Der schlechteste Architekt des 20. Jahrhunderts

  • die Liste ist ja endlos.
    Ich fang mal an und stell Sep Ruf in den Raum (wobei das für diese Dreifachnull vielleicht zu viel der Ehre wäre...)

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Egon Eiermann wäre auch so ein Kandidat. Weniger wegen seiner Bauten sondern wegen seiner Selbstarroganz und dem fehlenden Respekt vor älterer Bausubstanz (Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Schocken-Kaufhaus Stuttgart).

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Ich drehe den Spieß um. Der beste (lebende) Architekt ist für mich persönlich derjenige, der rekonstruiert :zwinkern: . Daher Andreas Hummel an erster Stelle, dann Kollhoff und Patzschke...beide Silber. Der liebste tote Architekt des 20. Jhdts wäre für mich Otto Wagner, dann Möbius, Schilling, Graebner, Lossow, Viehweger...und natürlich auch Helmer und Fellner die ja auch noch im 20. Jhdt. lebten.

    Um aber auch auf die gestellte Frage konkret zu antworten: CoopHimmelb(l)au finde ich zum :übelkeit: zumal ich täglich bei so einem Schwachsinnsbau vorbeifahren muss :boese:

  • Mir fällt da noch Jakob Wilhelm Mengler ein, der in den sechziger und siebziger Jahren als Investor und Architekt einen "Freibrief" für kommunalen Bauten in Darmstadt hatte und das Stadtbild u.a. mit vier Tiefgeragen, einen Atombunker, ein Parkhaus-Hotel, einem Schloßpark-Cafe auf historischen Gelände "verschönern" durfte. Mengler verdanken wir auch das selten hässliche Hochschulgebäude des Fachbereichs Gestaltung auf der Mathildenhöhe. Für diese Beton-Grausamkeit wurden dann noch die letzten Nachkriegs-Reste des Vorgängerbaus verbaut. Die nach Mengler benannte Mengler Stiftung vergibt jedes Jahr einen Preis für Nachwuchs-Architekten...
    Paul Bode und Ernst Brunding fallen mir noch ein, die Kassel mit dem Staatstheater 1959 "bereicherten". Dafür wurden die erhaltenswerten Nachkriegsreste des historischen Theaters abgebrochen.
    Hitverdächtig sind auch die Architekten Siegmann und Wolff-Grohmann, die in einem wahren Zerstörungsrausch das Nachkriegs-Berlin bearbeiteten.

    ...

  • Ist von dem auch der sogenannte Mengler-Bau in Heidelberg? Für diesen überdimensionierten Klotz in der Nähe des Bismarckplatzes wurde der alte Hauptbahnhof abgerissen.

    Ansonsten würde ich Jochem Jourdan vorschlagen. Abgesehen von seinen durchgeknallten Entwürfen hätte er es verdient wegen seiner Arroganz und seines Vergleichs, mit dem er Nichtarchitekten jegliches Mitspracherecht und Urteilsvermögen abspricht: "So wie man die englische Sprache nur verstehen kann, wenn man englisch gelernt hat, kann man Architektur nur verstehen, wenn man Architektur studiert hat". Es ist so entlarvend, wenn jemand auf diese Weise zugibt, daß er keine Bauten für die Bevölkerung entwirft, sondern nur für Architektenkollegen.

  • Le Corbusier ist auch mein Spitzenkandidat. Der Großmeister der Gewaltarchitektur schlechthin...

    Dicht gefolgt von Albert Speer, dessen brauner Monsterbauten eine Beleidigung für die großen Baumeister des antiken Griechenland und Rom darstellen, deren Stil er schamlos kopiert hat und dies in völlig überdimensionierter Weise.

    Dessen Sohn ist übrigens in Le Corbusiers Fußstapfen getreten - http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Speer_junior\r
    de.wikipedia.org/wiki/Albert_Speer_junior

    Mitgeplant hat dieser Herr auch an der Trabantenstadt Neuperlach - ein Viertel, mit dem nicht nur einem alten Dorf der endgültige Todesstoß als Dorf versetzt wurde, später wurde dieses Gettho dann v.a. durch den "Fall Mehmet" bekannt, der Abschiedung eines jugendlichen Seriengewalttäters aus eben dieser Plattenbausiedlung. Dadurch bekommt der Begriff "Gewaltarchitektur" auf diesem Weg eine ganz neue Bedeutung...

    Wenn es um mangelnden Respekt vor alter Bausubstanz geht... da fallen mir spontan die Namen Fritz Mayer und Walter Mayer in Verbindung mit dem Nürnberger Pellerhaus und dessen "Wieder"aufbau ein...

  • Bis auf einen Punkt gebe ich Dir vollkommen recht. Albert Speer Sr. und seine Neue Reichskanzlei war ein logistisches Meisterwerk. In weniger als einem Jahr (vom Auftrag bis zur Endabnahme) hat er diesen Bau nicht nur geplant, sondern auch fertiggestellt und mit hochwertigsten Materialien ausgestattet. Sicher, AS hat einem verbrecherischen Regime gedient und sein Sohn tut dies heutzutage leider ebenso (das kommunistische China ist ja kaum besser als Hitlerlaend), aber das soll seine Fähiglkeit nicht schmälern (des Vaters). AS war leider so gut, dass der Weltkrieg wohl länger dauerte als wenn uns ein Rüstungsminister AS erspart geblieben wäre.

  • Zitat von "ursus carpaticus"


    Ich fang mal an und stell Sep Ruf in den Raum (wobei das für diese Dreifachnull vielleicht zu viel der Ehre wäre...)

    warum gerade ruf? die akademie in nürnberg oder der kanzlerbungalow in bonn sind doch ausgesprochen elegant geratene vertreter der nachkriegsarchitektur.

    le corbusier als schlechtesten architekten küren zu wollen ist schlicht lächerlich. seine städtebaulichen utopien sind grauenerregend, das ist richtig, aber seinen bauten wird man große qualität kaum absprechen können. sowohl raum- und lichtführung als auch die fassaden sind innerhalb der modernen architektur kaum übertroffen. der verständliche unmut über die moderne in ihrer zweit- und drittklassigen westdeutschen fußgängerzonenallgegenwart und heutigen stadtrandtristesse sollte nicht dazu führen, ihre ikonen zu zerschlagen. damit erreicht man niemanden von denen, die man für veränderungen braucht. auch wenn pubertäres rempeln natürlich immer spass macht :zwinkern:

  • Sehe ich überhaupt nicht so. Corbusier mag für seine Anhänger eine Ikone sein, jedoch kann ich mir im Anbetracht seiner "Leistungen" höchstens ein müdes Lächeln entringen. Der einzig wirklich interessante Bau von ihm steht in Ronchamp. Nein, in meinen Augen hat er nichts Bahnbrechendes geleistet (abgesehen davon, dass er dem sozialen Massenwohnungs-/Plattenbau den Weg geebnet hat).
    Dann schon eher van der Rohe und Gropius, Lloyd Wright , Erich Mendelsohn (!), Bernhard Hoetger, Bruno Paul, Max & Bruno Taut (! so wie er hätte man moderne Architektur weiterinterpretieren müssen, man vergleiche auch einmal die grandiosen Entwürfe des Chicago Tribune Center, insbesondere die modernen deutschen Beiträge), Hardeveld/Rietveld & van de Velde, Alvar Aalto, Hans Scharoun, Hans Poelzig, Fritz Höger, Arne Jacobsen, Oscar Niemeyer und viele mehr.. Was mir gerade so einfällt. Als großer Expressionismusfan führe ich auch einige Vertreter dessen auf, die sich später u.a. Neuer Sachlichkeit, Neuem Bauen und dem Bauhaus zuwanden.

    Es gibt so viele große Namen, die die Moderne hervorgebracht hat, die eine Erwähnung, Respekt und Anerkennung für ihr Werk verdienen. Corbusier gehört für mich ganz klar nicht dazu. Völlig überbewertet.

    Das Problem an der Moderne ist ja nicht die Moderne selbst, sondern dass sie sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum weiterentwickelt und ihre Grundideale in vielerlei Hinsicht aufgegeben hat.
    Quasi die SPD der Architektur. ;)

  • Zitat von "Exilwiener"

    Albert Speer Sr. und seine Neue Reichskanzlei war ein logistisches Meisterwerk. In weniger als einem Jahr (vom Auftrag bis zur Endabnahme) hat er diesen Bau nicht nur geplant, sondern auch fertiggestellt

    Das ist meines Wissens nur ein Gerücht.

  • Zitat

    Mal eine kleine Umfrage....wen haltet ihr für den schlechtesten Architekten des 20. Jahrhunderts?

    Für mich ganz klar: Daniel Liebeskind, dicht gefolgt von Rem Koolhaas. Sie von den Planungen in Berlin nach der Wende fernzuhalten, wenigstens beim Potsdamer Platz, war wohl Hans Stimmanns größte Leistung.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Würde ich nicht sagen, zumindest was Libeskind betrifft, wirklich nicht. Die schlechtesten Architekten waren die, die (West-)Deutschland "wiederaufgebaut" haben, beinahe wurst in welcher Stadt. Die waren alle mehr oder weniger talentbefreit.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat von "ursus carpaticus"

    Die schlechtesten Architekten waren die, die (West-)Deutschland "wiederaufgebaut" haben, beinahe wurst in welcher Stadt. Die waren alle mehr oder weniger talentbefreit.

    Beim Wiederaufbau gings um schnelle, kostengünstige Bauweise, nicht um Architektur als Kunst. Viele der Häuser, auch in den Innenstädten wurden auch ohne Architekten wiederaufgebaut. Und die Prestigebauten der frühen Nachkriegszeit sind m.M. nach ganz gelungen.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Der schlechteste Architekt des 20. Jahrhunderts war natürlich nicht Le Corbusier oder Sepp Ruf, sondern der Anonymus, der seit sechzig Jahren (nicht nur in der Wiederaufbauzeit) dabei ist, deutsche Städte und Dörfer ästhetisch zu ruinieren. Er ist beschlagen in Baustatik, Baustoffkunde, Baurecht, kennt sich aus mit Sanitärinstallationen, Heizsystemen und Wärmedämmverordnungen, nur von Architektur hat er keine Ahnung, mit Baugeschichte hat er sich nie befasst.

    Zu allem Unglück sind Leute, die sich Architekt nennen dürfen, in Deutschland in einer Dichte vertreten wie wohl sonst nirgends auf der Welt (ein Architekt auf tausend Einwohner); Quantität ersetzt Qualität; die Hochschulen produzieren ein miserabel ausgebildetes Heer an Zeichenknechten. Nichtsdestoweniger haftet dem Architektenberuf hierzulande ein gewisser Glamour-Faktor an, denn die Öffentlichkeit ist natürlich in Fragen architektonischer Gestaltung nicht minder unbedarft als das Gros der Architekten.

    Ich empfehle zu diesem Phänomen das Büchlein "Architektur-Alltag" von Wilfried Dechau (DVA). Natürlich ist die Qualität, die der Autor sich wünscht (wie auch die Bundesstiftung Baukultur) diejenige des minimalistischen Rationalismus. Wie aber sollen wir unsere Ideale einer menschengerechten Architektur den Architekten nahebringen, die nicht einmal das Vokabular des Rationalismus beherrschen!