Institutionen des Denkmalschutzes in der Kritik

  • Exakt, aber warum fordert der Denkmalschutz immer wieder vergleichbar unpassende Anbauten an historischen Gebäuden, oder lässt sie zu? Dachgauben, die den Rahmen sprengen, gläserne Treppenhäuser, Betonkuben etc. wie wir sie immer wieder als Besucherzentren oder "ertüchtigten" Denkmälern sehen.

    Ein Architekt sagte mir mal, dass man bis etwa zum 1. WK Architektenentwürfen immer nur Wert hinzugefügt hat, beseelt von dem Wunsch, den Entwurf weiter zu entwickeln, zu vervollständigen, zu perfektionieren. So ist der Abriss eines biedermeierlichen Hauses mit seinem schlichten Äußeren zugunsten eines Neubaus mit Gründerzeit-Stuckfassade nachvollziehbar. Auch eine Neugotische Austattung in einem gotischen Kirchenraum. Aber seit etwa 1920, so der Architekt, ist diese Leitlinie verwaschen und verschwunden. Seither wird vereinfacht, simplifiziert, ist der unsägliche "Kontrast" in die Architektur eingezogen und führte so schrittweise zu den Stadtbildern, die wir heute haben und die eine ständige Reparaturbedürftigkeit triggern. Nichteinmal der Denkmalschutz ist in der Lage diesen Kreis zu durchbrechen, er stellt sich nicht progressiv gegen den Architektur-Mainstream auf sondern zieht sich auf das Sammeln von Original-Steinen oder Holzbalken zurück, zur Not halt in einem "Denkmal-Stadel". Eine bekannte Kunsthistorikerin meinte zu mir mal resigniert, dass es mal ein Prinzip der "Denkmalnähe" gab, neben einem Denkmal soll nichts entstehen, dass seine Wirkung beeinträchtige, es war also angepasste Architektur gefordert. Auch das sei aufgegeben worden.

  • tegula Ich meinte nicht den Jugendstil, der ist freilich als wertvoll erkannt worden. Als Laie würde ich sogar sagen, dass es in Deutschland die seltenste Architektur des 21. Jahrhunderts ist, die man bewundern kann. Mir ging es um den Wert der 60'er-jahre-Hinzufügungen, die heute allgemein als wertlos gelten. Wie ich mitbekomme, kommt man in der Denkmalschutzpraxis derzeit mit viel Mühe in den 1950'ern an, und gesteht ersten Bauwerken dieser Epoche ihren Wert zu. Ähnlich, wie es einst der Neugotik oder dem Historismus ging, als sie ebenso alt waren. Geschichte wiederholt sich leider aktuell vor unser aller Augen, obwohl Denkmalschützer behaupten dass sie genau das Gegenteil anstreben.

  • Exakt, aber warum fordert der Denkmalschutz immer wieder vergleichbar unpassende Anbauten an historischen Gebäuden, oder lässt sie zu? Dachgauben, die den Rahmen sprengen, gläserne Treppenhäuser, Betonkuben etc. wie wir sie immer wieder als Besucherzentren oder "ertüchtigten" Denkmälern sehen.

    Fordern tut die Denkmalpflege in der Regel nicht. Sie erstellt Gutachten, wenn man mit Umbauwünschen an sie herantritt.

    Aber seit etwa 1920, so der Architekt, ist diese Leitlinie verwaschen und verschwunden. Seither wird vereinfacht, simplifiziert, ist der unsägliche "Kontrast" in die Architektur eingezogen und führte so schrittweise zu den Stadtbildern, die wir heute haben und die eine ständige Reparaturbedürftigkeit triggern.

    Das ist richtig. Die Architektur scheint in einer Krise zu stecken. Der Historismus mag zwar seine eigene Qualität haben, aber letztlich zeichnete sich da bereits ab, dass die Architektur sich nicht immer neu erfinden kann. Es werden nachfolgende Generationen besser beurteilen können, was der Wert unserer heutigen Architektur ist. Ich maße mir da kein Abschließendes Urteil an. Und zu der Aussage passt ja auch ganz richtig, was du zuletzt geschrieben hast:

    Wie ich mitbekomme, kommt man in der Denkmalschutzpraxis derzeit mit viel Mühe in den 1950'ern an, und gesteht ersten Bauwerken dieser Epoche ihren Wert zu. Ähnlich, wie es einst der Neugotik oder dem Historismus ging, als sie ebenso alt waren.

    Eben, nachfolgende Generationen werden wahrscheinlich die Grenze des Erhaltenswerten weiter verschieben. Nichts hat einen absoluten Wert, er ist vom (chronologischen) Standpunkt des Betrachters abhängig.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Und an welcher Stelle habe ich etwas anderes behauptet? Du sprichst richtige Dinge an, die niemand bestritten hat und die auch keine Hilfe in der Diskussion sind.

    Steht doch klar da: dein Link beinhaltet ausschließlich Bildwerke. Kein Wort von körperlicher Darstellung, insbesondere in Form von Bauwerken, um deren Wohl und Wehe es hier geht.

  • Elbegeist

    Keines der Bauwerke, um deren Originalität man sich hier Sorgen macht, genießt (noch) Urheberrechtsschutz. Insofern ist der Hinweis auf das Urheberrecht in diesem Kontext völlig sinnbefreit.

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  • Man könnte sagen, dass der Denkmalschutz anstelle des Urheberrechts tritt. Gibt es dazu eine herrschende Meinung? Würde auch erklären, weswegen es Bauwerke Jünger als 70 Jahre schwer haben, auf die Denkmalliste zu gelangen.

  • Fordern tut die Denkmalpflege in der Regel nicht. Sie erstellt Gutachten, wenn man mit Umbauwünschen an sie herantritt.

    Ist nicht genau das die ideologische Komponente des Denkmalschutzes, indem er nämlich ganz individuell entscheidet, ob eine zeitgenössische Zutat am Baudenkmal vertretbar ist, oder nicht? Solange der als zeitgenössisch angenommene Stil absolut unterscheidbar vom Stil des Denkmals ist, wird die Denkmalbehörde wohl nichts dagegen haben, bildet doch die damit entstehende heutige Zeitschicht erkennbar eine Zutat neueren Datums. Dass heutige zeitgenössische Architektur aber so ganz konträr zum Denkmal zu sein hat, wird dabei willkürlich zugrunde gelegt. Dabei ist nirgends festgelegt, welcher der aktuell gültige zeitgenössische Stil ist.

    Das Beispiel neugotischer Um- oder Anbauten an einem gotischen Gebäude wäre genau dieser Fall, der im Denkmalschutz heute nicht mehr ginge, oder? Wenn der "Bruch" gesetzt ist, dann schwingt sich die Denkmalbehörde zum Richter über zeitgenössische Architektur auf. Sie entscheidet, dass sowas möglich ist, aber eine stilgerechte Erweiterung eines solchen denkmalgeschützten Gebäudes nicht. Ich frage mich, was das Denkmal (nicht nur in seiner Substanz, sondern auch und v.a. in seiner Wirkung) mehr beeinträchtigt.

    P.S. Hier eine deutlichere Aufnahme meines Beispiels von oben, man sieht den massiven Substanzverlust.

    P.P.S. Gleichzeitig verweigert die Denkmalschutzbehörde eine (Wieder-)Bebauung einer Fläche vor einem denkmalgeschützten Gebäude aus DDR-Zeiten wegen Beeinträchtigung der Wirkung, siehe hier, obwohl das geplante Gebäude doch eindeutig vom Stil her als Zutat unterscheidbar wäre.

    Wie sind denn diese beiden Entscheidungen wissenschaftlich zu begründen?

  • Elbegeist

    Keines der Bauwerke, um deren Originalität man sich hier Sorgen macht, genießt (noch) Urheberrechtsschutz. Insofern ist der Hinweis auf das Urheberrecht in diesem Kontext völlig sinnbefreit.

    Dazu müsste auch der allerletzte Architekt spätestens im Jahre 1950 verstorben sein. Ich wage das zu bezweifeln.

  • Man könnte sagen, dass der Denkmalschutz anstelle des Urheberrechts tritt. Gibt es dazu eine herrschende Meinung? Würde auch erklären, weswegen es Bauwerke Jünger als 70 Jahre schwer haben, auf die Denkmalliste zu gelangen.

    Nein. Im Vergleich zum Urheberrecht ist der Denkmalschutz ein stumpfes Schwert.

  • Ist nicht genau das die ideologische Komponente des Denkmalschutzes, indem er nämlich ganz individuell entscheidet, ob eine zeitgenössische Zutat am Baudenkmal vertretbar ist, oder nicht?

    Individuelle Entscheidungen können in meinem Verständnis in der Regel nicht ideologisch sein. Vielleicht sollten wir uns dann aber mal über die Definition des Begriffes Ideologie erhalten. Unabhängig davon halte ich diesen Terminus hier für vollkommen deplatziert. Manchmal bekomme ich das Gefühl, dass alles, was einem nicht in den Kram passt, als Ideologie bezeichnet wird. Das bringt uns in der Sache nicht voran.

    Dazu müsste auch der allerletzte Architekt spätestens im Jahre 1950 verstorben sein.

    Für die Bauwerke, für die unsere Diskussion von belang ist, trifft das sicher nahezu vollständig zu. Es wird ja hier nicht der fehlende Originalzustand von Bauleistungen des 20. Jh beklagt, sondern von Bauwerken, die durch spätere Bau- bzw. Gestaltungsphasen überformt wurden und bei denen die Denkmalpflege letztere als erhaltenswert ansieht.

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  • Kochel: Abriss des Verstärkeramts

    Zitat

    Für ihn sei das ein Willkür-Urteil. „Diese Machenschaften gleichen einem Ping-Pong-Spiel zwischen der Denkmalpflege und dem Kochler Bürgermeister“...

    ...Wesentliche Schuld hat seiner Meinung nach Mathias Pfeil als Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. „Er hat das Verstärkeramt bewusst nicht auf die Denkmalliste gesetzt“...

    ... „Hier scheint erheblicher politischer Druck im Spiel gewesen zu sein.“ ...

    Quelle: https://www.merkur.de/lokales/bad-to…VAFE8XRl3339fW0

  • Der Denkmalschutz lebt in Deutschland nicht von festen Regeln oder Bestimmungen, sondern von den persönlichen architektonischen Vorlieben und Präferenzen der jeweiligen Personen, die die Ämter bekleiden. Da Ausbildung und ideologischer Zeitgeist bei den Denkmalschützern das Interesse überwiegend auf die Nachkriegsarchitektur legen, liegt auch das Engagement auf diese Architekturperiode.

    Beispiel gefällig? Ein Investor wollte 2011 auf dem Areal des ehemaligen Bundesrechnungshofes in Frankfurt am Main ein Bauprojekt verwirklichen. Ein baustatisches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass der denkmalgeschützte Bau von 1957 einsturzgefährdet ist und statische Mängel hat, dass alleine aus wirtschaftlichen Gründen eine Sanierung ausgeschlossen werden kann. Zudem gab es durch zahlreiche Ein- und Umbauten so gut wie keine Originalbausubstanz aus den 50iger Jahren mehr: https://www.fr.de/frankfurt/denk…n-11365126.html

    Wir alle wissen was nun bei einem historischen Baudenkmal geschehen würde. Der Denkmalschutz würde den Abriss abnicken und auf die mangelnde Originalbausubstanz verweisen und zudem aus wirtschaftlichen Gründen dem Abriss zustimmen. Doch was geschah? Das Landesdenkmalamt und die Frankfurter Denkmalschützer kämpften hartnäckig und engagiert um den desolaten Nachkriegsbau und stellten sich dem aussichtslosen Unterfangen. Am Ende wurde zumindest ein Kompromiss erkämpft, bei dem ein Teil der Fassade in den Neubau integriert wurde.

    ...

  • Ja, das ist schon irgendwie seltsam - jede noch so marode Nachkriegskiste wird versucht zu erhalten, bei über 100 Jahre alten Häusern ist man da weniger zimperlich (selbst wenn die Bausubstanz noch völlig intakt ist) , da langt es bereits wenn mal die Einfahrt umgebaut wurde um grünes Licht für den Abrißbagger zu geben (Beispiel: Sailerstr. in München Schwabing) rant:)

  • Ich hatte mit meiner zuständigen Denkmalschützerin eine ähnliche Diskussion. Sie wollte sämtliche Zutaten und Umbauten im sichtbaren Kontrast gestaltet haben. Ich habe ihr klar gemacht, dass ich ein harmonisches einheitlich aussehendes Haus haben will und mir als Architekt nicht vorschreiben lasse wie ich mein eigenes Zuhause gestalte.

    Und wenn zukünftige Generationen Probleme haben, die unterschiedlichen Bauphasen auseinander zu halten, dann sollen doch einfach die Bauantragspläne und Dokumentationsfotos dazu heran gezogen werden. Aber ich muss doch nicht alle Bauphasen mit dem optischen Holzhammer für den unbedarften Betrachter aufbereitet mit meinem hart verdienten Geld ins Stadtbild prügeln!!!

  • Eine interessante Aussage des ehemaligen Potsdamer Stadtkonservators zum Thema Denkmalschutz und Ideologie:

    „Derartige Bauten haben grundsätzlich frei von Zusätzen zu bleiben. Die verheerende Ideologie der Denkmalideologen, des ,Weiterbauens’, hat zu diesem Ergebnis geführt."

    Konkret ging es um das hier: Berliner Abrisse

    Das ist zwar eine Individualmeinung, und auch eine radikale, aber genau das ist doch der Punkt: Die Denkmalpflege scheint kein einheitliches Konzept zu haben, wenn es um individuelle Entscheidungen bzgl. individueller Denkmalobjekte geht. Vielleicht geht das auch gar nicht, weil es eben immer Einzelfallentscheidungen sind, aber diese scheinen eben nicht unerheblich von den Ansichten der jeweiligen Amtsträger und Behördenmitarbeiter abhängig zu sein.

  • Das erkennt man ja schon daran, dass in Leipzig z.B. viele denkmalgeschützte Bauten ihre Stuckfassade zurück erhalten, und in Nürnberg z.B. Gebäude ohne Stuck gar nicht denkmalfähig sind. Oft sind sogar noch intakte Gebäude nicht "besonders" genug um ein Denkmal zu sein. Von einheitlichen Prinzipien oder sowas kann da eigentlich keine Rede sein. Die stehen vielleicht in irgendwelchen Standardwerke geschrieben.

  • Ich habe beruflich schon mit vielen Behörden zusammengearbeitet. Auch mit den jeweiligen Denkmalämtern. Ich kann Euch drei mittelgroße deutsche Städte mit jeweils ca. 100K Einwohnern in NRW nennen. Wo das gesamte Denkmalamt aus einer einzigen Person bestand. Diese waren sogar teilweise in Teilzeit tätig! Jede halbwegs wichtige Entscheidung musste, da dem jeweiligen Baudezernenten oder Bürgermeister vorgelegt werden. Der dann natürlich seine eigenen Vorstellungen durchgesetzt hat. Das grenze für mich schon an selbstaufgabe. Auf meine Fragen hin Gebäude XY doch zu schützen bekam ich dann als Antwort, "schaff ich nicht", oder "krieg ich eh nicht durch" zu hören...

  • Da es hier eine sehr lange und interessante Diskussion über Werte und Normen der Denkmalpflege gab und ich immer wieder auf die in den letzten Jahren erarbeitete internationalen Standards verwies, möchte ich genau diese als Quelle nachreichen. Sie sind 1964 in der Charta von Venedig festgehalten Worten und können hier eingesehen werden: http://charta-von-venedig.de/

    Für unsere Diskussion ist Artikel 11 von immenser Bedeutung:

    Zitat

    Die Beiträge aller Epochen zu einem Denkmal müssen respektiert werden: Stileinheit ist kein Restaurierungsziel. Wenn ein Werk verschiedene sich überlagernde Zustände aufweist, ist eine Aufdeckung verdeckter Zustände nur dann gerechtfertigt, wenn das zu Entfernende von geringer Bedeutung ist, wenn der aufzudeckende Bestand von hervorragendem historischen ‚ wissenschaftlichen oder ästhetischen Wert ist und wenn sein Erhaltungszustand die Maßnahme rechtfertigt. Das Urteil über den Wert der zur Diskussion stehenden Zustände und die Entscheidung darüber, was beseitigt werden darf, dürfen nicht allein von dem für das Projekt Verantwortlichen abhängen.

    Damit wird festgehalten, dass der Substanzerhalt oberste Priorität besitzt und eine Entfernung von Zeitschichten nur unter bestimmten Voraussetzungen und als Ergebnis einer kritischen Diskussion erfolgen darf. Warum man sich bereits vor über 50 Jahren auf eine solche Vorgehensweise geeinigt hat, das habe ich hier auf den letzten Seiten zu erläutern versucht.

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  • Geht es dabei um ein "Restaurierungsziel" oder eher um Zuschreibung einer Denkmaleigenschaft? Denn "Stileinheit" ist tatsächlich oft Voraussetzung für Denkmalschutz, und dann erst greift doch die Charta von Venedig. Ein Denkmalschützer sagte mal, es müssen mindestens 10% Originalsubstanz vorhanden sein, z.B. nach einem Brand, um die volle Wiederherstellung zu fordern.

    In anderen Fällen wird begründet, dass ein an sonsten intaktes Gebäude bereits zu viele Veränderungen habe, z.B. eine zusätzliche Dachgaube, moderne Türen oder Fenster. Das ist ja nun meilenweit von den 10% entfernt, und stellt zudem auch eine zu respektierende Zeitschicht dar.

    Für mich gilt: Die theoretischen Grundlagen im Denkmalschutz finde ich schon schwer nachvollziehbar, aber die Praxis scheint sich an gar keine Regeln zu halten. Diese werden für jedes Gebäude neu interpretiert und so gebogen, dass sie mit sachfremden Interessen zusammenpassen.

  • Denn "Stileinheit" ist tatsächlich oft Voraussetzung für Denkmalschutz, und dann erst greift doch die Charta von Venedig.

    Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor. Eine Stileinheit herrscht doch bei den meisten historischen Gebäuden gar nicht vor. Es ist ja gerade das Wesen der meisten Bauwerke, dass Generationen daran gebaut haben und sich sowohl Stilmerkmale als auch Baupläne gewandelt haben.

    Für mich gilt: Die theoretischen Grundlagen im Denkmalschutz finde ich schon schwer nachvollziehbar, aber die Praxis scheint sich an gar keine Regeln zu halten. Diese werden für jedes Gebäude neu interpretiert und so gebogen, dass sie mit sachfremden Interessen zusammenpassen.

    Ja gut, wenn das dein persönlicher Eindruck ist, lässt sich schlecht dagegen argumentieren. Und ich will sicher nicht negieren, dass es gelegentlich zu fragwürdigen Einzelentscheidungen kommt. Uns fällt eher nicht mehr auf, dass die Denkmalpflege in den letzten Jahrzehnte unzählige Bauten vor dem Verfall gerettet hat. Ohne 200 Jahre Denkmalpflege hätten wir nicht viele Objekte, über die wir uns hier überhaupt unterhalten könnten. Wir sollten die Denkmalpflege daher grundsätzlich als unseren Partner ansehen uns sie nicht als Pseudowissenschaft verunglimpfen. Denn letzteres ist natürlich Unsinn und kontraproduktiv.

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