Institutionen des Denkmalschutzes in der Kritik

  • Auf dem Gelände der Frankfurter Großmarkthalle soll demnächst die Zentrale der Europäischen Zentralbank (177 Meter, Baukosten 500 Mio. €) gebaut werden. Nach den Plänen soll ein schmaler Baukörper quer durch die Großmarkhalle „hindurchgesteckt” werden. http://www.faz.net/s/RubABE881A6669742C2A5EBCB5D50D7EBEE/Doc~E984800FC2FA14DD7A9FEBA7ED718D8EE~ATpl~Ecommon~Scontent.html\r
    http://www.faz.net/s/RubABE881A6669742C ... ntent.html
    Hinter der Halle entsteht dann in der Nähe des Mains die EZB-Zentrale. Seltsam finde ich nur wie mit dem denkmalgeschütztem Gebäude der Großmarkthalle umgegangen wird, da die Bauarbeiten wohl nicht ohne massive Eingriffe in die bestehende Substanz auskommen werden. Um nicht missverstanden zu werden: Ich finde das Projekt interessant und stehe dem nicht ablehnend gegenüber, aber....

    Wie weit lässt sich der Begriff Denkmalschutz ausdehnen, wenn das Gebäude praktisch "überbaut" wird?

    Den ersten Platz des Architekturwettebwerb hat das Büro "Coop Himmelb(l)au" gewonnen. Ein Zitat der Gründer: "Architektur müsse leuchten, brennen, schmerzen, stechen und fetzen, forderten Wolf D. Prix und Helmut Swiczinky, die Gründer von Coop Himmelb(l)au, zu Beginn der achtziger Jahre und schickten sich an, den propagierten «Aufbruch» baulich umzusetzen."

    http://www.nextroom.at/building_article.php?building_id=15821&article_id=12289\r
    http://www.nextroom.at/building_article ... e_id=12289

    Das Zitat hat mich an den Züricher Architekt oder Designer erinnert, der es am schlimmsten gefunden hätte wenn seine Straßenbeleuchtung von allen akzptiert worden wäre und keine Diskussion ausgelöst hätte.

    http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?t=1097\r
    http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?t=1097

    Um das Gebäude hier geht es:


    http://www.altfrankfurt.com/Verschiedenes/Grossmarkthalle.jpg\r
    http://www.altfrankfurt.com/Verschieden ... thalle.jpg

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Zitat

    Wie weit lässt sich der Begriff Denkmalschutz ausdehnen, wenn das Gebäude praktisch "überbaut" wird?


    Ich glaube, es hängt davon ab in welcher Kategorie dieses Gebäude geschützt ist. Vielleicht besteht in diesem Falle nur Fassadenschutz.

  • Brandenburg: Ergebnis der Novellierung unzureichend

    KRITIK Die Überarbeitung des Denkmalschutzgesetzes habe sich laut Ministerin bewährt. Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund fordern Verbesserungen.

    http://www.nordkurier.de/index.php?obje…18c66d764ff5f9d

    Die Dezentralisierung und Verlagerung der Kompetenzen zu den Gemeinden und Landratsämtern ohne Einschaltung der Landesfachbehörde hätte sicher einen "pragmatischeren" und vielleicht politischeren Umgang mit Baudenkmälern zur Folge. Insbesondere würden wohl weniger strenge Anforderungen an die Denkmalverträglichkeit einer Maßnahme gestellt werden. Dies könnte zur Aushöhlung des Denkmalschutzes führen.
    Auf der anderen Seite sind die Landesdenkmalpfleger teils sehr dogmatisch und ihre Einschaltung verzögert häufig die Verfahren.

  • Der Fall Schoeler-Schlösschen
    Die Stiftung Denkmalschutz Berlin wird zunehmend zum unkontrollierten Konkurrenten der wissenschaftlichen Denkmalpflege

    Zwar solte offensichtlich nicht jeder machen, was er will, aber die zeitgenönissische sog. "wissenschaftliche Denkmalpflege" mit all ihren Irrtümern kann auch kein Maßstab sein.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Richtig.

    Zitat

    Werden in Berlin weiterhin die wissenschaftlich abgesicherten Maßstäbe der Denkmalpflege gelten, oder bestimmt ein einzelner mit seinen Interessen und seinem Geschmack, was wichtig ist für unser Geschichtsbild?

    Dieser Frage liegt die falsche Vorstellung zugrunde, die "wissenschaftlich abgesicherten Maßstäbe der Denkmalpflege" seien unabhängig vom jeweiligen Zeitgeist.

  • Die Wochenzeitung "Die Zeit", die heute erscheint, macht heute groß unter dem Titel "Rettet die alten Häuser"auf. Thema ist die gigantische Zerstörung des städtebaulichen Kulturguts in Deutschland in den letzten Jahren Jahren durch Abriss, An- und Umbauten. Dabei wird auch die Rolle des öffentlichen Denkmalschutzes ausgesprochen kritisch gewürdigt. Leider sind die mehrseitigen Beiträge (noch) nicht online. Die Lektüre ist aber absolut empfehlenswert. Ist glaub', es ist das erste Mal, dass ein so großes, wichtiges Presseorgan das Thema "Umgang mit der historischen Bausubstanz in Deutschland" zum Titelthema macht.

  • ..kleine Ergänzung zum Feature der "ZEIT" (http://www.zeit.de">http://www.zeit.de). Die Beiträge lauten wie folgt:

    * Denkmalschutz: Die Republik zerstört ihr kulturelles Erbe Von Hanno Rauterberg [Seite 31]


    * Gefährlicher Eifer: Die Denkmalideologen schützen Schönes und Hässliches gleichermassen Von Jens Jessen


    * Die Schauspielerin Nadja Uhl über das Leben im eigenen Denkmal [Seite 32]


    * Wie sich Denkmalschutz auszahlt - die Pulverfabrik in Rottweil Von Roland Müller [Seite 33]


    * Der englische National Trust ist die größte Bürger- initiative der Welt Von Nikolaus Bernau


    * Zu viele Vorschriften behindern den Denkmalschutz Von Philipp Meuser

  • ..eben, das ist ja das erstaunliche!

    nun, wenn schon das leib- und magenblatt des deutschen intellektuellen damit anfängt das hohe lied der giebel, erker und sprossenfenster zu singen, dann deutet sich hier möglicherweise eine trendwende an.
    und vielleicht ist es in bestimmten kreisen bald gar nicht mehr chic, sich für klare linien und kuben aller arten zu begeistern...

  • Merkwürdigerweise sehe ich fast ausschließlich Möchtegernintellektuelle diese Zeitung lesen, aber dass sie sich damit beschäft, ist schonmal gut, wobei es freilich darauf ankommt, wie sie mit dem Thema umgeht. Die Überschriften sind einigermaßen vielversprechend. Mal sehen, viell. hole ich mir ausnahmsweise mal wieder eine Ausgabe (auch wenn mich die letzten, die ich über die letzten Jahre hinweg gekauft habe, maßlos enttäuscht und geärgert haben).

    An ein großes Umdenken glaube ich erst, wenn ich es sehe. ;)

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • die lektüre lohnt sich. erfreulich ist vor allem die tatsache, dass dem thema so breiter raum eingeräumt wird und wie gesagt , die art und weise wie denkmalschutz seitens der öffentlichen hand ausgeübt wird, wird sehr kritisch gesehen.
    schön wäre es, wenn solche beiträge zu einem mentalitätswechsel beitragen könnten

  • die lektüre lohnt sich. erfreulich ist vor allem die tatsache, dass dem thema so breiter raum eingeräumt wird und wie gesagt , die art und weise wie denkmalschutz seitens der öffentlichen hand ausgeübt wird, wird sehr kritisch gesehen.
    schön wäre es, wenn solche beiträge zu einem mentalitätswechsel beitragen könnten

  • Wirklich ein lesenswerter Artikel, der klar ausspricht, was eigentlich jeder weiß bzw. wissen müßte.
    Ob nun die Vielzahl der Tricks, mit denen Behörden, Bauherren und Eigentümer sich "ihrer" Baudenkmäler entledigen; die völlige Überforderung und Unterfinanzierung des "Denkmalschutzes", der auch noch den letzten 70er Jahre Klotz unter Schutz stellen will und das Fachwerkhaus von 1392 links liegen läßt; selbst solche "Kleinigkeiten" wie:

    Zitat

    Offenbar ist der Drang vieler Deutscher nach Sauberkeit und Ordnung unerbittlich. Anders als in Italien oder Frankreich, wo eine Wand auch mal fleckig, ein Pfeiler mal rissig sein darf, muss hierzulande das Alte aussehen wie gerade errichtet

    Und dabei wird die von den meisten hingenommene lautlose Vernichtung von Baudenkmälern im ländlichen Raum, wo die "zweite Zerstörung" nach 1945 zumeist die allererste war, eigentlich (fast) noch nicht einmal erwähnt...

  • Der zweite Artikel ist zwar nett, aber eigentlich zu kurz, um ihn ernst zu nehmen.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Erschreckend sind vor allem die Zahlen in dem Zeit Artikel. Dort heisst es:

    Zitat

    Die Opferzahlen sind gewaltig: Bayern meldet 30000. 30000 Gebäude in nur drei Jahrzehnten, unter Denkmalschutz gestellt und dennoch ausgelöscht. ... In anderen Bundesländern sieht es nicht besser aus: Niedersachsen hat seit 1993 rund 20000 Bauwerke von der Denkmalliste gestrichen, Sachsen-Anhalt sogar 50000. Manche Gebäude haben die Denkmalschützer einfach aussortiert, weil sich ihre Kriterien gewandelt haben. Andere Bauten gelten nicht mehr als Denkmal, weil ihr Inneres umgewandelt wurde. Doch wie man auch rechnet: Die Verluste sind gigantisch. In den letzten 30 Jahren seien rund 300000 Denkmale in Deutschland zerstört worden, schätzt Uta Hassler, Professorin für Denkmalpflege und Bauforschung in Zürich. Ein Land verliert sein Gedächtnis.

    :schild4:

  • Zu diesem Punkt und den betreffenden Zahlen:

    Zitat

    Zitat:
    Seit 1945 sind weit mehr Baudenkmale gefallen als im Bombenkrieg

    Wenn das so stimmt ist das eine wirklich erschreckende Tatsache!

    Ich bin mir da ja nach wie vor nicht sicher, ob das wirklich stimmt.

    1.) Die Zahl von 300 000 vernichteten Denkmalen in den letzten dreißig Jahren ist eine bloße Schätzung von Frau Hassler, die ich zumindest sehr hoch angesetzt finde, wahrscheinlich auch um des Schockeffekts willen.

    2.) Die Zahl bezieht sich auf das, was Denkmalbehörden als Denkmäler ausgewiesen haben. Darunter dürfte auch so mancher Bau gewesen sein, den viele von uns nicht unbedingt als denkmalwürdig betrachten würden (z.B. auch viele Nachkriegsbauten)

    3.) Umgekehrt rechnen die Verfechter dieser These viele Bauten der kriegszerstörten Städte vermutlich gar nicht als "Denkmale" (eine offizielle "Denkmalliste" gab es damals ja auch noch gar nicht). Das dürfte mindestens alle zerstörten Gründerzeitler, aber auch so manches unspektakuläre frühneuzeitliche oder mittelalterliche Häuschen betreffen.

    4.) In Deutschland wurden im Bombekrieg knapp über 160 Städte und mehrere hundert Dörfer zerstört. Wenn ich allein Köln, Nürnberg, Braunschweig und Frankfurt zusammenrechne, komme ich auf rund 10 000 zerstörte Bauten aus Mittelalter und Früher Neuzeit und dabei sind die zerstörten Bauten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert noch gar nicht mitgerechnet. Das dürften mindestens noch einmal so viele sein. Rechne ich das jetzt auf 160 Städte und mehrere hundert Dörfer hoch, komme ich zu Zahlen, die nicht wesentlich unter 300 000 liegen.