1-1 An diesen Strang kann ich noch ein paar Bilder anhängen, sozusagen als achten Teil meiner Nordamerika-Trilogie aus dem Herbst vergangenen Jahres, in Chicago waren wir fünf Nächte bis zum 01.10.2011.
Nachdem PhillipK vor allem durch den nördlichen Teil der Downtown gelaufen war, beginne ich mal deutlich südlich der Downtown auf dem Gelände der World’s Columbian Exposition von 1893, eigentlich für den 400. Jahrestag der Entdeckung Nordamerika’s geplant, allerdings konnte der Termin nicht gehalten werden, heute undenkbar (von aktuellen Flughafenprojekten im Großraum Berlin abgesehen). Diese Ausstellung war für Chicago äußert wichtig, war sie doch der Startschuss für den Wandel der Stadt vom Provinznest zur Metropole. Und so sehen wir auch als erstes ein Bild der legendären „white city“, die von zur damaligen Zeit äußerst bekannten Architekten zusammengestellt wurde. Urheber der Gesamtanlage war der Chicagoer Architekt Daniel Burnham, allerdings wurden die spektakulären Gebäude in einem Stil irgendwo zwischen Historismus, italienischer Renaissance und beginnendem Beaux Arts nur aus temporär andauernden Konstruktionen gebaut, heute steht auf der Anlage ein Park nur noch das Gebäude ganz rechts im Bild, auf das ich später zurückkomme.
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1-3 Es gab auf dem Gelände eine Fülle von Attraktionen wie das erste Riesenrad (Ferris Wheel), Buffalo Bill wurde mit seiner Western Show auf ein Nebengelände verbannt, was zu einer starken Verlagerung des Geschehens in Richtung zu Buffalo Bill und fast zu einer Pleite der Expo führte. Die damalige Stärke des deutschen Kaiserreiches unterstrichen verschiedene deutsche Beiträge, wie der beigefügte deutsche Pavillion, der die Expo überdauerte, als Restaurant genutzt wurde, aber in den 1920er Jahren abbrannte. Weitere deutsche Attraktionen waren ein Schokoladen-Tempel und entsprechende Maschinen aus dem Haus Stollwerk (die einen deutschstämmigen Amerikaner namens Milton Hershey auf die Idee brachten, selbst Schokolade zu produzieren) und eine Germania-Figur von Reinhold Begas. Zudem präsentierte Krupp tatsächlich stolz seine neueste Kanonen-Technik, die schon wenig später den europäischen Kontinent erzittern ließ.
1-4 (Bild gemeinfrei)
1-5 Wie schon gesagt hat auf dem damaligen Expo-Gelände nur ein Gebäude überdauert, der ehemalige Palace of fine Arts, der nach mehreren Umbauten heute als Museum of Sciene and Industry genutzt wird, ein äußerlich ein nicht wahnsinnig außergewöhnlicher Museumsbau mit allerdings gerade aus deutscher Sicht interessantem Inhalt, gibt es doch drinnen unter anderem den Nachbau eines Bergwerkes, eine große Modelleisenbahn, es werden künstliche Unwetter erzeugt und es hängen Flugzeuge von der Decke. Wer jetzt denkt, dass ihm das bekannt vorkommt, liegt genau richtig, wurde doch der Museumsgründer Julius Rosenwald, ein deutschstämmiger Amerikaner, überdeutlich durch das Deutsche Museum in München inspiriert, das er 1911 besuchte. Ein weiteres Highlight ist das deutsche U 505, das 1944 vor der Küste Westafrikas als einziges deutsches U-Boot durch einen US-Kapitän namens Daniel Vincent Gallery gekapert und 1954 (da Gallery aus Chicago stammte) an seinen heutigen Platz überführt wurde.
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1-8 (Wikipedia) © Jeremy Atherton, 2005 (U 505)
1-9 Unser nächstes Ziel ist das der Downtown südlich auf einer Halbinsel vorgelagerte Museums Campus (auf der Karte eingekreist) mit mehreren Museen.
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1-13 Der eigentliche Star hier ist aber der Blick von Süden auf die Downtown, die vom Willis Tower (links, ehemals als Sears Tower mit 442m das höchste Gebäude der Welt) und dem John Hanock Center (ganz rechts schwarz mit zwei Antennen, 344m) begrenzt wird. Beide Gebäude sind sich durchaus ähnlich und stammen von den Architekten Skidmore, Owings and Merrill (SOM), die gerade in Nordamerika ab den 50er Jahren sehr viel gebaut haben.
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1-16 Ein äußerst bemerkenswertes Gebäude im Umfeld ist auch das Sportstadion „Soldier Field“, eigentlich aus dem Jahr 1925, das aber nach dem Jahr 2000 komplett renoviert, und quasi durch eine neues, in das alte Gebäude gesetztes, Stadion ersetzt wurde. Ich hatte irgendwo die Formulierung gelesen „als wenn ein Ufo in dem (alten) Stadion gelandet wäre“.
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1-19 Die Seeseite von Chicago bietet eine der wenigen Möglichkeiten, sich die Architektur der Stadt mit einiger Distanz anzuschauen. Hier liegt der Grant Park mit der Buckinghm Fountain von 1927, die eine überaus gelungene Perspektive auf die Gebäude stadteinwärts bieten. Durch die Perspektive zu klein wirkt der Trump Tower, das zweite Gebäude von rechts mit der Antenne, gebaut bis 2009 ebenfalls von Skidmore, Owings and Merrill (SOM), mit 423 Metern Höhe das zweithöchste Gebäude der Stadt und damit Nordamerikas.
1-20 Hier ist das aus Sicht des Betrachters höchste Gebäude das AON-Center von 1973, das fünfthöchste Gebäude Nordamerikas, ein typischer Büroklotz aus der Zeit um 1970.
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1-22 Dieses Bild ist mein Off-Topic-Liebling. Am 01.10.2011 war es in Chicago mit Temperaturen um 10 Grad bei Sonnenschein windig und deutlich kühl, wir trugen alle Klamotten am Leib, die wir dabei hatten. Das verdeutlicht die Bekleidung des Herrn im Bild links, der offensichtlich mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut war. Den Ladies vor der Kamera hatte das aber wohl niemand gesagt, sie hatten vor allem die Mission, gut auszusehen, haben mit Sicherheit tierisch gefroren und das mit entsprechend grimmigen Mienen quittiert.
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1-24 Jetzt nähern wir uns an die Bebauung des Parks an, die für Chicago äußerst harmonisch ist. Hier ist eigentlich jedes Gebäude eine eingehende Betrachtung wert. „Harmonisch“ ist vielleicht das falsche Wort, aber immerhin stammen die allermeisten Gebäude aus der gleichen Epoche und sind gleichermaßen aufwändig gestaltet.
1-25 Hier sehen wir das Metropolitan Building in der Mitte, 1924, von Graham, Anderson, Probst & White, die in Chicago noch öfters sehen und denen auch z.B. der Terminal Tower in Cleveland zu verdanken ist. Links das Santa Fe Building, 1904 D. H. Burnham, heute Sitz der Chicago Architecture Foundation, aus deren Stadtmodell ich hier einige Ausschnitte eingestellt habe und einstellen werde.
1-26 Das ist ein Teil der Front zum Lake Michigan vor vielleicht 90 Jahren, damals wie heute sehenswert, die meisten Gebäude stehen heute noch, das rechts mit dem Turm allerdings nicht mehr (gemeinfreie Postkarte).
1-27 Das ist das Fine Arts Building, auch Studebaker Building, von 1885, das seit Erbauung im Besitz verschiedener Künstlervereinigungen ist, die wohl nie richtig Geld hatten, so entstand die merkwürdig zusammengeflickte Fassade. Das Gebäude ist für amerikanische Verhältnisse richtig alt, es gibt einen uralten Fahrstuhl inklusive Liftboy.
1-28 Das ist der Blick aus dem Studebaker Building über den Grant Park mit dem Museums Campus rechts hinten.
1-29 Dieses ist mein Favorit im Umfeld, das Chicago Athletic Association Building, 1893 von Henry Ives Cobb, im Stil eines venezianischen Palazzo.
1-30 Der University Club of Chicago, Holabird & Roche, 1909.
1-31 Das Monroe Building, ebenfalls von Holabird & Roche.
1-32 Auf den ersten Blick hat sich die Perspektive vom Arts Institute of Chicago im Lauf der Zeit deutlich gewandelt, die Häuserfront links ist allerdings noch sehr ähnlich.
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1-34 Jetzt sind wir ziemlich am nördlichen Ende der Michigan Avenue vor dem Grant Park angekommen und sehen das Chicago Cultural Center von 1897, heute u.a. Sitz der Touristen-Information. Wir hatten in Chicago im Vorfeld via Touristeninformation eine Führung durch einen ehrenamtlichen sog. Chicagogreeter gebucht, was ich unbedingt jedem empfehlen kann.
1-35 Äußerlich ein geschlossenes Gebäude, wurde das heutige Chicago Cultural Center in zwei Teilen gebaut, einmal als Stadtbibliothek und als Versammlungsgebäude für Veteranen des amerikanischen Bürgerkrieges, so etwas hatten wir schon in Detroit gesehen. Das innere Gebäude ist spektakulär ausgearbeitet (man achte auf die Decken), der Bürgerkriegsteil hat venezianischen Brücken nachempfundene Bögen im Treppenhaus, es gibt zwei aufwändigst gestaltete Glaskuppeln. Laut unserem Chicagogreeter ist die Arbeit, die wie sehen, heute nicht mehr zu bezahlen, handwerklich kaum mehr möglich und sehr wahrscheinlich das Werk deutscher Immigranten. Das gesamte Gebäude stand laut unserem Chicagogreeter in den 1960ern vor dem Abriss, was nur durch die Frau des damaligen Bürgermeisters verhindert wurde.
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1-40 In der Karte erkennen wir, dass wir im nördlichsten Bereich des Grant Parks gelandet sind, weiter links kämen wir in den „Loop“ die Schlinge, die die oberirdischen Bahnlinien um die innerste Downtown legen. Dieser Bereich der Parks heißt Millennium Park und wurde auch erst zum Jahr 2000 durch namhafte Architekten angelegt. PhillipK hatte aus diesem Bereich auch schon Bilder eingestellt. In jedem Fall befand sich hier bis in die 1990er Jahre das seit 1971 leer stehende Randoph Street Terminal und dahinter eine wohl ziemlich trostlose Gleisanlage, die wir in Bild 1-42 rechts oben außen sehen können.
Chicago wollte ich in vier Teilen darstellen und mache bei Gelegenheit weiter.
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1-42 (Bild aufgrund des Alters wohl gemeinfrei).