Berlin-Mitte - Alt-Cölln, Petriplatz

  • In einer Projektstudie beschäftigt sich die urbanspaces-Unternehmensgruppe mit dem Areal des ehemaligen Bauministeriums der DDR (Breite Straße 15-17), welches derzeit abgerissen wird. So schlägt die Unternehmensgruppe die Rekonstruktion von 3 Bauten aus der Zeit des Großen Kurfürsten vor.

    Da ich nicht weiß, ob ich das Bild direkt einstellen darf hier der Link: http://www.urbanspaces.de/index.php/proj…drei-schwestern

    Es wäre genau das Richtige für dieses Areal und man kann nur hoffen, dass man in der Verwaltung endlich zur Besinnung kommt und zumindest einige Rekonstruktionen erlaubt, nicht nur, weil sie einfach schön aussehen, sondern weil sie Geschichte erlebbar machen und ein Berlin zeigen, was es so leider nur noch sehr selten gibt. Also her damit :smile:

    APH - am Puls der Zeit

  • Eine derartige Bebauung wäre stadtbildnerisch eine super Sache für die in diesem Abschnitt ruinierte Breite Straße.

    Allerdings: Aus kurfürstlichen Zeiten sollen die zum Vorbild genommenen Bauten stammen? 5-geschossige giebelständige Barockhäuser?
    Wohl eher aus einer anderen Stadt zu Zeiten des Großen Kurfürsten...

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Die Ursprungsbauten hatten nur ein bis zwei Stockwerke. In dieser Lage wären solche Gebäude aber wohl kaum durchsetzbar, weil einfach die Rentabilität nicht gegeben ist. so hat man 2 bzw. 3 Stockwerke dazwischengeschoben. D.h., dass das Erdgeschoss und das darüber liegende Geschoss sowie die Dachzone inklusive den Giebeln den historischen Bauten entsprechen, dazwischen stockt man dann auf. Ein meiner Meinung nach guter Kompromiss, denn jedem sollte klar sein, dass ein Investor bei diesen Grundstückpreisen kein zweigeschossiges Bauwerk planen kann und wird. Man muss einfach sagen, dass in diesem Bereich jeder historisierender Bau ein Gewinn wäre, auch wenn es keine 1:1 Reko werden wird!

    APH - am Puls der Zeit

  • Hört sich interressant an.

    Da im Bereich Breite Straße / Brüderstraße noch einige historische Haüser vorhanden sind, ist es nach meiner Meinung unbedingt notwendig, die neu zu errichtende Bebauung an diese anzupassen. Auch an deren Höhe!

    Sind die historischen Ursprungsbauten dier Neubauten im Rahmen der Verbreiterung der Breiten Straße abgerissen, Kriegsschäden oder bereits vorher beseitigt worden? Ein Teil der historischen Bebbuung Breiten Straße war nach dem Krieg ja schon wieder instandgesetzt und wurde erst im Zusammenhang mit Umgestaltung des Stadtzentrums abgebrochen bzw versetzt.

    Wichtig ist auch, dass die Bauflucht der Breiten Straße auf den Zustand vor dem Umbau in des 60 iger Jahren zurückgeführt wird. Die Strasse ist trotz ihres Namens zu breit für die vorhandene historische Bebauung.

  • Historisch gesehen war die Breitestraße ein Mischgebiet, staatliche Bauten, Läden, Wohnen und auch Betriebe (z. B. Firma Kühne). Wollte mnan hier rekonstruieren, müsste man wirkliche Erkenntniss über die frühere Architektur haben. Wie man auf den folgenden Bildern aber sehen kann, wäre das aber kaum möglich.

    Mal eine Luftaufnahme, so um 1925:

    Auf der Ostseite gab es viel Staatliches:

    Die westliche Seite vom Cöllnischen Fischmarkt gesehen 1887:

    Die Herzoghäuser Breitestraße 12-17, aus einem Katalog der Firma Hertzog:

    Wie brutal hier an der Breitestraße schon in den letzten Jahren gebaut wurde zeigt das Haus der Wirtschaftsverbände und lässt kaum für die Zukunft hoffen:

  • Der 'Block' des Kaufhauses Rudolph Hertzog ist in diesem Bild über die Breite Straße hinweg aus dem 1. Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Gänze zu sehen:

    Das 2. Haus von rechts (N°11) ist das Ermelerhaus, welches Ende der 60er Jahre abgebrochen und an das Märkische Ufer "versetzt" wurde.

    Noch an der Breiten Straße 1950:

    Und immer noch dort und restauriert 1964:

    Zu sehen ist auch jeweils, dass das Nachbarhaus N°10 (Eckhaus zur Neumanngasse) noch steht.


    Zur Übersicht noch dieser polizeiliche Straßen- und Parzellenplan der Breiten Straße und der Cöllner Umgebung aus dem Jahr 1812:

    In diesem (wohl vergriffenen) Buch von Laurenz Demps et al. werden sich wohl noch viele detailliertere Informationen über die frühere Bebauung der Breiten Straße finden lassen.

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    (Immanuel Kant)

  • Die ursprünglichen Bauten aus dem 17. Jahrhundert sind in zwei Abbildungen tradiert:

    Die Urbanspaces-Leute haben das gleiche gemacht, wie es beim Ribbeck-Haus im 19. Jahrhundert gemacht wurde: Giebel runter, Gurtgesims und zwei Geschosse rein, Giebel wieder drauf. Ich finde, das Ergebnis kann sich sehen lassen.

  • Gerade dieses Areal würde sich für eine Annäherung an die historischen Originale anbieten. Zusammen mit dem Schloss, dem Klosterviertel und dem Marx-Engels-Forum hätte man die einmalige Chance, Berlin das historische Herz wiederzugeben. Theoretisch wäre alles so einfach, es würde niemandem weh tun, es braucht nur Mut und einige müssten einfach mal über ihren Schatten springen. Leider geben die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs zur Neubebauung des Petriplatzes nicht viel Anlass zu Optimismus.

    Die Ursache liegt einfach in einem immer noch falschem Denken in diesem Land, was auch die Diskussion um die Namensgebung des Schlossplatzes deutlich wird. Auch wenn ich die historischen Leistungen eines Mannes wie Nelson Mandela über alle Maßen schätze, so sollte eine stolze Kulturnation wie Deutschland aber vielleicht auch erst mal in der eigenen Geschichte nach großen Persönlichkeiten suchen, um zentrale Plätze in seiner Hauptstadt zu benennen. Und manchmal will man den Verantwortlichen zurufen, dass die Geschichte dieses Landes auch vor 1933 respektable Persönlichkeiten zu bieten hatte, die es wert wären, namentlich im Herzen der Hauptstadt Erwähnung zu finden.

    Vieles läuft im Denken dieses Landes einfach immer noch falsch. Ich wünsche mir für die Zukunft mehr Selbstbewusstsein und mehr Stolz auf die eigene Geschichte und dazu zählt auch die Bewahrung und die Erinnerung an das kulturelle Erbe.

    APH - am Puls der Zeit

  • Es scheint doch so zu sein, dass die "Bebauung aus der Zeit des Großen Kürfürsten" bereits im 19. Jahrhundert abgebrochen und dann (oder später) durch die Bauten des Kaufhauses Hertzog ersetzt wurde. Baupläne, Aufmaße oder Ähnliches der barocken Bebauung dürfte es wohl nicht geben. Eine originalgetreue Rekonstruktion dieser Häuser kommt daher nicht in Betracht. Die entworfenen Neubauten, die sich einerseits an der barocken Bebauung orientieren, andererseits dem Bedürfnis einer effektiveren Nutzung des Raumes entgegen kommen, sind aus meiner Sicht dann doch eine ideale Ergänzung zu dem noch vorhandenden Bestand.

    Man sollte auch in Erwägung ziehen, das Ermelerhaus an seinen ursprünglichen Standort "zurückzuversetzten" bzw zu rekonstruieren. Das Ermelerhaus wurde nicht in Gänze an das Märkische Ufer "versetzt", sondern dort ein Neubau errichtet in den Teile des Originals eingbaut wurde. Es ist daher auch möglich, eine neue "Rekonstruktion" der Ermelhauses in der Breiten Straße zu errichten und dort die Originalteile einzubauen, ohne etwa historische Bausubstanz am Märkischen Ufer zu gefährden.

    Den Abriss der nach dem Krieg nur leicht beschädigten und teilweise bereits sanieten historischen Bebauung an der Breiten Straße sehe ich als einen der schlimmsten Verluste im historsichen Zentrum Berlins an, zumal hierfür nur eine, an dieser Stelle völlig sinnlose mehrspurige Straße, geschaffen wurde. Deren Rückbau würde die Möglichkeit bringen, zumindest einen Teil des historischen Berlins (genauer Cöllns) sogar mit originaler Bebauung, auferstehen zu lassen.

  • Zur Debatte über die Rekonstruktion der Breitestraße: die Straße wurde bereits in den letzten Jahren schmaler gemacht, die Achse zur Fischerinsel entspricht aber nicht der historischen, denn ursprünglich endete die Breitestraße am Köllnischen Fischmarkt und leicht versetzt führte die Roßstraße zur Roßbrücke, was heute bei den künstlich geweiteten Autopisten nicht mehr zu erkennen ist. Dort stand auch noch mindestens bis 1942 das Haus des Feldherrn Georg von Derfflinger ((1606 - 1695). Mit einigen Veränderungen hatte es die Zeiten überstanden.

    Hier ein Bild von den Revolutionstagen März 1848, Neuruppiner Bilderbögen:

    Das Derfflingerhaus nun leicht verändert und mit vier First-Figuren, die es sicher auch schon vorher gab, der Zeichner des Ruppiner Bilderbogens hat wohl während der Revolutionswirren nicht so genau darauf geachtet

    Köllnischer Fischmarkt 4-6, Ecke Rossstr, Leineweber, 1935:

    Blick auf die Situation Breitestraße, Köllnischer Fischmarkt, Luftaufnahme 1936. Die Verbreiterung des Mühlendammes ist eingeleitet, es wurden aber nur die nördlichen Häuser abgerissen (Stadtsparkasse, Palais Ephraim und andere), das Derfflingerhaus stand damals noch.


  • Das sog. Galgenhaus in der Brüderstraße 10 ist eines der ältesten noch existierenden Häuser Berlins (Baujahr 1688).

    Aufnahme aus dem Jahr 2012:

    Nach umfassender Restaurierung und neuer Nutzung durch eine Galerie zeigt es sich heute in neuer Schönheit.


    Noch älter ist der Alte Marstall (Baujahr 1665/70) in der Breiten Straße, hier in einer Aufnahme aus dem Jahre 1904:

    So sieht das Gebäude heute aus.

    Es fehlen also vor allem Tympanon, Fensterrahmungen und -verzierungen sowie die Portalbekrönung. Allerdings bin ich mir ziemlch sicher, dass ich irgendwo mal eine Nachkriegsaufnahme gesehen habe, auf der zu sehen war, dass zumindest das Tympanon halbwegs erhalten war. Wikipedia schreibt lediglich zum Wiederaufbau nach dem Krieg: " das Tympanonrelief und die Portalbekrönung, beides barocke Holzschnitzwerke, konnte jedoch nicht restauriert werden".
    Vielleicht weiß ja jemand mehr?

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    (Immanuel Kant)

  • Die Sanierung ist natürlich zu begrüßen, wenn ich aber den Bunker rechts daneben sehe, ist meine Freude aber schon wieder getrübt.

    APH - am Puls der Zeit

  • Es fehlen also vor allem Tympanon, Fensterrahmungen und -verzierungen sowie die Portalbekrönung. Allerdings bin ich mir ziemlch sicher, dass ich irgendwo mal eine Nachkriegsaufnahme gesehen habe, auf der zu sehen war, dass zumindest das Tympanon halbwegs erhalten war. Wikipedia schreibt lediglich zum Wiederaufbau nach dem Krieg: " das Tympanonrelief und die Portalbekrönung, beides barocke Holzschnitzwerke, konnte jedoch nicht restauriert werden".
    Vielleicht weiß ja jemand mehr?

    Die könnte man ja mit Epoxidharz nachbilden bzw. rekonstruieren. Das wäre mal ein löbliches weiteres (und finanziell überschaubares) Projekt, dessen sich die Gesellschaft Historisches Berlin annehmen sollte.

  • Es scheint doch so zu sein, dass die "Bebauung aus der Zeit des Großen Kürfürsten" bereits im 19. Jahrhundert abgebrochen und dann (oder später) durch die Bauten des Kaufhauses Hertzog ersetzt wurde. Baupläne, Aufmaße oder Ähnliches der barocken Bebauung dürfte es wohl nicht geben. Eine originalgetreue Rekonstruktion dieser Häuser kommt daher nicht in Betracht.


    Das ist falsch. Die Bauten des 17. Jahrhunderts sind keineswegs "abgebrochen" und "durch Bauten des kaufhauses Hertzog ersetzt", sondern nur mit neuen Straßenfassaden überformt worden. Grundstücks- und hausbreiten blieben gleich und ablesbar.

    Zudem gibt es nicht nur lückenlöse Katasterpläne, sondern auch verschiedendliche Aufrisse der Gebäude, die die Häuser bis auf den Zentimeter genau skizzieren. Zudem gibt es Aufmasse aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

    Deshalb sind die Häuser natürlich wiedergewinnbar.


    Moderationshinweis (Palantir): Bitte Beiträge nach dem Erstellen auf korrekte Darstellung (hier Zitat) überprüfen.

  • Wirkt auf mich so, als hätte man den Alten Marstall nach dem Krieg in seinen Renaissance-Zustand zurückversetzt und ganz absichtlich allen barocken Zierrat entfernt. Der Marstall und das anschließende Ribbeck Haus wirken so wie aus einem Guss. Heißt natürlich, dass man das Gebäude ganz sicher nicht mehr barockisieren wird, auch wenn man könnte.

  • Tut mir leid, aber bei Brüderstraße 10 kann ich nur sagen: Schöner Naturstein vom Maler vergewaltigt.
    Vorher sah es viel besser aus als jetzt so komplett weiß übertüncht.

    In dubio pro reko

    2 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (12. Januar 2014 um 07:35)

  • Wie kommst du denn darauf, dass es sich zuvor um eine Natursteinfassade gehandelt haben könnte?
    Die Fassade ist natürlich verputzt ist verputzt. idea:)

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    (Immanuel Kant)

  • Man hätte ja wenigstens farblich abstufen können, so wie es der alte Zustand noch zeigt, die Sockelzone und die Fensterbedachungen in einem anderen Ton. Jetzt sieht alles steril und monoton aus, so komplett Weiß überzogen. So eine "Sanierung" kommt für mich gleich nach der Fassadendämmung.

    In dubio pro reko

    3 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (12. Januar 2014 um 09:14)

  • Das Galgenhaus war wohl früher auch schon monochrom gestrichen. Die Sockelzone scheint nur besonders stark verwittert gewesen zu sein.

    In Bezug auf die bauliche Entwicklung von Neuem und Altem Marstall gibt es für mich einige offene Fragen:
    Nach dem Krieg wurde die Giebelfront des NMs an der Breiten Straße zu Lasten des AMs verbreitert und die Fassade umgebaut (nun 5 gleiche statt ehemals 3 Achsen mit Mittelbetonung). Warum diese aufwändige Lösung gewählt wurde, ist mir leider nicht klar.