Architekt Le Corbusier

  • Moderationshinweis (Panlantir) - Bezug: Das Buch "Städtebau der Gegenwart" von Le Corbusier


    Im Vergleich zu Le Corbusier ist Gropius wirklich das kleinere Übel. Wenn man bedenkt, dass das Bauhaus zu einer Zeit entstanden ist, in der es von Ornamenten und Bauschmuck nur so wimmelte kann man den Erfolg gut verstehen. Bauhaus-Häuser sind nicht gemütlich, aber bevor Le Corbusiers Wohnsilos kamen waren diese Häuser sowas wie zeitgenössischer Lifestyle. Und die Weißenhofsiedlung an sich ist ja auch ganz schick. Allerdings hat das Bauhaus mit dem Nationalsozialismus und dem Krieg auch seine Kreativität verloren.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Das würde ich nicht sagen. Gerade in den Anfängen gab es auf beiden Geiten bestimmte Elemente, die mit der Gegenseite dezent gefirtet haben.

    Mies van der Rohe, der 1935 einen Entwurf für den Deutschen Pavillon vorlegte, gehörte mit Sicherheit dazu. Ein nationalsozialistisches Bauhaus kann man sich ohne gedankliche Verzerrungen in etwa wie die zweite DDR-Moderne 1958-1965 oder die sehr frühe faschistische Architektur Italiens vorstellen: kubische, glatte Fassaden, die aber an symmetrischen Achsen aufgereiht sind und Anklänge zu klassizistischen Traditionen finden. Die Portale sind glasbestimmt, durchbrochen von sehr dünnen, schlanken Säulen, welche auf einem Flachdach ruhen. Die Baukörper, fast gänzlich ohne ornamentalen Stuck oder sonstige historisierende Zutaten, strahlen eine große Ruhe, aber nur wenig Monumentalität aus.

    Eine sehr eigene Eleganz wäre diesen Gebäuden sicher nicht abzusprechen gewesen, aber ebensowenig eine offene -europäischen- Internationalität.

    Mit dem nazistischen Klassizismus hätten sie desweiteren den Hang zur Horizontalen inne. Deshalb hätten Plan-Viosin-verschnitte in beiden Fällen keine Chance gehabt.


    Darüber hinaus sollte man nicht vergessen, daß Corbusier seine Pläne für eine "Stadt der Gegenwart" schon 1922 öffentlich postulierte. Das war ein Jahr, BEVOR das Weimaer Bauhaus sein erstes Bauprojekt am Horn realisierte!

    Nein, die werden gedünstet

  • Ein weiterer "Kollege", Mies van der Rohe, war ebenfalls anfangs ein Obernazi und wollte ursprünglich "der" Architekt des neuen Deutschlands werden...erst nachdem ihn einige seiner Parteigenossen nicht mehr wirklich ernst nahmen un der zusehens darüber vergrämte, hat er sein Glück erst in den USA gefunden. Eigentlich schade, hätten seine Freunde ihn ernst genommen, dann wäre wohl diese Kasten und Kubenschachtelarchitektur heute verpönt.

    Die Rolle der "modernen" Architekten in der Nazizeit wird von den heutigen Nachfahren bewußt unter den Tisch fallen gelassen. Eigentlich schade, denn genau diesen Faschos haben wir die katastrophalen heutigen Stadtbilder zu verdanken.

  • bleiben wir fair: mies als obernazi zu bezeichnen trifft den kern seines verhaltens wohl nur unzulänglich. sicherlich war seine emigration eher wirtschaftlichen zwängen als politischen überzeugungen zuzuschreiben - mies gilt unter historikern als ein gänzlich unpolitischer mensch -, und wohl hat er sich mehrfach dem ns-regime angedient, allerdings ohne künstlerische kompromisse einzugehen. gebaut hat er nach 33 nichts mehr in deutschland, bis zur neuen nationalgalerie in berlin.

    zum weiterlesen:

    DER SPIEGEL 23/1989 -
    Langer Abschied

    Endstation Berlin - Nachrichten welt_print - WELT ONLINE

    http://e-pub.uni-weimar.de/volltexte/2007…albert_Behr.pdf

    das wir den "faschos" das angesicht der städte verdanken, ist hingegen gleich doppelt korrekt, zum einen aufgrund des von ihnen angezettelten krieges, zum anderen aufgrund des weiterwirkens ihrer technischen intelligenz. bis auf das bauernopfer speer, der allerdings als rüstungsminister, nicht als architekt verurteilt wurde, wirkte der planungsstab der generalbaudirektion und die mit ihm assoziierten architekten nach 45 munter weiter. das buch "deutsche architekten. biographische verflechtungen 1900-1970" von werner durth geht all dem nach - und liest sich spannend wie ein krimi.

  • Diese neue, ganz andere Welle der "Aufarbeitung" wirft nicht nur bezüglich der Mitläufer und verkannten Freunde des NS Fragen auf, sondern auf die eigentliche Natur desselbigen.

    Ich für meinen Teil bin mir zunehmend sicher, daß der NS sich binnen 20 Jahren zumindest tiefenintellektuell "rehabilitiert" (d.h. für seine gedankliche Ausarbeitung reichten kleinbürgerliche Haßmoden, einfache Saalschlachten und Hetzschriften nicht - eher waren das nur die PR-Maßnahmen eines sehr viel umfangreicheren "Projektes" - was ja immerhin Respekt verdient für gewisse unorthodoxe Lösungsansätze des Denkens und Planens, die selbst heutige Fachleute überraschen), im Panoptikum der Moderne wiederfinden wird. Vielleicht als "Stiefkind der Aufklärung" o.ä.

    Nein, die werden gedünstet

  • Och, die Stadtplanungen der frühen sowjetischen Avantgarde waren auch nicht besser. Oder der Futurismus, der all den Technikkult gebahr. Und daß das alles sehr kompatibel mit einem liberalistisch-kapitalistischen System ist, bekommen wir ja täglich vorgeführt. Corbusier und Mies hätten bei einem NS-Endsieg sicher auch irgendwann wieder ihr Fähnchen in den Wind gehängt. Im Falle China haben ja z.B. heutige Stararchitekten auch kein Problem mit dem System. Alles immer den "Faschos" in die Schuhe schieben zu wollen, macht es sich schon ganz schön bequem. (Zur weitaus komplexeren Kriegsschuldfrage lasse ich mal jede Äußerung, auch wenn "ulgemax"´ recht schlichtes Statement dazu löcken könnte...) Der Modernismus ist Ideologieübergreifend.

  • Eine (unbewusste) architektonische Kontinuität zu Bauten des Faschismus gibt es ohne Zweifel bis heute. Die Epoche, deren Bauten der heute allgegenwärtigen Berliner Rasterfassade am ähnlichsten sind, ist der Nationalsozialismus.


    Ehemaliges Gebäude der Allianz- und Stuttgarter Lebensversicherungsbank in der Mohrenstraße 53-61 in Berlin-Mitte, erbaut 1937-1943 nach einem Entwurf der Architekten Heinrich Rosskotten und Karl Wach; heute Teil des "Quartier 110" (u. a. Sitz des Großbritannien-Zentrums der Humboldt-Universität)
    Quelle: http://www.wikipedia.de

    Würde man das Ding einfach in mehrere kleinere Einzelbauten zerlegen, die sich farblich voneinander abheben, kämen wir dem heutigen "demokratischen Bauen" schon sehr nahe...

    Angolanische Botschaft, Wallstraße 59, erbaut 1999-2000 gemeinsam mit dem Gebäude der Brasilianischen Botschaft vom Berliner Architekturbüro Pysall, Stahrenberg und Partner
    Quelle: http://www.wikipedia.de

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Zitat

    Seine Architektur war unmenschlich, sein Denken totalitär, seine Zerstörungswut Ausfluss europäischen Selbstekels. Eine Philippika gegen Le Corbusier.

    Zitat

    "Fantasie der Architektur" nannte Le Corbusier seine Vision von Endloshäusern. Die Nazis verwirklichten sie auf Rügen. Jetzt wird Prora eine Jugendherberge.

    Hitlers größtes Haus: Le Corbusier lieferte das Vorbild für NS-Bad Prora - Nachrichten Kultur - WELT ONLINE

    Zitat

    ..Was die Zerstörung des städtischen Erbes Großbritanniens angeht, ist die deutsche Luftwaffe verglichen mit den Nachkriegsjüngern und -bewunderern Le Corbusiers ein Haufen tölpelhafter Amateure gewesen. Ein strategisch platziertes Gebäude im Stil Le Corbusiers kann eine Stadtlandschaft, die sich über Hunderte von Jahren entwickelt hat, ein für allemal zerstören, und mit vielen Gebäuden wurde genau das getan, wissentlich und mit böswilliger Absicht. Tatsächlich ist kaum eine britische Stadt Le Corbusiers unheilvollem Einfluss oder seinem fürchterlich inhumanen und zutiefst dysfunktionalen Funktionalismus entronnen.
    Wenige Menschen haben je mehr dazu beigetragen, die Welt hässlich zu machen...

    Zitat

    „Kommentar aus Anlass des Nachdrucks von ‚Die strahlende Stadt’“ zitieren: „Dieses Buch, geschrieben zwischen 1931 und 1934, verkündet die folgenden Ereignisse: Jene, die agrikulturelle Ausnutzung bringen. Jene, die das perfekte Funktionieren linearer Industriestädte sicherstellen. Jene, die Aufgaben radio-konzentrischer Städte erfüllen. All das ist unter die meisterhafte Regierung natürlicher Bedingungen gestellt: Sonne Raum Geometrie und aller Mission ist der Dienst an der Menschheit: ZU LEBEN ZU ARBEITEN KÖRPER UND GEIST ZU KULTIVIEREN (in dieser Reihenfolge und Rangfolge).“

    Zitat

    ..Le Corbusier war ein unheimlich begabter Mann: ein talentierter Künstler, und bevor sein Egoismus und sein Drang zur Originalität um jeden Preis ihn übermannten, schuf er mit eigenen Händen (denn er war ein wunderbarer Handwerker) Möbel von exquisiter Eleganz, die Originalität und Traditionalität auf die gute alte, konstruktive Weise miteinander verbanden.

    Aber das reichte ihm offenkundig nicht, und Talent oder sogar Genie zu einem bösen Schluss zu bringen, ist, moralisch betrachtet, weit schlimmer als schlichte Inkompetenz...

    Zitat

    ..Le Corbusiers Unmenschlichkeit kannte – insoweit ein Architekt unmenschlich sein kann – nahezu keine Grenzen. Er baute Chandigarh, die Hauptstadt des Punjab, mit riesigen Freiflächen, ohne dabei für Schatten zu sorgen, obwohl es dort oft über 40 Grad heiß ist – so als hielte er Menschen für Bakterien, die von der Sonne gereinigt werden müssten. (Le Corbusier liebte die Sonne, konnte sich aber nicht vorstellen, dass es an heißen Orten Schatten braucht – ein Fehler, den seine Schüler Lucio Costa und Oscar Niemeyer in Brasilia wiederholten.)

    Die wichtigste Frage in Sachen Le Corbusier jedoch lautet vielleicht, wie ein solcher Mann, faschistisch in seinem Äußeren, unfähig zu einem folgerichtigen Gedankengang, jemand, der derart unmenschliche Gebäude schuf, nicht nur bis heute derart verehrt werden kann, sondern, darüber hinaus, überhaupt erst so berühmt werden konnte. Das muss mit dem Geist unserer Zeit zu tun haben...

    Architektur: Le Corbusiers Bauten - schlimmer als Bombenkrieg - Nachrichten Kultur - WELT ONLINE

  • Le Corbusier auch noch den Nationalsozialisten unter zu jubeln, grenzt schon an Koketterie.
    Der gute Mann hatte Pläne in der Schublade, nicht nur die Innenstadt von Amsterdam abzureißen, um sie mit seinen Wohnmaschinen neu zu überziehen, das gleiche schwebte ihm für Paris vor - er hat nur keine willigen Vollstrecker gefunden.
    Er hätte sonst die Ehre für sich verbuchen können, als pervertierter Baron Haussmann in die Geschichte einzugehen und vermutlich war es auch das, was er wollte.

  • Zitat

    In den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wollte der Rat der englischen Stadt Bath die komplette Stadt aus dem 18. Jahrhundert abreißen und durch Betonblöcke ersetzen;

    hab ich nicht gewusst. wie man sieht, stehen gewisse dt befindlichkeitsauswüchse nicht allein da...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Nach Lesen des Artikels hege ich irgendwie den Wunsch, diesen thread in "Verbrecher Le Corbusier" umzubenennen (nein, nicht im Ernst). Immerhin hat sogar die Schweiz mittlerweile die 10 Franken-Note mit seinem Portrait abgeschafft. ;)
    Ich meine, statt sich an dem Mann abzuarbeiten ist es sinnvoller, den vielen Möchtegern-Corbusiers von heute Paroli zu bieten.

    In dubio pro reko

    6 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (13. November 2019 um 18:47)

  • Ich halte nicht viel davon, Leuten mit dem Verweis auf "antifaschistische" Stereotypen ans Bein zu pissen. Zum Einen gab es im italienischen Faschismus auch eine weit gefälligere Baukultur (siehe z.B. hier), zum Anderen wurden Erziehung, Zucht, Kontrolle, Sport- und Arbeitskult nicht nur im Faschismus, sondern auch im Sowjet-Kommunismus propagiert. Heute erleben wir eine Renaissance in China, und das schwappt auch zu uns, wenn auch nicht so offen und ehrlich propagiert. Schließlich kann man Le Corbusier eine Menge vorwerfen, aber der rechte Winkel ist noch das geringste Problem. Anders ausgedrückt: Stört am Humboldt-Forum der rechte Winkel? Oder was wäre, wenn Corbusier nur kleine Landvillen mit Walmdach und Fensterläden gebaut hätte? Müsste man ihm dann auch den Faschismus seiner Zeitgeist-Anbiederungs-Zeit vorwerfen?

    Ich will nicht Le Corbusier verteidigen. Im Gegenteil. Für mich ist das einer der schändlichsten, inhumansten Architekten des 20. Jahrhunderts. Aber ich halte mich, so lange das möglich ist, vom heutzutage allgegenwärtigen Spiel mit "antifaschistisch" unterfütterten Vorwürfen fern. Das fällt einem meist selbst vor die Füße.

  • Der Plan Voisin von 1925 von Le Corbusier, der den Flächenabriss großer Teile des alten Pariser Zentrums und den Bau von 18 locker angeordneten 60-stöckigen Hochhäusern vorsah. Ein Kunstprojekt zeigt die Auswirkungen https://www.clemensgritl.com/video (am besten beide Videos gleichzeitig starten - rechte Seite mit Hochhäusern und Autoschneisen).

    ...

  • Hat ein bisschen was von DDR-Städtebau, nur noch gigantischer, gigantomanischer. Das hätte die DDR wohl auch gern verwirklicht.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.