Bücher-Tipps zum Thema Architektur und Städtebau

  • Guten Morgen,
    kennt hier jemand folgendes Werk und kann mit einigen Worten darüber berichten?
    Lübbecke, Wolff: Alt-Frankfurt - Ein Buch für seine Freunde in der Heimat und in der Fremde. Frankfurt 1931.

    Was mich auch interessiert, ist, ob die Aufnahmen im neuerschienen Fay-Band in Originalgröße abgedruckt sind.

    Herzlichen Dank!

  • Zitat von "Cassius"

    Guten Morgen,
    kennt hier jemand folgendes Werk und kann mit einigen Worten darüber berichten?
    Lübbecke, Wolff: Alt-Frankfurt - Ein Buch für seine Freunde in der Heimat und in der Fremde. Frankfurt 1931.

    Was mich auch interessiert, ist, ob die Aufnahmen im neuerschienen Fay-Band in Originalgröße abgedruckt sind.

    Herzlichen Dank!

    Das Buch enthält viele Bilder von Paul Wolff, der einer der bekanntesten (und meines bescheidenen Erachtens auch besten) Fotografen der 1. Hälfe des 20. Jahrhunderts war. Dazu Bildtexte von Fried Lübbecke, die wie immer sehr interessant und hintergründig sind. Viele der im Buch gezeigten Bilder findet man auch in anderen Bildwerken der Zeit wieder (insbesondere im verwirrenderweise gleichnamigen "Alt-Frankfurt" (1924), "Alt-Frankfurt. Neue Folge" (1924) und "Alt Frankfurt. Dritte Folge" (1926), die ebenfalls nur Bilder von Wolff enthalten). Gegen späteren Veröffentlichungen, inbesondere "Alt-Frankfurt. Ein Vermächtnis" stehen diese Bücher aus den 20er und 30er Jahren allerdings technikbedingt noch etwas in der Wiedergabequalität der Fotos zurück (teils sehr grobes Raster).

    Für einen Frankfurt-Sammler (wie mich) ist das oben genannte Buch natürlich trotzdem Pflicht, da es halt wie jeder Fotoband einige wenige Aufnahmen enthält, die es sonst nirgendwo (die Apotheke des Instituts für Stadtgeschichte mal ausgenommen) zu sehen gibt.

    Zum Fay-Band: nein, die Bilder sind größtenteils etwas verkleinert gegenüber den originalen Lichtdrucken abgebildet. Allerdings im hochwertigen Kunstdruck (600 DPI!) auf sehr gutem Papier.

    Bei Originalgröße hätte der Band ohnehin ein Format von wenigstens Imperial-Folio und würde wohl einen mittleren dreistelligen Betrag kosten. Abgesehen von der Tatsache, dass ich die komplette Fay-Sammlung zuletzt im Antiquariat zusammengebunden für einen hohen vierstelligen Euro-Betrag gesehen habe - für die Normalsterblichen unter uns gibt's keine Alternative zu dem Band. ;)

  • Noch einmal vielen Dank für diese ausführliche Antwort.

    Ich sehe sein, daß die jüngste Veröffentlichung der Bilder Fays in einem Band ein unglaubliches Glück ist.

    Um den Kauf des Lübbecke werde ich wohl dennoch nicht herumkommen. Unterscheiden sich die Auflagen der Fünfziger und der Siebziger in Inhalt, Qualität oder Ausstattung voneinander? Gibt es vielleicht weitere, mir unbekannte Auflagen?

  • Zitat von "Cassius"

    Noch einmal vielen Dank für diese ausführliche Antwort.

    Ich sehe sein, daß die jüngste Veröffentlichung der Bilder Fays in einem Band ein unglaubliches Glück ist.

    Um den Kauf des Lübbecke werde ich wohl dennoch nicht herumkommen. Unterscheiden sich die Auflagen der Fünfziger und der Siebziger in Inhalt, Qualität oder Ausstattung voneinander? Gibt es vielleicht weitere, mir unbekannte Auflagen?

    Die Erstausgabe ist von 1950, der Reprint erschient 1971. Seitdem gab es leider keine Neuauflage mehr, obwohl diese sicher ein großes Publikum finden würde.

    Die Erstausgabe hat 272 Seiten, dabei nur eine Textseite und wirkt somit mehr als Gesamtkunstwerk - auf die Bilder der Stadt folgt eine Seite mit einem den Ungeist des Krieges beklagenden Zitat aus "Faust" von Goethe (den Lübbecke bekanntlich ja sehr schätzte), dann ungeschönt die Bilder, die die Zerstörungen zeigen. Der Band schließt mit einer klassischen Ansicht von der Alten Brücke aus, die die zerstörte Silhouette der Stadt offenbart. Anschließend noch ein doppelseitiger, gefalteter Schadensplan (der oft bei antiquarischen Ausgaben fehlt, also Achtung!). Der Band ist zeitensprechend buchmacherisch schlichter und nur in Halbleinen erschienen.

    Die 1971 erschienene Ausgabe ist etwas bibliophiler gestaltet, im Leinenschuber und mit Originalhalbleder-Einband mit schöner Deckelvignette erschienen. Außerdem schließen an die 272 unverändert übernommenen Seiten der Originalausgabe 59 Seiten mit späten Texten von Lübbecke zur Veränderung der Altstadt in den späten 30er Jahren (hochinteressant, widerlegt vieles, was noch heute von der Altstadt negativ behauptet wird!) und Architekturgeschichte einiger Gebäude an. Der Schadensplan ist hier nicht hinten eingebunden, sondern zwischen Foto- und dem hinzugefügten Textteil.

    Gut erhaltene Exemplare sind im Antiquariatshandel relativ teuer, 120 - 150 Euro muss man schon rechnen, die 1971er Ausgabe mit Schuber ist nochmal ein bisschen teurer. Wie schon weiter oben erwähnt ist der Band aber derart liebevoll zusammengestellt und auch von solch herausragend buchmacherischer Qualität, dass das Geld wirklich gut angelegt ist.

  • Habe während meine Studie Geographie merhfach die Reihe von Gutkind studiert "Germany: History of Urban Geography" aus den 60-er Jahren. Die Titel weiss ich nicht genau. Die Reihe im Grossformat hatte 6 Bände mit über 3000 SW Fotos of German Cities before WWII, viel Graphische Zeichnungen, Karten usw.

    War erstaunlich schöne Serien. Wer etwas davon weiss, bitte melden.

  • RMA,

    vielen Dank! Ich habe mich etwas umgesehen; wenn die Ausgabe von 1971 unter 200 € kostet, fehlt meist der Schuber. Interessant ist auch, daß ein Band mit, so hieß es, "Original-Pappschuber" angeboten wurde. Gab es so etwas, oder versucht da jemand, seinen Kunden einen Bären aufzubinden?

  • Zitat von "Cassius"

    RMA,

    vielen Dank! Ich habe mich etwas umgesehen; wenn die Ausgabe von 1971 unter 200 € kostet, fehlt meist der Schuber. Interessant ist auch, daß ein Band mit, so hieß es, "Original-Pappschuber" angeboten wurde. Gab es so etwas, oder versucht da jemand, seinen Kunden einen Bären aufzubinden?

    Anbetrachts dessen, dass ein Schuber im Format Quart selbst aus Leinen beim Buchbinder nur etwa 20 € kostet, würde ich dir vorschlagen, ein Exemplar ohne Schuber zu kaufen und dir den Schuber einfach anfertigen zu lassen - der Aufpreis ist einfach unverschämt und unangemessen. Das mit dem Schuber habe ich schon für viele meiner kostbareren Bücher nachträglich machen lassen.

    Allerdings war mein Exemplar von dem o. g. Band schon beim Kauf in einem Leinwandschuber, der ungefähr die Farbe des Rückenleders hat. Ich war immer davon ausgegangen, dass das ein Originalschuber ist, ich sehe im ZVAB jetzt auf Anhieb aber auch nur Pappschuber, der dann wohl dem ursprünglichen Lieferumfang entspricht, und mein Exemplar dürfte bereits vom Vorbesitzer mit einem besseren Schuber ausgestattet worden sein.

  • Zitat von "MunichFrank"

    Kann jemand mir weiterhelfen. Welche empfehlenswerten Bücher gibt es über die Architektur deutscher (Groß-)Städte vor dem 2.WK.

    ....

    Habe mir kürzlich einen speziellen Band der "Bau- und Kunstdenkmäler
    von Westfalen" von 1929 gegönnt. Von Westfalen gibt es für jeden (ehemaligen)
    Kreis bzw Stadt einen Band. Auch für das Rheinland soll es sowas geben. Jeder Band
    hat übrigens so um die 800 Seiten mit vielen Hintergrundinformationen
    und natürlich Bilder von um 1929. :gg:

    P.S. Die Dinger gibts natürlich nur noch im Antiquariat. :daumenoben:

  • Zitat von "Kindvon2dresdnern"

    Da muss es ja hunderte gegeben haben :schockiert: Welchen Band hast Du denn?

    Ich habe den Band "Stadtkreise Recklinghausen, Bottrop, Buer, Gladbeck,
    Osterfeld - Landkreis Recklinghausen" gekauft. Der Band umfasst also
    das ehemalige Vest Recklinghausen plus die Herrlichkeit Lembeck aus
    dem alten Reich. Mit der Seitenzahl habe ich leider etwas daneben
    gelegen. Obiger Band hat genau 484 DinA4 Seiten. :D
    Jedes bedeutende Bauwerk oder Detail eines Bauwerkes befindet
    sich in dem Band. Angefangen von einem Detail eines Chorgestühls
    einer im 2.Weltkrieg zerstörten Kirche bis hin zu Säle eines seit 60Jahren
    zerstörten Schlosses. Nur zu empfehlen ! Wer nicht gleich die Katze
    im Sack kaufen möchte, kann sich die Bände auch in den Universitäts-
    bibliotheken anschauen. :zwinkern:

    Scheinbar gibt es folgende Bände: :D
    1. Kreis Lüdinghausen
    2. Stadt Dortmund
    3. Kreis Dortmund-Land
    4. Kreis Hörde
    5. Kreis Münster-Land
    6. Kreis Beckum
    7. Kreis Paderborn
    8. Kreis Iserlohn
    9. Kreis Ahaus
    10. Kreis Wiedenbrück
    11. Kreis Minden
    12. Kreis Siegen
    13. Kreis Wittgenstein
    14. Kreis Olpe
    15. Kreis Steinfurt
    16. Kreis Soest
    17. Stadt Bochum
    18. Kreis Arnsberg
    19. Stadt Bielefeld
    20. Kreis Bielefeld-Land
    21. Kreis Tecklenburg
    22. Kreis Lübbecke
    23. Kreis Bochum-Land
    24. Kreis Herford
    25. Kreis Meschede
    26. Stadt Gelsenkirchen
    27. Kreis Gelsenkirchen-Land
    28. Kreis Halle
    29. Kreis Hattingen
    30. Kreis Witten
    31 .Kreis Schwelm
    32. Stadt Hagen
    33. Kreis Hagen-Land
    34. Kreis Altena
    35. Kreis Lippstadt
    36. Kreis Coesfeld
    37. Kreis Höxter
    38. Kreis Büren
    39. Landkreis Recklinghausen und
    Stadtkreise Recklinghausen, Bottrop, Buer, Gladbeck und Osterfeld
    40. Stadt Bocholt
    41. Stadt Münster
    42. Kreis Warendorf
    43. Stadt Hamm
    44. Kreis Warburg
    45.
    46. Kreis Borken

  • Zitat von "RMA"

    ...Generell kann ich dir da die vorweltkrieglichen Dehio-Ausgaben des "Handbuchs der deutschen Kunstdenkmäler" empfehlen, die im Antiquariatshandel für um 10 Euro das Stück zu haben sind. Dazu zählen:

    - Mitteldeutschland
    - Nordostdeutschland
    - Süddeutschland
    - Südwestdeutschland
    - Nordwestdeutschland

    Habe entdeckt, dass zumindest der Band Mitteldeutschland (umfaßt auch Franken) von 1914 kostenlos zur Verfügung steht:

    http://www.gutenberg.org/etext/19460

    Sehr lesenswert. Eine Kostprobe zur Frauenkirche:

    Zitat

    An Stelle einer älteren spgot. erb. 1726-1738 vom Ratszimmermeister George Bähr, letzte Arbeiten bis 1743. Nach einer langen Epoche kleinmütiger Bescheidenheit erhebt sich hier der protestantische Kirchenbau zum erstenmal wieder seit Paul Frankes Wolfenbütteler Marienkirche (1604) zu einem großen und freudigen monumentalen Entschluß. Das Zweckliche der Predigtkirche ist sorgfältig durchdacht, aber Bähr bleibt nicht daran kleben. Er kehrt den geometrischen Spielereien in den Grundrißlösungen vieler Vorgänger den Rücken und nimmt die durch die Jahrhunderte geweihte Form der einfachen Rotunde für den Hauptraum auf. Die auf 23,5 m im Lichten gespannte Kuppel wird getragen von 8 durch Rundbogen verbundene Oblongpfeiler, zwischen ihnen Emporen in 7 Rängen, seitwärts gegen die Umfassungsmauern Verbindungsgänge zu den sehr bequemen und ausgiebigen Treppen, so daß die 3600 Sitzplätze fassende Kirche sich schnell und sicher entleeren kann. Zuzugeben ist, daß die Lösung ästhetisch doch nicht ganz befriedigt. Denn die Emporen sind hier ein nur vom sachlichen Zweck, aber nicht vom baulichen Organismus geforderter Appendix. Sie bringen eine Unruhe in den Raum, die ein Zentralbau am wenigsten vertragen kann. Zur Entschädigung hat Bähr es gewagt, dem Außenbau eine an einer protestantischen Kirche bisher unbekannte Kraft und Bedeutsamkeit zu verleihen. Zwar keine Pracht. Die Formen sogar von ziemlich trockener Bürgerlichkeit. Aber der Hauptumriß ganz ausgezeichnet gut, würdevoll und zugleich graziös elastisch. Der Grundriß erscheint hier quadratisch, in den Mitten und an den abgestutzten Ecken durch Risalite belebt, welche die Aufwärtsbewegung der Masse sehr glücklich einleiten. Von ganz origineller Wirkung, dabei konstruktiv voll Zweckmäßigkeit der konkav geschwungene Kuppelhals.

  • Gibt es eine dem Werk "Alt-Frankfurt - Ein Vermächtnis" in Konzeption und Aufbau ähnliche Dokumentation für das alte Nürnberg? Und falls nicht, auf welche Bücher sollte jemand, der sich einen Eindruck vom Nürnberg vor dem Kriege machen möchte, am ehesten zurückgreifen?

  • Diesen alten Faden habe ich ausgegraben, weil ich finde, daß das Thema am ehesten zum Sammeln von Literaturtipps dienen könnte. Im Forum sind zahlreiche Fäden mit Büchertipps verstreut. Hallo Moderator, könnten diese nicht alle unter einem Faden versammelt werden?!!! Wäre dann schon eine klasse Sammlung.

    Die folgenden Bücher wollte ich schon lange einmal vorgestellt haben. Oft ist ja in unseren Diskussionen die Rede von Proportionen, Harmonie im Aufriß der Fassaden und Grundrisse, Wirkungen des Erscheinungsbildes von Architektur, der Goldene Schnitt wird erwähnt, doch kaum finden sich Erklärungen und Einsichten welche Entwurfs- und Harmonieprinzipien die alten Baumeister für ihre Meisterwerke anwanden. Ich habe in der Vergangenheit hier und da manchmal darauf hingewiesen (Finde den Faden nur nicht mehr, in dem ich vor einiger Zeit schon mal Literatur zu Maßverhältnissen und dem Goldenen Schnitt in den Schöpfungen der Natur notierte). Jetzt ist das Thema aus eigenem Interesse nochmal aktuell geworden und ich habe mir die Bücher von Albrecht Kottmann, die ich im Studium in den 80iger Jahren schon einmal kennenlernte, teils antiquarisch bzw. günstig über Amazon.de besorgt.
    Kottmann bietet uns mit seinen minutiösen Baumaßforschungen einen spannenden Einblick in die Geheimnisse der meisterlichen Planungsprinzipien und dies auch im Aufzeigen weltweiter Zusammenhänge. Diese Bücher will ich Euch nicht vorenthalten:



    Quelle:

    Albrecht Kottmann
    "Vom Geheimnis der alten Meister"
    2003
    Kunstverlag Josef Fink

  • Kottmanns Theorien erscheinen mir sehr abenteuerlich. Anhand gemeinsamer Maßzahlen gleich eine vorsintflutliche Kultur zu "beweisen" ist doch wohl mehr als gewagt.

    Da empfehle ich doch lieber ein Buch auf etwas fundierterer methodischer Grundlage, wenngleich nicht unumstritten:

    Paul von Naredi-Rainer: Architektur und Harmonie. Zahl, Maß und Proportion in der abendländischen Baukunst, Köln 1982

  • Zitat

    Kottmanns Theorien erscheinen mir sehr abenteuerlich.

    Mir scheint das auf dem ersten Blick auch zu Von Dänikenmäßig. Dass die mathematischen Prinzipien für harmonischen Proportionen überall gleich waren, darf nicht verwundern, denn mathematische Formeln sind nun einmal universell. Wenn aber die Maßen und Gewichte jenseits des Atlantischen Ozeans mit denjenigen in der "Alten Welt" übereinstimmen würden, dann wäre das aber ein mehr als erstaunlicher Zufall. Die Annahme, dass vor 11.000, 5.000 oder auch nur 2.000 Jahren schon ein so intensiver Personen- und Schiffsverkehr über den Ozean war, dass die Baumeister auf beiden Seiten ihre Maßen und Proportionslehre ausgetauscht hätten, kann doch so nicht stimmen. Alleine schon der Schiffsbau hätte damals neuzeitlichen Stand erreicht haben müssen. Davon müssten dann heute auch wohl Spuren gefunden worden sein. Die globale Verallgemeinerung und Anwendung von mythischen Begriffen wie die Sintflut oder Atlantis, die aus jeweils begrenzten und gut zu lokalisierenden Kulturkreisen stammen, finde ich einfach blöd.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Ach Leute, von Euch bin ich eigentlich differenziertere, sachlichere Kommentare gewöhnt. Ein bisserl über den angelernten Tellerrand hinausblicken, hmm!? :augenrollen: :zwinkern:
    Mit meinem Hochschuldozent für Kunstgeschichte habe ich die damals bereits erschienenen Bücher Kottmanns diskutiert und wir kamen zu dem Schluß nicht alles wäre schlüssig, manches gewagt, was der Kottmann da anführt. Dennoch: ich finde man kann und ich tue das, diesem Menschen für 4 Jahrzehnte minutiöse, exakte und gewissenhafte Bauforschung über den ganzen Globus herum (der Mann ist überall hingekommen) durchaus Anerkennung seines Werkes zollen und ich bringe die interessierte Offenheit mit mich in die Erkentnisse seiner Forschungen zu vertiefen und mir erst dann eine Haltung dazu zu bilden. Das was ich nachvollziehen kann, was mir was sagt, nehme ich mit, das andere lasse ich liegen. Aber mir käme nicht in den Sinn mich an einer Sache oder Behauptung festzuhalten, die mir unverständlich ist oder nicht kompartibel mit dem Wissen aus der Schulwissenschaft ist und damit das Ganze abzukanzeln.

    Essenz ist doch: Konstruktionsprinzipia kennenzulernen und zu verstehen, weshalb alte Bauten so harmonisch und zuweilen wohltuend auf den Betrachter wirken. Da gibt es also offensichtlich in das Bauwerk hineinkomponierte Zahlenverhältnisse, Musik sozusagen, Verhältnisse , die auch in den Intervallen der Musik aufscheinen.
    Und daß es Hinweise zuhauf auf eine atlantische Kultur in den an den Atlantik grenzenden Kulturen gibt, ist von zahlreichen Autoren in vielen Jahrzehnten auf vielerlei Forschungsgebieten beschrieben worden. Für mich ob des überwältigenden Materials mittlerweile eine Tatsache über die man nicht mehr diskutieren muß.
    Aber das ist mir wie gesagt nicht das wesentliche in diesen Büchern.
    Mich interessiert eher das Aufrißschema z.B. des Eulenturmes von Kloster Hirsau oder anderer Fassaden, vor denen ich schon selber stand. Und die Erkenntis, daß auch durch die Anwendung des Fußmaßes verblüffende Zahlenverhältnisse erkennbar werden und damit Bedeutungen in das Bauwerk hineingelegt werden. Das Bauwerk sozusagen mit Bedeutung und Kraft aufgeladen wird. Zuschreibungen zu den Zahlen, analoge Qualitätszuordnungen für bestimmte Zahlen gibt es in allen Kulturen. Und da wird es interessant: dann bekommt Architektur einen Hintergrund, einen tieferen Inhalt über das rein optisch sichtbare hinaus... !

    Auch andere Autoren haben dazu Erkenntnisse geliefert. Vitruv hat uns da ja ein Buch dazu genannt.

    Na, Ihr Lieben, werde Euch hin und wieder mit neuen Ansichten diesbezüglich konfrontieren. Habe da noch einiges an forumsgängigen Material auf Lager! :zwinkern:8)

  • Zitat

    Essenz ist doch: Konstruktionsprinzipia kennenzulernen und zu verstehen, weshalb alte Bauten so harmonisch und zuweilen wohltuend auf den Betrachter wirken. Da gibt es also offensichtlich in das Bauwerk hineinkomponierte Zahlenverhältnisse, Musik sozusagen, Verhältnisse , die auch in den Intervallen der Musik aufscheinen.

    Dieses Wesentliche zweifle ich nicht an :zwinkern: Es wird nur schwieriger zu sehen, wenn ein alter Bau oft ergänzt oder umgebaut worden ist. Gotische Kathedralen z.B. waren schon von Anfang an so konzipiert, dass man immer wieder neue "Modulen" (Seitenschiffe, Kapellen, Türme usw.) hinzufügen konnte. Da sich der Stil und auch das Raumgefühl aber mit der Zeit änderte (Frühgotik, Hochgotik, Spätgotik; gotique primitif, rayonnant, flamboyant; noch viele andere regionale und "nationale" Varianten) wurde das Ergebnis am Ende dann oft doch unharmonisch. Man vergleiche die Fassaden der Kathedralen von Laon und Reims, die gewissermaßen "aus Einem Guss" sind, mit der Fassade von Amiens, die Früh-, Hoch-, und Spätgotik vereint und unharmonisch wirkt.
    St. Marien in Stralsund ist von der Kubatur her bereits manieristisch und besteht eigentlich aus zwei Kirchen, die Turmhalle und die übrige Kirche, wie wir es z.B. auch von den Entwürfen Sangallos für die Peterskirche in Rom kennen.
    Zur Atlantischen Kultur: Auch vor Kolumbus war vielleicht der eine oder andere Spanier oder Portugiese schon an den amerikanischen Küsten, von den Kapverdischen Inseln ist es zum östlichsten Brasilien (Fortaleza, Recife) nicht mehr sehr weit. Und Diederik Piening aus Hildesheim war im 14. Jh. schon an der nordamerikanischen Küste, und die Wikinger im 8-10. Jh. vor ihm. Davor wird, so viel ich weiß, alles Spekulation.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Ich finde es richtig, sich mit Konstruktionsprinzipien zu beschäftigen. Es haben sich allerdings schon einige Generationen von Kunsthistorikern, wie man zugeben muss, vergebens darum bemüht, z.B. durchgängig musikalische (d.h. ganzzahlige) Verhältnisse in gotischen Kirchen, aufzuspüren. Es ist weniger der fehlende Wille als die fehlende Methode. Vielleicht ist Otto von Simson ("Die gotische Kathedrale") der Sache schon sehr nah gewesen, als er versucht hat, den gotischen Stil aus musik- und lichttheoretischen Schriften der damaligen Zeit abzuleiten. Nur leider lassen sich solche Hypothesen sehr leicht kritisieren.
    Inzwischen ist man immerhin soweit, dass man Architektur als Mittel versteht, den Betrachter zu einer spirituellen Reflexion anzuregen. Das Bauwerk ist quasi so gestaltet, dass im Betrachter ein Überschreiten der reinen Materie zu einer überirdischen Wirklichkeit bewirken soll. Das belegen zahlreiche Inschriten und viele viele andere Schriftquellen.

    Kurzum: mit einer angemessenen Methodik ließe sich wohl einige Erkenntnis gewinnen. Von Kottmann habe ich zuvor allerdings noch nichts gehört. Wenn mit einer atlantischen Kultur argumentiert wird, werde ich schnell skeptisch. War Atlantis nicht eine literarische Fiktion, die Platon sich ausgedacht hat?

  • Zum Thema "Buchtipps"... kennt jemand dieses Buch hier und kann mir sagen, ob sich der Kauf lohnen würde:

    Hannover. Wiederaufbau und Zerstörung: Die Stadt im Umgang mit ihrer bauhistorischen Identität: Amazon.de: Friedrich Lindau: BÃŒcher" onclick="window.open(this.href);return false;

    Aus der Amazon-Produktbeschreibung:

    Zitat

    "Der Spiegel" schmückte seine Ausgabe vom 3. Juni 1959 mit dem Umschlagbild eines Planers: Rudolf Hillebrecht und titelte "Verkehr an der Leine". Seine Story hatte ein Aufmacherfoto von der Lavesallee, auf deren zwei elegant geschwungenen Fahrbahnen mit grünem Mittelstreifen sich fünf Autos befanden. Unterschrift: "Laves-Allee in Hannover: Stadt des Jahres 2000?" Plante Hillebrecht diese Stadt, oder war das auch damals schon eine überholte Vorstellung? Eine Antwort darauf versucht dieses Buch zu geben. Planen muss man immer für eine weithin unbekannte Zukunft, und obwohl jeder Planer aus seiner Zeit heraus denkt und entwirft, darf er sie nicht zur eigenen Richtschnur machen, wenn er nicht später korrigiert werden will. Planung, das haben wir leider oft vergessen, ist aber auch Anerkennung und Weiterführung von historischen Fakten in der Stadt. (Aus dem Vorwort von Paulhans Peters).
    "An Anerkennung und Weiterführung von historischen Fakten" hat es beim Wiederaufbau Hannovers in den 50er und 60er Jahren vielfach gefehlt. Hier wurde gestaltet, ortstypische Stadträume zerstört, dass Hannover schon insoweit seiner Identität beraubt wurde. In Verblendung durch die Ideen der sogenannten "Moderne" und deren Ideale von der aufgelockerten, durchgrünten und autogerechten Stadt trug schließlich auch die Vernichtung zahlreicher historischer Einzelbauten dazu bei. Theaterplatz, Friederikenschlösschen, Flusswasserkunst und Villa Willmer, aber auch die jahrzehntelange Standortdebatte um ein neues Schauspielhaus sind - wie das vorliegende Buch zeigt - dafür mahnende Beispiele.
    Der Anhang des Buches dokumentiert die an den Planungen und Wettbewerben beteiligten Architekten - zumeist erstmalig - in Form knapper Biographien.Friedrich Lindau war 1. Vorsitzender des Landesverbandes Niedersachsen des Bundes Deutscher Architekten (BDA) von 1964-1968. Von 1970-1975 übernahm er als Präsident die Leitung der von ihm ins Leben gerufenen Architektenkammer Niedersachsen.

  • Zitat von "Heimdall"

    Ich möchte heute mal auf eine eine interessante Buch-Neuerscheinung hinweisen, die viele der in diesem Forum besprochenen baulichen Problemfelder ausführlich behandelt bzw. auf ihre Ursprünge zurückführt:

    Norbert Borrmann: Kulturbolschewismus oder ewige Ordnung. Architektur und Ideologie im 20. Jahrhundert, Graz, Ares-Verlag, 2009


    Kulturbolschewismus oder ewige Ordnung

    Ich habe mir das Buch auch gekauft und es hat mich sehr interessiert. Schön illustriert, bietet es eine Architekturgeschichte des XX. Jahrhunderts (mit Schwerpunkt Deutschland), die den Einfluß der Weltanschauungen berücksichtigt.

    Bei amazon gibt es für Interessierte die "Blick ins Buch Funktion":

    "Kulturbolschewismus" oder "Ewige Ordnung": Architektur und Ideologie im 20. Jahrhundert: Amazon.de: Norbert Borrmann: BÃŒcher

    "Nichts zeichnet eine Regierung mehr aus als die Künste, die unter ihrem Schutze gedeihen."
    Friedrich der Große