas Christl vermutete, dass er wahrscheinlich aus der Dresdner Zwingerhütte stammt und von einem Sammler damals mitgenommen wurde und an das Haus montiert wurde.

    Und noch ein Vergleichsbild zum letzten Foto von tyrann0us, die Rückfront im Ausgangszustand: Klick

  • Als ich als Ösi in den 1990er Jahren in den Osten zog, da erwartete ich lauter marode Plattenbauten und Tristesse pur…aber ich hätte nicht gedacht, dass es sich genau umgekehrt verhielt.

    Es war damals alles anders als im Westen. Die Eigentumsverhältnisse, die Idee des "und der Zukunft zugwandt" hatte sich überlebt. Und dann war da diese Bescheidenheit der Menschen. Dieses sich an kleinen Dingen freuen. Deshalb ist das mit dem Systemumbruch auch eher als betriebliche Notwendigkeit hingenommen worden, bei zum Teil extremen Abstiegserfahrungen. Und was wollte man großflächig abreißen? Es wurden zunächst mal neue Einkaufsmöglichkeiten gebraucht. Und sanierte Wohnungen im Bestand. Wer sollte Wohnungen kaufen außer Ortsfremde? Und was sollten die damit machen, da kannte niemand die Leute und deren Bedürfnisse. Nach den ersten Westerfahrungen war man im Osten schockiert von den hässlichen Gebäuden (trotz Geld und Material) und dem Fokus auf Rendite und Geld. Das ist bei mir bis heute so geblieben.

    Und dann mit etwas Geld fing man im Osten an, was man immer gemacht hat, sein privates Glück selbst in die Hand zu nehmen. Und sich durch die maroden Bestände zu sanieren. Wie die mal aussehen könnten, kannte damals jedes Kind von der Modelleisenbahn, die zu DDR-Zeiten massiv subventioniert war. Die heimeligen Welten hatte fast jeder Ossi im Haus. Und jetzt waren plötzlich die Materialien zu haben, um diese Welten in 1:1 zu realisieren. Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor gewesen, ob man das glaubt oder nicht. Man braucht sich heute nur mal das Sortiment von Auhagen anzuschauen.

    Deshalb ist dieses oben gezeigte Juwel in Meißen Ausdruck des das Herz sprechen lassen. Ich wünschte, die Lebensqualität würde sich auch endlich im Westen durchsetzen.

  • Man kann es auf diesen Nenner bringen:

    Heimatliebe + Bürgerstolz + verwurzelte Bevölkerung = schöne Stadt.

    Wo - wie in den meisten westdeutschen Großstädten - all dies fehlt, triumphieren Mittelmaß und Hässlichkeit.

  • In dieses herzerwärmende Narrativ von den heimatverbundenen Ossis, die noch wissen, wie schöne Architektur aussieht, passt leider nicht die Tatsache, dass ein Großteil der sanierten Häuser im Besitz von nicht Ortsansässigen ist.

  • In dieses herzerwärmende Narrativ von den heimatverbundenen Ossis, die noch wissen, wie schöne Architektur aussieht, passt leider nicht die Tatsache, dass ein Großteil der sanierten Häuser im Besitz von nicht Ortsansässigen ist.

    Sorry, ich korrigiere mich:

    Heimatliebe + Bürgerstolz + verwurzelte Bevölkerung + nicht ortsansässige UrPotsdamer = schöne Stadt.

  • Im Albertinum gibt es von Meissen diese Ansicht:

    Ich habe die Stelle mal gesucht, und gefunden.

    Bis auf den Erker.

    Es dürften die Afrastufen sein, siehe die Brüstung. Mit Blick auf die Frauenstufen und Frauenkirche. Davor Vincenz Richter und dahinter, heute verdeckt, dass Bahrmansche Brauhaus.

    Allerdings der schöne Erker, an der Stelle steht kein Haus, stand da mal eins?

    Oder hat der Künstler hier den Erker vom Domherren Haus weiter oben da hin gephotoshopt?

    Dann noch der Blick auf das Pfarrhaus von 1914. Als Beispiel für sich ans Umfeld anpassende moderne Architektur.

    Zugabe Blick auf eine Wandmalerei im Stadt Museum. War wohl mal ein Franziskaner Kloster.

    Die übergroße Darstellung muß, und ist noch, sehr beeindruckend gewesen sein.

    Schöne Städte werden letztlich auch glückliche Städte sein.

  • Die übergroße Darstellung muß, und ist noch, sehr beeindruckend gewesen sein.

    Das ist eine Darstellung des Hl. Christophorus. Nach dem Volksglauben schützte der Blick auf eine solche Darstellung vor einem plötzlichem Tod an diesem Tag. Das war das Schlimmste, das einem Christen passieren konnte - ohne geistlichen Beistand und Beichte zu sterben. Daher übergroß, gut sichtbar und oft am Kircheneingang. Schneller Blick in die Kirche und der Tag ist gerettet.

  • Genauer gesagt war es nicht der tägliche Blick auf das Bild, sondern das tägliche Stoßgebet zum Hl. Christophorus, an das man durch das riesige Gemälde erinnert wurde...