Sonstige Objekte und Projekte in der Altstadt

  • Frankfurt hat quasi über Nacht ein neues Fachwerkhaus bekommen - wenn auch nur temporär. Ein Imker von der Bergstraße hat das über 300 Jahre alte Haus im Vogelsberg gekauft, abgetragen, die verfallenen Balken erneuert und verwendet es nun als Weihnachtsmarktstand. Ich bin mir noch nicht ganz sicher was ich davon halten soll, auch wenn ein Erhalt am alten Standort sicher zu bevorzugen gewesen wäre, ist dies sicher einem (dauerhaften) Abbruch vorzuziehen... Werbung für den Wiederaufbau der Altstadt ist es allemal.

    Dies alles heute in der Frankfurter Neuen Presse. In Ermangelung eigener Fotos verweise ich auch auf diesen Beitrag im DAF. Vielleicht komme ich morgen dazu, ein paar Detailfotos für unsere Experten anzufertigen.

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    Goethe, Faust I

  • Ja, warum nicht mal ein Fachwerkhaus aus Lauterbach-Dirlammen für immer neben der Paulskirche errichten? Als Dankeschön könnte man nächstes Jahr das Technische Rathaus dann auf den Markt von Lauterbach hinpflanzen. Das wäre nicht minder originell.

    Den Rekonstruktionsbestrebungen auf dem Dom-Römer-Areal wird, was die Authentizität im historischen Kontext angeht, ein Bärendienst erwiesen, wenn jetzt jeder durchgeknallte Imker sein Fachwerkhaus temporär als Weinhachtsmarktbude in Frankfurt errichtet. Irgendwie ziemlich lächerlich das Ganze...

  • Problematisch ist, dass man einfach sieht, dass das ein Haus aus dem Vogelsbergkreis und nicht aus Südhessen ist. Diese bäuerliche Architektur passt nicht in eine Großstadt. Die Paulskirche war bis zum Zweiten Weltkrieg ja auch noch von mittelalterlichen Fachwerkbauten umgeben, doch diese waren ein ganz anderes Kaliber (vgl. die Bilder von Jörg in seinem oben angepinnten Strang).

    Ganz so pessimistisch wie spacecowboy sehe ich das Ganze dann nicht, denn wer auf den Weihnachtsmarkt, der schon vom Sinne her Kitsch ist, von Seiten des BDA und Konsorten als Argumentationsgrundlage zurückgreift, macht sich lächerlich.

  • Natürlich sehe ich, dass das Haus dort nicht hinpasst, die Nachkriegsbauten rundum die Paulskirche tun dies aber noch viel weniger. Die Restaurierung des Hauses scheint mir auch innen handwerklich gut gemacht, so dass es eher eine Werbung für mehr Fachwerkbauten als ein Argument gegen dieselben ist.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Wieso sollte es Werbung für mehr Fachwerkbauten sein, außer vielleicht auf Weihnachtsmärkten? "Handwerklich gut gemacht" sind auch die meisten Gebäude im Hessenpark.

    Neben dem von RMA hervorgebrachten Argument, dass ein einfaches Bauernhaus aus dem Vogelsberg nichts mit jenen damals in Frankfurt gemein hat (was der Laie nicht unbedingt weiß), geht es doch bei den Rekonstruktionsbemühungen in erster Linie darum, Fachwerkbauten als ernste städtebauliche Alternative für das Dom-Römer-Areal heranzuziehen. Deshalb reagieren die Befürworter auch besonders allergisch, wenn die Gegenseite das böse D-Wort in den Mund nimmt. Aber genau dieses Beispiel des illustren Imkers zieht das Anliegen doch wohl eher ins Lächerliche.

    Mal abgesehen davon frage ich mich, wie so ein Aufbau am historisch gesehen vielleicht wichtigsten Platz der Stadt überhaupt genehmigungsfähig sein kann. Nächstes Weihnachten kommt dann einer auf die Idee, 'ne chinesische Pagode mit blinkender Lichterkette nebendran zu stellen. Offensichtlich kein Problem, was die Genehmigung dafür angeht...

  • Ich sehe überhaupt kein Problem (und auch keine Gefährdung der Reko-Bestrebungen auf dem TR-Areal), wenn jemand für die Dauer des Weihnachtsmarkts so ein originales Fachwerkhaus aufbaut; im Gegenteil: Ist doch mal eine interessante Idee. Auf dem Weihnachtsmarkt stehen jedes Jahr Buden mit nachgemachtem Fachwerk - warum soll man dann nicht zur Abwechslung mal ein echtes historisches Fachwerkhaus aufstellen?

    Nach Weihnachten hat das Ding natürlich nichts mehr auf dem Paulsplatz zu suchen, und ein dauerhafter Wiederaufbau irgendwo in der Frankfurter Altstadt verbietet sich natürlich aus den von RMA angesprochenen Gründen. Ich hoffe nur, daß das Haus nicht irgendwann noch endgültig geschreddert wird, sondern eines Tages wieder einen festen Standort bekommt, wo auch immer (aber bestimmt nicht im Hessenpark, denn die haben ohnehin noch rund 100 zerlegte Häuser im Depot und können nur eins pro Jahr aufbauen...).

  • PJG hat geschrieben:

    Zitat

    Ich bin mir noch nicht ganz sicher was ich davon halten soll, auch wenn ein Erhalt am alten Standort sicher zu bevorzugen gewesen wäre, ist dies sicher einem (dauerhaften) Abbruch vorzuziehen...

    Im ernst gibt es natürlich nur eine Lösung für das Haus: zurück an den Originalstandort!

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Zitat von "Christoph"

    (Bild von Christoph aus dem heutigen Beitrag in "Dresdner Bausituation II)


    Irgendwie ist es ein Phänomen, diese Liebe zu Fachwerkhäuschen an Weihnachtsmärkten und dergleichen... und mir ein Rätsel zugleich. Vor allem in einer Stadt (Dresden), welche seit Jahrhunderten keine Fachwerktradition mehr hat...

    Übrigens wird auf der Zeil mindestens seit den letzten drei Jahren auch immer wieder ein historisches, eingeschossiges Fachwerkhaus aufgestellt.

  • Der Weihnachtsmarkt wurde anlässlich der Umbauarbeiten auf der Zeil dauerhaft zurück in den Altstadtbereich verbannt und beginnt nun erst an der Liebfrauenstraße. Wenn ich nochmal dort hinkomme, werde ich die Augen offen halten nach besagtem Fachwerkhaus, bislang ist es mir nicht aufgefallen....

    Aber kommen wir zur Neuheit des Jahres:







    Wie man unschwer erkennen kann, sind gut drei Viertel des Gebälks neu angefertigt worden. Schnitzereien beschränken sich auf die Eckpfosten "vorne rechts" von der Bethmannstraße aus gesehen (Bilder 5 bis 7). Die innere Strukur wurde, soweit ich das auf der kurzen Inspektion erkennen konnte, auch komplett neu aufgebaut. Man beachte auch, dass weite Teile des Hauses verschraubt sind, um jahrmarktsgerecht schnell auf- und abbauen zu können. Verbindungen, die nicht ständig gelöst werden, sind dagegen traditionell mit Holzzapfen gesichert.

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  • Als Bude zu schade. Man sollte dem Häuschen einen dauerhaften Platz geben. Zum Beispiel als Touristeninfozentrale in einer Kleinstadt oder Krabbelstube. Es gibt sicher manche Brachfläche zu füllen. Und es gibt sicher viele gute Verwendungen für das Gebäude, die zudem ein hessisches Ortsbild aufbessern könnten.

  • Sorry, aber wenn ich diese Bilder sehe, halte ich das Ganze für kitschigen Schrott. Vom Original praktisch keine Substanz mehr vorhanden, die Innenraumdisposition komplett neu, die Balken maschinengesägt und mit Schrauben gesichert – sowas würden sich nichtmal weder Disneyland noch Hessenpark erlauben. Von Rettung eines Fachwerkhauses kann bei so einem Grad von Substanzverlust auch keine Rede mehr sein. Da hat man ja bei den Abbruchsanierungen der 1960er mehr erhalten...

  • Dazu hätte ich einen passenden TV- Tip:
    03.12.09 HR Fernsehen 11.25- 11.55 Uhr Hessen-Reporter: Ein Fachwerkhaus zieht um

    Zitat

    "Das ist ein harter Brocken", sagt Axel Hartmann, der Zimmermann aus dem Vogelsberg. Er hat nur eine Nacht, um mit seinen Gesellen das alte Fachwerkhaus wieder aufzubauen. Morgen früh um acht muss es stehen. Das wird eng. Der Imker Peter Wagner hilft nach Kräften mit. Er will den dreihundert Jahre alten Vogelsberger Bauernhof als Verkaufstand für seinen Honig auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt nutzen. "Es wäre jammerschade, wenn dieses herrliche Fachwerkhaus zu Brennholz geworden wäre", sagt er. Es ist bereits der dritte Bauernhof, den Wagner vor dem Feuer rettet. Er teilt seine Leidenschaft für Fachwerk mit Zimmermeister Axel Hartmann. Als beide den verfallenden Bauernhof in Lauterbach-Dirlammen sahen, war ihnen klar: Der wird gerettet. Nach dem Kauf ging's los: Zuerst musste der alte Hof abgerissen werden - ein staubiger Job. Dann wurden in der Zimmerei die alten Balken aufgearbeitet. Schließlich musste das gesamte Fachwerk nach Frankfurt geschafft werden. Erst jetzt folgt der schwierigste Teil: der Aufbau des Fachwerkhauses in einer Nacht. Das ist nichts für schwache Nerven. Der "Hessen-Reporter" ist dabei, begleitet die Aktion vom Abriss über die Restaurierungsarbeiten bis hin zum Aufbau in einer einzigen Nacht.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Falls es besser woanders hin sollte, bitte verschieben.

    Die Stadt hat in angeblich 8 Jahren ein Konzept für die Innenstadt erarbeitet. Das hat natürlich auch Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Altstadt (gerade für den Altstadtbereich aber bedarf das Konzept in meinen Augen noch einer erheblichen Überarbeitung, aber seht selbst).
    In einem offenen Planungsprozess soll das Konzept dann weiterentwickelt werden.

    Magistratsvortrag am 4.12.2009
    Übersichtsplan zum Konzeptentwurf
    Erläuterungen zum Konzeptentwurf

    Link zum entsprechenden Thread im DAF.

  • Im Institut für Stadtgeschichte wurde heute eine Ausstellung über die Alte Brücke eröffnet, die noch bis 20. Juni läuft; der Eintritt ist frei.

    http://alte-bruecke-frankfurt.de/\r
    alte-bruecke-frankfurt.de/

    Neben vielen interessanten Exponaten, wie z.B. dem herrlichen Merian-Stich, der Goldenen Bulle von 1356 und einem silbernem Tafelaufsatz in Form des Sachsenhäuser Brückenturms, enthält die Ausstellung auch Pläne und ein Modell des aktuell geplanten Umbaus durch Mäckler.

    http://www.maeckler-architekten.de/de/old_bridge.html\r
    http://www.maeckler-architekten.de/de/old_bridge.html
    http://www.maeckler-architekten.de/de/brueckenturm.html\r
    http://www.maeckler-architekten.de/de/brueckenturm.html

    Wenngleich ich mir eine Rekonstruktion der beiden fehlenden Bögen gewünscht hätte, kann ich mit dem Mäckler-Entwurf ganz gut leben; der geplante Turm als Pendant zur Kunsthalle Portikus wirkt allerdings etwas grobschlächtig. Es soll hiermit an die ehemalige Mühle erinnert werden, die in ihrer letzten, klassizistischen Gestalt im Jahr 1914 zusammen mit der mittelalterlichen Brücke abgerissen wurde. Leider enthielt die Ausstellung keine Information, wann die Arbeiten endlich losgehen; geplant ist es ja schon eine Weile.

  • Es ist schon bemerkenswert wie in den letzten 10 Jahren die Leitbauten der Frankfurter Nachkriegsmoderne weggefegt wurden:

    - Degussa-Areal - erste Bauten errichtet 1950 - Abriss 2011
    - Kinos Turmpalast - errichtet 1950 - Abriss 2012
    - Fernmeldezentrum mit dem Fernmeldehochhaus - errichtet 1951 - Abriss 2005
    - Bayerhaus - errichtet 1952 - umgebaut 2008
    - Rundschau-Haus - errichtet 1953 - Abriss 2006
    - Zurichhaus - errichtet 1958 - Abriss 2002
    - Eiermann-Hochhaus - errichtet 1968 - Abriss 2004
    - Erweitungstraktes für das Historische Museum - errichtet 1972 - Abriss 2011
    - Technisches Rathaus in der Altstadt - errichtet 1972 - Abriss 2010

    Das jetzt ausgerechnet eines der hässlichsten Nachkriegsbauten stehenbleibt, ist schon irgenwie eigenartig.

    ...

  • Oh Gott! Wenn ich da Leitbauten lese, werden die etwa mal irgendwann rekonstruiert? Trotzdem: Um das Rundschau-Haus ist es wirklich schade. Das war einer der wenigen gelungenen Nachkriegsbauten in Frankfurt. Komisch, dass sich gegen solche Abrisse keine Bürgerinitiative wie gegen den Wiederaufbau des Dom Römer-Areals gründete, aber das sage ich immer. Solchen Pseudo-Modernisten geht es nicht um den Erhalt von Gebäuden, die für die Ikonen sein müssten, sondern nur um die Verhinderung von Rekonstruktionen. Deshalb ist aus der Ecke auch immer schnell wieder Ruhe, wenn ein Projekt erst mal fertig ist. Solche Menschen sind gar keine Architektur-Interessierten, Ihre Attitüde ist einfach nur stänkern, pöbeln und verleumden um sich ganz hip und modern zu fühlen. Dass es gerade die von denen beschworene modern-demokratisch-pluralistische Gesellschaft ist, aus deren Mitte das derzeitige Nebeneinander verschiedener Architekturströmungen erwächst, scheinen die noch nicht bemerkt zu haben.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

    Einmal editiert, zuletzt von Pfälzer Bub (10. Dezember 2012 um 10:40)

  • Pfälzer Bub +1. So ist es. Ausgerechnet das Rundschau-Haus wurde voreilig getilgt und das Gelände ist heute eine unbebaute Brache.

    ...

  • Ich weiß nicht, ob dieses Projekt hier schon mal erwähnt wurde, aber südöstlich des Doms wurden jetzt 2 Häuser fertiggestellt, die auf erfreuliche Weise die Altstadt-Satzung erfüllen, freiwillig offenbar. Nichts besonderes, aber immerhin, sogar mit echten Schieferdächern!

    http://www.abload.de/img/img_9424xvpku.jpg
    http://www.abload.de/img/dsc_0200ovkvo.jpg

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