Institutionen des Denkmalschutzes in der Kritik

  • Ich hatte dich schon verstanden und ich kannte diese Prämissen der modernen Denkmalpflege schon, es ist bloß so, dass ich diese Richtung nicht ganz teile und finde, dass sich die moderne Denkmalpflege in einen Elfenbeinturm der wissenschaftlichen Korrektheit zurückgezogen hat, der teilweise wesentliche Grundlagen und Motivationen der Urheber der Denkmäler missachtet. Tutto qua il discorso.

    Dies:

    es geht in der Denkmalpflege nicht nur um künstlerische Werte, sondern ganz wesentlich um geschichtliche Zeugnisse. Es geht allgemein darum, Spuren der Vergangenheit zu bewahren.

    empfinde ich als Verdrehung der Tatsachen: es geht sicher nicht nur um künstlerische Werte, aber es geht schon hauptsächlich darum. Ein Kunstwerk ist in den Augen des schaffenden Künstlers eben in erster Linie ein Kunstwerk und nicht ein geschichtliches Zeugnis - dies anders zu sehen, wäre eine Geringschätzung und Beleidigung für jeden Künstler. Meint Ihr wirklich, dass Balthasar Neumann die Residenz Würzburg in erster Linie als geschichtliches Zeugnis seiner Zeit geschaffen hat und nicht als Ausdruck seiner individuellen künstlerischen Fähigkeiten? Glaubt Ihr wirklich, dass sich die Beatles damals hingehockt haben und gesagt haben "so, jetzt schreiben wir mal ein paar Songs, die eines Tages als typische Zeitzeugnisse der 60er Jahre gelten können"? Das ist lächerlich. Ohne die vielen, vielen schaffenden Künstler und ihre Kunstwerke hätte der Denkmalschutz kaum ein Betätigungsfeld und ergo keine Daseinsberechtigung. Für unkünstlerische Denkmäler interessieren sich nur wenige Leute, dafür wäre niemals die Disziplin des Denkmalschutzes aus der Taufe gehoben worden. Man will Dinge bewahren, weil sie einen seelisch oder emotional ansprechen, weil man ihre künstlerische Aussage spürt, weil man sie "schön" findet und sie deshalb über die Zeiten retten will. Und nicht, weil sie typische Zeiterzeugnisse sind. Wieviele Leute interessieren sich für mittelalterliche Töpfe oder Pfannen? Und wieviele für gotische Dome? Die Beispiele, die Rastrelli aufgezählt hat, die keine Kunstwerke sind und nicht als solche intendiert waren, sind unter den denkmalgeschützten Objekten absolut in der Minderheit und von daher im Endeffekt nicht bestimmend.

    Aber wie gesagt, ich weiß, dass die moderne Denkmalpflege dies anders sieht, ich kenne die Argumente, aber ich lehne sie eben zu einem gewissen Teil ab. Von daher bringt es auch nicht viel, diese Diskussion weiterzuführen, jeder hat seine Argumente vorgebracht und seine Position klar gemacht. Ist schon in Ordnung :)

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Leonhard

    Vielleicht doch noch ein Denkanstoß. Gerade in Süddeutschland gibt es zahlreiche gotische Kirchen, die teilweise mit hoher Qualität bis zu Unkenntlichkeit barock überformt wurden. Du forderst nun also, dass die barocken Umbauten entfernt werden und der gotische Bau rekonstruiert wird, wenn ich dich richtig verstanden habe. Das kommt einem Ikonoklasmus gleich.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Komisch, wenn ich z.B. im Germanischen Nationalmuseum unterwegs bin sehe ich ausschließlich Gegenstände, seien es Möbel, Zimmereinrichtungen, Musikinstrumente etc, die im Originalzustand erhalten sind. Es werden keine Gegenstände ausgestellt, die durch spätere Zeitschichten verändert wurden. Wo jemand etwas abgesägt hat, oder hinzugeführt, oder modernisiert hat. Bei professionellen Restauratoren ist es Usus, moderne Schrauben gegen historisch korrekte auszutauschen. Es geht immer darum, den originalen Eindruck udn Zustand wiederherzustellen.

    Ähnlich kenne ich es auch von Oldtimer-Liebhabern: Es zählt einzig das originalgetreue oder originale Gefährt, ob die Teile nachgebaut oder original aus der Zeit stammen ist da zweitrangig. Gut, bei Oldtimern sind meistens Laien zugange, aber kaufen Museen auch interessante Stücke mit Zeitschichten an?

    Warum ist das in der Architektur so anders, weshalb sind Zeitschichten hier so wichtig, dass der Abwägungsprozess mal zu ihren Gunsten, und mal zu ihren Ungunsten ausgeht?

    Ich kenne z.B. auch Menschen, die sind der Meinung es sei ein Fehler gewesen, viele der restaurierten Fachwerkhäuser in Nürnberg wieder fachwerksichtig zu restaurieren. Man hätte die biedermeierliche oder gründerzeitliche Stuckfassade dran lassen müssen. Ist dieser Abwägungsprozess, an dessen Ende immer eine Übergewichtigung des einen Zustandes gegenüber eines anderen steht, nicht auch oft eine Geschmacksfrage? Oder geht es darum: Hinzufügen ist erlaubt, Entfernen jedoch nicht? Mögen für uns heute Zeitschichten aus den 1960'ern und später irrelevant sein, ist das nicht streng genommen unwissenschaftlich?

    Für mich bleibt hier immer ein massives Unbehagen zurück, das dadurch entsteht dass in einem Beispiel ein Ursprungszustand aus wissenschaftlich begründeten Erwägungen heraus nicht existieren darf, und in anderen Umständen der Denkmalschutz als schützender Wert als solches wiederum nur Ursprungszustände verlangt, und die nachträgliche Veraänderung ablehnt.

    Ja, und das ist ja auch gut so, weil wir sonst damit anfangen würden, Kunstwerke zu vernichten, die wir heute nicht als so qualitätvoll erachten wie das des Vorgängers. Da wäre eine sehr fragwürdige Vorgehensweise und würde Eingriffe nach sich ziehen, die unumkehrbar sind.

    Tatsächlich aber passiert genau das ständig. Es ist nicht nur fragwürdig, eine spätere Veränderung eines Kunstwerks als Wertzuwachs zu definieren - auch wenn es das im Einzelfall sicherlich gibt und auch heute durch jede Modernisierung leider mit dem Fokus auf technische Ertüchtigung und nicht auf ästhetische Vervollständigung geschieht - es ist auch tägliches Geschäft, aus einem Denkmal spätere Veränderungen wieder zu entfernen, "neuzeitliche Einbauten werden entfernt". Dieser Prozess, etwas als wertvoll oder wertlos zu beschreiben und damit der Nachwelt zu bewahren oder zu zerstören, findet täglich statt. Die Entscheidungen werden oft von Einzelpersonen getroffen und sind meistens von deren Interessen und Vorlieben geprägt. Auch das hört man immer wieder. So richtiog wissenschaftlich ist es also nicht. Einzig wissenschaftlich in der Denkmalpflege ist m.E. die Dokumentationspraxis, durch die Nachvollziehbarkeit und Wiederherstellbarkeit möglich wird.

  • Leonhard

    Vielleicht doch noch ein Denkanstoß. Gerade in Süddeutschland gibt es zahlreiche gotische Kirchen, die teilweise mit hoher Qualität bis zu Unkenntlichkeit barock überformt wurden. Du forderst nun also, dass die barocken Umbauten entfernt werden und der gotische Bau rekonstruiert wird, wenn ich dich richtig verstanden habe. Das kommt einem Ikonoklasmus gleich.

    Nein, das fordere ich natürlich nicht, ich möchte daraus ja kein Prinzip machen. Barocke Überformungen von Kirchen sind oft sehr gut gelungen und stellen Kunstwerke für sich dar, die selbstverständlich absolut erhaltenswert sind. Außerdem ist der genaue gotische Ursprungszustand von solchen Kirchen fast nirgendwo bekannt, man könnte also gar nichts originalgetreu wiederherstellen, sondern allenfalls im alten Stil völlig neu gestalten (was angesichts unserer heutigen fehlenden künstlerischen Möglichkeiten wahrscheinlich eh nicht gelingen würde). Ich habe ja vorhin immer nur davon gesprochen, eventuell nicht gelungene spätere Änderungen rückgängig zu machen, wenn der Originalzustand bekannt ist und habe keinesfalls der bedingungslosen Rekonstruktion von jeglichen Originalzuständen das Wort geredet. Jetzt wirst du einwenden, wer entscheidet, was gelungen oder nicht gelungen ist? Worauf ich antworten würde: soviel künstlerische Expertise sollte bei Kunsthistorikern und Denkmalschützern vorhanden sein. Ich plädiere einfach dafür, von Fall zu Fall individuell zu entscheiden, künstlerische Aspekte im Auge zu behalten und keine ideologisch-prinzipielle Position einzunehmen. Mich stört die emotional distanzierte, rein wissenschaftliche Herangehensweise der modernen Denkmalpflege.

    Noch eine Bemerkung zu den vielen barockisierten Kirchen bei uns in Süddeutschland: auch wenn ich viele solcher Kirchen sehr gerne mag und für sehr gelungen erachte, so wäre es mir wahrscheinlich trotzdem lieber gewesen, wenn mehr gotische Kirchen erhalten geblieben wären; es ist sicher unglaublich viel Wertvolles verloren gegangen, von dem wir heute keine Ahnung mehr haben.

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    Karl Kraus

  • Ich habe ja vorhin immer nur davon gesprochen, eventuell nicht gelungene spätere Änderungen rückgängig zu machen

    Das wird ja vielfach getan. Nehmen wir zum Beispiel das Bürgerhaus, bei dem ein späterer einfacher Putz die Fachwerkkonstruktion verbirgt. Oder die neuzeitliche Schlemme, die die gotischen Wandmalereien in einer Kirche verbirgt. Schwierig wird es aber da, wo die Veränderungen einen eigenen Werkcharakter tragen.

    Jetzt wirst du einwenden, wer entscheidet, was gelungen oder nicht gelungen ist?

    Schon, aber anders als du denkst. Die Denkmalpfleger vor einigen Jahrzehnten haben den Historismus als künstlerisch minderwertig angesehen, so dass er vielfach zugunsten eines älteren Zustandes vernichtet wurde. In eine solche Situation wollen wir doch nicht wieder kommen, oder?

    Mich stört die emotional distanzierte, rein wissenschaftliche Herangehensweise der modernen Denkmalpflege.

    Das macht die Stärke einer Wissenschaft aus. Sie orientiert sich an objektiven, transparenten Kriterien.

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  • Absolut zutreffende Analyse Leonhard :daumenoben: Besonders das mit dem künstlerischen Urheberrecht ist ein gutes "neues" Argument gegen die modernistischen Verstümmleungen im Namen des Denkmalschutzes!

    Ich würde sogar noch weiter gehen: der sogenannte "Denkmalschutz" ist mitlerweile ein absolut willkürliches Instrument des (politischen) Zeitgeistes geworden. Durch seine Pseudowissenschaft mit der "Zeitschichtenideologie" macht er sich selbst lächerlich, denn wenn man diese genau befolgt bräuchte man ihm ja auch nicht, denn sind die Alufenster der 60er Jahre in einem Fachwerkhaus, welches eventuell auch noch ein paar "wunderschöne" Glasbausteine als "Extra" hinzubekam nicht auch eine wahre "Zeitschicht" der "Wirtschaftwunderjahre", des Aufschwungs und des Wohlstands, die bewahrt werden sollte? Warum wird diese denn dann vom "Denkmalschutz" gerade im ländlichen Hessen "zerstört" und der Ursprungszustand wiederhergestellt? Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz, wenn man es konsequent und "wissenschaftlich" angehen möchte . Und welche Zeitschicht soll jetzt eigentlich bewahrt werden? Fragen über Fragen...

    Im Grunde kann doch alles mit seinen "Zeitschichten" so bleiben wie es ist?! Wenn man dieser absurden Argumentation freien Lauf gibt ist doch der Denkmalschutz heutiger Prägung absolut überflüssig!!! Denn um den heutigen Zustand zu pflegen, dafür braucht man so eine Behörde nun auch wieder nicht (das sollte eigentlich die erste Bürgerpflicht sein, denn "Eigentum verpflichtet"), man könnte sie auflösen oder eben umbenennen in "Ordnungsamt für architektonische Belange" :lachentuerkis:

    Und die Dekonstruktion aller Begriffe durch die "progressive", antitraditonelle heutige sogenannte "Wissenschaft" wie der Schönheit ist doch mitlerweile kaum zu ertragen: es wird an den Unis den (Architektur-) Studenten eingetrichtert von den ach so gescheiten Professoren, dass es ja eine "Schönheit" überhaupt nicht gäbe, es wäre ja nur subjektiv und jedes Individuum hätte natürlich ein anderes Empfinden von "Schönheit" (die es ja so der Architektursprech auch gar nicht gibt denn alles kann ja "schön" sein...). Deshalb braucht man sich über die architektonischen Ergüsse heutiger Zeit nicht groß wundern, denn sie sind ein Produkt ihrer Lehre!

    Dabei kann man dieses Dogma und damit auch dem "Denkmalschutz" im Grunde mit seinen eigenen Waffen schlagen und widerlegen , denn es gibt durchaus wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass es in der Öffentlichkeit so eine allgemeines Befinden gibt, was ästhetisch als "wertvoll" und "schön" erachtet wird und was eben überhaupt nicht geht und eine Bausünde darstellt. Man könnte auch sagen: "dem Wahren, Schönen, Guten"

    Warum geht der Denkmalschutz nicht seiner "wahren" öffentlichen Berufung nach, denn hierbei handelt es sich: um staatliche Aufgaben, die für die Allgemeinheit bestimmt sind? Er ist auch nur wie sagte der Preußenkönig so schön: "ein Diener des Staates" und sollte daher auch die (schweigende) Mehrheit zumindest berücksichtigen, die offensichtlich ein Gefühl für Ästhetik in der Architektur sich angeeignet hat, und nicht den Architektenlobbys oder Politikern die eine Minderheit sind eine Bühne geben um sich zu profilieren. Der Wille der Mehrheit wie es ja eigentlich in einer Demokratie der Fall sein sollte, muss von der Denkmalschutzbehörde berücksichtigt werden und nicht die Hirngespinste einer lauten Minderheit wie der Brutalismusfans oder der Plattenbauliebäugler, wo wirklich jeder normale Mensch den Kopf schüttelt, wenn man ihm sagt, dass seine WBS 70/11 Nachbarplatte "unter Denkmalschutz" steht und die Bewohner dort nicht mehr groß ändern dürfen...

  • Besonders das mit dem künstlerischen Urheberrecht ist ein gutes "neues" Argument gegen die modernistischen Verstümmleungen im Namen des Denkmalschutzes!

    Was ist denn das für ein Unsinn? Ein Schutz durch ein Urheberrecht besteht bei den Bauwerken, über die wir hier sprechen, überhaupt nicht. Und verstümmelt wird hier gar nichts. Vielmehr wird bewahrt, was spätere Generationen an einem Bauwerk verändert haben, insofern es einen Schutzwert besitzt. Das ist das grundlegende Wesen des Denkmalschutzes!

    Ich würde sogar noch weiter gehen: der sogenannte "Denkmalschutz" ist mitlerweile ein absolut willkürliches Instrument des (politischen) Zeitgeistes geworden. Durch seine Pseudowissenschaft mit der "Zeitschichtenideologie" macht er sich selbst lächerlich, denn wenn man diese genau befolgt bräuchte man ihm ja auch nicht

    Es hat immer etwas Bemittleidenswertes an sich, wenn Unkundige eine Wissenschaft derart beschimpfen. Nur der Tatsache, dass die Denkmalpflege sich auf internationalem Parkett seine heute gültigen Standards erarbeitet hat, haben wir es zu verdanken, dass Menschen wie du überhaupt eine große Anzahl erhaltener historischer Bauwerke bewundern dürfen.

    Dein pauschales Bashing gegenüber der Denkmalpflege ist absolut indiskutabel. Es ist eine Beleidigung für jeden Bauforscher und für Menschen, die sich für Denkmalschutz einsetzen. Aber das war sicher auch deine Absicht, einfach mal alle provozieren, die wirklich etwas von Denkmalpflege verstehen.

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  • Manchmal frage ich mich (und das nicht erst seit Gestern) ob du 'verehrter' tegula in unserem Forum wirklich richtig bist, dass die vielerorts (natürlich nicht überall wie ich schon sagte der ländliche Raum in Hessen zb ist vorbildlich, was dort áuch von den Behörden geleistet wurde, warum nicht bundesweit ohne das "Zeitschichtendogma"? )modernistische, rekofeindliche Agenda des heutigen Denkmalschutzes kritisch betrachtet? Ständig bis du am herumpoltern und "dagegenhalten" bei Meinungen die dir nicht passen. Es ist einfach nur noch schwer erträglich mit so jemanden intoleranten noch auf einer Ebene zu diskutieren, für dem alles andere ja eh "Unfug" ist. Von daher ignorieren ist in diesem Falle wirklich Gold wert und ab sofort geboten! Deshalb: lassen wirs gut sein...

  • Was ist denn das für ein Unsinn? Ein Schutz durch ein Urheberrecht besteht bei den Bauwerken, über die wir hier sprechen, überhaupt nicht. Und verstümmelt wird hier gar nichts. Vielmehr wird bewahrt, was spätere Generationen an einem Bauwerk verändert haben, insofern es einen Schutzwert besitzt. Das ist das grundlegende Wesen des Denkmalschutzes!

    Das Urheberrecht macht keine Unterschiede bei Werken verschiedenster Art. Es schützt den Urheber gegen unerlaubtes Benutzen, Kopieren, Verändern oder Zerstören. Und es regelt seine Ansprüche auf Namensnennung und Vergütungsanspruch. Gleich, ob es sich um Schriften, Bilder, Tondokumente oder bildende Kunst in Form von Figuren oder Bauwerken handelt. Diese Ansprüche enden in der Regel erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Danach gelten die Werke als gemeinfrei.

  • Vielmehr wird bewahrt, was spätere Generationen an einem Bauwerk verändert haben, insofern es einen Schutzwert besitzt.

    Genau das ist der Punkt, um den es sich ja dreht. Nach welchen Kriterien richtet es sich, ob eine Veränderung an einem Bauwerk durch spätere Generationen selbst einen Schutzwert besitzen (1.) oder eben nicht, und dadurch den Schutzwert des gesamten Gebäudes, auch seiner originalen und schützenswerten Elemente auslöschen (2.) Zu dieser Fragestellung, des "Hop oder Top" habe ich noch keine überzeugende Erklärung gehört.

    Und tatsächlich ist es doch so, dass die größten Kritiker der Denkmalpflege doch die Bauforscher und Menschen, die sich für Denkmalschutz einsetzen, selbst sind. Es ist also nicht so, dass der Denkmalschutz von "Unkundigen" kritisiert wird, sondern tatsächlich vielmehr von Menschen, die sich selbst praktisch für Denkmalschutz einsetzen. Es ist schlichtweg so, dass es keine Festlegungen gibt, wann etwas schützenswert ist und wann nicht. Und die Tatsache, dass Denkmalschutz aufgehoben wird, wenn er einem Projekt im Weg steht, macht das ganze noch ärgerlicher.

    Nein, der Denkmalschutz ist sowohl in seiner grundsätzlichen Ausrichtung, manche mögen es "Ideologie" nennen, als auch in seiner verwaltungsbehördlichen Ausformung und Kommunikation selbst hoch sanierungsbedürftig. Ich habe auch das Gefühl, dass sich der Denkmalschutz als Bewahrer von Baukunst weit von anderen Formen wissenschaftlicher Bearbeitung von Kunst und Geschichte entfernt hat. Die Gründe für mein Unbehagen diesbezüglich habe ich ja schon weiter oben ausgeführt.

    Ich frage mich ja selbst, wozu eine Stadt wie Nürnberg eigentlich ein "Denkmalstadel" angelegt hat, Lagerplätze für denkmalgeschützte Elemente, die an Ort und Stelle nicht mehr bewahrt werden sollten (denn "können" geht immer, wenn man will). Da diese Teile ja nie wieder an Ort und Stelle verbaut werden können, wozu sie dann einlagern. Dann kann man sie auch dokumentieren und anschließend verkaufen oder recyclen. Aber das hat sich auch erledigt, die Stadt Nürnberg wird das Denkmalstadel wohl aufgeben, wie ich gehört habe. Institutionalisiertes Versagen.

  • Ja wir sind hier fast wieder da, wo es beim Dresdner Schloss schonmal war, Die Leute haben sich ihre Abschlüsse und die sonstigen Nachweise ihres Wissens unter die Nase gehalten, die in Rede stehenden Sphingenköpfe wurden nicht schöner. Fliese wollte ich schonmal fragen, ob er ein Lehramt innehat, oder anstrebt. Er hat dieses absolut belehrende Wesen. Als Mensch mag er ja nett sein, aber hier ist doch die Besserwisserei zu merken.

  • Fachwerkliebhaber

    Wir hatten hier ein kontroverse, aber sachbezogene und fruchtbare Diskussion mit Leonhard und nothor. Ich bin dankbar dafür, die reduzierte und puristische Sichtweise auf das Original näher erläutert bekommen zu haben. In der Theorie ist das auch ein schöner Ansatz, in der Praxis des Denkmalschutzes lässt sie sich aber nur durch Zerstörung von Bausubstanz realisieren. Ich bin mir aber sicher, dass wir in einigen Jahrzehnten so weit sind, dass VR in der Lage ist, Tastsinn, Geruch und Geschmack so zu imitieren, dass man sich den Zustand eines Bauwerks aussuchen kann, durch den man wandeln möchte. Den Unterschied zu realen Welt wirst du nicht mehr bemerken. Dann wird auch der Wunsch von Leonhard Realität. Bis dahin wird die Denkmalpflege ihre auf wissenschaftlichen Erkenntnissen fußenden und substanzerhaltenden Methoden weiter schärfen. Ich kann die versichern, dass man auch in Hessen nicht mit anderen Standards arbeitet als im Rest der Welt. Das beinhaltet natürlich auch, dass man sich bei Einzelentscheidungen kritischen Fragen stellen muss.

    Du dagegen platzt in diese Diskussion hinein, verunglimpfst die Denkmalpflege als "Pseudowissenschaft" mit einer "Zeitschichtenideologie" (was für ein absurdes Unwort; nicht alles, was du nicht nachvollziehen kannst, lässt sich mit einer Ideologie kombinieren). Und ja, ich erlaube es mir, diesen pauschalen Angriff entschieden zurückzuweisen. Ich habe wahrscheinlich länger Einblick in die Arbeit der Denkmalpflege als du auf der Welt bist. Ich habe dort diverse Freunde und Bekannte sitzen und arbeite auf verschiedensten Ebenen mit ihnen zusammen.

    Also verschone mich mit deinen provozierenden Fragen, ob ich im Forum richtig aufgehoben bin. Bis zum nächsten Mal empfehle ich dir weiterhin die schon genannte Lektüre:

    Achim Hubel, Denkmalpflege, Stuttgart 2006

    Gottfried Kiesow, Denkmalpflege in Deutschland, Darmstadt 2000

    Leo Schmidt, Einführung in die Denkmalpflege, Darmstadt 2008

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

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  • Und tatsächlich ist es doch so, dass die größten Kritiker der Denkmalpflege doch die Bauforscher und Menschen, die sich für Denkmalschutz einsetzen, selbst sind. Es ist also nicht so, dass der Denkmalschutz von "Unkundigen" kritisiert wird, sondern tatsächlich vielmehr von Menschen, die sich selbst praktisch für Denkmalschutz einsetzen. Es ist schlichtweg so, dass es keine Festlegungen gibt, wann etwas schützenswert ist und wann nicht. Und die Tatsache, dass Denkmalschutz aufgehoben wird, wenn er einem Projekt im Weg steht, macht das ganze noch ärgerlicher.


    Natürlich verkommt der Denkmalschutz in Einzelfällen zum zahnlosen Tiger.

    Das ist aber kein Grund, die Standards, die man international und in einer jahrelangen Entwicklung erarbeitet hat, fundamental in Frage zu stellen. Oberste Prämisse der Denkmalpflege ist der Bestandsschutz nicht das Sichtbarmachen des Originals auf Kosten späterer Schichten. Und natürlich ist es bei jedem Objekt eine Abwägung, was erhaltenswert ist und was nicht. Schlagen wir eine barocke Rankenmalerei in einem Bürgerhaus aus dem 16. Jh. ab, damit darunter das renaissacezeitliche Kandelaber-Motiv sichtbar wird? Die heutige Denkmalpflege würde dies in aller Regel verneinen und das ist existenziell für das Verständnis und die Ziele von Denkmalpflege. Entfernen wir die neugotische Überformung an einem gotischen Kirchenbau, um das mittelalterliche Original wieder zu erhalten? Noch vor 100 Jahren hätte die Antwort vielleicht ja geheißen. Ich finde es doch bedenklich, dass hier einige fordern, wieder dahin zurück zu kommen und die Denkmalpflege dafür beschimpfen, diesen fatalen und unumkehrbaren Schritt nicht mehr zu gehen.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Das Urheberrecht macht keine Unterschiede bei Werken verschiedenster Art. Es schützt den Urheber gegen unerlaubtes Benutzen, Kopieren, Verändern oder Zerstören. Und es regelt seine Ansprüche auf Namensnennung und Vergütungsanspruch. Gleich, ob es sich um Schriften, Bilder, Tondokumente oder bildende Kunst in Form von Figuren oder Bauwerken handelt. Diese Ansprüche enden in der Regel erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Danach gelten die Werke als gemeinfrei.

    Danke, kannst du hier bei mir nachlesen: https://www.zeilenabstand.net/urheberrecht-u…-lichtbildwerk/

    Nur hilft das her wenig bei unserem Thema.

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  • Ich kann mal Schulze-Naumburg "Kulturarbeiten" empfehlen. Der Mann hatte ganz vernünftige Ansichten. Den Rest kenne ich, aber um den geht es hier nicht. Vor allem hatte er den Umgebungsschutz für wichtig erachtet. Ich persönlich ärgere mich nämlich immer über die zwanghaft modernistischen Füllbauten. Z.B. das neue Besucherzentrum in Schulpforte bei Naumburg. Nur weil in einem dieser Lehrbücher steht, dass man nicht historisieren darf, müssen die Leute auf Glas und Waschbeton gucken. Ich finde dieses Doktrinäre widerlich. Ich bin natürlich auch kein Freund von Glas und Beton. Ich mag da einige super angepasste Neubaulösungen in England, wo es Glas und Waschbeton nicht so häufig gibt. Bild von Stiftung-Schulpforta.de

  • Danke, kannst du hier bei mir nachlesen: https://www.zeilenabstand.net/urheberrecht-u…-lichtbildwerk/

    Nur hilft das her wenig bei unserem Thema.

    Im Gegenteil, denn dein Link betrifft nur die bildhafte Darstellung. Der Urheber eines körperlichen Werks, einer Skulptur oder auch einer Fassade, genießt genau denselben Schutz. Es ist dabei völlig unerheblich, ob er allein oder im Auftrag etwas geschaffen hat und ob er dafür entlohnt wurde. Er bleibt Urheber. Natürlich fehlt an einer glatten unverzierten Fassade der schöpferische Aspekt.

  • Entfernen wir die neugotische Überformung an einem gotischen Kirchenbau, um das mittelalterliche Original wieder zu erhalten? Noch vor 100 Jahren hätte die Antwort vielleicht ja geheißen. Ich finde es doch bedenklich, dass hier einige fordern, wieder dahin zurück zu kommen und die Denkmalpflege dafür beschimpfen, diesen fatalen und unumkehrbaren Schritt nicht mehr zu gehen.

    Aber worin besteht der Unterschied? Die neugotische Überformung einer gotischen Kirche war vor 80 - 100 Jahren vielleicht 40 bis 60 Jahre alt. So alt, wie heute die 60'er-Jahre Einbauten in einem Jugendstilhaus sind, und die oft pauschal als "neuzeitlich" diskreditiert und zum Abriss freigegeben werden. Diejenigen 60'er-Jahre Einbauten in einem Jugendstilhaus, die es schaffen noch weitere 40 Jahre oder länger zu überdauern, werden von späteren Generationen von Denkmalschützern dann womöglich wieder so bewertet, wie wir heute die neugotische Hinzufügung in einem gotischen Kirchenraum schätzen.

    Was ich damit sagen will, da ist schon etwas dran wenn man findet, dass der

    Denkmalschutz heutiger Prägung absolut überflüssig

    ist, denn er führt zu vergleichbaren Ergebnissen wie vor seiner Zeit.

    Worum sich die Denkmalpflege leider erfolgreich drückt sind Dimensionen wie "Architektenentwurf", der immer wieder vom Zeitschichtenargument überlagert und ausgestochen wird, und von "Qualität", mit der die Beurteilung einer Überformung einhergeht. Denn soweit Überformungen nicht historisch begründet und als geschichtlich bedeutsam nachgewiesen werden können, führen sie stets zum Verlust der Schutzwürdigkeit insgesamt, egal ob sie den Architektenentwurf "weiterspinnen" oder unpassend negieren. Doch letzteres ist leider genau die aktuelle Denkmalschutzpraxis, in der notwendige Hinzufügungen an einem Denkmal gewollt unpassend sein müssen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich künftige Generationen darüber sehr ärgern werden, denn ob ein Teil original ist oder nicht muss man nicht durch Hässlichkeit kenntlich machen. Das kann man durch saubere Dokumentation festhalten oder eben durch Materialanalysen etc. erkennbar machen. Die Architektur ist nunmal keine Wissenschaft, sondern eine Kunst, ihr die Emotionalität zu rauben ist m.E. keine Leistung, sondern ein Vergehen. Deswegen steht die Denkmalschutzpraxis so oft in der Kritik.

  • Nur dass die Neugotik zur Gotik passt, der 60iger Jahre Einbau zum Jugendstil - ungesehen - nein. Das ist mir schon als Kind aufgefallen, dass Sperrholz und Zwischenwände, die den Stuck zerschneiden nicht passen. Ansonsten d'accord.

  • Der Urheber eines körperlichen Werks, einer Skulptur oder auch einer Fassade, genießt genau denselben Schutz. Es ist dabei völlig unerheblich, ob er allein oder im Auftrag etwas geschaffen hat und ob er dafür entlohnt wurde. Er bleibt Urheber. Natürlich fehlt an einer glatten unverzierten Fassade der schöpferische Aspekt.

    Und an welcher Stelle habe ich etwas anderes behauptet? Du sprichst richtige Dinge an, die niemand bestritten hat und die auch keine Hilfe in der Diskussion sind.

    Aber worin besteht der Unterschied? Die neugotische Überformung einer gotischen Kirche war vor 80 - 100 Jahren vielleicht 40 bis 60 Jahre alt. So alt, wie heute die 60'er-Jahre Einbauten in einem Jugendstilhaus sind, und die oft pauschal als "neuzeitlich" diskreditiert und zum Abriss freigegeben werden. Diejenigen 60'er-Jahre Einbauten in einem Jugendstilhaus, die es schaffen noch weitere 40 Jahre oder länger zu überdauern, werden von späteren Generationen von Denkmalschützern dann womöglich wieder so bewertet, wie wir heute die neugotische Hinzufügung in einem gotischen Kirchenraum schätzen.

    Ich habe nicht das Gefühl, dass der Jugendstil pauschal als minderwertig eingestuft wird, wie es mit dem Historismus früher der Fall war. Es werden doch allerorten prägende Jugendstil-Bauten wie in Wien, Darmstadt oder Prag unter Denkmalschutz gesetzt. Schwieriger haben es dagegen natürlich bescheidene bürgerliche Bauten in mancher Kleinstadt oder in den Villenvororten. Nicht jeder Bau kann geschützt werden. Leider. Und manchen erwischt es unnötig oder weil wirtschaftliche Interessen dann doch höher wiegen.

    Doch letzteres ist leider genau die aktuelle Denkmalschutzpraxis, in der notwendige Hinzufügungen an einem Denkmal gewollt unpassend sein müssen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich künftige Generationen darüber sehr ärgern werden, denn ob ein Teil original ist oder nicht muss man nicht durch Hässlichkeit kenntlich machen.

    Ja, ich gestehe ein, dass ich mich mit dieser Praxis auch häufig schwer tue. Solange dabei aber keine Bausubstanz vernichtet wird, ist es ja eines Tages reversibel.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

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